Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 28/18

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 9.3.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.1.2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9.3.2018 wird ablehnt.

2. Der Hilfsantrag auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung wird abgelehnt.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird auf 8.952,42 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, der zuletzt den Dienstgrad des Obermaates innehatte, wendet sich gegen die Vollziehbarkeit seiner Entlassungsverfügung.

2

Zum 1.1.2013 trat der Antragsteller als freiwillig Wehrdienstleistender in die Bundeswehr ein. Ärztlichen Mitteilungen in der Personalakte des Antragstellers vom 19.9.2013 und 21.8.2014 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller zu diesen Zeitpunkten dienstfähig war und keine körperlichen Besonderheiten aufwies.

3

Am 19.11.2014 bestellte der Antragsteller über eine Internetplattform zehn Gramm Amphetamine. Am 1.12.2014 erfolgte die Berufung des Antragstellers in das Dienstverhältnis auf Zeit. Einer weiteren ärztlichen Mitteilung vom 6.3.2015 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller auch zu diesem Zeitpunkt dienstfähig war. Zum 1.7.2015 erfolgte die Zulassung des Antragstellers zur Laufbahn der Unteroffiziere mit Portepee mit dem Dienstgrad Feldwebel- bzw. Bootsmannanwärter. Gemäß der letzten Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses hätte das Dienstverhältnis des Antragstellers voraussichtlich mit Ablauf des 31.12.2020 geendet. Im Anschluss an die Laufbahnausbildung war der Antragsteller für eine Verwendung als Sanitätsfeldwebel im Sanitätsunterstützungszentrum vorgesehen gewesen.

4

Mit Strafbefehl (Az. 599 Js 46052/16) vom 9.11.2016 setzte das Amtsgericht Rendsburg aufgrund einer Straftat nach § 29 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30,00 € fest. In diesem Zusammenhang erhielt die Beklagte die Mitteilung über das anhängige Strafverfahren nach Nr. 19 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra). Mit Beschluss vom 21.2.2017 hob das Amtsgericht Rendsburg den Strafbefehl dahingehend auf, als es das Verfahren gegen Zahlung einer der ehemals festgesetzten Strafe entsprechenden Summe in Höhe von 450,00 € gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig einstellte. Das Verfahren ist mittlerweile vollständig eingestellt worden.

5

Mit Schreiben vom 23.6.2017 stellte der Kommandeur des Kommandos Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung gegenüber dem Antragsteller unter Ermahnung fest, dass er mit seinem Verhalten vom 19.11.2014 ein Dienstvergehen begangenen habe (Ziff. 1), jedoch von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abgesehen werde. Die durch den zuständigen Wehrdisziplinaranwalt geführten Vorermittlungen seien eingestellt worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 23.6.2017 (Bl. 17 f. d.A.) Bezug genommen.

6

Mit Schreiben vom 18.10.2017 nebst Anhörungs- und Eröffnungsvermerk gemäß § 55 Abs. 6 S. 2 Soldatengesetz (SG) erhielt der Antragsteller Kenntnis von der Einleitung des ihn betreffenden Entlassungsverfahrens. Drei im Rahmen jenes Verfahrens eingeholten Stellungnahmen ehemaliger Dienstvorgesetzter des Antragstellers und der gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 6 Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) angehörten Vertrauensperson vom 25.10.2017 und 1.11.2017 ist zu entnehmen, dass diese die Entlassung des Antragstellers nicht befürworteten. Hinsichtlich des konkreten Inhalts der besagten Stellungnahmen wird auf die zu den Akten gereichten Anlagen Ast10 – Ast12 (Bl. 28-31 d.A.) Bezug genommen.

7

Mit Bescheid vom 29.1.2018 erfolgte die Entlassung des Antragstellers zum 15.3.2018 unter Berufung auf § 55 Abs. 4 S. 2 Soldatengesetz (SG). In der Begründung heißt es, ein Feldwebelanwärter sei zu entlassen, wenn er sich nicht zum Feldwebel eigne. Von jedem Feldwebel werde u.a. erwartet, dass er seinen Dienst pflichtbewusst und gewissenhaft verrichte und mit Engagement, fachlichem Können und seiner persönlichen Autorität ein Vorbild für andere Soldaten sei. Der Antragsteller habe durch den Kauf von Amphetaminen nachgewiesen, dass er die charakterliche Eignung zum Feldwebel nicht besitze, was dazu führe, dass er den allgemeinen Anforderungen an einen Feldwebel nicht gerecht werden könne. Gerade im Hinblick auf eine Verwendung als Bootsmann im Sanitätsdienst wiege eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz schwer. Entlastende Tatsachen könnten auch unter Berücksichtigung der für den Antragsteller sprechenden Stellungnahmen und des Umstandes, dass der strafrechtlich relevante Vorfall im Jahr 2014 stattgefunden habe, nicht zugunsten des Antragstellers festgestellt werden. Dies insbesondere deshalb, weil der Antragsteller die Droge planvoll berechnend im Internet bestellt habe. Ein Drogenerwerb im Rahmen eines Discobesuchs mit Freunden wäre gegebenenfalls sogar als einmaliger „Ausrutscher“ bewertet worden.

8

Gegen die Entlassungsverfügung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 1.2.2018 Beschwerde ein, die er mit Schreiben vom 19.2.2018 begründete. Am 5.3.2018 beantragte der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vom 1.2.2018. Mit Beschwerdebescheid vom 9.3.2016 wies das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte es in Ergänzung des Entlassungsbescheids an, der Antragsteller eigne sich nicht zum Unteroffizier, da von einem solchen erwartet werde, dass er im und außer Dienst ein Vorbild in Haltung und Pflichterfüllung sei, sowie charakterliche Zuverlässigkeit und eine solide moralische Grundeinstellung zeige. Nur dann könne er von seinen ihm unterstellten Soldaten den Respekt und die Achtung erwarten, die im Dienstgrad eines Unteroffiziers in den Streitkräften notwendig seien. Durch den planvoll berechnenden Kauf von Drogen im Internet, von dem sie erst durch die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Kiel gemäß Nr. 19 MiStra im zeitlichen Zusammenhang mit dem Strafbefehl vom 9.11.2016 Kenntnis erlangt hätte - habe der Antragsteller insbesondere seine Grundpflichten nach §§ 7, 11 und 17 Abs. 2 SG verletzt, obgleich er am 6.1.2013 aktenkundig darüber belehrt worden sei, dass jedweder Erwerb, Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln innerhalb und außerhalb des Dienstes untersagt sei und zur Entlassung führen könne. Soweit sich der Antragsteller auf negative Drogentests in der Vergangenheit berufe, sei dem entgegenzuhalten, dass deren Ergebnisse aufgrund des schnellen Abbaus von Amphetaminen im menschlichen Körper (Nachweisbarkeit im Urin bis zu vier Tage nach der Einnahme) wenig aussagekräftig seien.

9

Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsteller seinen Kauf nur zwei Tage nach Unterzeichnen der Verpflichtungserklärung zum Soldaten auf Zeit am 17.11.2014 getätigt habe. Hier zeigten sich ein Mangel an Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Integrität.

10

Soweit der Antragsteller sich darauf berufe, dass sich sowohl der Disziplinarvorgesetzte als auch der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte gegen eine Entlassung ausgesprochen hätten, werde darauf hingewiesen, dass die die Stellungnahmen abgebenden Disziplinarvorgesetzten nicht zum Sanitätsdienst der Bundeswehr gehörten, dem der Antragsteller im Zeitpunkt der Stellungnahmen unterstellt gewesen sei.

11

Letztendlich sei die Entscheidung zur Entlassung des Antragstellers auch nicht ermessensfehlerhaft; auch eine vom Gesetzgeber intendierte Ausnahme nach § 55 Abs. 4 S. 3 SG liege nicht vor, da der Antragsteller keinen entsprechenden Dienstgrad für eine Rückführung in die Laufbahn der Mannschaft mehr führe. Eine Rückführung sei ungeachtet dessen zwar ein milderes Mittel als die angedachte Entlassung, sie sei aber nicht gleich geeignet, da das Verhalten des Antragstellers zu nachhaltigen Zweifeln an seiner dienstlichen Zuverlässigkeit geführt habe, die sich durch die Rückführung nicht beseitigen ließen.

12

Mit Schriftsatz vom 9.3.2018 erhob der Antragsteller Klage gegen den in Rede stehenden Entlassungsbescheid vom 29.1.2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9.3.2018.

13

Mit Schriftsatz vom selben Tag hat der Antragsteller das Gericht um Eilrechtsschutz ersucht. Zur Begründung trägt er vor, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung gemäß § 55 Abs. 4 SG nicht vorlägen. Die Antragsgegnerin habe bisher nicht die Ernstlichkeit der Gefährdung von Ordnung und Ansehen der Bundeswehr dargetan und habe ihn in Kenntnis des strafrechtlich relevanten Vorfalls zum 1.7.2015 zur Unteroffizierslaufbahn zugelassen. Ihm sei über die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses von sämtlichen Dienstvorgesetzten bestätigt worden, dass für die behaupteten charakterlichen Defizite im aktiven Dienstverhältnis keine Anhaltspunkte bestanden hätten. Es sei zu erwarten, dass er seine Ausbildung erfolgreich absolvieren werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Entlassungsverfügung lediglich auf einen einmaligen außerdienstlichen Vorfall aus dem Jahr 2014 abstelle; abgesehen von dem Kauf von Amphetaminen habe die Antragsgegnerin nicht dargelegt, woraus sie seine Nichteignung des Antragstellers für die Zukunft entnehme. Die Entlassungsverfügung setze sich nicht ansatzweise mit den Stellungnahmen der Vorgesetzten auseinander, obgleich diese ausdrücklich eine Entlassung abgelehnt hätte.

14

Bei den im Rahmen der Sammelbelehrung in Aussicht gestellten dienstrechtlichen Folgen eines etwaigen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und der Regelung des § 55 SG handele es sich um eine Ermessensentscheidung, weshalb nicht außen vor bleiben könne, wie er, der Antragsteller, sich nach dem Vorfall im Jahr 2014 bis zur Entscheidung dienstlich verhalten habe. Insbesondere ließen die ärztlichen Mitteilungen vom 19.9.2013, 21.8.2014 und 6.3.2015 darauf schließen, dass er nicht regelmäßig Drogen konsumiere.

15

Zu berücksichtigen sei ferner, dass er auf den abschließenden Charakter der Disziplinarverfügung vom 23.6.2017 habe vertrauen dürfen. Es sei seinerzeit zum Ausdruck gebracht worden, dass der Vorfall abschließend geahndet worden sei, sodass er nicht mit weiteren Maßnahmen, insbesondere einer Entlassung einschließlich deren finanziell nachteiligen Folgen habe rechnen müssen. Da ausweislich des Beschwerdebescheids vom 9.3.2018 spätestens ab dem 7.11.2016 Kenntnis von dem Tatvorwurf nach § 29 BtMG bestanden habe, sei die Entlassungsverfügung vom 29.1.2018, ihm zugegangen am 1.2.2018, unter Missachtung der Frist nach § 55 Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 3 SG ergangen.

16

Sein Aussetzungsinteresse überwiege das Interesse der Antragsgegnerin, ihn ohne Aufschub aus dem Soldatenverhältnis zu entfernen, da eine Entlassung zur Folge hätte, dass er sich beruflich umorientieren müsse, keine Dienstbezüge mehr erhalte und gegebenenfalls die Rückforderung der im Rahmen seiner Ausbildung entstandenen Ausbildungskosten drohe.

17

Der Antragsteller beantragt,

18

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 9.3.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.1.2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9.3.2018 anzuordnen,

19

hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.

20

Die Antragsgegnerin beantragt,

21

den Antrag abzuweisen.

22

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie den bisherigen Vortrag.

II.

23

Der Hauptantrag des Antragstellers, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen die Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29.1.2018 gemäß § 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 23 Abs. 6 S. 2 Wehrbeschwerdeordnung (WBO) ist zulässig, aber unbegründet.

24

In materieller Hinsicht wiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Entlassungsverfügung schwerer als das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind einerseits das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers daran, vom Vollzug der Entlassungsverfügung vorerst verschont zu bleiben, und andererseits das öffentliche Interesse an deren Vollziehung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können Erkenntnisse wie Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen, wenn aufgrund der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Ergibt die rechtliche Prüfung des angefochtenen Bescheides, dass dieser offensichtlich rechtmäßig ist, führt dies regelmäßig zur Ablehnung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO. Dies ist hier der Fall.

25

Die angefochtene Entlassungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 4 S. 2 SG. Sie ist formell ordnungsgemäß ergangen, insbesondere ist der Antragsteller gemäß § 55 Abs. 6 S.1 i.V.m. § 47 Abs. 2 SG angehört worden. Die Anhörung der Vertrauensperson gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 6 SBG erfolgte schriftlich am 1.11.2017. Entgegen der Auffassung des Antragstellers erging sie auch nicht unter Missachtung der Frist des gemäß § 55 Abs. 6 S. 1 entsprechend anwendbaren § 47 Abs. 3 SG, wonach die Entlassung in den Fällen des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SG innerhalb einer Frist von sechs Monaten verfügt werden muss, nachdem das Bundesministerium der Verteidigung oder die Stelle, der die Ausübung der Befugnis zur Entlassung übertragen worden ist, von dem Entlassungsgrund Kenntnis erhalten hat, denn ein Fall des § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder 3 liegt hier nicht vor.

26

Die Entlassungsverfügung erweist sich auch in materiell-rechtlicher Hinsicht bei summarischer Prüfung, mithin unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrags und präsenter Beweismittel, als rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 4 S. 2 SG sind vorliegend erfüllt. Nach dieser Vorschrift soll u.a. ein Feldwebelanwärter, der sich nicht zum Feldwebel eignen wird, unbeschadet des Satzes 1, vermöge dessen ein Soldat auf Zeit in den ersten vier Jahren seiner Dienstzeit entlassen werden kann, wenn er die Anforderungen, die an ihn in seiner Laufbahn zu stellen sind, nicht mehr erfüllt, entlassen werden.

27

Daraus folgt, dass der Dienstherr ein intendiertes Ermessen hinsichtlich der Entlassung hat; von einer solchen mithin nur in atypischen Fällen abgesehen werden soll. Auf die Frage, ob vorliegend die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet worden ist, kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht an. Die positive Feststellung dieser Tatsachen wäre Voraussetzung einer – hier nicht einschlägigen - Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG. Bei der Prüfung der Frage, ob eine künftige Eignung gegeben ist, kommt der zuständigen Stelle ein Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht muss sich infolge dessen auf die Prüfung beschränken, ob der Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff und den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei betätigen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Tatbestand ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Dagegen können die fachlichen Erwägungen, die zur Feststellung der Nichteignung geführt haben, nicht Gegenstand gerichtlicher Überprüfung sein (BVerwG, Beschl. v. 17.9.2013 – 1 WDS-VR 20.13, Rn. 32 m.w.N.- zitiert nach juris).

28

Hieran gemessen lässt die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Entlassung des Antragstellers keine Rechtsfehler erkennen. Dass die Antragsgegnerin erkannte, dass ihr im Hinblick auf die Entlassung des Antragstellers Ermessen zustand, ergibt sich bereits aus der Hinzuziehung der Vertrauensperson nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 SBG, denn danach soll in einem Entlassungsverfahren die Vertrauensperson nur gehört werden, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Zudem setzte sich die Antragsgegnerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens mit den Argumenten des Antragstellers auseinander.

29

Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Entscheidung weder den Begriff der Eignung verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt. Sie überschreitet die Grenzen einer zulässigen Beurteilung nicht, wenn sie aus dem – unstreitigen – strafrechtlich relevanten Verhalten des Antragstellers vom 19.11.2014 auf charakterliche Mängel schließt, die die Prognose seiner Nichteignung zum Feldwebel beziehungsweise Bootsmann rechtfertigen.

30

Vielmehr durfte sie annehmen, dass ein Bootsmannanwärter, der bereits seit fast zwei Jahren im Dienste der Bundeswehr stand und weniger als zwei Wochen vor seiner Ernennung als Soldat auf Zeit auf einer Internetplattform Betäubungsmittel erwarb, den Anforderungen und der hohen Verantwortung, die ein Feldwebel in der Bundeswehr zu tragen hat, nicht gerecht werden wird. Die Begehung eines Dienstvergehens stellt ein Indiz für die charakterliche Nichteignung eines Soldaten dar. Ohne überhöhte Ansprüche an das Verhalten eines Soldaten zu stellen und den Betroffenen zu stark in seinen persönlichen Freiheiten einzuschränken, kann von demjenigen, der sich als Soldat verpflichtet, erwartet werden, dass er die ihm obliegenden dienstlichen Pflichten beachtet, zumal ihm diese bei Dienstantritt eröffnet wurden und seinen Dienstalltag prägen. Ein Dienstvergehen muss sich der Antragsteller vorliegend auch vorhalten lassen. Nach § 23 Abs. 1 SG begeht der Soldat ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt. Durch den Kauf von Amphetaminen am 19.11.2014 hat der Antragsteller zumindest gegen seine sich aus § 10 Abs. 1 SG (Vorbildfunktion des Vorsetzten) und § 11 Abs. 1 SG (Gehorsamspflicht) ergebenden Dienstpflichten verstoßen. Daran, dass die Antragstellerin von dem streitgegenständlichen Sachverhalt in nicht zu beanstandender Weise auf die Ungeeignetheit das Antragstellers zum Feldwebel schließen durfte, ändert auch der weitere Vortrag des Antragstellers nichts. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der in Rede stehende Vorfall bereits Ende des Jahres 2014 stattfand und dass es sich nach aktuellem Kenntnisstand der Antragsgegnerin um einen einmaligen Gesetzesverstoß handelte. Es ist nicht unüblich, dass zwischen einem strafrechtlich relevanten Verhalten und einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft mehrere Jahre liegen. Dem Dienstherrn muss unabhängig von Zeitpunkt des Vorfalls die Möglichkeit erhalten bleiben, nach Kenntniserlangung den in Rede stehenden Sachverhalt zu bewerten und auf ihn zu reagieren. Soweit der Antragsteller vorträgt, es sei zwischenzeitlich nicht zu weiteren strafrechtlich relevanten Vorfällen gekommen, so führt dies nicht zu dem Ergebnis, die Antragsgegnerin hätte den Sachverhalt zwingend zugunsten des Antragstellers anders bewerten müssen. Aus den obigen Ausführungen zum zeitlichen Verzug im Rahmen eines Strafverfahrens folgt, dass nicht sicher feststeht, dass der Antragsteller seit dem 19.11.2014 nicht erneut strafrechtlich in Erscheinung trat. Insoweit sind zwar auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, sodass von dem gesetzestreuen Verhalten des Antragstellers auszugehen ist. Diese Ausgangslage ist aber nicht geeignet, begründete Zweifel an der Eignung des Antragstellers gänzlich auszuräumen, da der Antragsteller durch sein Verhalten am 19.11.2014 das Vertrauen der Antragsgegnerin in seine Person nachhaltig erschüttert hat und durch bloßes gesetzestreues Verhalten über einen längeren Zeitraum ein Fehlverhalten nicht kompensiert wird. Vielmehr ist aufgrund seiner besonderen Stellung, seiner Treuepflicht gegenüber der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 7 SG und dem ihm entgegengebrachten Vertrauen von einem Soldaten zu erwarten, dass er gesetzliche Regelungen zu keinem Zeitpunkt missachtet. Indes kam es im vorliegenden Fall zur Einleitung eines Strafverfahrens, das in die Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO nach Zahlung eines nicht geringen Geldbetrags in Höhe von 450,00 € mündete.

31

Soweit der Antragsteller weiter vorträgt, die ärztlichen Untersuchungen vom 19.9.2013, 21.8.2014 und vom 6.3.2015 hätten einen Betäubungsmittelkonsum seinerseits nicht nachweisen können, ist der Einwand der Antragsgegnerin, Ergebnisse von Drogentests seien aufgrund des schnellen Abbaus von Amphetaminen im menschlichen Körper wenig aussagekräftig, plausibel und nicht in Frage zu stellen.

32

Auch die für den Antragsteller sprechenden Stellungnahmen der Vertrauensperson und seiner Disziplinarvorgesetzten vermögen nichts an der Einschätzung, die Antragsgegnerin habe ihren Beurteilungsspielraum in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeschöpft, zu ändern. Die Antragsgegnerin bewegt sich innerhalb der Grenzen ihres Beurteilungsspielraumes, wenn sie eine besondere Schwere der Dienstpflichtverletzungen darin erblickt, dass der Antragsteller als Feldwebel- und Bootmannsanwärter im Sanitätsdienst in planvoller Weise, nämlich durch Bestellung im Internet, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstieß und auch angesichts der Fürsprache zugunsten des Antragstellers eine entsprechende Gewichtung und Abwägung zu seinen Ungunsten trifft. Zum einen bringt die Tätigkeit im Sanitätsdienst es mit sich, dass der Betroffene Verantwortung für die körperliche Integrität anderer übernimmt. Dies steht aufgrund der bekanntermaßen gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen auf den menschlichen Körper im Widerspruch zu der Akzeptanz von Drogenkonsum, wie sie bereits durch den Erwerb illegaler Drogen zum Ausdruck gebracht wird. Zum anderen ist zwar sämtlichen Stellungnahmen zu entnehmen, dass eine Entlassung nicht befürwortet werde. Im Einzelfall sind diese keine Bindungswirkung entfaltenden Einschätzungen jedoch schon deshalb nicht geeignet, sich auf die Entscheidung der Antragsgegnerin auszuwirken, da sie sich – wenn überhaupt - unzureichend mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt auseinandersetzen. Die Einschätzung der Vertrauensperson des Antragstellers stützt sich vorrangig auf den Umstand, dass die Tat in Zeitpunkt der Stellungnahme mehr als drei Jahre zurückgelegen habe (zu diesem Aspekt s.o.) und der Antragsteller seine Tat bereue. Die übrigen Stellungnahmen beziehen zu dem Vorfall vom 19.11.2014 ausdrücklich nicht Position. Sämtliche Stellungnahmen begründen ihr Ergebnis vielmehr mit den guten schulischen und fachlichen Leistungen des Antragstellers sowie seinen sozialen Kompetenzen und seinem auch ansonsten wohl tadelloses Verhalten im Dienst, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit jene Einschätzungen aufgrund des Verhaltens des Antragstellers am 19.11.2014 möglicherweise zu relativieren wären.

33

Soweit der Antragsteller sich mit Blick auf den Bescheid vom 26.3.2017 betreffend die Einleitung eines Disziplinarverfahrens auf ein schutzwürdiges Vertrauen beruft, ist nicht ersichtlich, inwieweit sich dieses auf ein Entlassungsverfahren auswirken soll, denn seinerzeit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Antragsteller nicht mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen zu rechnen habe. Nicht nachvollziehbar ist es ferner, wenn der Antragsteller vorträgt, die Antragsgegnerin habe bei seiner Zulassung zur Laufbahn der Unteroffiziere Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren gehabt. Dass und wie die Antragsgegnerin bereits vor der Mitteilung gemäß Nr. 19 MiStra eine solche Kenntnis erlangen konnte, ist plausibel vorgetragen worden.

34

Die Antragsgegnerin war hier auch nicht gehalten, ihre Ermessensentscheidung mit Blick auf § 55 Abs. 4 S.3 SG zu treffen, denn nachdem der Antragsteller zuvor in der Laufbahn der Mannschaften geführt worden war, wurde er zum 1.7.2015 zum Unteroffizier mit dem Dienstgrad Bootsmannanwärter ernannt. Dies ist seitens des Antragstellers nicht in Abreden gestellt worden.

35

Der Hilfsantrag, gerichtet auf Aufhebung der Vollziehung des Bescheids vom 29.1.2018 gemäß § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO, ist vor diesem Hintergrund – unabhängig davon, dass konkrete Folgen bisher nicht dargelegt worden sind - ebenfalls unbegründet, da ein rechtlicher Grund für die Beseitigung der Folgen einer sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisenden Entlassungsverfügung nicht besteht.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 2, S. 2, 3 GKG, ausgehend von einer Besoldung nach der Besoldungsgruppe A7; mithin ((12 x 2.984,14 €) / 2) / 2 = 8.952,42 €.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen