Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 59/18

Tenor

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antragsteller in das Auswahlverfahren betreffend die Besetzung der Stelle der Leiterin oder des Leiters der Justizvollzugsanstalt Kiel vorläufig weiter einzubeziehen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.977,71 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers,

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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn – den Antragsteller – in das weitere Auswahlverfahren betreffend die Stelle einer Leiterin/eines Leiters der Justizvollzugsanstalt Kiel vorläufig einzubeziehen,

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hat Erfolg.

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Nach der Bestimmung des § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Satz 2). Dazu hat Antragsteller Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich ergibt, dass ihm ein Anspruch, ein Recht oder ein sonstiges schützenswertes Interesse zusteht (Anordnungsanspruch) und ferner, dass dieser Anordnungsanspruch in Folge einer Gefährdung durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss, somit eine Eilbedürftigkeit besteht (Anordnungsgrund; vgl. § 123 Abs. 3 VwGO iVm §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

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Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund zur Seite. Nur im Fall seiner Einbeziehung in das weitere Auswahlverfahren können seine Rechte auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), insbesondere durch fristgerechte Benachrichtigung als Konkurrent im Falle einer für ihn negativen Auswahlentscheidung gewährleistet werden (vgl. VG Münster, Beschluss vom 02.05.2012 – 4 L 143/12 – Juris, Rdnr. 6).

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Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO iVm §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

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Der Antragsteller ist durch seinen Ausschluss vom weiteren Auswahlverfahren des Antragsgegners betreffend die Besetzung der im Tenor genannten Stelle in seinem durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verletzt worden. Sein Ausschluss vom weiteren Auswahlverfahren ist auf der Grundlage von auf den konkreten Dienstposten bezogenen unzulässigen Ausnahmeanforderungen getroffen worden.

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Der Antragsgegner hat den Antragsteller vom weiteren Auswahlverfahren im Wesentlichen mit der Erwägung ausgeschlossen, dass er das Anforderungsprofil hinsichtlich der geforderten „umfassenden Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges“ sowie „Führungs- und Leitungsaufgaben im Justizvollzug und einer obersten Landesbehörde oder vergleichbaren Organisationseinheiten“ nicht erfülle. Er hat das erste Profilmerkmal als konstitutives Merkmal angesehen, weil die Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse erforderten, die nicht jeder Laufbahnbewerber regelmäßig mit sich bringe und die er sich nicht in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung verschaffen könne.

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Damit wird die Entscheidung jedoch nicht den Maßgaben, die aus Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf die Bestimmung des Anforderungsprofils folgen, gerecht.

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Grundsätzlich fällt es zwar in das vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbare Organisationsermessen des Dienstherrn, wie er seine Dienstposten zuschneidet und welche Fachkenntnisse er zur Erfüllung der daraus resultierenden Aufgaben für erforderlich ansieht. Ist jedoch mit der Dienstpostenvergabe auch – wie hier – eine statusrechtliche Entscheidung verbunden, sind die Vorgaben des Anforderungsprofils an den Maßstäben von Art. 33 Abs. 2 GG zu messen.

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Mit dem Anforderungsprofil wird die Zusammensetzung des Bewerberfeldes gesteuert und eingeengt. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen. Fehler im Anforderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13 – Juris, Rdnr. 27).

12

Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit – soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht – auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauslese verpflichtet. Hiermit ist eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar. Einen Bewerber bereits in einer Vorauswahl vom weiteren Verfahren auszuschließen, ihn also gar nicht in den Leistungsvergleich einzubeziehen, weil er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht, steht mit dem Laufbahnprinzip grundsätzlich nicht in Einklang (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013, aaO, Rdnr. 28 und vom 19.12.2014, aaO, Rdnr. 25). Denn nach dem Leistungsprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind; es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013, aaO, Rdnr. 28 und vom 19.12.2014, Rdnr. 25).

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Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013, aaO, Rdnr. 31 und vom 19.12.2014, aaO, Rdnr. 20). Dienstpostenbezogene Ausnahmeanforderungen können sich dabei etwa aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben. Je stärker die fachliche Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten ist und je höher die Anforderungen an die Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten sind, desto eher kann es erforderlich werden, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung besondere Qualifikationsanforderungen an die künftigen Stelleninhaber zu stellen. Aus den besonderen Aufgaben eines Dienstpostens können sich auch über die Festlegung der Fachrichtung hinaus Anforderungen ergeben, ohne deren Vorhandensein zugeordneten Funktionen schlechterdings nicht wahrgenommen werden können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013, aaO und vom 19.12.2014, aaO, Rdnr. 28 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorliegen solcher Ausnahmen etwa dann angenommen, wenn besondere fachspezifische (technische) Vorkenntnisse (Beschluss vom 20.06.2013 aaO. Rdnr. 34 unter Hinweis auf OVG Koblenz, Beschluss vom 06.02.2012 – 10 B 11334/11 – für einen Fachmann auf dem Gebiet Informationstechnik und Elektrotechnik) bzw. besondere Sprachkenntnisse (Beschluss vom 20.06.2013, aaO, Rdnr. 36) oder ein wissenschaftlicher Hochschulabschluss aus einer bestimmten Fächergruppe (Beschluss vom 19.12.2014, aaO, Rdnr. 29) zwingend für die Aufgabenwahrnehmung erforderlich waren.

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Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat indes der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle.

15

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist nicht zu erkennen, dass ausnahmsweise die Voraussetzungen vorliegen, unter denen dienstpostenspezifische Anforderungsmerkmale für eine statusrechtlich-relevante Auswahlentscheidung zulässig wären. Der Antragsgegner hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass nur aufgrund des Vorhandenseins umfassender Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges eine Aufgabenwahrnehmung überhaupt möglich wäre und in besonderen Einzelfällen, in denen eine schnelle Entscheidung getroffen werden müsse (sicherheitsrelevante Vorkommnisse, auch verbunden mit einer Unterbringung eines Gefangenen in einer anderen Anstalt, Meuterei etc.) und dieses Wissen dringend notwendig sei, um den rechtlichen Rahmen sowie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gewährleisten zu können (so die Begründung im Ablehnungsbescheid vom 16.7.2018) bzw. dass die Gesamtverantwortung für den Vollzug in einer Anstalt dem Anstaltsleiter/der Anstaltsleiterin dabei vom ersten Tag obliege und eine Übergangsphase angesichts dessen, dass gerade lediglich eine Anstaltsleitung pro Anstalt existiere, nicht vorgesehen und auch nicht realisierbar sei (vgl. insoweit Blatt 6 der Antragserwiderung vom 14.09.2018). Sowohl dieses Vorbringen als auch die übrige Begründung des Antragsgegners, die sich sich im Wesentlichen in Feststellungen und Behauptungen erschöpft, sind indes nicht geeignet, die zwingende Notwendigkeit der Erfüllung des von ihm so bezeichneten konstitutiven Anforderungsprofilmerkmals begründen zu können.

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Die Kammer hält bereits das vorliegend maßgeblich zum Ausschluss des Antragstellers herangezogene Profilmerkmal nicht für konstitutiv. Konstitutiv sind nur solche Kriterien, die objektiv überprüfbar, insbesondere ohne die ansonsten gebotene Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet das fakultative/nicht konstitutive Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen, weil sie beispielsweise nur „erwünscht“, „erwartet werden“ oder „vorhanden sein sollen“, oder die ihrer Art nach nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Faktoren festgestellt werden können (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 27.03.2015 – 2 B 308/14 – Juris, Rdnr. 13). Die Abgrenzung zwischen dem konstitutiven und dem fakultativen Teil des Anforderungsprofils ist eine Frage der Auslegung des Ausschreibungstextes, welche entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) danach zu erfolgen hat, wie die Erklärung aus Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22.08.2014 – 2 MB 17/14 – Juris, Rdnr. 28). Die Einschätzung, dass es sich bei der Wendung „Umfassende Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges“ um ein konstitutives Profilmerkmal handelt, begegnet deshalb Bedenken, weil bereits das Adjektiv „umfassend“ durchaus Wertungsspielräume eröffnet. Wann dieses Merkmal vorliegen soll, insbesondere in welchem Umfang, für welche Dauer und in welcher Tiefe solche Kenntnisse erworben worden sein müssen, hat der Antragsgegner weder in der Ausschreibung, noch im Ablehnungsbescheid, noch im gerichtlichen Verfahren näher dargelegt. Dazu hätte aber umso mehr Anlass bestanden, als der Antragsteller, wie er in seiner Stellungnahme vom 24.09.2018 im Einzelnen ausgeführt hat, durchaus Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges aufweist. Er hat dazu insbesondere unter Beifügung eines Auszuges aus dem Internetauftritt der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft, wo er einschlägige Vorlesungen besucht und Seminare absolviert hat, dargelegt, dass er über einschlägige Kenntnisse verfügt, was im Übrigen auch der Antragsgegner ausweislich seiner Stellungnahme vom 02.11.2018 eingeräumt hat, allerdings die Kenntnisse des Antragstellers nur auf Teilbereiche beschränkt wissen will. Allein die Auseinandersetzung der Beteiligten über die Bewertung des Begriffs „umfassend“ zeigt nach Auffassung der Kammer, dass dieses Profilmerkmal interpretations- bzw. ausfüllungsbedürftig, aber nicht konstitutiv in dem Sinne ist, dass der Erwerb entsprechender Kenntnisse (nach der Vorstellung des Antragsgegners) nicht (mehr) nachholbar ist bzw. ein Bewerber sie sich nicht mehr aneignen könnte.

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Da sich neben dem Antragsteller ausschließlich Personen beworben haben, die bereits langjährige Tätigkeiten im Vollzug aufweisen, hat sich der Antragsgegner offenbar von der Vorstellung leiten lassen, dass nur das in diesen Funktionen erworbene theoretische und praktische Wissen als Maßstab für „umfassende Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht“ dienen soll. Dann hätte der Antragsgegner dies aber - als (konkrete) Voraussetzung – in die Ausschreibung aufnehmen müssen.

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Nach allem ist das Merkmal „umfassend“ nicht objektiv überprüfbar, sondern eröffnet Wertungsspielräume. Es fehlt insgesamt an einem Orientierungsrahmen, um dieses Profilmerkmal als konstitutiv ansehen zu können.

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Auch wenn das Vorbringen des Antragsgegners sein Interesse an der Auswahl eines schon in dem Sachgebiet, in dem der konkrete Dienstposten angesiedelt ist, eingearbeiteten Beamten nachvollziehbar macht, rechtfertigt es auch nicht ausnahmsweise die maßgebliche Berücksichtigung von insoweit dienstpostenbezogenen Ausnahmeanforderungen im Hinblick auf die Kenntnisse von Vollzugs- und Verwaltungsrecht im Bereich des Justizvollzuges. Für die Kammer ist auch nicht erkennbar, dass eine erforderliche Einarbeitung des Dienstposteninhabers für eine – zumutbare – Zeit nicht möglich sein soll. Dem gesamten Vortrag des Antragsgegners lässt sich nichts Substantielles für die (gerechtfertigte) Annahme entnehmen, dass diese Anforderungen in fachlicher Hinsicht grundsätzlich nicht durch einen Laufbahnangehörigen wie dem Antragsteller nach einer zumutbaren Zeit der Einarbeitung bewältigt werden können. Die vorgetragenen Gründe, die einer Einarbeitung in zumutbarer Zeit entgegenstehen sollen, sind nicht derart komplex und von besonderer fachspezifischer Natur, dass dafür eine besonders lange Einarbeitungszeit erforderlich wäre. In den Blick zu nehmen ist in diesem Zusammenhang auch die – vom Antragsgegner generell nicht in Abrede gestellte – Tatsache, dass der Antragsteller zumindest teilweise über die Kenntnisse im Vollzugs -und Verwaltungsrecht verfügt. Warum dann eine Einarbeitung, in Teilbereichen für den Antragsteller wohl nur eine Vertiefung seiner bisherigen Kenntnisse in einem überschaubaren Zeitraum, nicht möglich sein soll, erschließt sich der Kammer nicht.

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Hinzu kommt ein weiterer Aspekt:

21

Der bisherige Anstaltsleiter ist mit Ablauf des 31.05.2018 in den Ruhestand getreten. Seitdem, d. h., bereits über ein halbes Jahr, dürfte die Justizvollzugsanstalt Kiel (kommissarisch) durch den stellvertretenen Anstaltsleiter geführt worden sein. Dieser Umstand zeigt, dass der Betrieb der JVA Kiel auch ohne Vorhandensein eines Leiters aufrechterhalten werden kann, was auch dann möglich sein dürfte, wenn es (bei unterstellter Auswahl des Antragstellers) tatsächlich notwendig ist, ihn (durch den stellvertretenen Leiter und/oder die Abteilungsleiter der JVA) in einem begrenzten Zeitraum in einen Teilbereich seiner Aufgaben einzuarbeiten, ohne dass der Betrieb der JVA Schaden nimmt.

22

Der Ausschluss des Antragstellers aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ist darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner in seiner Begründung (auch) darauf abgestellt hat, dass der Antragsteller keine Führungs- und Leitungsaufgaben im Justizvollzug wahrgenommen hat. Zwar wird in der Antragserwiderung vom 14.09.2018 vom Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Kriterium (ebenfalls) nicht um eine nach der Stellenausschreibung als konstitutives Element formulierte Anforderung handele und er – der Antragsgegner – in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 20.06.2013, aaO, Rdnr. 49) auf dieses Kriterium nicht maßgeblich für den Ausschluss des Antragstellers aus dem weiteren Bewerbungsverfahren abstelle.

23

Dies ist indes widersprüchlich und auch unzutreffend. Ausweislich des Ablehnungsbescheides vom 16.07.2018 wird die Nichterfüllung dieses Merkmals als wesentlich für den Ausschluss des Antragstellers herangezogen. Es heißt dort ausdrücklich, dass der Antragsteller durch seine Tätigkeit im Polizeidienst nicht über Erfahrungen im Bereich des Justizvollzuges verfüge. Die Aufgabenstellung und die innere Organisation einer Vollzugsanstalt unterschieden sich erheblich von der Polizeiorganisation. Eine Vergleichbarkeit mit dem komplexen Aufbau des Justizvollzuges sei nicht gegeben. Erst im nächsten Absatz und als zusätzlicher Ablehnungsgrund, was durch das Wort „zudem“ verdeutlicht wird, wird auf das nach Auffassung des Antragsgegners vom Antragsteller nicht erfüllte konstitutive Profilmerkmal „umfassende Kenntnisse im Verwaltungs- und Vollzugsrecht für den Bereich des Justizvollzuges“ abgestellt.

24

Diese – selbständige – Ablehnung trägt nicht. Sie verkennt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein solches Kriterium (vorliegend handelt es sich nach den obigen Maßstäben um ein sogenanntes fakultatives/nicht konstitutives Profilmerkmal, was von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wird) im Rahmen der Auswahlentscheidung erst, und nur dann herangezogen werden kann, wenn die Bewerber aufgrund des Vergleichs der Gesamturteile der dienstlichen Beurteilungen (und gegebenenfalls nachfolgender Binnendifferenzierungen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 22.09.2016 – 2 B 598/08 Juris, Rdnr. 46 ff. und BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014, aaO, Rdnr. 35 ff.) als im Wesentlichen gleich geeignet anzusehen sind. Erst dann wechselt der Bezugspunkt der Entscheidung dergestalt, dass nunmehr das Amt im funktionellen Sinne maßgeblich wird (OVG Bremen, Beschluss vom 22.09.2016, aaO, Rdnr. 49). Es gilt dann, dass sich leistungsbezogene Auswahlkriterien aus den aktuellen dienstlichen Beurteilungen ergeben können, wenn sich aus der Bewertung der einzelnen Beurteilungsmerkmale hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung – insbesondere auch im Hinblick auf das mit dem zu besetzenden Dienstposten verbundene Anforderungsprofil – ein Leistungsunterschied ergibt. In diesem Fall wäre das konkret-funktionelle Amt für die Auswahlentscheidung maßgeblich.

25

Eine solche Konstellation liegt aber nicht vor.

26

Es kann nämlich nicht von einer im Wesentlichen gleichen Eignung der Bewerber ausgegangen werden. Der Antragsgegner hat ausweislich seines Vermerks vom 08.02.2018 selbst (zu Recht) festgestellt, dass der Antragsteller – im Gegensatz zu allen Beigeladenen – zum einen die in der Stellenausschreibung genannten Kriterien des Anforderungsprofils im Hinblick auf die vorliegenden dienstlichen Beurteilungen und nach Übertragung auf das Schleswig-Holsteinische Bewertungssystem mit einer Beurteilung zwischen „die Anforderungen werden hervorragend übertroffen“ und „die Anforderungen werden deutlich übertroffen“ und damit am besten erfüllt und darüber hinaus als einziger Bewerber auch eine Beurteilung aufweist, die dem Gesamturteil „die Anforderungen werden hervorragend übertroffen“ entspricht. Von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilungslage kann danach allenfalls im Hinblick auf den Beigeladenen zu 3) gesprochen werden, dessen Beurteilungsgesamturteil ebenfalls nur auf „die Anforderungen werden deutlich übertroffen“, lautet, dies allerdings in dem statushöheren Amt eines Regierungsdirektors.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, 162 Abs. 3 VwGO.

28

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 iVm Satz 1 Nr. 1 GKG festgesetzt worden. Er beträgt 1/4 der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen (OVG Schleswig, Beschluss vom 29.06.2018 – 2 MB 3/18 -).


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