Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 93/19

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers,

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die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn vorläufig zur Einführung in die Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt nach den Rechtsverhältnissen des Auswahlverfahrens 2018/2019 zuzulassen,

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hat keinen Erfolg.

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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO iVm §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das gefährdete Recht bzw. der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

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Zwar hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihm ist es unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der Interessen der Antragsgegnerin nicht zumutbar, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, da die Antragsgegnerin gehalten ist, über die Frage, wer als Bewerberin oder Bewerber zum Auswahlverfahren zur Einführung in den Laufbahnabschnitt 2 zuzulassen ist, alsbald zu entscheiden, so dass im weiteren Verfahrensablauf für den Antragsteller jedenfalls in diesem Jahr keine Chance mehr bestünde, zur Einführung zugelassen zu werden.

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Dem Antragsteller steht aber kein Anordnungsanspruch zur Seite.

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Nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Fachrichtung Polizei im Lande Schleswig-Holstein (Polizeilaufbahnverordnung – PolLVO) idF vom 14.11.2018 können Beamtinnen und Beamte der Laufbahngruppe 1, 2. Einstiegsamt zum Aufstieg in die Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt, zugelassen werden, wenn sie die im Einzelnen in den Nummern 1 bis 5 aufgeführten – hier nicht streitigen – Voraussetzungen erfüllen. Nach Abs. 2 des § 11 PolLVO geht der Entscheidung über die Zulassung zum Aufstieg ein Auswahlverfahren voraus. Dieses Auswahlverfahren ist vom Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten (jetzt: Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration) des Landes Schleswig-Holstein in der Richtlinie zum Auswahlverfahren für die Zulassung zum Aufstieg zur Einführung in die Aufgaben der Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt nach § 11 PolLVO vom 30.09.2019 (im Folgenden: Richtlinie) im Einzelnen geregelt worden. Neben einer erfolgreich zu absolvierenden Hochschulprüfung (vgl. § 5 der Richtlinie) ist nach dem dortigen § 7 eine Auswahlprüfung zu durchlaufen. Diese besteht aus einem Einzelgespräch und einem Gruppengespräch (§ 7 Abs. 1 der Richtlinie). Bestanden hat derjenige, der mindestens 8,00 Punkte erreicht hat (§ 7 Abs. 5 der Richtlinie). Über die Anzahl der Beamtinnen und Beamten, die für die Einführung in die Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt zugelassen werden, entscheidet das Ministerium für Inneres auf der Grundlage des Ergebnisses der Auswahlprüfung (Rangfolge) unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze.

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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller nicht für die Einführung in die Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt zuzulassen, nicht zu beanstanden.

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In formeller Hinsicht sind durchschlagende Mängel im Auswahlverfahren nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar keine ausdrückliche Zustimmung des Personalrats zum Ergebnis der Auswahlprüfung und auch im Hinblick auf den ablehnenden Bescheid vom 15.11.2018 vorliegt. Eine solche Zustimmung kann aber nach § 52 Abs. 2 Satz 2 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (MBG) als fingiert angesehen werden. Danach gilt eine Maßnahme als gebilligt, wenn der Personalrat die Zustimmung nicht ausdrücklich verweigert und er zuvor von der Maßnahme unterrichtet worden ist (vgl. §§ 52 Abs. 2 Satz 1, 49 MBG). Dies ist hier geschehen, weil ein Mitglied des Personalrates Mitglied der Auswahlkommission gewesen ist und der örtliche Personalrat auch Kenntnis davon hatte, dass insgesamt 26 Plätze bei der Mindestpunktzahl 10,8 in der Auswahlprüfung für die Zulassung zur Aufstiegsausbildung vorgesehen sind.

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Auch in der Sache ist die Entscheidung der Antragsgegnerin rechtmäßig. Ihr standen für das Haushaltsjahr 2018 insgesamt 26 Planstellen für den Regelaufstieg zur Verfügung. Der letzte zugelassene Bewerber wies ausweislich der in den Akten befindlichen Tabelle (Blatt 138 der Beiakte A) in der Auswahlprüfung einen Punktwert von 10,80 auf. Demgegenüber erreichte der Antragsteller (nur) 9,94 Punkte und nahm damit Platz 45 ein (Blatt 139 der Beiakte A). Soweit der Antragsteller im Widerspruchsverfahren pauschal mit „Nichtwissen“ bestritten hat, dass alle Plätze tatsächlich belegt seien und dass die ausgewählten Bewerber tatsächlich bessere Ergebnisse im Auswahlverfahren erzielt hätten als er, ist dies pauschal und gänzlich unsubstantiiert. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der in der Akte vorhandenen und von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eingesehenen Liste, in der sich insgesamt 26 Personen, deren Namen zwar geschwärzt, deren Prüfungsergebnisse jedoch am rechten Seitenrand aufgeführt sind, befinden. Daraus ist ersichtlich, dass sämtliche 26 Personen bessere Ergebnisse in der Auswahlprüfung erzielt haben als der Antragsteller. Warum nicht alle 26 Plätze belegt sein sollen, hat der Antragsteller nicht ansatzweise dargelegt. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, um das Gericht zu veranlassen, diesbezüglich eine nähere Überprüfung anzustellen.

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Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin nicht das vom Antragsteller im Jahr zuvor erzielte Ergebnis in der Auswahlprüfung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. In der Richtlinie heißt es in § 9 Abs. 2 ausdrücklich, dass die Auswahlkommission nach der jeweils erreichten Punktzahl in der Auswahlprüfung eine Rangfolge der aktuell erfolgreichsten Bewerberinnen und Bewerber aufstellt. Das macht deutlich, dass nur die Bewerberinnen und Bewerber der jeweiligen Ausschreibung bzw. der jeweiligen Auswahlprüfung miteinander verglichen werden. Nicht vereinbar damit wäre, wenn die Antragsgegnerin ein Jahr oder gar mehrere Jahre zuvor erzieltes Ergebnis in der Auswahlprüfung eines Bewerbers „stehen“ ließe und dies zur Grundlage auch der aktuellen Entscheidung machen würde. Soweit dies in der vom Antragsteller eingereichten Immatrikulationsordnung der Hochschule für Musik und Theater B-Stadt anders ist, ist dies für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Zum einen handelt es sich dort um die Zulassung zum Studium an einer Hochschule, vorliegend geht es um die Zulassung zu einer Aufstiegsausbildung. Im Gegensatz zur hiesigen Prüfung ist diejenige, dem Studium an der Musikhochschule vorgeschaltete Eignungsprüfung, als staatliche Prüfung unmittelbar berufs(-wahl-)relevant.

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Die Entscheidung der Antragsgegnerin verstößt u. a. aus diesem Grund auch weder gegen die Art. 12, 3 und 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG).

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Ob die Frage der Zulassung zur Aufstiegsausbildung überhaupt an Art. 12 GG zu messen ist, ist bereits zweifelhaft. Zum Teil wird nämlich vertreten, dass staatliche Berufe schon im Ausgangspunkt nicht Art. 12 GG, sondern nur Art. 33 GG unterstellt sind (vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 217 ff). Selbst wenn man für die berufliche Betätigung innerhalb des Öffentlichen Dienstes das Grundrecht der Berufsfreiheit zur Anwendung gelangen lässt, wird dieses nach der Rechtsprechung des BVerfG durch Art. 33 GG überlagert und modifiziert (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.04.1991 – 1 BvR 1341 – juris Rn. 61). Danach ist zwar der Schutzbereich der Berufsfreiheit eröffnet, allerdings ist die vorliegende Beschränkung als sog. Berufsausübungsregelung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen. Die Freiheit der Berufsausübung kann indes beschränkt werden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es als zweckmäßig erscheinen lassen (grundsätzlich dazu: BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 – 1 BvR 596/56 – juris Rn. 74). Die Belange und Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG können als solche Gemeinwohlgründe die Berufsausübung einschränken (vgl. BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 – 1 BvR 1243/95 u.a. – juris Rn.35).

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Insoweit ist von Belang, dass ebenso wie bei einer Beförderungsentscheidung bei einer Entscheidung über die Zulassung zum Aufstieg eines Beamten von einer Laufbahn in die nächsthöhere Laufbahn (§ 11 f PolLVO) nach dem Grundsatz der sog. Bestenauslese in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen ist. Denn der Laufbahnaufstieg geht regelmäßig mit einer Beförderung einher. Dementsprechend prädestiniert die Entscheidung über den Laufbahnaufstieg letztendlich die nachfolgende Beförderungsentscheidung (vgl. statt vieler OVG Münster, Beschluss vom 05.11.2007 – 6 A 1249/06 – juris Rn. 5).

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Daher hat eine allein an Art. 33 Abs. 2 GG orientierte leistungsbezogene Auswahl im Sinne der sog. Bestenauswahl zu erfolgen, wenn mehrere Beamte die formellen Voraussetzungen für die Zulassung zum Aufstieg erfüllen und wenn – wie hier – die Zahl der Aufstiegsbewerber die der verfügbaren Stellen übersteigt (OVG Münster, a.a.O. Rn. 11). An diese Vorgaben hat sich die Antragsgegnerin gehalten. Sie hat entsprechend der Richtlinie in ihrem Erlass vom 09.10.2007 das Auswahlverfahren unter Beachtung der Grundsätze der Bestenauslese und unter Einbeziehung der (beschränkt) zur Verfügung stehenden Planstellen geregelt. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin maßgeblich auf das Ergebnis der sog. Auswahlprüfung nach § 7 der Richtlinie abgestellt hat, um die 26 leistungsstärksten Bewerberinnen und Bewerber zu ermitteln, die dann zum Aufstiegsverfahren zugelassen werden. Dies entspricht dem Leistungsgrundsatz bzw. dem Prinzip der sog. Bestenauslese.

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Die angegriffenen Regelungen der Richtlinie verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht. Danach darf der Gesetzgeber, wenn er die Rechtsverhältnisse verschiedener Personengruppen differenzierend regelt, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nur dann anders behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG, Urteil vom 24.04.1991 a.a.O. Rn. 92 mN). Insbesondere der vom Antragsteller bemühte Vergleich mit der Musikhochschule in B-Stadt vermag nicht zu verfangen, weil bereits kein gleichgelagerter Sachverhalt vorliegt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Ungeachtet dessen werden die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch nicht in sachwidriger Weise benachteiligt. Die besonderen Aufgaben der Polizei, vor allem ihre Schlüsselfunktion im demokratischen Rechtsstaat sind hinreichend gewichtige Gründe für ein andersartiges, von den sonstigen Zulassungsregelungen abweichendes personalwirtschaftliches Instrumentarium.

18

Die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers ist nach allem nicht zu beanstanden, weil die ausgewählten Bewerber nach den für die Reihung maßgeblichen Kriterien (Punktwert) eine bessere Eignung aufweisen. Damit lässt sich bei summarischer Prüfung eine fehlerhafte, insbesondere auch gegen die Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verstoßende Auswahl zu Lasten des Antragstellers nicht feststellen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.


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