Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 79/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der als Justizamtmann bei der Antragsgegnerin tätige Antragsteller wendet sich gegen eine Übertragung von dienstlichen Aufgaben durch eine Weisung der Antragsgegnerin.
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Am 11. November 2019 setzte der Personalrat den Antragsteller davon in Kenntnis, dass die Antragsgegnerin ihn am 28. Oktober 2019 gegenüber dem Generalstaatsanwalt als ihren „Datenschutzverantwortlichen“ benannt habe. In der Folgezeit forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, aufgrund dieser Stellung an einer Fortbildungsveranstaltung des Generalstaatsanwalts am 3. Dezember 2019 teilzunehmen. Der Antragsteller teilte daraufhin mit, dass diese Veranstaltung mit einem privaten Termin kollidiere und er nicht teilnehmen könne. Er verfasste zudem eine Eingabe an den Personalrat und bat um Klärung.
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Am 26. November 2019 teilte der Personalrat der Antragsgegnerin mit, dass er die Bestellung des Antragstellers zum Datenschutzverantwortlichen ablehne, weil sie weder nach den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig-Holstein (MBG) zustande gekommen, noch mit seinem Amt als Mitglied des örtlichen Personalrates vereinbar sei. Daher scheide eine Anwendung des Direktionsrechts aus.
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Mit Weisung vom 29. November 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie ihn als Datenschutzverantwortlichen benannt habe. Da er die Ernennung ablehne, aber am 3. Dezember 2019 eine wichtige Erstveranstaltung zum Thema Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) (u.a. Feststellung der Aufgaben des Datenschutzverantwortlichen) stattfinde, weise sie ihn gemäß § 52 Abs. 8 MBG an, den Termin wahrzunehmen.
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Am 2. Dezember 2019 hat der Antragsteller bei Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
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Der Antragsteller meint, dass die Weisung rechtswidrig sei, da es an einer offiziellen Zuweisung fehle und der örtliche Personalrat nicht beteiligt worden sei. Er habe ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit, weil eine Tätigkeit als „Datenschutzverantwortlicher“ mit seiner Tätigkeit als Personalratsmitglied und als ständiger Vertreter der Personalratsvorsitzenden nicht vereinbar sei. Er sei in dieser Funktion für den Personalrat Gesprächs- und Verhandlungspartner für die Behörden- und Geschäftsleitung, was zu Interessenkonflikten führe. Bei Datenschutzthematiken seien immer wieder Dienstvereinbarungen Gegenstand der Diskussionen. Hierbei stünden sich häufig Personalratsinteressen und Datenschutzüberlegungen gegenüber, welche er dann auf beiden Seiten vertreten müsse.
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Die Beteiligten haben keine ausdrücklichen Anträge gestellt.
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Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass ein Interessenkonflikt nicht bestehe. Datenschutzverantwortlicher sei der jeweilige Behördenleiter. Die Aufgaben könnten im Rahmen der Geschäftsverteilung von der Behördenleitung übertragen werden. Sie - die Antragsgegnerin - wolle dem Antragsteller einzelne Aufgaben des Datenschutzverantwortlichen, die nach der DSGVO zu erfüllen seien, übertragen. Nach einer weiteren nochmals modifizierten Vorlage an den Personalrat vom 17. Januar 2020 seien die übertragenen Aufgaben die Teilnahme an einem Arbeitskreis, der bei der Generalstaatsanwaltschaft eingerichtet worden sei und die Erstellung und Führung des Verarbeitungsverzeichnisses gem. Art. 30 DSGVO.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
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Das sich aus der Antragsschrift sinngemäß ergebende Begehren des Antragstellers, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, ihm Aufgaben des Datenschutzverantwortlichen zu übertragen, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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§ 123 VwGO ist einschlägig, denn die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt kommt nicht in Betracht. Die Übertragung von Aufgaben des Datenschutzverantwortlichen hat als Weisung an einen nachgeordneten Beamten hinsichtlich seiner dienstlichen Tätigkeit zwar Rechts- und damit Regelungscharakter, ist aber kein Verwaltungsakt, sondern ein verwaltungsinterner Organisationsakt ohne direkte Außenwirkung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1995 – 2 C 20/94 –, Rn. 2, juris; BVerwG, Urt. v. 20.3.1962 - II C 6.60 -; BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 35 Rn. 225).
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2. Der Antrag ist allerdings unbegründet.
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Nach der Bestimmung des § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu hat der Antragsteller Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich ergibt, dass ihm ein Anspruch, ein Recht oder ein sonstiges schützenswertes Interesse zusteht (sog. Anordnungsanspruch) und ferner, dass dieser Anordnungsanspruch in Folge einer Gefährdung durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss, somit eine Eilbedürftigkeit besteht (sog. Anordnungsgrund, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
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Der Antragsteller hat bei der gebotenen summarischen Prüfung weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Ein Anordnungsanspruch besteht nicht. Die Aufgabenübertragung ist in der Sache bei der gebotenen summarischen Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.
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Ein Beamter hat keinen Anspruch auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkret-funktionellen Amtes (Dienstpostens) (st. Rspr., BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2002 – 2 A 5/01 –, Rn. 12, juris; BVerwG, Urteil vom 28. November 1991 - BVerwG 2 C 41.89 -, Rn. 18 f., juris; OVG Münster, Beschluss vom 25. Februar 2013 - 6 A 263/12 -, Rn. 6, juris, jeweils m.w.N.). Er muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenkreises durch Umsetzung oder andere organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinne hinnehmen. Danach kann der Dienstherr aus jedem sachlichen Grund den Aufgabenbereich eines Beamten verändern, solange diesem ein amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibt (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 B 242/16 -, Rn. 6, juris, m.w.N.). Beruht die Änderung des Aufgabenkreises durch Umsetzung auf einer Organisationsverfügung, prüfen die Verwaltungsgerichte nur, ob der Dienstherr sein Organisationsermessen willkürlich ausgeübt hat (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 25. Februar 2013, a.a.O.). Willkürlich wäre die Organisationsverfügung dann, wenn sie eines sachlichen Grundes für diese Maßnahme entbehrte. Es steht weder dem Antragssteller, noch den Verwaltungsgerichten zu, über die Sinnhaftigkeit der Organisationsmaßnahme zu befinden. Vielmehr obliegt deren Bewertung der Antragsgegnerin, die insoweit über einen weiten, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum verfügt (VGH Kassel, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 1 B 1603/17 –, Rn. 9 f., juris).
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Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass die anfängliche Formulierung der Antragsgegnerin, nach der ihm die Position als Datenschutzverantwortlicher (vollumfänglich) übertragen werden soll, schon aufgrund der Unbestimmtheit nicht zulässig sein dürfte. Außerdem dürfte eine vollständige Übertragung der Verantwortlichkeit i.S.d. DSGVO nicht möglich sein, wie der Personalrat mit seinem Schreiben vom 19. Dezember 2019 zutreffend ausführte. Denn Datenschutzverantwortlicher (nicht Datenschutzbeauftragter) ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Die Letztverantwortung muss damit bei Behörde selbst als juristischer Person bleiben und kann nicht etwa zur Gänze wie die Position des Datenschutzbeauftragten i.S.v. Art. 37 DSGVO einem Beamten übertragen werden.
- 19
Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 123 Rn. 27) hat die Antragsgegnerin die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben allerdings mit Verfügung vom 17. Januar 2020 dahingehend konkretisiert, dass mit den übertragenen Aufgaben die Teilnahme an einem Arbeitskreis bei der Generalstaatsanwaltschaft und die Erstellung und Führung des Verarbeitungsverzeichnisses gem. Art. 30 DSGVO gemeint seien. Die Antragsgegnerin bezieht sich auf einen Beschluss der DSB-Konferenz vom 8. Mai 2019, in dem die Empfehlung ausgesprochen wurde, „durch eine allgemeine Aufbauorganisation sicherzustellen, dass im Innenverhältnis die Anwendung des Datenschutzrechts in der Behörde organisiert und gewährleistet wird“. Nach dieser gewählten Gestaltung bleibt die Antragsgegnerin die eigentliche Verantwortliche, da sie die Verfügungsgewalt über die erhobenen Daten besitzt. Die Übertagung der von der Antragsgegnerin nach der DSGVO zu erfüllenden konkreten Aufgaben im Rahmen der Behördenorganisation ist dagegen zulässig.
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In dieser Gestalt sind nach der gebotenen summarischen Prüfung die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben auch mit seiner Tätigkeit im Personalrat vereinbar. Die Tätigkeiten beinhalten gerade keine weitgehenden Überwachungsfunktionen oder eigenständige Befugnisse, aufgrund derer er über das Ergreifen von Maßnahmen zum Zwecke des Datenschutzes entscheiden müsste. Die Aufgabe der Führung des Verarbeitungsverzeichnisses ist im Gegenteil im Wesentlichen verwaltender Natur. Auch inwieweit die Teilnahme an einem Arbeitskreis zu dem Thema Datenschutz mit der Personalratstätigkeit kollidieren würde, ist nicht ersichtlich.
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Darüber hinaus steht dem Antragsteller auch kein Anordnungsgrund zur Seite. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die beantragte einstweilige Anordnung bei einem Abwarten einer Hauptsacheentscheidung schwere und unzumutbare Nachteile drohen. Für ein Entstehen von derartigen unzumutbaren Nachteile bestehen bei der hier vorgenommenen rein punktuellen und konkreten Aufgabenübertragung keine Anhaltspunkte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat den vollen Auffangstreitwert (5.000,00 €) eines möglichen Hauptsacheverfahrens angesetzt. Eine Halbierung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts mangels gesetzlichem Anhaltspunkt nicht in Betracht (OVG Schleswig, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 4 O 2/20 –).
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Referenzen
- 2 A 5/01 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1603/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 O 2/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 8 MBG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 4x
- § 63 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 B 242/16 1x (nicht zugeordnet)
- 2 C 20/94 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- 6 A 263/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x