Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 16/21
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines noch zu erhebenden Widerspruchs des Antragstellers – der bislang per E-Mail eingereichte Widerspruch ist nicht formwirksam eingelegt, jedoch ist die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen – gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 2. Februar 2021 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht in dem vorliegenden Fall des nach § 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges der Untersagungsverfügung die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ganz oder teilweise anordnen. Gleiches gilt darüber hinaus für die in dem Bescheid enthaltene Zwangsmittelandrohung für den Fall der Nichtbefolgung, da einem Widerspruch gegen diese Vollzugsmaßnahme bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
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Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.
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Der Bescheid vom 2. Februar 2021 ist offensichtlich rechtmäßig.
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Die angefochtene Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in den Vorschriften der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 2, 28a Abs. 1 Nr. 7 IfSG, zuletzt geändert am 19. November 2020 (BGBl. I S. 2397). Nach diesen Vorschriften trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. […] Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt. Gemäß § 28a Absatz 1 Nr. 7 IfSG können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag auch die Untersagung oder Beschränkung von Kulturveranstaltungen sein. Nach § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten.
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Vorliegend sind die Beteiligten unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die von dem Antragsteller ausgeübte Tätigkeit als Musiker im öffentlichen Raum von dem Verbotstatbestand einer auf Grundlage des § 32 Absatz 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung der Landesregierung, nämlich der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Februar 2021, erfasst wird. Sind die Beteiligten unterschiedlicher Auffassung, ob eine Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Corona-Bekämpfungsverordnung fällt, ist die zuständige Infektionsschutzbehörde befugt, durch Ordnungsverfügung gegenüber dem Betroffenen konkretisierend klarzustellen, ob die Tätigkeit untersagt ist (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Dezember 2020 – 3 K 5284/20 –, Rn. 21, juris). Die zwangsweise Durchsetzung der durch die Landesverordnung begründeten Pflichten im Wege des Verwaltungsvollzuges setzt grundsätzlich den vorherigen Erlass eines Verwaltungsakts voraus. Erst dadurch wird die abstrakt-generelle Verpflichtung des Gesetzes – hier der Verbotstatbestand des § 5 Abs. 1 Corona-Bekämpfungsverordnung für Veranstaltungen – für den Einzelfall konkretisiert und ein Vollstreckungstitel als materiell- und verfahrensrechtliche Grundlage für die Anwendung von Verwaltungszwang geschaffen (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 28. Mai 2020 – 1 B 92/20 –, Rn. 23, juris). Diese durch den Antragsgegner vorgenommene Konkretisierung stellt vorliegend eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG dar.
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Der Antragsgegner ist in dem angefochtenen Bescheid vom 2. Februar 2021 zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Tätigkeit des Antragstellers (Auftritt mit Klavier an unter Umständen verschiedenen, jedoch vorher nicht bekannt gegebenen Orten) um eine verbotene Veranstaltung nach § 5 Abs. 1 Corona-Bekämpfungsverordnung handelt. Nach dieser Vorschrift sind Veranstaltungen untersagt. Nach der Begründung zu § 5 Corona-Bekämpfungsverordnung ist eine Veranstaltung ein zeitlich begrenztes und geplantes Ereignis mit einer definierten Zielsetzung oder Absicht, einer Programmfolge mit thematischer, inhaltlicher Bindung oder Zweckbestimmung in der abgegrenzten Verantwortung einer Veranstalterin oder eines Veranstalters, einer Person, Organisation oder Institution, an dem eine Gruppe von Menschen teilnimmt (vgl.OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 2014, I-20 U 131/13). Der Veranstaltungsbegriff ist sehr weit gefasst: Dazu zählen unter anderem private Feiern aller Art, Unterrichtsformate, bestimmte Kulturangebote wie Kino- oder Theateraufführungen und Großveranstaltungen wie Volksfeste und Festivals. Zusammenkünfte von zwei Personen stellen keine Veranstaltung dar.
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Bei der Auslegung des Begriffs der Veranstaltung ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere auch der Zweck der Corona-Bekämpfungsverordnung zu berücksichtigen, der auf den Schutz der Bevölkerung vor den hochinfektiösen Covid-19 Erkrankungen gerichtet ist. Ziel der Verordnung ist insbesondere die Verhinderung der Weiterverbreitung der übertragbaren Krankheit durch die Unterbrechung von Infektionsketten. Die Verordnung dient damit dem in § 1 Abs. 1 IfSG formulierten Zweck des Infektionsschutzrechts, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Die Übertragung des Coronavirus erfolgt durch Kontakte zwischen Menschen. Die Verordnung zielt darauf, solche Kontakte im Interesse des Infektionsschutzes zu begrenzen.
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Unter Berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen Zielsetzung der Verordnung kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die beanstandete Tätigkeit des Antragstellers eine Veranstaltung im Sinne des § 5 Abs. 1 IfSG darstellt. Es handelt sich bei den Musikaufführungen um ein zeitlich begrenztes und auch geplantes Ereignis. Dabei kommt es nicht darauf an – worauf der Antragsteller abstellen möchte –, ob der Antragsteller sich erst kurzfristig unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten entscheidet, eine Aufführung an einem bestimmten Ort zu beginnen. Eine Planung setzt nicht eine schon länger bestehende konkrete Absicht voraus, sondern kann auch kurzfristig umgesetzt werden. Im Hinblick auf den bezweckten Infektionsschutz macht es insoweit keinen Unterschied, wie lange im Voraus das Ereignis geplant worden ist. Allenfalls die fehlende vorherige öffentliche Bekanntgabe kann Einfluss auf die Anzahl der zuhörenden Menschen haben; die fehlende vorherige öffentliche Bekanntgabe ändert an dem Charakter als Veranstaltung jedoch nichts. Das Spielen von Musikstücken stellt darüber hinaus eine Programmfolge mit inhaltlicher Zweckbestimmung in der abgegrenzten Verantwortung des Antragstellers dar. Schließlich ist die Tätigkeit auch gerade darauf gerichtet, andere Menschen durch gezieltes Zuhören daran teilnehmen zu lassen und unter Umständen auch für die gebotene künstlerische Leistung zu einer Bezahlung zu animieren.
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Veranstaltungen sind typischerweise darauf gerichtet, andere Menschen zur Teilnahme anzuregen und sich am Veranstaltungsort zu sammeln, um der Veranstaltung folgen zu können. Darüber hinaus können auch vorher nicht angekündigte Veranstaltungen, die jedoch häufiger an demselben Ort durchgeführt werden, die Attraktivität des Standorts erhöhen und andere Menschen zu einem Aufenthalt in dem Bereich verleiten. Die sich daraus ergebenden Kontaktmöglichkeiten sollen nach der Zielsetzung der Verordnung im Interesse des Infektionsschutzes vermieden werden.Eine Übertragung des Virus ist nach aktuellem wissenschaftlichen Stand auch im Freien im Grundsatz möglich. Nach einer Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts – auf seiner Homepage unter dem Kapitel Infektionsschutzmaßnahmen und dort zu der Frage: „Welche Rolle spielen Aerosole bei der Übertragung von SARS-CoV-2?“ – seien Übertragungen von SARS-CoV-2 im Freien über Distanzen von mehr als 1,5 m bisher (in wissenschaftlichen Veröffentlichungen) nicht beschrieben worden. Dennoch empfiehlt das Robert-Koch-Institut an dieser Stelle einen Abstand von mindestens 1,5 m und die Vermeidung von größeren Menschenansammlungen im Freien einzuhalten, um eine direkte Exposition gegenüber Tröpfchen (etwa beim Husten, Niesen oder auch nur lautes Sprechen) und gegenüber Aerosolen zu minimieren. Diese Empfehlung wird durch den Verordnungsgeber aufgegriffen und dürfte angesichts des seither bekannt gewordenen Auftretens und der Verbreitung von möglicherweise stärker ansteckenden Mutationen des Virus erst recht gelten. Die Landesregierung stellt in der Begründung zur Corona-Bekämpfungsverordnung unter Abschnitt A. Allgemein neben dem allgemeinen immer noch sehr hohen Infektionsgeschehen insbesondere auch auf die Erkenntnisse über Mutationen des SARS-CoV2-Virus ab, die ein vorsorgen Handeln erforderten, ab. Vor diesem Hintergrund kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die von dem Antragsteller ausgeübte Tätigkeit eine Veranstaltung im Sinne des § 5 Abs. 1 Corona-Bekämpfungsverordnung darstellt.
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Die Vorschrift § 5 Abs. 1 Corona-Bekämpfungsverordnung verstößt aller Voraussicht nach nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. allgemein zur Verfassungsmäßigkeit der Verordnung ausführlich Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 3 MR 1/21 –, juris und aktuell: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Februar 2021 – 3 MR 6/21 –, juris).Hinsichtlich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), die keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten umfasst, stellt die angegriffene Regelung für den Antragsteller eine Berufsausübungsregelung dar, da dieser seinen Beruf zeitweise nicht ausüben darf. Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist jedoch gerechtfertigt (vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 3 MR 1/21 –, Rn. 36, juris).
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Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland immer noch insgesamt als sehr hoch ein. Die aktuelle Lage ist nach dem Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 21. Februar 2021 dadurch gekennzeichnet, dass der Rückgang der täglichen Fallzahlen seit Mitte Januar 2021 aktuell gebremst scheint. Der 7-Tage-R-Wert liegt um 1, zuletzt mit wieder steigender Tendenz. Es besteht durch das Auftreten verschiedener Virusvarianten ein erhöhtes Risiko einer erneuten Zunahme der Fallzahlen. Bundesweit gibt es in verschiedenen Kreisen Ausbrüche, die nach den an das RKI übermittelten Daten aktuell vor allem in Zusammenhang mit Alten- und Pflegeheimen, privaten Haushalten und dem beruflichen Umfeld stehen. Zusätzlich findet in zahlreichen Kreisen eine diffuse Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung statt, ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind. Das genaue Infektionsumfeld lässt sich häufig nicht ermitteln. Ältere Personen sind nach wie vor sehr häufig von COVID-19 betroffen. Da sie auch häufiger schwere Erkrankungsverläufe erleiden, bewegt sich die Anzahl schwerer Fälle und Todesfälle weiterhin auf hohem Niveau. Diese können vermieden werden, wenn alle mit Hilfe der Infektionsschutzmaßnahmen die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus verlangsamen. Daher ist es weiterhin notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert, z. B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent – auch im Freien – einhält, Innenräume lüftet und, wo geboten, eine OP-Maske (Mund-Nasen-Schutz, MNS) oder eine FFP2-Maske (bzw. KN95 oder N95-Maske) korrekt trägt. Menschenansammlungen – besonders in Innenräumen – sollten möglichst gemieden werden. (Lagebericht RKI vom 21. Februar 2021, Seite 2, www.rki.de ). Der Anteil der Virusvarianten, die als Variants of Concern (VOCs) bezeichnet werden, insbesondere die Varianten B.1.1.7 und B.1.351, ist nach den bisher vorliegenden Daten in den letzten Wochen weiter deutlich gestiegen (Bericht des RKI zu Virusvarianten von SARSCoV-2 in Deutschland www.rki.de ).
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Angesichts der gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, muss in einer Güterabwägung das Interesse des Antragstellers an seiner Berufsausübung hinter dem überragenden öffentlichen Interesse an der Eindämmung der Ausbreitung der Corona-Pandemie gegenwärtig noch zurückstehen. Die nach wie vor bestehende Unsicherheit in der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkung einzelner Maßnahmen zur Eindämmung des Virus kann die Eignung solcher Maßnahmen nicht infrage stellen. Denn gerade diese Ungewissheit erfordert, dass auch Maßnahmen getroffen werden, die nur möglicherweise geeignet sind, die Verbreitung des Virus einzudämmen, solange ihre Nicht-Eignung nicht feststeht bzw. jedenfalls ganz überwiegend anzunehmen ist (VG Schleswig, Beschluss vom 04. Februar 2021 – 1 B 10/21 –, Rn. 12, juris).
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Entsprechendes gilt für einen hier in Betracht kommenden Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 gewährte Kunstfreiheit des Antragstellers.Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden. Das künstlerische Schaffen, bei dem Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammenwirken, ist "unmittelbarster" Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Die Freiheitsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG betrifft den "Werkbereich" des künstlerischen Schaffens in prinzipiell gleicher Weise wie den "Wirkbereich" der Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1984 – 1 BvR 816/82 –, BVerfGE 67, 213-231).
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Die Tätigkeit des Antragstellers als Musiker fällt damit grundsätzlich in den Schutzbereich der Kunstfreiheit. Die Kunst in ihrer Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit ist durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleistet; weder die Schrankenbestimmungen des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG noch die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gelten unmittelbar oder analog (BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68 –, BVerfGE 30, 173-227). Allerdings kann auch die Kunstfreiheit Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung finden, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen. Dies gilt insbesondere für das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Wenn die drohende Beeinträchtigung dieser geschützten hochrangigen Rechtsgüter schwerwiegend ist, muss die Freiheit der Kunst zurückzutreten, soweit dies zur Abwendung einer dem Leben und der Gesundheit anderer Menschen drohenden Gefahr erforderlich ist (vgl. zur Abwägung BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1984 – 1 BvR 816/82 –, BVerfGE 67, 213-231, Rn. 39). Angesichts der immer noch bestehenden dargestellten sehr hohen Gefahr für Leben und Gesundheit anderer Menschen bei der Verbreitung des Coronavirus ist die auf Unterbindung von menschlichen Kontakten zielende Einschränkung durch das Veranstaltungsverbot gegenwärtig noch gerechtfertigt.
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Im Einzelfall können die Infektionsschutzbehörden nach § 20 Abs. 1 der Corona-Bekämpfungsverordnung Ausnahmen von den Geboten und Verboten aus §§ 5-18, also auch vom Veranstaltungsverbot, genehmigen, soweit die dadurch bewirkten Belastungen im Einzelfall eine besondere Härte darstellen und die Belange des Infektionsschutzes nicht überwiegen (1.) oder dies zur Bekämpfung der Pandemie erforderlich ist (2.). Eine solche Ausnahmegenehmigung hat der Antragsteller jedoch nicht beantragt, ein solcher Antrag ist auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
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Der Antragsteller fällt nicht unter die Ausnahmevorschrift des Absatzes 2. Danach gelten Absatz 1 und die allgemeinen Anforderungen für Einrichtungen mit Publikumsverkehr, bei Veranstaltungen und Versammlungen nach § 3 nicht für Veranstaltungen und Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Rechtspflege, der Beratung von Organen öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Anstalten und Stiftungen oder der Daseinsfür- und -vorsorge zu dienen bestimmt sind; dies betrifft insbesondere Veranstaltungen und Sitzungen der Organe, Organteile und sonstigen Gremien der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt sowie Einrichtungen des Selbstorganisationsrechtes des Volkes wie Gemeindewahlausschüsse; für Zusammenkünfte, die aus geschäftlichen, beruflichen oder dienstlichen Gründen, zur Durchführung von Prüfungen oder zur Betreuung erforderlich sind; im Rahmen der Kindertagesbetreuung, einer außerfamiliären Wohnform oder von Betreuungs- und Hilfeleistungsangeboten nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII); für die Wintereinlagerung von Booten, soweit nach Maßgabe von § 4 Absatz 1 ein Hygienekonzept erstellt wird; für Veranstaltungen zu privaten Zwecken im Rahmen von § 2 Absatz 4; für unaufschiebbare Veranstaltungen von Parteien und Wählergruppen zur Aufstellung ihrer Bewerberinnen und Bewerber nach den jeweiligen Wahlgesetzen für unmittelbar bevorstehende Wahlen; für ärztlich oder psychotherapeutisch verordnete Gruppentherapien, für die Teilnahme an von der Kultusministerkonferenz anerkannten Schüler- und Jugendwettbewerben soweit eine digitale Teilnahme nicht möglich ist, für Veranstaltungen, die nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zulässig sind. Der Antragsteller fällt mit der von ihm ausgeübten Tätigkeit unter keinen dieser Ausnahmetatbestände.
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Die Androhung des unmittelbaren Zwangs ist offensichtlich rechtmäßig (§§ 236 Abs. 1, 239 LVwG). Die Auswahl des Zwangsmittels liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 11. April 2017 – 1 A 138/14 – n.v.). Dieses Ermessen hat der Antragsgegner fehlerfrei ausgeübt. Die Verhängung eines Zwangsgeldes war vorliegend untunlich. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn unmittelbarer Zwang zur Abwehr drohender Gefahren für bedeutende Rechtsgüter nötig ist, weil eine mit dem Versuch, den Willen des Verpflichteten zunächst durch ein Zwangsgeld zu beugen, verbundene Verzögerung nicht in Kauf genommen werden kann (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 15. Mai 1997 – 2 S 6/97 –, NVwZ-RR 1998, 412 (413); VG Berlin, Beschluss vom 10. Mai 2017 – 4 L 134.17 –, juris, Rn. 24). Das ist vorliegend der Fall. Auf ein sich durch die Durchführung einer Veranstaltung durch den Antragsteller ergebendes Infektionsrisiko muss der Antragsgegner schnell reagieren. Er muss sich deshalb mit der sofortigen Androhung unmittelbaren Zwangs in die Lage versetzen, die Entstehung eines neuen Infektionsherds durch eigenes Handeln unverzüglich zu verhindern (vgl. dazu VG Schleswig, Beschluss vom 28. Mai 2020 – 1 B 92/20 –, Rn. 30 - 34, juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
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