Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 B 43/20

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der vom 8. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2020 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 514,13 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antragsteller – ein gemeinnütziger Verein – wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für Maßnahmen in der Straße Jettkorn auf dem Stadtgebiet der Antragsgegnerin.

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Sein zulässiger Antrag,

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die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2020 anzuordnen,

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ist begründet.

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Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO regelmäßig nur in Betracht, wenn gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO liegen nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG Schleswig (nur) vor, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg (vgl. z. B. OVG Schleswig, Beschluss vom 24. Juni 1998 – 2 M 7/98 –, Die Gemeinde 1998, 341).

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So liegt es hier. Es ist nach summarischer Prüfung mindestens offen, ob der angefochtene Ausbaubeitragsbescheid einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhalten wird bzw. es ist davon auszugehen, dass er sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen wird.

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Dabei ist im Hinblick auf die zugrundezulegende Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht abzustellen (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 10. August 2012 – 4 LB 3/12 –, Rn. 60, juris, und Beschluss vom 7. September 2020 – 2 LA 232/18 –, n. v.). Diese entsteht nach § 8 Abs. 4 des Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetz vom 10. Januar 2005 (GVOBl. 2005, 27) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung der letzten Änderung durch Gesetz vom 10. April 2017 (GVOBl. 2017, 269; im Folgenden: KAG) in Verbindung mit § 9 Abs. 1 der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Aus- und Umbau und die Erneuerung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze vom 16. Juli 2010 i. d. F. des 1. Nachtrages vom 2. Februar 2017 (im Folgenden ABS) mit dem Abschluss der Maßnahme, für die Ausbaubeiträge erhoben werden sollen.
Dieser Abschluss ist nach der ständigen Rechtsprechung der Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtsbarkeit sodann in der Abnahme der Baumaßnahme zu sehen.
Ist – wie hier – keine förmliche Abnahme erfolgt, wird nach der Rechtsprechung der Kammer auf den Zeitpunkt des Eintritts der Abnahmefiktion nach § 12 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B (BAnz AT 19.01.2016 B 3 und BAnz AT 01.04.2016 B 1, Im Folgenden VOB/B) abgestellt (vgl. Beschluss der Kammer vom 11. Juni 2013 – 9 B 9/13 –, n. v.; so auch: Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2020, KAG, § 8, Rn. 490).

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In Konsequenz daraus gilt die streitgegenständliche Ausbaumaßnahme hier (frühestens) am 29. Juni 2017 als abgenommen.

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Denn nach § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B gilt die Abnahme der Leistung nach Ablauf von 6 Werktagen nach Benutzung als erfolgt, wenn keine Abnahme verlangt wird und der Auftraggeber die Leistung in Benutzung genommen hat. Nach – unbestrittenen – Angaben der Antragsgegnerin ist die neue Beleuchtungsanlage in der Straße „Jettkorn“ am 20. Juni 2017, einem Dienstag, in Betrieb genommen worden (vgl. auch Bl. 14 VV). Die – mit dem Abstellen auf den Beginn der Benutzung – als Ereignisfrist ausgestaltete 6-Werktagefrist des § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B begann damit am 21. Juni 2017 (§ 189 Abs. 1 BGB i. V. m. § 89 Abs. 1 LVwG) und endete mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist (§ 188 Abs. 1 BGB i. V. m. § 89 Abs. 1 LVwG). Der letzte Tag der 6-Werktagefrist war damit der 28. Juni 2017, ein Mittwoch, mit dessen Ablauf die Abnahme der Baumaßnahme als erfolgt galt und die sachliche Beitragspflicht entstand.

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Unter Zugrundelegung dieses maßgeblichen Zeitpunkts durfte die Antragsgegnerin für das Erbbaugrundstück des Antragstellers, das am 28. Juni 2017 in das Grundbuch eingetragen worden war, keine Ausbaubeiträge für den Ausbau der Beleuchtungsanlage in der Straße Jettkorn erheben.

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Zwar steht der Beitragserhebung durch die Antragsgegnerin nicht entgegen, dass die ABS zwischenzeitlich mit Aufhebungssatzung vom 27. April 2018 zum 1. Mai 2018 ersatzlos aufgehoben wurde. Insoweit hat das Gericht bereits in einem anderen Verfahren, an dem die Antragsgegnerin ebenfalls beteiligt war, festgestellt, dass dies die Wirksamkeit der ABS für die Abrechnung der hier streitgegenständlichen Maßnahme nicht hindert. Diesbezüglich stellte das Gericht fest:

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Nach Art. 2 der Aufhebungssatzung werden Beiträge noch erhoben, sofern die sachliche Beitragspflicht vor dem 01.05.2018 entstanden ist. Insoweit ist die aufgehobene ABS weiterhin anzuwenden (vgl. Urteil der Kammer vom 26. September 2018 – 9 A 174/15 –, Rn. 30, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die sachliche Beitragspflicht vor dem 1. Mai 2018 entstanden ist (s. o.).
Der Anwendbarkeit der Aufhebungssatzung und damit der ABS steht nicht die Wahl des Zeitpunktes für die Übergangsregelung – dem Stichtag 1. Mai 2018 – entgegen. […]
Würde die [Aufhebungs-] Satzung in Gänze unanwendbar sein, hätte die ABS auch über den 30. April 2018 hinaus Bestand und wäre deshalb weiterhin anzuwenden. Würde man von einer nur teilweisen Unanwendbarkeit der Aufhebungssatzung und damit von einer weitergehenden Anwendbarkeit zumindest des Art. 1 der Aufhebungssatzung ausgehen, so würde auch dies dazu führen, dass die ABS zumindest bis zum 30. April 2018 anwendbar war und damit bis zu einem Zeitpunkt, zu dem die sachliche Beitragspflicht der Klägerin schon entstanden war, was nach dem materiellen Recht der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, also der Zeitpunkt ist, der für die Anwendung des maßgeblichen Satzungsrechts entscheidend ist und zu dem – im Hinblick auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides – eine gültige Satzung vorgelegen haben muss (s. o., vgl. auch Beschluss der Kammer vom 18. März 2008 – 9 B 83/07 –, Rn. 33, juris; VGH München, Beschluss vom 07. Dezember 2012 – 6 ZB 12.1461 –, Rn. 4, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 23. Dezember 2011 – 3 K 538/07 –, Rn. 24, juris; VG Gera, Urteil vom 05. Mai 2003 – 5 K 2026/98.GE –, Rn. 138, juris).
Es kommt aus denselben Gründen außerdem nicht darauf an, ob die ABS im Zeitpunkt des Bescheiderlasses bzw. der letzten Behördenentscheidung oder im Zeitpunkt der Fälligkeit des Beitrages aufgehoben war. […], so ist zumindest davon auszugehen, dass – sind die sachlichen Beitragspflichten auf der Grundlage einer wirksamen Satzung einmal entstanden – der Anspruch der Gemeinde auf die Zahlung von Straßenausbaubeiträgen nicht deshalb erlischt, weil diese Satzung durch eine andere Satzung ersetzt oder mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben worden ist. Sie bleibt maßgebend sowohl für die Beitragsfestsetzung als auch für das Leistungsgebot (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 9 LA 231/16 –, Rn. 4, juris, m. w. N.). Die Befugnis, den Beitrag durch Verwaltungsakt festzusetzen und von dem Beitragspflichtigen anzufordern, ergibt sich im Übrigen unabhängig von der inzwischen aufgehobenen Satzung auch direkt aus § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i. V. m. § 155 AO (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 9 LA 231/16 –, Rn. 8, juris; Arndt/Hoefer/Dörschner in Die Gemeinde 2018, 90).

13

Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Grundsätzlich sind außerdem nach § 13 Abs. 2 ABS i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG auch statt der Eigentümer⸱innen die Erbbaurechtsinhaber⸱innen zu Straßenausbaubeiträgen heranzuziehen. Zu den dinglich Berechtigten im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG gehören auch die Erbbauberechtigten (vgl. Thiem/Böttcher, Kommunalabgabenrecht, Stand Februar 2020, KAG, § 8 Rn. 226).
Das Erbbaugrundstück des Antragstellers ist indes im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht am 29. Juni 2017 nicht als von dem Ausbau der Beleuchtungsanlagen im Jettkorn bevorteiltes Grundstück im Sinne des § 4 Abs. 1 ABS anzusehen und war damit nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen.
Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass im Straßenausbaubeitragsrecht der bürgerlich-rechtliche Begriff des Grundstücks im Sinne des Grundbuchrechts maßgebend ist; Grundstück ist danach der Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke gebucht ist (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 24. Oktober 1996 – 2 L 108/96 –, Rn. 29, juris, und Urteil vom 17. August 2018 – 2 LB 83/18 –, Rn. 39, juris).
Hiervon ausgehend war das Erbbaugrundstück des Antragsgegners am 29. Juni 2017 als eigenständiges Grundstück anzusehen. Es war zu diesem Zeitpunkt insbesondere nicht (mehr) als Teil des Grundstücks, das vor Eintragung des Erbbaurechts am 28. Juni 2017 als Flurstück ... der Flur xx der Gemarkung Kiel-S (Grundbuch von Kiel Blatt ...xx) gebucht war und mit seiner südlichen Grenze am Jettkorn anliegt, anzusehen. Vielmehr ist mit der Bestellung des Erbbaurechts am 28. Juni 2017 dieses ehemalige Flurstück ... in die Flurstücke ... und ... der Flur xx der Gemarkung Kiel-S geteilt worden, wobei das Flurstück ... dasjenige des Erbbaurechts des Antragstellers ist. Gemäß § 7 Abs. 1 der Grundbuchordnung vom 1. Januar 1978 (BGBl. I, S. 1114) in der Fassung des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I, S. 3719) ist dieser Grundstücksteil von dem ehemaligen Grundstück abgeschrieben und auf einem eigenen Grundbuchblatt als selbstständiges Grundstück eingetragen worden (Grundbuch von Kiel Blatt ...xx Erbbaugrundbuch). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass beide Grundstücke nach wie vor im Eigentum der Antragsgegnerin stehen.
Bevorteiltes Grundstück im ausbaubeitragsrechtlichen Sinne des § 4 Abs. 1 ABS und § 8 Abs. 1 KAG war bzgl. der Baumaßnahme im Jettkorn am 29. Juni 2017 damit zunächst nur das direkt an der Straße Jettkorn anliegende Grundstück, welches das Flurstück ... der Flur xx der Gemarkung Kiel-S umfasst. Denn nur dieses genießt aufgrund seiner engen räumlichen Beziehung zu der ausgebauten Einrichtung Jettkorn eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit, die sich wertsteigernd auf das Grundstück auswirkt (vgl. Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2020, KAG, § 8, Rn. 396; Thiem/Böttcher, Kommunalabgabenrecht, Stand Februar 2020, KAG, § 8 Rn. 520, jeweils m. w. N.).
Entsprechendes gilt aber nicht für das Erbbaugrundstück des Antragstellers. Dieses liegt nicht an der Straße Jettkorn an.
Es ist nach summarischer Prüfung auch nicht als sogenanntes Hinterliegergrundstück, das von der ausgebauten Einrichtung durch ein Anliegergrundstück getrennt wird, bevorteilt. Hinterliegergrundstücke gehören zu den beitragspflichtigen, von der Baumaßnahme bevorteilten Grundstücken, soweit von ihnen aus Zugang zur Einrichtung über ein Anliegergrundstück genommen werden kann (vgl. Habermann in PdK, Stand Dezember 2020, KAG, § 8 Rn. 184), sie mithin trotz des direkten Anliegens an einer „anderen“ Straße die ausgebaute Straße über das Anliegergrundstück in nennenswertem Umfang in Anspruch nehmen könnten (vgl. Thiem/Böttcher/ Kommunalabgabenrecht, Stand Februar 2020, KAG, § 8 Rn. 569a).
Bezüglich der Voraussetzungen für die Annahme eines „Zugangs“ zur ausgebauten Straße über das Anliegergrundstück in diesem Sinne ist sodann nach den Eigentumsverhältnissen an Vorder- und Hinterliegergrundstück zu differenzieren:
Stehen Vorder- und Hinterliegergrundstück in unterschiedlichem Eigentum, besteht ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil in Gestalt einer Zugangsmöglichkeit regelmäßig nur dann, wenn der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks dauerhaft berechtigt ist, die ausgebaute Straße über das Anliegergrundstück in Anspruch zu nehmen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 21. Juli 2016 – 2 MB 12/16 –, Rn. 6, juris; Thiem/Böttcher Kommunalabgabenrecht, Stand Februar 2020, KAG, § 8 Rn. 578 ff., m. w. N.). Da beitragsrechtlich nur Dauervorteile relevant sind, bedarf es außerdem grundsätzlich einer dinglichen Sicherung dieser Zuwegung (bzw. bei „gefangenen“ Hinterliegern zumindest eines Notwegerechts).
Bei Eigentümeridentität von Vorder- und Hinterliegergrundstück wird die Annahme einer Vorteilslage für das Hinterliegergrundstück grundsätzlich nur dann begründet, wenn die Grundstücke etwa einheitlich (gewerblich oder privat) genutzt werden oder die Grundstücksgrenze überbaut ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 10. April 2005 – 2 MB 35/05 –, n.v; Urteil der Kammer vom 05. Dezember 2012 – 9 A 94/10 –, Rn. 25, juris; Thiem/Böttcher, Kommunalabgabenrecht, Stand Februar 2020, KAG, § 8 Rn. 570 ff, m. w. N.). Sofern Vorder- und Hinterliegergrundstück trotz Eigentümeridentität hingegen unterschiedlich genutzt werden, erfordert die gebotene objektive Betrachtungsweise für die Begründung der Beitragspflicht für das Hinterliegergundstück zumindest das Bestehen eines Zugangs oder einer Zufahrt, wobei es in diesen Fällen einer dinglichen Sicherung dieser Zuwegung grundsätzlich nicht bedarf, weil der Eigentümer sie jederzeit schaffen könnte (OVG Schleswig, Beschluss vom 10. April 2005 – 2 MB 35/05 –, n. v.).
Zwar stehen Vorder- und Hinterliegergrundstück hier im Eigentum der Antragsgegnerin. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der neben die Eigentümeridentität von Vorder- und Hinterlieger ein Erbbaurecht auf dem Hinterliegergrundstück tritt, sind zur Überzeugung des Gerichts indes ausnahmsweise die o. g. Grundsätze für die Fälle unterschiedlicher Eigentümer anzuwenden. Denn nur dies trägt dem eigentumsähnlichen Charakter des Erbbaurechts (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1974 – V ZR 67/72-, Rn. 14, juris) ausreichend Rechnung.
Die Antragsgegnerin hat sich mit der Bestellung des Erbbaurechts die Ausübung ihrer Gebrauchsrecht am Erbbaugrundstück nachhaltig abgeschnitten. So kann sie als Eigentümerin aufgrund der mit dem Erbbaurecht einhergehenden dinglichen Beschränkungen auf dem Erbbaugrundstück gerade nicht mit ihrem Eigentum nach Belieben verfahren und jederzeit etwa eine Zuwegung zwischen den Grundstücken schaffen (vgl. auch § 11 des Gesetzes über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919 [RGBl. 1919, S. 72 und 122] i. d. F. des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 [BGBl. I, S. 3719] i. V. m. mit den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Grundstücke und Ansprüche aus dem Eigentum). Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine „Gleichstellung“ des Erbbauberechtigten an einem (Hinterlieger-)Grundstück mit dem Eigentümer eines (Vorderlieger-)Grundstücks im Hinblick auf die durch die Straße gebotene Vorteilslage (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 09. Dezember 2005 – 9 ME 388/04 –, Rn. 6, juris; Thiem/Böttcher, Kommunalabgabenrecht, Stand Februar 2020, KAG, § 8 Rn. 571). Vielmehr muss die Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße – und damit der mittels Beitrag abzugeltende Vorteil – für den Hinterlieger entsprechend den Grundsätzen bei Eigentümerverschiedenheit vorgenommen werden.
Daher wäre zur Annahme einer Vorteilslage für das Erbbaugrundstücks des Antragstellers durch den Ausbau des Jettkorns die dingliche Sicherung einer etwaigen Zuwegung zwischen Vorder- und Hinterlieger zu fordern, die hier soweit ersichtlich nicht vorliegt. Dass eine dauerhaft, rechtlich gesicherte Zugangsmöglichkeit des Erbbaugrundstücks des Antragstellers über das – am Jettkorn anliegende – Flurstück ... der Flur xx der Gemarkung Kiel-S vorhanden wäre, ist nicht ersichtlich.
Auch wenn es nach alldem darauf nicht mehr ankommt, so dürfte sich darüberhinaus auch eine einheitliche Nutzung von Vorder- und Hinterliegergrundstück nicht ohne Weiteres feststellen lassen. Zwar befindet sich auf dem Erbbaugrundstück des Antragstellers ein Sport-Vereinsheim und auf dem entsprechenden Vorderliegergrundstück u. a. ein Sportplatz, was für eine einheitliche Nutzung beider Grundstücke als Sportstätte sprechen könnte. Ob dem wirklich so ist, muss ggf. im Hauptsachverfahren aufgeklärt werden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Sportplatz dem Antragsteller zur exklusiven Nutzung zugewiesen ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dieser auch durch andere Vereine/ Sporttreibende genutzt werden kann, was einer einheitlichen Nutzung mit dem Vereinsheim auf dem Erbbaugrundstück des Antragstellers entgegenstehen dürfte. Zudem befinden sich auf dem Vorderliegergrundstück außerdem zwei Kindertagesstätten und ein Spielplatz, die in keinerlei Nutzungszusammenhang mit dem Erbbaugrundstück des Antragstellers stehen.
Da hier schon keine Vorteilslage für das Erbbaugrundstück des Antragstellers gegeben ist, kam es auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für eine Ausbaubeitragserhebung nicht mehr an.

14

Nach alldem war dem Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in ständiger Rechtsprechung für den vorläufigen Rechtsschutz in Abgabensachen ein Viertel des Wertes der Hauptsache zugrunde legt.


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