Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 85/21

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache keinen Erfolg.

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Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juni 2021 in Gestalt des Bescheides von 9. Juni 2021 nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.

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Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheides und der Schließungsanordnung (Anordnungen zu Ziffer 1 und 2 des Bescheides vom 9. Juni 2021) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Insoweit ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft.

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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, also insbesondere in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung erlangen. Lässt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig (vgl. zu diesem Merkmal: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. September 1995 – 2 BvR 1179/95 –, Rn. 46, juris), bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2003 – 1 BvR 1594/03 –, Rn. 22, juris). Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2010 – 7 VR 1/10 –, Rn. 13, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. August 1991 – 4 M 109/91 –, juris).

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Nach diesen Grundsätzen erweist sich der Antrag als unbegründet.

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Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf den Seiten 3 und 4 des Bescheides vom 9. Juni 2021 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist. Dort kommt die besondere Dringlichkeit der angeordneten Maßnahmen zum Ausdruck, indem ausgeführt wird, es könne nicht abgewartet werden, dass abschließend über einen Widerspruch und gegebenenfalls eine Klage entschieden werde. Aus der Ausstellung falscher Testbescheinigungen resultierten erhebliche Gefahren für die öffentliche Gesundheit und damit verbunden auch das öffentliche Interesse. Die Testbescheinigungen mit einem negativen Ergebnis berechtigten zu der Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen, den Besuch von Restaurants und anderen Einrichtungen und eröffneten die Möglichkeit, in einem Hotel oder einer Ferienwohnung zu übernachten. Es bestehe dadurch die Gefahr, dass vermeintlich negativ getestete Personen andere mit dem Coronavirus ansteckten. Auch aufgrund des gesteigerten Sicherheitsempfindens, dass ein negatives Testergebnis auslöse, erhöhe sich die Gefahr der Ansteckung bei sozialen Kontakten. Durch das Ausstellen falscher Testbescheinigungen werde das Vorhaben, das gesellschaftliche Leben wieder zu ermöglichen, ohne dabei gleichzeitig die Infektionsgefahr zu erhöhen, in erheblichem Umfang konterkariert. Vor diesem Hintergrund sei es nicht hinnehmbar, dass eine Schließung der Teststationen erst erfolge, wenn abschließend über einen Widerspruch oder ein mögliches Klageverfahren entschieden werde. Die Antragsgegnerin hat damit gezeigt, dass sie den Zweck des in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung in genügenden Weise beachtet hat, indem sie den Antragsteller und das mit einem Aussetzungsantrag befasste Gericht umfassend über die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung informiert und selbst mit Blick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gezeigt hat, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst gewesen ist und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig geprüft hat.

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Das dargelegte und auch bestehende besondere Vollzugsinteresse überwiegt vorliegend das Interesse des Antragstellers, von dem Vollzug der Widerrufsverfügung vorläufig verschont zu bleiben.

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Der Widerruf der mit Bescheid vom 7. April 2021 und 28. April 2021 erfolgten bis zum 30. Juni 2021 befristeten Beauftragung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin zur Durchführung von Bürgertestungen nach § 4a Coronavirus-Testverordnung (TestV) und die Anordnung der Schließung der von dem Antragsteller betriebenen beiden Teststationen in dem Bescheid vom 9. Juni 2021 sind offensichtlich rechtmäßig.

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Rechtsgrundlage für den angegriffenen Widerruf ist zunächst § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz (LVwG), auf den die die Antragsgegnerin die Verfügung vom 9. Juni 2021 auch gestützt hat. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Darüber hinaus kann der Widerruf – wie es die Antragsgegnerin getan hat – auch auf § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVwG gestützt werden, wonach ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft unter anderem widerrufen werden kann, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

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Es sind nachträglich, also nach Erlass der Bescheide vom 7. April 2021 und 28. April 2021, Tatsachen eingetreten, die die Antragsgegnerin berechtigen würden, die Beauftragung des Antragstellers zur Durchführung von Bürgertestungen nach § 4a TestV zu verweigern, weil die ordnungsgemäße Durchführung der beauftragten Tätigkeit durch den Antragsteller nicht hinreichend sichergestellt ist. Der Antragsteller erfüllt darüber hinaus nicht Auflagen aus den Bescheiden über die Beauftragung.

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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TestV haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und anderer Personen nach Maßgabe der §§ 2-5 und im Rahmen der Verfügbarkeit von Testkapazitäten Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2. Der Anspruch umfasst nach § 1 Abs. 1 Satz 2 TestV das Gespräch mit der zu testenden Person im Zusammenhang mit der Testung, die Entnahme von Körpermaterial, die Diagnostik, die Ergebnismitteilung und die Ausstellung eines Zeugnisses über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Nach § 4a der Verordnung haben asymptomatische Personen Anspruch auf eine Testung mittels PoC-Antigen-Test (Bürgertestung). Nach einem positiven Antigen-Test hat die getestete Person nach § 4b Satz 1 der Verordnung einen Anspruch auf eine bestätigende Testung mittels eines Nukleinsäurennachweises des Coronavirus SARS-CoV-2.

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Zur Erbringung der Leistung sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung berechtigt: 1. die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und die von ihnen betriebenen Testzentren, 2. die von den Stellen nach Nummer 1 als weitere Leistungserbringer oder als Zentrum beauftragten Dritten und 3. Arztpraxen und die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 können als weitere Leistungserbringer im Sinne von Satz 1 Nummer 2 Ärzte, Zahnärzte, ärztlich oder zahnärztlich geführte Einrichtungen, medizinische Labore, Apotheken, Rettungs- und Hilfsorganisationen und weitere Anbieter, die eine ordnungsgemäße Durchführung, insbesondere eine Schulung nach § 12 Abs. 4, garantieren, beauftragt werden.

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Grundlage einer Beauftragung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV ist – dies ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung und versteht sich im Übrigen von selbst –, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der beauftragten Leistungen gewährleistet ist. Zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der beauftragten Leistung gehört insbesondere, dass das Zeugnis über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 auf Grundlage des tatsächlichen Testergebnisses eines tatsächlich durchgeführten Tests ausgestellt wird. Die ausgestellten Bescheinigungen mit einem negativen Ergebnis sollen im Rahmen der stufenweise durchgeführten Lockerungen eine Vielzahl von Kontakten ermöglichen, bei denen durch die (negative) Testung das Risiko einer Übertragung mit dem Virus verringert werden soll. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn Bescheinigungen ausgestellt werden, denen nicht ein tatsächlich vorliegendes Testergebnis aufgrund eines tatsächlich durchgeführten Testes zugrunde liegt. Denn dann besteht die Gefahr, dass infizierte Personen die durch die Bescheinigung eröffneten Kontaktmöglichkeiten nutzen und so zur Weiterverbreitung des Virus beitragen. Die Bescheide über die Beauftragung enthielten die Auflage, dass der Antragsteller die Mindestanforderungen gemäß Anlage AV-SH (Mindestanforderungen an Teststellen) erfüllt. Diese Anforderungen sehen vor, dass die Betreiberin/der Betreiber zuverlässig im Sinne des Gewerberechts sein muss. Eine Zuverlässigkeit liegt nicht vor, wenn nicht die ordnungsgemäße Durchführung der übertragenen Aufgaben gewährleistet ist.

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Die Prognose, dass der Antragsteller eine ordnungsgemäße Durchführung der beauftragten Leistung gewähren kann, lässt sich aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen nicht mehr aufrechterhalten, sodass die Antragsgegnerin die Beauftragung des Antragstellers verweigern kann.

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Dies ergibt sich aus folgenden Tatsachen:

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Die Leiterin eines Restaurants wollte sich nach eigenen Angaben in einer E-Mail vom 6. Juni 2021, gesendet um 19:19 Uhr, in einer Teststation des Antragstellers testen lassen. Sie habe sich dort mit einem Scan einfach einen Termin holen können. Als sie an der Anmeldung gestanden habe, habe sie erfahren, dass sie ohne Personalausweis oder Krankenversicherungskarte keinen Test machen könne. Für sie sei das kein Problem gewesen, sie würde dann einfach am nächsten Tag noch einmal mit den Unterlagen vorbeikommen. Ca. 20 Minuten später habe sie eine E-Mail mit einem negativen Testergebnis zugesendet bekommen, ohne jemals einen Test vor Ort gemacht zu haben. Das habe sie sehr irritiert. Auf dem ausgestellten Zertifikat ist als Testdatum der 6. Juni 2021, 17:07 Uhr, angegeben. Es ist dort vermerkt, dass die Gültigkeit des Zertifikates durch Abgleich mit der Online-Version über einen QR-Code bestätigt werden könne. Die Antragsgegnerin entzog dem Antragsteller daraufhin mit E-Mail vom 6. Juni 2021, 20:41 Uhr, die Beauftragung zur Durchführung von Antigentests.

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Die Antragsgegnerin erfuhr am 7. Juni 2021 davon, dass sich eine Bürgerin bei dem NDR gemeldet und mitgeteilt habe, sie habe sich im Testzentrum des Antragstellers testen lassen und per E-Mail ein negatives Testergebnis erhalten. Danach habe sich der Antragsteller gemeldet und gesagt, ihr Test sei doch positiv ausgefallen. Die E-Mail mit dem negativen Testergebnis würde nach Angaben des Antragstellers automatisch verschickt. In der Zwischenzeit sei sie an einem Buffet essen gewesen und habe verschiedene Leute getroffen. Der Antragsteller habe laut einer Presseanfrage des NDR bei der Antragsgegnerin gegenüber dem NDR erklärt, dass Testzentren grundsätzlich allen Testpersonen erst mal ein negatives Testergebnis zusenden würden und im Falle eines positiven Testergebnisses die Testperson ein neues Ergebnis bekäme. Erklärt worden sei es seitens des Betreibers damit, dass die Technik/das Computerprogramm negativ vorgebe und man das Zertifikat nur im Falle der Fälle ändern würde. Die Antragsgegnerin teilte gegenüber dem NDR mit, dass das von dem Antragsteller geschilderte Vorgehen nicht den Vorgaben an ein Testzentrum entspreche. Das vorgeschriebene Verfahren sei, dass die Tests nach Durchführung ausgewertet würden und die untersuchten Personen die Befunde – negativ oder positiv – erst im Anschluss erhielten.

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Der Antragsteller hatte der Antragsgegnerin zuvor am 5. Juni 2021 mitgeteilt, dass er die Daten von dem positiven Antigentest (der betroffenen Bürgerin) übersende. Ein anschließender PCR-Test sei durchgeführt und ins Zentrallabor abgegeben worden. Die Bürgerin sei ausführlich aufgeklärt worden, sich vorsorglich in Quarantäne zu begeben. Sie habe sich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt.

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Die dargestellten Vorfälle zeigen, dass bei Durchführung der Beauftragung durch den Antragsteller nicht hinreichend gewährleistet ist, dass keine Testbescheinigungen ausgestellt werden, die nicht auf dem tatsächlichen Ergebnis eines durchgeführten Tests beruhen.

20

Der Antragsteller nimmt in der Antragsschrift – obwohl in dem Widerrufsbescheid vom 9. Juni 2021 beide Vorfälle angesprochen werden – nur zu dem Fall der durch Antigentest positiv getesteten Bürgerin Stellung, der zunächst ein negatives Ergebnis per E-Mail übersandt worden war. Der Antragsteller trägt dazu vor, dass es sich bei der betroffenen Kundin so verhalten habe, dass tatsächlich ein positiver Befund zunächst aufgrund einer Fehleinschätzung oder eines Bedienfehlers als negativer Befund per E-Mail übermittelt worden sei. Dies sei in dem Zentrum sofort aufgefallen, weshalb der Antragsteller der betroffenen Kundin sofort eine E-Mail übermittelt habe, aufgrund derer sie ihren Restaurantbesuch abgebrochen und sich wieder in das Zentrum begeben habe. Dort habe sie sich nicht außerhalb des normalen Prozesses angemeldet, sondern als testwillige Person ohne Termin, weshalb ihr aufgrund eines fehlerhaften Setups der EDV das Ergebnis des zuvor durchgeführten ersten Tests (negativ) noch einmal übermittelt worden sei. Dieser Vorgang sei nicht richtig gewesen. Aber es sei nach der Aufnahme des Testbetriebs vor nur 5 Tagen nicht zu erwarten, dass jegliche EDV-Prozesse optimal gesteuert seien. Eine Gefährdung Dritter sei dadurch nicht gegeben gewesen, denn die Besucherin habe sich ja in dem Testzentrum befunden. Dort sei sie durch den Antragsteller selbst über das Verfahren und die Notwendigkeit eines PCR-Tests aufgeklärt worden, der auch unmittelbar vor Ort habe durchgeführt werden können und im Ergebnis bestätigt durch das Lübecker Zentrallabor negativ verlaufen sei. Es könne insoweit keine Rede davon sein, dass einer Kundin ohne durchgeführten Schnelltest ein Testergebnis übermittelt worden wäre. Der Antragsteller habe zuvor den Corona-Schnelltest als möglicherweise positiv bewertet und daher die Besucherin zurückgerufen. Der Vorgang lasse ein außerordentlich sorgfältiges und verantwortungsvolles Vorgehen mit der Durchführung von Corona-Schnelltests erkennen.

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Die dargelegten Tatsachen zeigen, dass die Prozesse in der Teststation des Antragstellers nicht so hinreichend zuverlässig organisiert sind, dass nur Bescheinigungen aufgrund eines tatsächlich vorliegenden Testergebnisses ausgestellt werden. Einer Kundin wurde ein negatives Testergebnis bescheinigt, obwohl ein Test gar nicht durchgeführt worden war, einer anderen Kundin wurde ein negatives Testergebnis bescheinigt, das sogar zu einem Restaurantbesuch genutzt wurde, obwohl tatsächlich der Verdacht auf ein positives Ergebnis vorlag. Diese Kundin erhielt dann auch noch, nachdem sie über das positive Testergebnis informiert worden war, in dem Testzentrum des Antragstellers nach erneuter Vorsprache und Anmeldung ohne Durchführung eines Antigentests wiederum ein negatives Testergebnis, bevor dann der PCR-Test durchgeführt wurde. Der Antragsteller hat keine geplanten oder durchgeführten Verfahrensschritte beschrieben, die es künftig ausschließen könnten, dass solche inhaltlich unrichtigen Bescheinigungen ausgestellt werden, die in seinem EDV-System sogar angelegt zu sein scheinen.

22

Wegen der besonderen Bedeutung der Testungen für eine möglichst wirksame Pandemie-Bekämpfung durch die zeitnahe Erkennung von Infektionen, für die Unterbrechung von Infektionsketten sowie für die Verringerung von Gefahren bei der Pflege von Kontakten ist es zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung von besonderer Bedeutung, dass bei der Durchführung der Beauftragung Verfahren angewendet werden, die sicherstellen, dass die Testergebnisse richtig bescheinigt werden. Dies ist bei dem Antragsteller nicht gewährleistet, sodass die erforderliche Zuverlässigkeit für die Gewährleistung der Richtigkeit ausgestellter Bescheinigungen nicht mehr festgestellt werden kann.

23

Ohne den Widerruf wäre auch das öffentliche Interesse an dem mit der Durchführung der Tests bezweckten Erfolg der Maßnahme gefährdet.

24

Die Antragsgegnerin hat das ihr durch § 117 Abs. 2 LVwG eingeräumte Ermessen über den Widerruf ermessensfehlerfrei, insbesondere entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Sie hat dazu ausgeführt, dass die in den Teststationen ausgestellten Bescheinigungen über das negative Ergebnis eines Tests zunehmend eine Funktion erfüllten, die nicht nur dem persönlichen Sicherheitsempfinden der Betroffenen diene. Es werde nicht nur die Möglichkeit eröffnet, Restaurants zu besuchen. Es könne unter anderem die Teilnahme an Veranstaltungen und der Besuch anderer Einrichtungen erfolgen, die gleichzeitig eine Vielzahl anderer Menschen aufsuchten. Gleichzeitig erweckten negative Befunde ein Sicherheitsgefühl bei den Befundempfängern, was im persönlichen Umgang mit anderen von Bedeutung sei. Jede falsch ausgestellte Testbescheinigung berge dabei die Gefahr, dass eine Person weitere Personen mit dem Coronavirus infiziere. Aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte könne hier auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich lediglich um ein Computerproblem gehandelt habe. Selbst wenn ein solches vorgelegen haben sollte, hätte der Antragsteller die Verpflichtung gehabt, diesem entgegenzuwirken bzw. nach dessen Entdecken umgehend darauf zu reagieren. Derartiges habe aber nicht festgestellt werden können. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich.

25

Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte kann der Antragsteller sich nicht berufen. Der Regelung des § 117 Abs. 2 LVwG liegt ebenso wie der bundesrechtlichen Regelung des § 49 Abs. 2 VwVfG der Gedanke zugrunde, dass in den Widerrufsfällen der Nrn. 1 - 5 das öffentliche Interesse an der Beseitigung oder Änderung des Verwaltungsaktes im allgemeinen schwerer wiegt als das Interesse des Betroffenen am Bestand des Verwaltungsaktes und das entsprechende Vertrauensinteresse. Dieses prinzipielle Übergewicht des öffentlichen Interesses liegt – soweit es um die in § 49 Abs. 2 Nrn. 3 - 5 VwVfG getroffenen Regelungen geht – darin begründet, dass dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hier bereits vom Gesetzgeber insofern Rechnung getragen worden ist, als dieser in § 117 Abs. 6 LVwG einen Entschädigungsanspruch des Betroffenen für etwaige im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes erlittene Vermögensnachteile geschaffen bzw. einen Widerruf für den Fall des Gebrauchmachens von der Vergünstigung ausgeschlossen hat (Abs. 2 Nr. 4). Der Gesetzgeber hat den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bereits in die Widerrufsregelungen "eingearbeitet". Das der Behörde in § 117 Abs. 2 Nrn. 3 - 5 LVwG bzw. § 49 Abs. 2 Nrn. 3 - 5 VwVfG eingeräumte Ermessen ist deshalb im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem Widerruf der Vergünstigung in Richtung auf einen Widerruf "intendiert" (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1992 – 7 C 38/90 –, Rn. 15, juris).

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.


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