Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 10004/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers,

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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 22.09.2021 gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.08.2021 hinsichtlich der Ablehnung des Antrages auf Verlängerung des Aufenthaltstitels und der Abschiebungsandrohung anzuordnen und der Antragsgegnerin mitzuteilen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über den Eilantrag nicht durchgeführt werden dürfen,

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ist zulässig, aber unbegründet.

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Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist dann statthaft, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels ein zunächst eingetretenes fiktives Bleiberecht nach § 81 AufenthG beendet hat, wenn also der Aufenthalt nach Stellung des Antrages auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach § 81 AufenthG zunächst als erlaubt oder als geduldet galt, d.h. die gesetzliche Erlaubnis- oder Duldungsfiktion ausgelöst hat (Dittrich/Breckwoldt in HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.1.3, Stand: 23.09.2019, Rn. 30 ff. m.w.N.). Zwar lebt im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG nicht (wieder) auf, denn die behördliche Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der nach der Konzeption des Gesetzgebers unbeschadet einer gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Ausländers beendet (OVG Magdeburg, Beschluss vom 22. Januar 2007 – 2 M 318/06 –, juris Rn. 4 m.w.N.; VG Schleswig, Beschluss vom 26. November 2018 – 1 B 115/18 –, juris Rn. 21). Allerdings würde die Einstellung des Vollzugs nach § 241 Abs. 1 Nr. 3 LVwG erreicht werden können, sodass der beantragte Rechtsbehelf nicht nutzlos wäre. Deshalb wäre in diesen Fällen § 80 Abs. 5 VwGO der zutreffende Rechtsbehelf (so auch OVG Schleswig, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 4 MB 40/11 –, juris Rn. 10; VG Schleswig, Beschluss vom 09. Januar 2019 – 1 B 137/18 –, juris Rn. 6). Vorliegend hat der im April 2021 gestellte Antrag eine Fiktionswirkung ausgelöst. Die Antragsgegnerin erteilte dem Antragssteller auch zunächst – bis zur Entscheidung über den Antrag – eine Fiktionsbescheinigung. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist folglich die statthafte Antragsart.

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Der Antrag ist jedoch unbegründet.

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Die in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung ist in erster Linie an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszurichten. Sie fällt regelmäßig zugunsten der Behörde aus, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist und ein besonderes Interesse an seiner sofortigen Vollziehung besteht oder der Sofortvollzug gesetzlich angeordnet ist. Dagegen ist dem Aussetzungsantrag stattzugeben, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da an der sofortigen Vollziehung eines solchen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Lässt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage eine abschließende Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht zu, so hat das Gericht eine eigenständige, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02. März 2016 – 1 B 1375/15 –, juris Rn. 9; OVG Schleswig, Beschluss vom 06. August 1991 – 4 M 109/91 –, SchlHA 1991, 220).

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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Ablehnung des Antrags auf der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis offensichtlich rechtmäßig.

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Die Antragsgegnerin hat den Antrag des Antragstellers unter Prüfung der Ansprüche aus § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, § 34 Abs. 2, 3 AufenthG, § 37 Abs. 1 AufenthG, Art. 6 ARB 1/80, § 25b Abs.1 AufenthG sowie § 25 Abs. 5 AufenthG abgelehnt. Auf die Begründung der Antragstellerin wird insoweit Bezug genommen. Sie begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie wird durch den Antragsteller vorrangig auch nur insoweit in Frage gestellt, als dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung der §§ 34 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 AufenthG im Rahmen der Verneinung der – unstreitig nicht gegebenen – Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) ihr Ermessen unzureichend ausgeübt habe. Damit dringt der Antragsteller nicht durch.

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Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen erkannt und ausgeübt („ebenso kann nicht im Ermessen hiervon abgesehen werden“, S. 2 des Bescheides vom 26.08.2021). Soweit der Antragsteller weitere konkretere Erwägungen vermisst, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Ungeachtet der Frage, welche Begründungstiefe an die Ermessenserwägungen im Bescheid anzulegen gewesen wäre, hat die Antragsgegnerin ihre Ermessenserwägungen jedenfalls im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergänzt, § 114 S. 2 VwGO. Im Schriftsatz vom 17.11.2021 hat die Antragsgegnerin sowohl die Bleibeinteressen des Antragstellers als auch die öffentlichen Ausweisungsinteressen erkannt und detailliert gewichtet. Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar. Trotz entsprechender Aufforderung des Gerichts um substantiierte Erwiderung (22.11.2021) und Ankündigung weiteren Vortrags (24.11.2021) hat sich der Antragsteller hierzu nicht weiter erklärt, sodass sich keine Anhaltspunkte ergeben, die den Bescheid der Antragsgegnerin in Frage stellen.

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Soweit der Antragsteller im Rahmen des Antrags auf Eilrechtsschutz auch auf § 35 Abs. 1 AufenthG eingeht und anmerkt, es sei nicht nachvollziehbar, warum dem Antragsteller nicht in der Vergangenheit längst ein entsprechender Aufenthaltstitel erteilt worden sei, steht diesem Anspruch – jedenfalls – auch die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr 3 AufenthG erforderliche Sicherung des Lebensunterhalts entgegen.

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Dem Antrag auf Eilrechtsschutz bleibt folglich der Erfolg versagt.

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Die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.


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