Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 7/22

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die AntragstellerInnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der sinngemäße Antrag der AntragstellerInnen,

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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Wirkungen ihrer Genesenendokumentation auf sechs Monaten ab letzter positiver Testung zu verlängern,

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ist bereits unzulässig (I.), kann darüber hinaus aber auch in der Sache keinen Erfolg haben, weil die bei offenen Erfolgsaussichten (II.) vorzunehmende Folgenabwägung zulasten der AntragstellerInnen ausgeht (III.).

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I. Der Antrag bedarf zunächst der Auslegung gemäß § 122 Abs. 1, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Eine Bindung besteht hinsichtlich des erkennbaren Antragsziels, so wie sich dieses im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund des gesamten Beteiligtenvorbringens darstellt. Nach ihrer Antragsbegründung begehren die AntragstellerInnen von dem Antragsgegner, dass dieser ihnen die Gültigkeit ihres Genesenenstatus für die Dauer von sechs Monaten ab letzter positiver Testung bescheinigt. Zur Begründung beziehen sie sich im Wesentlichen darauf, dass für sie nicht nachvollziehbar sei, warum ein gesiegeltes Behördendokument des Antragsgegners aufgrund von Äußerungen des Robert-Koch Instituts (RKI) rückwirkend seine Gültigkeit verliere. Sie seien der Auffassung, infolge der durchgemachten Infektion genügend Antikörper im Blut zu haben. Diese sollten sogar nach 12 Monaten noch nachweisbar sein. Durch den Beschluss des RKI sähen sie sich in ihren Freiheitsrechten und Grundrechten verletzt. Man nehme ihnen frühzeitig die Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichem Leben.

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Damit machen die AntragstellerInnen im Wesentlichen geltend, dass sie die Schreiben des Antragsgegners vom 15. und 17. Dezember 2021, in denen ihnen ein positiver SARS-CoV-2-Nachweis am 29. November 2021 (Antragstellerin zu 1.) und 6. Dezember 2021 (Antragsteller zu 2.) bestätigt wird, für eine Bestätigung mit Rechtswirkung, mithin einen Verwaltungsakt im Sinne von § 106 Landesverwaltungsgesetz (LVwG), halten, dessen Verlängerung durch den Antragsgegner sie im Wege der einstweiligen Anordnung begehren.

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Der so ausgelegte Antrag ist unzulässig, weil es sich bei diesen gesiegelten Schreiben des Antragsgegners nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Die Bestätigungen selbst enthalten auch keine Aussage zur Dauer ihrer Gültigkeit. Lediglich das begleitenden Anschreiben des Antragsgegners vom selben Tag enthält den Hinweis:

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„Nach § 3 der Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung sind Sie geimpften und aktuell negativ getesteten Personen gleichgestellt, wenn die zugrundeliegende Testung mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt. Diese Bescheinigung kann daher für Sie von Bedeutung sein, wenn Sie z.B. eine Testung oder eine Quarantäne bei der Einreise aus bestimmten ausländischen Staaten vermeiden möchten. Um diesen Nachweis für Sie zu erleichtern, erhalten Sie die umseitige Bescheinigung [Anmerkung der Kammer: gesiegeltes Dokument mit dem Betreff: „Bestätigung eines positiven SARS-CoV-2-Nachweises.“]

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Weder die Bestätigung über einen positiven Testnachweis noch das Begleitanschreiben stellen einen Verwaltungsakt dar. Verwaltungsakt ist gemäß § 106 LVwG jede Verfügung, Entscheidung oder andere öffentlich-rechtliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Bestätigung selbst ist lediglich eine Bescheinigung über Tatsachen, an die das Gesetz selbst – u.a. in §§ 2 Abs. 4 Nr. 1, 5 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Ziff. 2a Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-BekämpfVO) – unmittelbare Rechtsfolgen, nämlich die Ausnahmen von andernfalls geltenden Ge- und Verboten knüpft. Das begleitende Anschreiben weist lediglich auf die geltende Rechtslage hin und hat keinen über die bloße Information hinausgehenden (regelnden) Charakter im Sinne von § 106 LVwG.

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Die Ausstellung einer solchen Rechtsfolgenbescheinigung sehen die in Frage kommenden gesetzlichen Regelungen in Art. 7 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 lit. c VO EU 2021/953, § 22 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bzw. § 2 Nr. 5 Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021, zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) auch nicht vor.

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Die SchAusnahmV enthält selbst weder Regelungen zur Zuständigkeit für die Ausstellung eines Genesenennachweises noch über die an den Genesenennachweis knüpfenden Rechtsfolgen. Vielmehr ist die Regelung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV so zu verstehen, dass die bestehenden Genesenendokumentationen nach § 22 Abs. 4a IfSG aus sich selbst heraus die erforderlichen Informationen über das Vorliegen eines vollständigen Immunschutzes beinhalten. Nach § 2 SchAusnahmV ist ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:

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a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,

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b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,

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c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf.

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Auch aus den hierzu ergangenen Normen des IfSG ergibt sich weder der Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung noch die Zuständigkeit des Antragsgegners hierfür. Denn nach § 22 Abs. 4a IfSG hat die zur Durchführung oder Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 befugte Person jede Durchführung oder Überwachung einer solchen Testung unverzüglich zu dokumentieren (Genesenendokumentation). Andere als in Satz 1 genannte Personen dürfen eine dort genannte Testung nicht dokumentieren. Die Genesenendokumentation muss gemäß Abs. 4b zu jeder Testung folgende Angaben enthalten:

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1. Datum der Testung,

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2. Name der getesteten Person und deren Geburtsdatum sowie Name und Anschrift der zur Durchführung oder Überwachung der Testung befugten Person,

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3. Angaben zur Testung, einschließlich der Art der Testung.

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Auf Wunsch der betroffenen Person ist die Durchführung oder Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 – über die Papierbescheinigung hinaus – in einem digitalen Zertifikat (COVID-19-Genesenenzertifikat) durch die zur Durchführung oder Überwachung der Testung berechtigte Person oder nachträglich von jedem Arzt oder Apotheker nach den näheren Vorgaben des § 22 Abs. 6 IfSG zu bescheinigen. Der von den AntragstellerInnen in Anspruch genommene Kreis als Antragsgegner gehört danach schon nicht zu den ausstellungsbefugten Personen. Darüber hinaus enthält die vorgeschriebene Genesenendokumentation auch nicht die von den AntragstellerInnen begehrten Angaben zur Dauer des Genesenennachweises.

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Ein Anspruch auf Festschreibung dieser Angaben ergeben sich auch nicht aus Art. 7 VO EU 2021/953 vom 14. Juni 2021, ABl. L 221/1 (nachfolgend nur: VO), wonach jeder Mitgliedstaat auf Antrag die dort so bezeichneten Genesungszertifikate nach Art. 3 Abs. 1 lit. c VO ausstellt. Das Zertifikat bescheinigt lediglich Tatsachen, vorliegend die Tatsache, dass dass der Inhaber nach einem positiven Ergebnis eines NAAT-Tests, der von Fachkräften im Gesundheitswesen oder von geschultem Testpersonal durchgeführt wurde, von einer SARS-CoV- 2-Infektion genesen ist. Den AntragstellerInnen geht es jedoch nicht um die Bescheinigung dieser des positiven NAAT-Testergebnisses, sondern ausschließlich um die Feststellung der Rechtsfolgen dieses positiven Testergebnisses.

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Wenn es keinen Anspruch auf einen solchen feststellenden Verwaltungsakt geben kann, bleibt nur der Antrag nach § 123 VwGO auf Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnis-ses, das sich zwischen den Beteiligten aber nur aus der Corona-BekämpfVO in Verbindung mit den Ausnahmevorschriften nach § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV ergeben kann.

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Der Antrag der AntragstellerInnen ist deshalb nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes dahingehend auszulegen, dass sie den in der Sache in Betracht kommenden Rechtsbehelf einlegen wollten (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 B 118/20 –, juris Rn. 3), und sie deshalb einstweilen gemäß § 123 Abs. 1 VwGO die Feststellung gegenüber dem Antragsgegner begehren, dass sie – weil sie als genesen im Sinne von u.a. § 2 Abs. 4 Nr. 1 Corona-BekämpfVO i. V. m. § 2 Nr. 4 COVID-19-SchAusnahmV gelten – den in der Verordnung genannten Beschränkungen für nicht Genesene nicht unterliegen.

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Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg, weil er mangels Darlegung eines konkreten feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses bereits unzulässig ist.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der AntragstellerInnen vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen dafür sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragssteller nicht schon – wie hier begehrt – das zusprechen, was er bei unterstelltem Anspruch nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieser Grundsatz des Verbotes einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung gilt jedoch im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleisteten wirksamen Rechtschutz dann nicht, wenn die erwarteten Nachteile bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht.

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Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass im Grundsatz sowohl ein Bedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung vorliegt, als auch, dass einer gerichtlichen Eilentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht der Grundsatz des Verbots einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache entgegensteht. Denn es könnte vorliegend im Hinblick auf die mögliche Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 21 Corona-BekämpfVO durch eine Handlung, die nach der Corona-BekämpfVO nur genesenen Personen gestattet ist, eine besondere Eilbedürftigkeit bestehen und das Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren der Hauptsache für die AntragstellerInnen nicht zumutbar sein. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt der Verweis auf ein im etwaigen Bußgeldverfahren, zur Verfügung stehendes Rechtsmittel keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz dar. Einem Betroffenen sei es nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der Betroffene habe vielmehr ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als fachspezifischere Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere, wenn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder Strafverfahren droht. Seien die Gerichte zur Sachprüfung verpflichtet, könnten sie sich auch einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren insoweit nicht entziehen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2003 – 1 BvR 2129/02 – NVwZ 2003, 856).

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Der Antrag muss jedoch auf die vorläufige Feststellung des Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerichtet sein, weil im Hauptsacheverfahren gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellungsklage zulässiger Rechtsbehelf wäre. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 – 3 C 53.85 – juris).

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Vorliegend ist nicht dargelegt worden, gegen welche konkreten Normen der Corona-BekämpfVO die AntragstellerInnen verstoßen könnten, da sie nicht mitgeteilt haben, welche Handlungen, die nur für Genesene erlaubt sind, von ihnen vorgenommen werden sollen. Eine durch die Corona-BekämpfVO begründete Pflichtenbeziehung hat sich zwischen den Beteiligten folglich noch nicht zu einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet. Dies gilt für den Antragsteller zu 2. schon, weil sein Genesenenstatus gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i.V.m. den Vorgaben des RKI unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis (zuletzt abgerufen am 17. Februar 2022), wonach das Datum der Abnahme des positiven Tests höchstens 90 Tage zurückliegen darf, erst mit Ablauf des 6. März 2022 und damit nach Auslaufen der Corona-BekämpfVO am 2. März 2022 (§ 22 Abs. 2 Corona-BekämpfVO) endet. Insofern ist bereits nicht ersichtlich, welche Regelungen ab dem 3. März 2022 nach den angekündigten Lockerungen auf Landes- und Bundesebene (vgl. hierzu u.a. https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Corona-Regeln-Was-die-MPK-Beschluesse-fuer-Schleswig-Holstein-bedeuten,mpk184.html, zuletzt abgerufen am 17. Februar 2022) noch gelten werden und inwiefern der Antragsteller hiervon noch eingeschränkt ist.

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Auch die Antragstellerin zu 1., deren Genesenenstatus nach den aktuell geltenden Vorgaben mit Ablauf des 28. Februar 2022 enden wird, hat nicht dargelegt, welche Handlungen sie während der zwei Tage bis zum Auslaufen der aktuellen Corona-BekämpfVO vornehmen möchte, die nur Genesenen gestattet sind.

28

II. Der Antrag wäre im Übrigen auch unbegründet. Denn die AntragstellerInnen haben das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht in einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Weise glaubhaft gemacht. Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die AntragstellerInnen zu Recht darauf berufen könnten, die für genesene Personen in der Corona-BekämpfVO vorgesehenen Ausnahmen für sich in Anspruch nehmen zu können.

29

Denn die Erfolgsaussichten einer Feststellungsklage in der Hauptsache wären jedenfalls (nur) offen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung eines Eilantrags zur Außervollzugsetzung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht (Immunitätsnachweis gegen COVID-19) nach § 20a IfSG so gesehen und zur vergleichbaren Regelungskonstruktion einer doppelten dynamischen Verweisung in § 20a IfSG, in der zunächst der Gesetzgeber auf die SchAusnahmV verweist, die ihrerseits auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist (BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris Rn. 14) ausgeführt:

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„[Die Verfassungsbeschwerde] ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik. Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1 <22, 25 ff.>). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird.“

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Das Bundesverfassungsgericht hat die ausgeführten Zweifel jedoch nicht als so offensichtlich angesehen, dass es die Norm des § 20a IfSG einstweilen außer Vollzug gesetzt hätte (anders einige bisherige erstinstanzliche Entscheidungen, u.a.: VG Hamburg, Beschluss vom 14. Februar 2022 – 14 E 414/22 –, VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 – 3 B 4/22 –; jeweils juris; VG Ansbach, Beschluss vom 11. Februar 2022, AN 18 S 22.00234, abrufbar unter: https://www.vgh.bayern.de/media/vgansbach/presse/22a00234b.pdf; juris).

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III. Die danach gebotene Folgenabwägung rechtfertigt nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

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Bereits weil die AntragstellerInnen nicht näher konkretisiert haben, welche Handlungen sie konkret nicht vornehmen können, weil sie nach Auslaufen ihres Gensenenstatus mit Ablauf des 28. Februar bzw. 6. März 2022 nach den derzeitigen Vorgaben des RKI nicht mehr als genesen gelten, kann nicht beurteilt werden, wie schwer ihre vorgetragene Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG wiegt. Dies gilt erst recht, als nur die Antragstellerin zu 1. überhaupt noch von den derzeit in der Corona-BekämpfVO geltenden Verboten für nicht nachweislich immunisierte Personen betroffen ist. Da die Einschränkungen die Antragstellerin zu 1. nur noch zwei Tage treffen, bis am 3. März 2022 eine neue Corona-BekämpfVO in Kraft treten und viele der bisherigen Verbote für nicht nachweislich Immunisierte aufgehoben werden (vgl. Übersicht der beabsichtigten Lockerungen unter https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/I/_startseite/Artikel2022/I/220215_pk_corona.html, zuletzt abgerufen am 17. Februar 2022), überwiegen die Gefahren, die mit einer ggf. unzureichenden Immunisierung, der damit verbundenen potentiell erhöhten Transmission – insbesondere der sich ausbreitenden und hoch ansteckenden Omikron-Variante – von ihr für die Gesundheit Dritter und den allgemeinen Infektionsschutz einhergehen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (Auffangwert von 5.000 € für jede/n AntragstellerIn) festgesetzt.


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