Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 57/22
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Der am 25. März 2022 vom Antragsteller sinngemäß gestellte Antrag,
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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nebst einer Arbeitserlaubnis zu erteilen,
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bleibt ohne Erfolg.
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Der Antrag ist bereits unzulässig. Dem Antragsteller fehlt mangels Vorbefassung der Antragsgegnerin das Bedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO.
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Die Zulässigkeit verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelfe, mit denen ein Handeln oder Unterlassen einer Behörde verlangt wird, hängt grundsätzlich davon ab, dass der Kläger bzw. Antragsteller das im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Begehren in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde ohne Erfolg beantragt hat (vgl. etwa in Bezug auf die Verpflichtungsklage § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO: „Antrag auf Vornahme“). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung stellt neben dem Schutz der Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, demzufolge es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.2021 – 6 VR 4.21 –, juris Rn. 7 f. m.w.N.). Diese Anforderung ist daher grundsätzlich auch an einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu stellen. Jedenfalls bedarf es besonderer Gründe für die Stellung eines derartigen gerichtlichen Antrags, wenn der Antragsteller die zuständige Behörde zuvor noch gar nicht mit seinem Begehren befasst hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.2021 – 6 VR 4.21 –, juris Rn. 10 m.w.N.). Als bloße „Förmelei“ könnte das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung allenfalls dann erscheinen, wenn die Behörde vorprozessual bereits klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 70).
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Letzteres ist hier nicht ansatzweise ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat sich mit einem potentiellen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis inhaltlich bislang noch nicht auseinandergesetzt und sich hierzu auch in ihrer Gegenerklärung vom 29. März 2022 in der Sache nicht geäußert.
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Der Antragsteller hat auch sonst keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, die – im für die Beurteilung der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Happ, in: Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 123 Rn. 26 m.w.N.) – ausnahmsweise eine unmittelbare Befassung des beschließenden Gerichts rechtfertigen könnten. Aus dem Vorbringen dazu, dass es dem Antragsteller nicht gelungen sei, bei der Antragsgegnerin zum Zwecke der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis einen Termin für eine persönliche Vorsprache zu vereinbaren, folgt nichts anderes. Zum einen hätte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin schriftlich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen können. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nicht hinreichend, dass er dies versucht hätte. Zum anderen hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller zwischenzeitlich konkrete Termine zur persönlichen Vorsprache angeboten.
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Darauf, ob dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch deswegen der Erfolg versagt bleiben müsste, weil der Antragsteller eine – im vorliegenden Fall gegebenenfalls unzulässige – Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, kommt es vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht entscheidungserheblich an.
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Selbst wenn man den Antrag vom 25. März 2022 im Übrigen – im Wege einer weitest möglichen Auslegung des Begehrens (vgl. § 122, § 88 VwGO) – dahingehend verstünde, dass der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Abschiebung bis zu einer Entscheidung über einen (noch zu stellenden) Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu unterlassen, bliebe der Antrag ohne Erfolg. Der so verstandene Antrag wäre jedenfalls unbegründet.
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Zwar kann das Gericht gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Das von § 123 Abs. 1 VwGO vorausgesetzte Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) ist jedoch nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Eine Gefahr, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde (vgl. VGH München, Beschl. v. 24.10.2005 – 24 CE 05.2292 –, juris Rn. 20), ist derzeit nicht erkennbar. Es ist insbesondere weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller derzeit vollziehbar ausreisepflichtig wäre (vgl. zum Anordnungsgrund im Falle einer vollziehbaren Ausreisepflicht: OVG Schleswig, Beschl. v. 03.01.2022 – 4 MB 68/21 –, juris Rn. 7). Vielmehr ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers (vgl. 13 d. Gerichtsakte), dass dieser derzeit über ein gültiges Visum und somit einen Aufenthaltstitel (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) verfügt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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Referenzen
- § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 5x
- VwGO § 75 1x
- 4 MB 68/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- VwGO § 88 1x