Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (6. Kammer) - 6 B 24/22

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag der Antragstellerin,

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im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin ein Konto zu eröffnen, unbefristet und zu den üblichen Konditionen,

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hat keinen Erfolg.

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Der nach § 123 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.

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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.

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Durch die Eröffnung eines Girokontos durch die Antragsgegnerin würde dem Begehren der Antragstellerin in der Hauptsache für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren vollumfänglich entsprochen, was zu einer grundsätzlich unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde (vgl. OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 7. Mai 2014 – OVG 3 S 25.14 – juris Rn. 2; Beschluss vom 28. Mai 2012 – OVG 3 S 42.12 – juris Rn. 4). Entscheidend für eine ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache ist das Gewicht des Anordnungsgrundes. Erforderlich ist demnach, dass das Abwarten in der Hauptsache für die Antragstellerin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.Oktober 1977 – 2 BvR 42/76 – BVerfGE 46, 166/180 f.; BVerwG, Beschluss vom 21.Janauar 1999 – 11 VR 8.98 – NVwZ 1999, 650).

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Vorliegend hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr schwerwiegende Nachteile in diesem Sinne drohen. Mit dem Begriff Glaubhaftmachung ist ein bestimmtes Maß an Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen angesprochen (Kuhla in Posser/Wolff, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1. Juli 2022, § 123 Rn. 59a).

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Die Antragstellerin trägt lediglich vor, dass es für sie unangemessen wäre und sie in der politischen Arbeit behindern würde, wenn sie mit einer Kontoeröffnung bis zur nächsten Landtagswahl warten müsste. Sie müsse als eigenständiger Landesverband die Möglichkeit haben, Mitgliederbeiträge einzuziehen und auch Spenden entgegenzunehmen. Tägliche Geldgeschäfte könnten nur mit einem Girokonto geführt werden.

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Hieraus ergibt sich jedoch keine Dringlichkeit der Entscheidung, da weder ersichtlich ist, wofür die Antragstellerin ein Girokonto genau jetzt benötigt, noch worin die unzumutbaren Nachteile zu sehen sein sollten.

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Als weiteres Indiz dafür, dass es an der Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung fehlt, kann gewertet werden, dass weitere denkbare Alternativen zur begehrten Eröffnung eines Girokontos für die Antragstellerin bestehen könnten, um ihr kurzfristig die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zu sichern. So ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass einer Partei unter Umständen zugemutet werden kann, sich für einen gewissen Zeitraum des Girokontos eines Mitglieds oder Unterstützers zu bedienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.Mai 2014 – 2 BvR 1006/14 – juris). Dabei ist unbeachtlich, dass eine solche Nutzung nur vorübergehender Natur sein kann. Schließlich handelt es sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem die Antragstellerin ohnehin nur eine einstweilige Anordnung erlangen könnte, die sich auf den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache erstrecken würde.

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Ebenfalls steht einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund entgegen, dass die Antragstellerin nicht dargelegt hat, dass sie auch bei keinem anderen Geldinstitut ein Girokonto eröffnen kann (vgl. OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 13. Februar 2012 – OVG 3 S 140.11 –, juris).

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Ein Bedürfnis oder besondere berücksichtigenswerte Umstände des Einzelfalls (kurzzeitig bevorstehende Wahlen o.ä.), welche die Eröffnung eines eigenen Girokontos für die Antragstellerin dringlich machen, sind für die Kammer auch im Übrigen nicht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Eine Halbierung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts mangels gesetzlichem Anhalt nicht in Betracht (Beschluss vom 13. Januar 2020 – 4 O 2/20 –).


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