Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 102/22

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der gestellte Antrag des Antragstellers wird nach § 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO vorläufig zu untersagen ist, den Antragsteller abzuschieben.

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Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.

4

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

5

Dem Antragsteller steht kein sicherungsfähiger Anspruch nach § 60c Abs. 1 AufenthG zur Seite. Er erfüllt zwar die Voraussetzungen des § 60c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG und hat eine in § 60c Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genannte Ausbildung aufgenommen.

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Allerdings liegen Versagungsgründe nach § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor.

7

Nach § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG darf eine Ausbildungsduldung nicht erteilt werden, wenn im Fall von § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zum Zeitpunkt der Antragstellung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, bevorstehen. Diese konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen bevor, wenn die Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung eingeleitet wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. c) AufenthG) oder vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 lit d) AufenthG).

8

Die Voraussetzung nach § 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. c) AufenthG ist erfüllt. Die Antragsgegnerin hat vor Stellung des Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung am 07. September 2022 das Transportmittel zur Abschiebung gebucht.

9

Die Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung ist insbesondere dann eingeleitet, wenn für einen konkret benannten Ausländer ein Flug gebucht wurde, er in eine Liste für eine bevorstehende Sammelabschiebung aufgenommen wurde oder wenn auf Grund des Organisationsaufbaus die Ausländerbehörde über einen gesonderten Rückführungsbereich verfügt, der ausschließlich die praktische Durchführung von Rückführungen betreibt und die Ausländerakte innerhalb der Ausländerbehörde zu diesem Zweck an diese Organisationseinheit oder eine zentrale Behörde übergeben wurde. Am 02. September 2022 hat die Antragsgegnerin über das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge Schleswig-Holstein einen Flug zur Abschiebung des Antragstellers gebucht und damit die Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung nicht nur vor Antragstellung eingeleitet, sondern auch beendet.

10

Durch die Anordnung einer Auflage wegen vorübergehender Aussetzung der Abschiebung/Rückführung der Antragsgegnerin vom 22. August 2022 hat die Antragsgegnerin zudem vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen im Sinne des § 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. d) AufenthG unternommen.

11

Ausweislich der Gesetzesbegründung sind weitere konkrete Vorbereitungsmaßnahmen beispielsweise ein Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft (§ 62 Absatz 3 AufenthG) oder des Ausreisegewahrsams (§ 62b AufenthG) sowie die Ankündigung des Widerrufs einer Duldung nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG (BT-Drs. 19/8286, S. 16).

12

Die Anordnung der Auflage ist einer Ankündigung des Widerrufs einer Duldung vergleichbar, insbesondere da der Widerruf nicht erforderlich war, da die Duldung mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins erlischt. Es war auch nicht ersichtlich, dass diese Maßnahme von vornherein nicht zum Erfolg führen wird.

13

Ein anderer Anordnungsanspruch wurde nicht geltend bzw. glaubhaft gemacht. Allein aus der Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses ergibt sich kein selbstständiger Anspruch. Dieser richtet sich bei geduldeten Ausländern nach § 60c AufenthG.

14

Vor diesem Hintergrund vermag die ggf. unterlassene Anhörung vor Erlass des ablehnenden Bescheides der Antragsgegnerin vom 29. September 2022 zu keinem anderen Ergebnis zu führen (vgl. auch § 11 LVwG).

15

Über den Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin mitzuteilen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über den Eilantrag nicht durchgeführt werden dürfen, ist aufgrund dieses Beschlusses nicht mehr zu entscheiden.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

17

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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