Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (3. Kammer) - 3 A 3644/17 As SNne

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

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Die Klägerin ist syrische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit. Sie wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten mit dem ihr Asylfolgeantrag abgelehnt worden ist und begehrt die Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich der Republik Bulgarien.

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Die Klägerin reiste nach eigenen Angaben am 19. August 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte zunächst am 22. August 2014 einen Asylantrag. Da die Klägerin bereits am 11. Februar 2014 in Bulgarien internationalen Schutz (Flüchtlingsstatus) erhalten hatte, wurde mit Bescheid vom 17. November 2014 festgestellt, dass ihr in Deutschland kein Asylrecht zusteht und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet. Der Bescheid wurde nach dem Einstellungsbeschluss des VG Schwerin vom 28. Juni 2017 (3 A 2035/14 As SN) rechtskräftig. Die Abschiebung der Klägerin aus Deutschland erfolgte am 02. März 2017. Am 12. März 2017 sind ihre Fingerabdrücke in den Niederlanden abgenommen worden.

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Am 22. August 2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Verfahrens verbunden mit einem Wiederaufgreifensantrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten. In ihrer eigenhändigen schriftlichen Begründung erklärte sie, neue Gründe, die nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden seien, hätte sie nicht.

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Mit Bescheid vom 29. August 2017 lehnte die Beklagte den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen, und forderte die Klägerin auf die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Anderenfalls wurde ihr die Abschiebung nach Bulgarien angedroht. Ferner wurde festgestellt, dass die Klägerin nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfe. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Klägerin kein internationaler Schutz zu gewähren sei, weil sie diesen bereits von der Republik Bulgarien erhalten habe. Auch Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Bulgarien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe. Der Bescheid wurde der Klägerin am 4. September 2017 zugestellt.

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Hiergegen hat die Klägerin am 11. September 2017 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass ihr in Bulgarien keine hinreichenden Sozialleistungen gewährt würden. Eine Unterkunft habe sie nicht zugewiesen bekommen. Nach ihrer Abschiebung nach Bulgarien habe sie die erste Nacht auf der Straße verbringen müssen. Ihr Bruder habe über Western Union Geld geschickt, so dass es ihr gelungen sei, zusammen mit ihrer Mutter und Geschwistern, ein Hotelzimmer anzumieten. Bulgarien hätten sie in Richtung Niederlande erneut verlassen; aus den Niederlanden seien sie wiederum nach Bulgarien abgeschoben worden. Sie hätten hiernach vier Tage auf der Straße leben müssen.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2018 – 7197842 – 475 – aufzuheben und hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien vorliegen.

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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

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die Klage abzuweisen.

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Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, weil sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung daraufhingewiesen worden ist, dass im Falle ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.

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Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Dies ergibt sich aus §§ 71 Abs. 4, 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.

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Gemäß § 71 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG ist auf einen Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn sich die zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Ziff. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Ziff. 2 VwVfG) oder Beweisaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO (§ 51 Abs. 1 Ziff. 3 VwVfG) vorliegen und der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für die Wiederaufnahme in den früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelfe, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).

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Der Antrag ist binnen drei Monaten zu stellen, nachdem der Betroffene Kenntnis von dem Grund für das Wiederaufgreifen erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

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Dies ist vorliegend nicht der Fall.

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Die Beklagte hat in Ziffer 1. des Bescheides zu Recht den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt. Auch ihr neuer Antrag wäre gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wiederum unzulässig.

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Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn nicht die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorliegen. Die Klägerin ist im Februar 2014 in Bulgarien als Flüchtling anerkannt worden. Das erste Asylantragsverfahren in Deutschland ist am 28. Juni 2017 rechtskräftig abgelehnt worden (3 A 2035/14 As SN).

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Es liegt keine Änderung der Sach- und Rechtslage vor. Wiederaufgreifensgründe sind nicht ersichtlich.

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Sie ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag nach ihren zweimaligen Abschiebungen nach Bulgarien dort keine Hilfe bekommen zu haben. Ihr Vortrag hätte noch im ersten Asylantragsverfahren geltend gemacht werden können, da die Abschiebungen nach Bulgarien im März 2017 erfolgt sind und sie nach eigenem Vortrag 4 Tage nach der letzten Abschiebung Bulgarien wieder verlassen hatte und alsbald wieder nach Deutschland kam. Darüber hinaus ist ihr persönlicher Vortrag im Gegensatz zum schriftsätzlichen Vorbringen arm an Details, vage und unsubstantiiert und damit wenig glaubhaft. Bei ihrer Antragsbegründung beim Bundesamt hat sie angegeben, keine neuen Gründe angeben zu können, die nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden seien. Lediglich durch den Prozessbevollmächtigten erfolgte eine eingehendere schriftliche Begründung. Auch in der mündlichen Verhandlung erfolgte durch die Klägerin nur ein sehr knapper Vortrag. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich während der mündlichen Verhandlung in einer für sie psychisch sehr belastbaren Situation befand, gleichwohl wäre zu erwarten gewesen, dass sie eingehender zu ihren Erfahrungen in Bulgarien hätte vortragen können. Sie gab zunächst an, sich nicht zu erinnern. Im weiteren Verlauf ergänzte sie, dass sie keine Unterkunft gehabt habe und sie auf der Straße gewesen seien und nicht zu essen gehabt hätten. Auf ergänzendes Befragen durch ihren Prozessbevollmächtigten antwortete die Klägerin schließlich, dass ihr Bruder Geld nach Bulgarien zu einem Bekannten geschickt habe, dort hätten sie übernachten können. Zwar meinte die Klägerin, in karitativen Organisationen versucht zu haben, Hilfe zu erlangen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie sich ernsthaft an staatliche Organisationen in Bulgarien gewandt hat, gegebenenfalls eine Unterkunft anzumieten und sich bei den Behörden melderechtlich registrieren zu lassen.

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Schließlich war ihre Antwort, bei einem Bekannten ihres Bruders genächtigt zu haben, widersprüchlich zu ihren zuvor unterbreiteten schriftsätzlichen Vortrag, dass sie ein Hotelzimmer angemietet hätten.

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Der Klägerin droht in Bulgarien weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK), so dass die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes in Ziffer 1. des Bescheides aufzuheben wäre.

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Zum Maßstab des Art. 3 EMRK bei der Rückführung von in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Schutzberechtigten in diesen Mitgliedstaat hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 – Celex-Nr. 62017CJ0297, Rn. 83, 85-94 wie folgt entschieden:

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„83

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Was erstens die in Rn. 81 des vorliegenden Urteils genannte Situation betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht auf der grundlegenden Prämisse beruht, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt – und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen –, auf die sich, wie es in Art. 2 EUV heißt, die Union gründet. Diese Prämisse impliziert und rechtfertigt die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden, und gegenseitigen Vertrauens darauf, dass die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der in der Charta anerkannten Grundrechte, insbesondere ihren Art. 1 und 4, in denen einer der Grundwerte der Union und ihrer Mitgliedstaaten verankert ist, zu bieten (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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(EuGH, Urteil vom 19.03.2019, C-297/17, Celex-Nr. 62017CJ0297)

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29

Folglich muss im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie, in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt.

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Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernsthafte Gefahr besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, in diesem Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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In diesem Kontext ist in Anbetracht des allgemeinen und absoluten Charakters des Verbots in Art. 4 der Charta, das eng mit der Achtung der Würde des Menschen verbunden ist und ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbietet, festzustellen, dass es für die Anwendung von Art. 4 der Charta gleichgültig ist, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren (vgl. entsprechend Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 88).

88

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Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (vgl. entsprechend Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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Insoweit ist festzustellen, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Schwachstellen nur dann unter Art. 4 der Charta, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, fallen, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90

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Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 93).

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Im Hinblick auf die insoweit vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der Bedeutung, die der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens für das Gemeinsame Europäische Asylsystem hat, Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 der Charta führen, die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben.

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Der vom vorlegenden Gericht ebenfalls genannte Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die den in den Rn. 89 bis 91 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien entspricht.

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Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren (vgl. entsprechend Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 97).“

39

Dem schließt sich das Gericht an. Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass die Klägerin im Falle einer Überstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Bulgarien sich, wie vom EUGH beschrieben, in einer Situation extremer materieller Not befinden würde.

40

Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) können Ausländer grundsätzlich kein Recht aus der EMRK auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Art. 3 EMRK kann nicht so ausgelegt werden, dass er die Konventionsstaaten verpflichtet, allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen das Recht auf eine Wohnung zu gewähren. Der Vorschrift kann auch keine allgemeine Pflicht entnommen werden, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen, damit sie einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten können (vgl. EGMR, Urteile vom 04. November 2014, 29217/12 und 26. April 2005, 53566/99). Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen (EGMR NVwZ 2008, 1334 ff.). In Abschiebungsfällen ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die sozioökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat sind hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die EMRK zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen (EGMR NVwZ 2012, 681 ff.). Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können daher nur in ganz außergewöhnlichen Fällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen (EGMR, Urteile vom 04. April 2014, 28. Juni 2011 und 27. Mai 2008, jeweils a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12).

41

Ein solcher außergewöhnlicher Fall ist vorliegend allerdings nicht gegeben. Im Bereich von medizinischer und sozialer Fürsorge kann dies nach dem oben dargelegten strengen Maßstab des EGMR nur bei gänzlicher Versorgungsverweigerung des Konventionsstaats mit existenzbedrohenden oder unmenschlicher Behandlung gleichkommenden Folgen der Fall sein (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2016 – 3 L 94/16 m.w.N.). Die Schwelle ist nach Darstellung des EuGH selbst bei großer Armut oder starker Verschlechterung der Lebensverhältnisse nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind.

42

Eine gänzliche Versorgungsverweigerung des bulgarischen Staates ist indes nach der aktuellen Erkenntnislage nicht ersichtlich. Zwar ist die Lage international Schutzberechtigter in Bulgarien problematisch. Insbesondere Obdachlosigkeit ist eines der drängendsten Probleme. Weiter bestehen für die Verwirklichung nach bulgarischem Recht bestehender Ansprüche auf Unterstützungsleistungen erhebliche Hürden (z. B. durch Sprachbarrieren, mangelhafte Verwaltungspraxis oder nur schwer erfüllbare Anforderungen wie das Vorweisen eines Wohnsitzes), sodass international Schutzberechtigte faktisch nur in seltenen Fällen tatsächlich Zugang zu staatlicher Unterstützung erhalten (vgl. Dr. Valeria Ilareva, „Bericht über die derzeitige rechtliche, wirtschaftliche und soziale Lage anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien“ vom 27. August 2015 und „Expertise zu der aktuellen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien“ vom 07. April 2017; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Niedersächsische OVG vom 18. Juli 2017). Daneben ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für anerkannte Schutzberechtigte äußerst schwer. Dies liegt zum einen an fehlenden Kenntnissen der bulgarischen Sprache (ein ausgeweitetes Angebot an Sprachkursen existiert nicht) und zum anderen an der fehlenden Bereitschaft, international Schutzberechtigte einzustellen. Auch besteht keine staatliche Unterstützung im Bereich der gesundheitlichen Versorgung, die international Schutzberechtigten müssen sich selbst versichern (siehe die o.g. Quellen). Gleichwohl ist auch zu beachten, dass nach den benannten Auskünften die für die Geltendmachung von Ansprüchen bestehenden Hürden durch Hilfe aus der Zivilgesellschaft oder Unterstützung (z.B. durch andere Schutzberechtigte) überwunden werden können und es auch nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass international Schutzberechtigte Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Weiterhin besteht auch für sie die Möglichkeit, vorübergehend in Asylunterkünften unterzukommen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2016, a.a.O). Ferner besteht für international Schutzberechtigte eine gesundheitliche Notversorgung unabhängig davon, ob die Schutzstatusinhaber krankenversichert sind oder nicht (vgl. o.g. Berichte von Dr. Valeria Ilareva).

43

Das VG Berlin hat zur Situation in Bulgarien unter Berücksichtigung aktuellerer Auskünfte folgendes ausgeführt (VG Berlin, Beschl. v. 12. Juli 2017 – 23 L 503.17 A):

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„Insbesondere bestehen bei einer aktuellen Gesamtwürdigung der zu Bulgarien vorliegenden Berichte und Stellungnahmen vor allem von Nichtregierungsorganisationen, denen ein besonderes Gewicht zukommt, keine Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 3 EMRK i.V.m § 60 Abs. 5 AufenthG (zur Prüfpflicht des Gerichts siehe BVerfG, Beschlüsse vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, juris Rn. 16 f. und vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 -, juris Rn. 11). Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Reichweite des Art. 3 EMRK im Asyl- und Flüchtlingsrecht kommt dabei - ebenso wie derjenigen des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 4 GR-Charta - über den jeweils entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 -, juris Rn. 28). Danach können sich auch die - staatlich verantworteten - allgemeinen Lebensverhältnisse als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Allerdings verpflichtet diese Norm nicht, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen oder sie finanziell zu unterstützen, um ihr einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 - 27725.10, Mohammed Hussein/Italien und Niederlande -, ZAR 2013, 336 [337] und Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696.09, M.S.S./Belgien und Griechenland -, NVwZ 2011, 413 [415]). Auch gewährt sie von einer Überstellung betroffenen Ausländern grundsätzlich keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bei einer Überstellung bedeutend geschmälert würden, begründet grundsätzlich keinen Verstoß gegen die Vorschrift (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 - 27725.10, Mohammed Hussein/Italien und Niederlande -, ZAR 2013, 336 [337]). Die Verantwortlichkeit eines Staates ist jedoch dann begründet, wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und - trotz ausdrücklich im nationalen Recht verankerter Rechte - behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696.09, M.S.S./Belgien und Griechenland -, NVwZ 2011, 413 [415 f.]; siehe auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. -, juris Rn. 88 ff.). Bei der Prüfung einer Überstellung kommt es nicht nur auf die generellen Verhältnisse im Zielstaat an, sondern auch auf die individuellen Umstände des konkret Betroffenen. Wenn etwa mit Blick auf bestimmte Erkrankungen ernstliche Zweifel über die Folgen einer Abschiebung bestehen, müssen individuelle und ausreichende Zusicherungen des Zielstaates eingeholt werden. Jedenfalls ist es erforderlich, dass die dort gewährleisteten Rechte praktisch sowie effektiv und nicht nur theoretisch und illusorisch zur Verfügung stehen (zum Vorstehenden EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 41738/10, Paposhvili/Belgien -, hudoc Rn. 182, 187, 191 m.w.N.). Denn Asylbewerber stellen wegen ihrer traumatischen Fluchterlebnisse eine besonders verletzliche und hilfsbedürftige Gruppe dar (vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13, A.S./Switzerland -, hudoc Rn. 29, vom 4. November 2014 - 29217/12, Tarakhel/Switzerland -, hudoc Rn. 97 und vom 21. Januar 2011 - 30696.09, M.S.S./Belgien und Griechenland -, NVwZ 2011, 413 [415] sowie Beschluss vom 5. Februar 2015 - 51428/10, A.M.E./Niederlande -, hudoc Rn. 32). Im Einklang hiermit sieht das Bundesverfassungsgericht bisher bei belastbaren Anhaltspunkten für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung ebenfalls keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Vielmehr wird bei drohender Obdachlosigkeit im Zielstaat der Abschiebung in besonderen Einzelfällen - etwa bei Familien mit Kleinstkindern - lediglich ein inländisches Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne angenommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris Rn. 11, 13 f.; siehe auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12, Tarakhel/Switzerland -, hudoc Rn. 116 ff.: Garantieerklärung für Unterbringung zusammen als Familie und in einer dem Alter der Kinder entsprechenden Weise). Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 8. Mai 2017 (- 2 BvR 157/17 -, juris Rn. 21) nunmehr weitere Feststellungen für erforderlich hält, ob bei der Rückführung anerkannter Schutzberechtigter „zumindest in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft der Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird“, ist hiermit kein abweichender Maßstab begründet oder aufgezeigt (anders offenbar VG Berlin, Beschluss vom 2. Juni 2017 - VG 33 L 365.17 A -, BA S. 5 f.). Diese Vorgabe erklärt sich vielmehr aus der vom Gericht beanstandeten fehlenden Sachaufklärung. Das Bundesverfassungsgericht nimmt ausdrücklich auf seine frühere Rechtsprechung und auch auf diejenige des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug und betont die verfassungsrechtliche Bedeutung der Aufklärungspflicht der Gerichte hinsichtlich der Aufnahmebedingungen im Zielstaat. Hierbei bedarf es sowohl einer Auseinandersetzung mit der Einschätzung, anerkannte Schutzberechtigte seien als besonders verletzliche Gruppe zumindest für eine Übergangszeit auf staatliche Hilfe bei der Integration angewiesen, als auch mit dem etwaigen Fehlen der von Art. 34 RL 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden, Integrationsmaßnahmen im Zielstaat (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, juris Rn. 20 f. unter Bezugnahme auf VGH Kassel, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1322/16.A -, juris Rn. 24 ff.). Wenn die Vereinbarkeit der Aufnahmebedingungen mit Art. 3 EMRK ernsthaft zweifelhaft ist, etwa weil dies in der jüngsten Vergangenheit noch von der Bundesregierung und der EU-Kommission verneint wurde und damit der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens erschüttert ist, muss die fachgerichtliche Beurteilung auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen. Soweit entsprechende Erkenntnisse und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden nicht vorliegen und nicht eingeholt werden können, ist es zur Sicherung effektiven Rechtschutzes geboten, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, juris Rn. 16 f.). Gemessen an diesem Maßstab lässt sich anhand der aktualisierten und hinreichend verlässlichen Erkenntnislage in Bezug auf anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien eine Verletzung von Art. 3 EMRK nicht feststellen. Unverändert ist es danach so, dass die Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus dort zwar sehr schwierig sein mögen. Es herrschen allerdings nicht derart handgreiflich eklatante Missstände, die den Schluss zuließen, anerkannte Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und dem Antragsteller müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Zur näheren Begründung wird sowohl auf den Bescheid - dort S. 3 ff. - Bezug genommen als auch auf die ständige Rechtsprechung der Kammer (Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - VG 23 L 1827.16 A -, BA S. 2 f. und vom 20. Oktober 2016 - VG 23 L 1653.16 A -, BA S. 3 ff. sowie Urteile vom 10. März 2016 - VG 23 K 10.16 A -, juris Rn. 20 ff. und vom 4. Juni 2015 - VG 23 K 906.14 A -, juris Rn. 21 ff.). Diese Einschätzung wird von anderen Verwaltungsgerichten geteilt (vgl. etwa OVG Saarland, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 2 A 260/16 -, juris Rn. 26 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2016 - 3 L 94/16 -, juris Rn. 3 ff., 18; VG Cottbus, Beschluss vom 10. März 2017 - VG 5 L 673/16.A -, juris Rn. 9 ff.; VG C-Stadt, Urteil vom 9. Januar 2017 - 16 A 5546/14 -, juris Rn. 44 ff. - jeweils m.w.N.). Der entgegenstehenden Auffassung insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs Kassel folgt die Kammer nicht (VGH Kassel, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, juris Rn. 34 ff.; dazu Beschluss der Kammer vom 12. Januar 2017 - VG 23 L 1827.16 A -, BA S. 2 f.; ebenso OVG Saarland, Urteil vom 10. Januar 2017 - 2 A 330/16 -, juris Rn. 30 - jeweils m.w.N.). Der aktuelle Bericht von Frau Dr. Ilareva zur Lage anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien vom 7. April 2017 bestätigt die bisherige Erkenntnislage und gibt keinen Anlass für eine Neubewertung („Expert opinion on the current legal, economic and social situation of persons, recognized as being entitled to protection, in Bulgaria“, Antworten an OVG Niedersachsen im Verfahren 2 LB 212/16, im Folgenden: Bericht Dr. Ilareva). Sie beschreibt, dass weiterhin ein staatlicher Integrationsplan oder vergleichbare staatliche Maßnahmen fehlen und für die Registrierung im Jobcenter ebenso wie für die Beantragung von Sozialhilfe ein Ausweisdokument bzw. eine Meldebescheinigung erforderlich sind (Bericht Dr. Ilareva, S. 2 ff.). Da für aus dem Ausland zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte nach wie vor keine staatlichen Unterkünfte bereitgehalten werden, müssen sich diese auf dem freien Markt eigenständig eine Wohnung suchen, was in der Praxis - trotz Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen - schwierig ist (Bericht Dr. Ilareva, S. 8 ff.). Obdachlosenunterkünfte und Sozialwohnungen stehen regelmäßig nur bulgarischen Staatsbürgern sowie Personen mit sehr langem Aufenthalt zur Verfügung (vgl. Bericht Dr. Ilareva, S. 9). Anerkannten Schutzberechtigten mit einer Unterkunft (bzw. einer Meldeadresse) ist es jedoch unmittelbar möglich, sich sowohl als arbeitssuchend registrieren zu lassen als auch Sozialhilfe zu beziehen. Schutzberechtigte haben ein Anrecht auf Sozialhilfe unter denselben Bedingungen wie bulgarische Staatsangehörige (Art. 2 Abs. 1 Law for social support, abrufbar unter http://bcnl.org/en/articles/ 699-law-for-social-support.html, zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017). Sie wird auch tatsächlich ausgezahlt (Bericht Dr. Ilareva, S. 7). Der Zugang zum Gesundheitssystem ist ebenfalls sichergestellt (vgl. Bericht Dr. Ilareva, S. 10 f.). Damit steht zunächst fest, dass anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien in Bezug auf die staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung rechtlich den Inländern gleichgestellt sind. Mehr versprechen weder das Gemeinsame Europäische Asylsystem noch die Regelungen der Qualifikationsrichtlinie (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 -, juris Rn. 25 m.w.N.). Die schlechteren Versorgungsbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien als in wohlhabenderen EU-Mitgliedstaaten sind dabei nicht Ausdruck behördlicher Gleichgültigkeit, behördlichen Versagens oder gar mutwilliger Verweigerung von Unterstützungsleistungen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die typischerweise für die Mehrheit der Bevölkerung geltenden Standards in Bulgarien deutlich niedriger sind als in Deutschland. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich aber auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen. Denn aus Art. 3 EMRK lässt sich keine Bevorzugung gegenüber der einheimischen Bevölkerung herleiten (vgl. EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 41738/10, Paposhvili/Belgien -, hudoc Rn. 189). Auch unterschiedliche Niveaus staatlicher Sozial- und Integrationsleistungen begründen keinen Verstoß gegen diese Norm (VG C-Stadt, Urteil vom 9. Januar 2017 - 16 A 5546/14 -, juris Rn. 51). Darüber hinaus lässt sich den Erkenntnissen entnehmen, dass anerkannte Schutzberechtigte diese ihnen formal zustehenden Rechte auch tatsächlich durchsetzen können. Hierauf kommt es im Lichte des Art. 3 EMRK an. Die spezifischen Hilfsbedürfnisse international Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt. Die Inländergleichbehandlung muss auch faktisch und nicht nur formalrechtlich gewährleistet sein (VGH Kassel, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1322/16.A -, juris Rn. 25; anders offenbar VG C-Stadt, Urteil vom 9. Januar 2017 - 16 A 5546/14 -, juris Rn. 50 ff.). Anerkannte Schutzberechtigte können nicht ohne weiteres die Rechtspositionen, die die Rechtsordnung des Zielstaates formal gewährleistet, effektiv einfordern. Sie müssen erst in eine der einheimischen Bevölkerung vergleichbare tatsächliche Position einrücken, die ihnen die Teilhabe an den gewährten Rechten ermöglicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 -, juris Rn. 25). Obschon Bulgarien über kein staatliches Integrationsprogramm verfügt, leisten doch mehrere Nichtregierungsorganisationen in Abhängigkeit von der Finanzierung in einzelnen Projekten konkrete Integrationsarbeit. Diese umfasst etwa die Weitergabe von Informationen sowie rechtliche, soziale und psychologische Beratungen durch das Bulgarische Rote Kreuz, unterstützt vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union (Bericht Dr. Ilareva, S. 3 f.; zu diesem Fond und seiner finanziellen Ausstattung vgl. https://ec.europa.eu/home-affairs/financing/fun-dings/migration-asylum-borders/asylum-migration-integration-fund_en, zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017). Weitere Integrationsarbeit leistet der UNHCR in Kooperation mit dem Bulgarischen Roten Kreuz. So wird seit April 2016 in einem Pilotprojekt 40 anerkannten Schutzberechtigten Unterstützung gewährt, wenn auch nur in Form grundlegender Hilfen. Zudem werden Beratungen angeboten (Bericht Dr. Ilareva, S. 4 f.). Daneben erbringt das Bulgarische Rote Kreuz auch nach dem Auslaufen der befristeten Vereinbarung mit dem bulgarischen Staat vom 21. Juli 2015 zur Suche und Finanzierung von Unterkünften für anerkannte Schutzberechtigte weiterhin Dienstleistungen, finanzielle Unterstützung und sonstige Hilfen für anerkannte Schutzberechtigte. Diese Organisation beschreibt sich auf ihrer Webseite als die größte Nichtregierungsorganisation, die soziale Dienste anbietet und die Integration von Flüchtlingen in Bulgarien erleichtert (siehe http://en.redcross.bg/activi-ties/activities8/rms1.html, zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017; zur ausgelaufenen Vereinbarung vgl. Dr. Ilareva, Bericht über die derzeitige rechtliche, wirtschaftliche und soziale Lage anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien, 27. August 2015, dort zu Frage 4). Vor allem wird ihr im bulgarischen Asylrecht eine herausgehobene Stellung zugewiesen. Denn das Bulgarische Rote Kreuz nimmt im Auftrag des bulgarischen Staates und in Kooperation mit der staatlichen Flüchtlingsbehörde (State Agency for Refugees) zentrale Aufgaben im Asyl- und Flüchtlingsrecht wahr. Es ist einerseits im Bereich der Asylantragstellung eingebunden, etwa bei der Unterbringung sowie der Bereitstellung von Hilfen zur Anpassung an die bulgarischen Verhältnisse und der (Mit-) Organisation von Sprachkursen, vgl. Art. 53 Nr. 1 Law on asylum and refugees (abrufbar unter http://www.aref.govern-ment.bg/index.php/en/legislation, zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017). Andererseits sehen die Art. 53 Nr. 4, 56 Abs. 1 des bulgarischen Asylgesetzes ausdrücklich vor, dass die Organisation auch bei der Integration der anerkannten Schutzberechtigten mitwirkt und sowohl soziale, medizinische und psychologische Begleitung als auch Hilfe bei der Suche nach einer Beschäftigung mitanbietet. Außerdem betreibt die Caritas Bulgarien in Sofia ein „Zentrum für Integration von Flüchtlingen und Migranten“, das „Haus St. Anna“. Dort werden psychosoziale und medizinische Beratungen angeboten, ebenso Hilfe bei Übersetzungen oder der Wohnungs- und Arbeitssuche. Ferner bietet das Zentrum Sprachkurse, Rechtshilfe sowie Unterstützung bei der Einschreibung für Schul- und Kindergartenplätze an und ist bei der Adressregistrierung sowie der Ausstellung von Dokumenten behilflich (Bericht Dr. Ilareva, S. 5; vgl. auch die Beschreibung der Arbeit des Hauses unter https://www.caritas.at/auslandshilfe/ auslandsprojekte/detail-auslandsprojekt /news/77342-unterstuetzung-fuer-menschen-auf-der-flucht-bulgarien/ sowie unter https://www.erzdioezese-wien.at/site/home/nachrichten/article/48322.html, jeweils zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017). Es mag zwar zutreffen, dass durch ein einzelnes dieser Projekte die fehlende Integrationspolitik des bulgarischen Staates nicht ersetzt wird (vgl. Interview mit dem Leiter der Einrichtung „Haus St. Anna“, abrufbar unter https://www.caritas.at/auslands-hilfe/auslandsprojekte/detail-auslandsprojekt/news/77342-unterstuetzung-fuer-menschen-auf-der-flucht-bulgarien/, zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017). Die Kammer ist aber davon überzeugt, dass diese Integrationsleistungen mehrerer nichtstaatlicher Organisationen in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans in hinreichender Weise kompensieren und sicherstellen, dass jedenfalls die elementaren Bedürfnisse (Wohnraum, Nahrungsmittel und Zugang zu sanitären Einrichtungen) für die erste Zeit befriedigt werden können. Denn zu berücksichtigen ist, dass die große Mehrzahl der anerkannten Schutzberechtigten Bulgarien zeitnah nach der Statusentscheidung verlässt. Es gibt keine verlässlichen Angaben dazu, wieviele Schutzberechtigte sich in diesem Land überhaupt aufhalten und ernsthaft versuchen, sich unter den dortigen bescheidenen Lebensverhältnissen einzurichten (Bericht Dr. Ilareva, S. 2). Bekannt ist aber, dass Bulgarien in der Regel nur als „Transitland“ genutzt wird, um in wohlhabendere Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter zu wandern, wie auch der vom Antragsteller auszugsweise eingereichte Bericht des Bulgarischen Helsinki Komitees vom 18. November 2016 hervorhebt („Detention Mapping Report Bulgaria“, S. 53: 99,6 % der Neuankömmlinge wollen weder auf dem Territorium bleiben noch dort einen Asylantrag stellen; vgl. auch Tätigkeitsbericht des Vorstandes des Fördervereins Pro Asyl e.V. 2015/2016, S. 18 f., abrufbar unter https://www.proasyl.de/material/taetigkeitsbericht-20152016/, zuletzt abgerufen am 7. Juli 2017). Mithin konzentriert sich die Arbeit dieser Organisationen auf eine vergleichsweise kleine Gruppe. Die anerkannten Schutzberechtigten werden dadurch in einer Art. 3 EMRK genügenden Weise in die Lage versetzt, sich über die ihnen zustehenden Rechte zu informieren und diese auch einzufordern. Aus der niedrigen Quote der geleisteten Sozialhilfe folgt nichts Gegenteiliges (weniger als 1 % der anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien, Bericht Dr. Ilareva, S. 7). Denn es ist nicht bekannt, ob die Leistungsansprüche in den übrigen Fällen überhaupt (erfolglos) geltend gemacht wurden; abgesehen davon verlassen - wie dargelegt - zahlreiche Flüchtlinge Bulgarien unmittelbar nach ihrer Anerkennung (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 4. Juni 2015 - VG 23 K 906.14 A -, juris Rn. 30). Die Suche nach einer Beschäftigung wird auch von anderen Nichtregierungsorganisationen unterstützt, beispielsweise von dem von der Caritas Bulgarien geführten „Haus St. Anna“ sowie durch spezielle Arbeitsvermittlungs-Plattformen (Bericht Dr. Ilareva, S. 7). Vergleichbares gilt für die Wohnungssuche. Ohnehin liegen keine konkreten Informationen oder Statistiken dazu vor, dass Personen mit der Zuerkennung des Schutzstatus in Bulgarien obdachlos geworden sind und ohne Bleibe gleichsam „auf der Straße landen“. Soweit sich die ausgewerteten Erkenntnisse abstrakt dazu verhalten, dass Schutzberechtigte auf dem Wohnungsmarkt aufgrund der Voreingenommenheit der Bevölkerung nur geringe Chancen hätten bzw. dass ihre Situation durch das Verlangen überhöhter Mieten ausgenutzt werde, ist nicht ersichtlich, dass diese Erschwernisse zwangsläufig zu einer ausweglosen Lage für die Schutzberechtigten führt. Der Wohnungsmarkt in Bulgarien dürfte durch die relativ geringe Zahl der tatsächlich dort verbleibenden anerkannten Schutzberechtigten vielmehr nicht überfordert werden (ebenso VG Cottbus, Beschluss vom 10. März 2017 - VG 5 L 673/16.A -, juris Rn. 29; VG C-Stadt, Urteil vom 9. Januar 2017 - 16 A 5546/14 -, juris Rn. 59). Dem Antragsteller müsste es daher - jedenfalls bei Inanspruchnahme der Hilfe dieser Nichtregierungsorganisationen - möglich sein, bei seiner Rückkehr nach Bulgarien eine Unterkunft zumindest im Sinne eines Obdachs mit Schlafgelegenheit zu finden. Auf die schlechtere wirtschaftliche Lage in Bulgarien kommt es rechtlich - wie dargelegt - nicht an, ebenso wenig ist der bei der Anhörung beim Bundesamt geäußerte Wunsch des Antragstellers maßgeblich, sein Leben in Deutschland verbringen zu wollen. Entscheidend ist, dass er in Bulgarien nicht befürchten muss, nach Syrien zurückgeführt zu werden und die im Wesentlichen gleichen Lebensbedingungen vorfindet wie die dortige Bevölkerung, auch wenn diese schwieriger sein mögen als diejenigen in der Bundesrepublik Deutschland (ebenso VG Saarland, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - 3 L 2669/16 -, juris Rn. 13 zu Italien). Ob mit diesen Integrationsmaßnahmen den Anforderungen des an die Mitgliedstaaten adressierten Art. 34 RL 2011/95/EU hinreichend Rechnung getragen wird, kann offenbleiben. Diese Norm fordert den effektiven Zugang zu Integrationsprogrammen, denen eine spezifisch kompensatorische Funktion zukommt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 -, juris Rn. 25). Selbst wenn das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans in Bulgarien Art. 34 RL 2011/95/EU widersprechen sollte, weil auch die im dortigen Recht angelegten stellvertretenden „quasi-staatlichen“ Leistungen des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Organisationen den Anforderungen dieser Norm nicht gerecht werden, ist dies jedoch unerheblich. Dies gilt auch, soweit der Antragsteller die Verletzung weiterer Normen dieser Richtlinie - Art. 26, 29, 30 und 32 RL 2011/95/EU - darzutun versucht. Denn nicht jeder Verstoß gegen Sekundärrecht stellt eine Verletzung des Art. 3 EMRK dar (siehe OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 14 A 134/15.A -, juris Rn. 15). Vielmehr verlangt diese Norm ein - hier nicht gegebenes - Mindestmaß an Schwere, für das das Bestehen einiger Mängel nicht reicht (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 - 27725.10, Mohammed Hussein/Italien und Niederlande -, ZAR 2013, S. 336 [337 f.]).“

45

Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 L 50/17 –, juris; VG Berlin, Beschluss vom 26. Juli 2018 – 23 L 389.18 A –, juris, VG Schwerin, Urteil vom 18. Juni 2018 – 3 A 3589/17 As SN –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 09. Januar 2017 – 16 A 5546/14 –, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2018 – A 13 K 3922/18 –, Rn. 26, juris) auch unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsprechung mehrerer Obergerichte (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 31. Januar 2018 – 10 LB 83/17; OVG Saarland, Urteil vom 19. April 2018 – 2 A 737/17; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. Mai 2018 – 4 LB 17/17) an.

46

Maßgeblich ist für das Gericht auch die Erkenntnis aus einer Vielzahl von bei Gericht anhängigen oder bereits abgeschlossenen Verfahren, in denen die Überstellung von Asylsuchenden nach Bulgarien im Raum steht, dass diese Kläger im Gegensatz zu Klägern, die beispielsweise nach Italien überstellt werden sollen, praktisch ausnahmslos bereits internationalen Schutz in Bulgarien zuerkannt bekommen haben. Zwar wird dieser Umstand häufig zunächst im Verwaltungsverfahren und gelegentlich auch noch bei Gericht geleugnet, stellt sich dann aber im Nachgang zumeist auf Vorhalt des Eurodac-Treffers oder der entsprechenden ablehnenden Stellungnahme der bulgarischen Behörde auf ein Übernahmeersuchen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung als zutreffend heraus. Daraus ergibt sich in der Gesamtschau für das Gericht, dass praktisch alle Klägerinnen und Kläger mehrere Monate – zwischen 4 und 15 Monaten – in Bulgarien gelebt und auf den Ausgang ihres Verfahrens gewartet haben.

47

Hingegen ist bei vielen Asylantragstellern, die zunächst in Griechenland oder Italien registriert worden sind, festzustellen, dass sie in diesen Ländern nicht den Ausgang ihres Asylverfahrens abwarten, sondern bereits nach kurzer Zeit und vor Abschluss ihres Asylverfahrens in die Bundesrepublik Deutschland einreisen. Daraus schließt das Gericht, dass die Verhältnisse in Bulgarien trotz aller geschilderten Defizite nicht so unzumutbar sind, dass die Schutzsuchenden nicht den Ausgang ihres Verfahrens abwarten können.

48

Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass zwar für die noch im Asylverfahren befindlichen Schutzsuchenden in Bulgarien noch die Umstände erträglich, diese nach ihrer Zuerkennung internationalen Schutzes dann jedoch unzumutbar werden. Trotz der in den Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes und von Frau Dr. Ilareva genannten Defizite und Schwierigkeiten für anerkannte Schutzberechtigte ist nämlich eine signifikante Obdachlosigkeit unter diesem Personenkreis in Bulgarien nicht zu erkennen.

49

Insoweit geht auch das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme (vom 18. Juli 2017 an OVG Lüneburg) davon aus, dass sich trotz aller Abwanderungen nach der Zuerkennung internationalen Schutzes zumindest noch mehrere 100 oder bis zu 5000 Schutzberechtigte in Bulgarien aufhalten. Nach neuesten Angaben des UNHCR ist in Bulgarien bis Ende des Jahres 2017 – über einen mehrjährigen Zeitraum – insgesamt mehr als 19.000 Personen internationaler Schutz gewährt worden und befinden sich weitere 2.700 Personen noch im Anerkennungsverfahren (UNHCR, Global Trends 2017, Annex Tabelle 1, 20. Juni 2018; für das Jahr 2016 waren noch ca. 17.800 Personen mit internationalem Schutzstatus und ca. 16.000 anhängige Verfahren eingetragen: UNHCR, Global Trends 2016, Annex Tabelle 1, 19. Juni 2017). Bei dieser Größenordnung müsste zur Überzeugung des Gerichts eine signifikante Obdachlosigkeit den maßgeblichen Nichtregierungsorganisationen und auch dem UNHCR bekannt werden. Gerade der UNHCR hat aber nach der Rücknahme seiner Warnung vor der Überstellung von Asylbewerbern und anerkannten Schutzberechtigten im Jahr 2014 in jüngerer Zeit keine vergleichbare Warnung ausgesprochen. Deshalb geht das Gericht davon aus, dass es gerade keine zureichenden Anhaltspunkte für Obdachlosigkeit oder Verelendung dieses Personenkreises in Bulgarien gibt.

50

Selbst wenn das Fehlen signifikanter Größenordnungen von bestehender Obdachlosigkeit oder Verelendung darauf zurückzuführen sein sollte, dass entgegen der Annahme des Auswärtigen Amtes doch nahezu alle anerkannt Schutzberechtigten Bulgarien verlassen haben und im Rahmen der Binnenmigration in andere europäische Staaten ausgewichen sind, vermag dies dem Gericht nicht die Überzeugungsgewissheit zu vermitteln, dass der alleinige oder auch nur vorrangige Grund für die Binnenmigration die Aussichtslosigkeit des weiteren Aufenthalts in Bulgarien gewesen ist. Denn sowohl aus den Anhörungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge als auch aus den Anhörungen bei Gericht ergibt sich ganz häufig das Bild, dass die Asylsuchenden - anders allerdings als die Klägerin - praktisch am Tag nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes Bulgarien verlassen haben. Dabei sind regelmäßig keine Bemühungen erkennbar, dass sie ernsthaft versucht haben, in Bulgarien Fuß zu fassen.

51

Aus dem Verhalten der in Bulgarien mit internationalem Schutz bedachten Personen schließt das Gericht deshalb, dass es bei der weiteren Binnenmigration nicht mehr um die Gewährleistung sicheren Schutzes vor den Verhältnissen im Herkunftsland geht, sondern um den Aufbau einer möglichst günstigen Lebensperspektive. Dabei haben die Asylbewerber ganz offensichtlich nicht die Perspektive eines temporären Flüchtlingsschutzes, sondern von Beginn an die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts unabhängig von etwaigen Änderungen der Lage in Syrien im Auge. Denn es ist augenfällig, dass gerade syrische Asylbewerber in den Anhörungen vor Gericht eine Rückkehr in ihr Herkunftsland praktisch ausschließen und vollständig auf ein langfristiges Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland fixiert sind. Dementsprechend sind augenscheinlich für sie auch die formal günstigeren Rahmenbedingungen in Bulgarien, wo anerkannten Flüchtlingen ein 5-jähriger Aufenthaltsstatus und Personen mit subsidiären Schutz ein 3-jähriger Aufenthaltsstatus gewährt wird, weniger wichtig als ein Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland, wobei hier wiederum regelmäßig von Personen, denen lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden ist, die Entscheidung des Bundesamts mit dem Ziel angefochten wird, die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus aufgrund des damit verbundenen Bleiberechts von drei Jahren statt einem Jahr zu erlangen.

52

Das gilt im besonderen Maße für die Klägerin, die ausweislich ihrer Angaben im Erstverfahren 8 Monate in Bulgarien lebte und in den 6 Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu keinem Zeitpunkt obdachlos war. Es zeigt sich daran auch, dass die Klägerin in Bulgarien offensichtlich über Kontakte verfügt, die sie vor Obdachlosigkeit und extrem materieller Not bewahren.

53

Deshalb kann zur Überzeugung des Gerichts aus der häufig stattfindenden Abwanderung von Personen, die in Bulgarien mit internationalem Schutz versehen worden sind, nicht auf im Sinne von Art. 3 EMRK unzureichende Lebensverhältnisse in Bulgarien geschlossen werden. Weil sie weit jenseits dieses Maßstabs den Aufbau einer möglichst günstigen Lebensperspektive verfolgen, den sie augenscheinlich nur unter den weitaus günstigeren sozialen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet sehen.

54

Zur Überzeugung des Gerichts steht diese Bewertung auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EUGH (Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 – Celex-Nr. 62017CJ0297). Zwar verhält sich der EUGH nicht explizit zur tatsächlichen Situation in Bulgarien, aufgrund der vorgelegten Rechtsfrage hatte er aber die Fälle von in Bulgarien anerkannten Flüchtlingen bzw. Schutzberechtigten und damit verbunden deren Rückkehr nach Bulgarien zu entscheiden. Gleichwohl kam in der Bewertung, auch im Falle einer Mutter mit ihren minderjährigen Kindern (vgl. die mit C-297/17 verbundene Rechtssache C-319/17), nicht ansatzweise eine Kritik zu den Verhältnissen in Bulgarien zum Ausdruck. Hätte der EUGH die Situation in Bulgarien aber als problematisch eingestuft, hätte er dies im Urteil wenigstens anklingen gelassen. Denn ersichtlich schreckt der EUGH - wie sich an anderer Stelle des Urteils vom 19. März 2019 (Rn. 94) zeigt - vor ergänzender Kritik (gegenüber der Entscheidung deutscher Gerichte) nicht zurück, wenn er ausführt, dass der bloße Umstand, dass die Sozialhilfeleistungen und Lebensverhältnisse in dem Mitgliedsstaat, in dem der neue Antrag gestellt wird, günstiger als in dem bereits Schutz gewährenden Staat sind, nicht für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 4 der Charta (entspricht Art. 3 EMRK) ausreicht. Es ist davon auszugehen, dass wenn die vom EUGH beschiedenen Kläger bei einer Rückkehr nach Bulgarien sich in einer Situation extremer materieller Not befinden würden, er dies deutlich zum Ausdruck gebracht hätte.

55

Nach alledem fehlt es aus der Sicht des Gerichts an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass der Klägerin im Falle ihrer Überstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK in Form von Obdachlosigkeit und Verelendung aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten droht. Ihr Wunsch, mit ihren erwachsenen Geschwistern in Deutschland zu leben und ihre Mutter hier zu pflegen, ist zwar menschlich verständlich, jedoch rechtlich unbeachtlich.

56

Ferner liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat Bulgarien nicht vor.

57

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, insbesondere droht der Klägerin in Bulgarien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Insoweit wird auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.

58

Auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle der Klägerin nicht erkennbar.

59

Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) liegt vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers in seinem Heimatland alsbald nach seiner Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58/96 -).

60

Entsprechende Anhaltspunkte sind für die Klägerin weder ersichtlich noch glaubhaft vorgetragen. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung, die Klägerin sei psychisch angegriffen, weswegen sie sich aber nicht in entsprechende Behandlung begeben hätte. Für das Gericht ist nachvollziehbar, dass die persönliche Situation der Klägerin von ihr als belastend empfunden wird, gleichwohl reicht dies nicht für die Annahme eines Abschiebungsverbotes im Sinne einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben aus.

61

Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 35 AsylG. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Das Berücksichtigungserfordernis ergibt sich auch nach der neuen Rechtslage. Nach § 35 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Diese Vorschriften sind hier anwendbar. Wird ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt, erlässt das Bundesamt, dies ergibt sich auch aus §§ 71 Abs. 4, 35, 36 AsylG, bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Abschiebungsandrohung.

62

Dies zugrunde gelegt, erweist sich die Abschiebungsandrohung als rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind gegeben. Das Bundesamt hat die Klägerin weder als Asylberechtigte noch als Flüchtling anerkannt. Ihr ist auch kein subsidiärer Schutz gewährt worden. Dass keine Sachentscheidung hierzu getroffen wurde, ist unerheblich. Maßgeblich ist im Rahmen des § 34 AsylG allein, dass das Asylverfahren erfolglos beendet worden ist, ohne dass dem Kläger ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zusteht; auf die Gründe hierfür kommt es nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 -).

63

Auch Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat erkennbar ihr Ermessen erkannt und von diesem Gebrauch gemacht. Insoweit hat die Klägerin, die nach eigenen Vortrag bereits zweimal nach Bulgarien abgeschoben worden ist, auch im Gerichtsverfahren keinerlei Umstände vorgetragen, die auf eine ermessensfehlerhafte Handhabung der konkret verhängten Ausreisefrist von 30 Monaten hindeuten.

64

Auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid der Beklagten wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ergänzend verwiesen.

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.

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