Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (4. Kammer) - 4 A 4414/17 SN
Tenor
Die „Rechnung“ des Beklagten vom 25. April 2017, Aktenzeichen …-911-12600-432290/38, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2017 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der klagende Landkreis ficht eine im Vorverfahren zum Verwaltungsakt gemachte „Rechnung“ des Beklagten über Kosten einer Tragehilfe der öffentlichen Feuerwehr an.
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Mit Schreiben vom 18. April 2016 wandte sich der Beklagte an den Kläger unter dem Betreff „Benutzungsgebühren Tragehilfe Rettungsdienst“. Er berichtete abstrakt darüber, dass es sich auch bei einem Einsatz eines Rettungstransportwagens um eine Dienstleistung „Tragehilfe“ der Feuerwehr handle. Es gehe nicht um eine Menschenrettung aus bedrohlichen Lagen, sondern lediglich um das Tragen von Patienten zum „Rettungsmittel“. Dies sei Aufgabe des Rettungsdienstpersonals, das dazu aber körperlich oft nicht in der Lage sei. Patienten, die sich in der eigenen Wohnung befänden, seien in aller Regel durch kein von außen wirkendes Ereignis gefährdet, welches durch die Feuerwehr abgewehrt werden müsse. Sie seien ausschließlich medizinisch gefährdet. Die Abwehr von medizinischen Risiken vom Eintreffen des „Rettungsmittels“ über den Transport bis hin zum Eintreffen im Krankenhaus sei Sache des Rettungsdiensts. Aus diesen Gründen übersende der Beklagte Rechnungen für die Dienstleistung „Tragehilfe“ für die Anforderungen beim Rettungstransportwagen durch das Rettungsdienstpersonal.
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Aus den dort näher genannten Gründen lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2016 eine Kostenübernahme in der Notfallrettung ab. Es folgte weitere Korrespondenz zwischen den Beteiligten. Zudem wurde das Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern um eine Stellungnahme gebeten, die mit Schreiben vom 23. Juni 2016 erfolgte.
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Mit acht Rechnungen vom 25. April 2017, darunter einer mit der Rechnungs-Nr.: ...-911-12600-432290/38, forderte der Beklagte von der Klägerin für die von der öffentlichen Feuerwehr Wismar geleistete Tragehilfe bei Krankentransport-Einsätzen im Jahre 2017 dort näher aufgeschlüsselte Beträge von jeweils 493 €, offenbar nach einem „Gebührentarif“.
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Gegen diese Rechnungen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2017 Widerspruch ein. Den Widerspruch gegen eine dieser Rechnungen, und zwar denjenigen gegen die Rechnung mit der oben genannten Rechnungsnummer, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2017 zurück. Er ist darin der Auffassung, der Widerspruch sei zulässig, aber unbegründet. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 24. Oktober 2017 zugestellt.
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Am 23. November 2017 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie unter näherer Schilderung des zugrundeliegenden Sachverhalts vorträgt:
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Die Klage sei zulässig. Der Leiter des Eigenbetriebs Rettungsdienst sei zur Bevollmächtigung der Anwälte und zur Prozessführung befugt, da es sich um ein Geschäft der laufenden Betriebsführung handle. Zudem habe die Landrätin mit Schreiben vom 13. März 2018 die Prozessführung vorsorglich genehmigt.
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Der als „Rechnung“ überschriebene Gebührenbescheid sei rechtswidrig.
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Der Beklagte sei schon deshalb nicht berechtigt, Kostenersatz für die Tragehilfe zu erheben, da diese eine unentgeltliche Technische Hilfeleistung i. S. des § 1 Abs. 3 i. V. m. § 25 Abs. 1 des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes M-V (BrSchG) darstelle.
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Ein Unglücksfall sei jedes plötzlich eintretende Ereignis, welches erhebliche Gefahren für Personen oder Sachen mit sich bringe oder zu bringen drohe. Der Sturz der zu transportierenden Patientin sei ein sonstiger Unglücksfall i. S. des § 1 Abs. 3 BrSchG gewesen, die Tragehilfe eine Maßnahme zur Abwehr von Lebens- und Gesundheitsgefahren der Patientin, eine Notfallrettung, kein Krankentransport. Auf die Verwendung feuerwehrspezifischer Geräte komme es nicht an. Eine Beschränkung auf die Fälle, in denen Fachkenntnisse oder technische Hilfsmittel benötigt würden, die nur bei den Feuerwehren vorhanden seien, ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung noch aus dem Zweck der Regelung – was näher ausgeführt wird.
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Im Übrigen habe die Feuerwehr vorliegend fachspezifische Kenntnisse angewandt. Das Hinabtragen einer an Kopf, Hüfte und vermutlich Wirbelsäule verletzten Patientin auf einer besonders steifen und unflexiblen Vakuummatratze durch ein steiles, enges und verwinkeltes Treppenhaus erfordere besondere Sorgsamkeit sowie technische und medizinische Kenntnisse. Aufgrund der Lebensgefahr habe gleichzeitig erheblicher Zeitdruck bestanden. Ein solcher Transport gehöre zur Ausbildung der Feuerwehr. Im Übrigen sei die Patientenbeförderung durch das Treppenhaus unter ärztlicher Überwachung mit einem Notarzt und drei weiteren Mitarbeitern nicht zu bewerkstelligen gewesen.
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Es liege auch kein strukturelles Missmanagement vor. Sie, die Klägerin, habe im Jahr 2017 bei elf Einsätzen zur Notfallrettung eine Tragehilfe des Beklagten benötigt. Bei 5.654 Notfallrettungseinsätzen in der Hansestadt sei dies ein Anteil von 0,2 %.
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Es liege auch kein Fall von Amtshilfe vor. Amtshilfe liege nicht vor, wenn die Hilfeleistung in Handlungen bestehe, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe oblägen, § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG M-V. Dies sei hier der Fall.
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Vorsorglich sei dargelegt, dass auch bei Annahme von Amtshilfe keine Gebührenpflicht bestünde. Da die Amtshilfe im Interesse der Verwaltungsvereinfachung grundsätzlich unentgeltlich erfolgen solle, habe die ersuchende Behörde der ersuchten nur Auslagen zu erstatten, jedoch keine Verwaltungsgebühr zu entrichten, § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG M-V. Bei den abgerechneten Kosten handle es sich nicht um Auslagen. Vielmehr entsprächen die als „Gebührentarif“ bezeichneten Einzelposten denen des Gebührentarifs der Satzung zur Regelung des Kostenersatzes für Leistungen der öffentlichen Feuerwehren der Hansestadt Wismar.
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Schließlich sei die Berechnung der Kosten zumindest aufgrund einer nicht einschlägigen Rechtsgrundlage erfolgt und die „Rechnung“ schon deswegen rechtswidrig. Berechnungsgrundlage sei offenbar der Gebührentarif der genannten Satzung gewesen. Hieraus ergebe sich, dass es sich bei der „Rechnung“ um einen Gebührenbescheid nach § 7 Abs. 2 FwKS handle. Rechtsgrundlage der Satzung sei § 25 Abs. 3 Satz 1 BrSchG, der die Gemeinde aber nur zur Regelung der Höhe der Kosten ermächtige, die in den in § 25 Abs. 2 BrSchG aufgeführten Fällen erhoben werden dürften. Ein Fall des § 25 Abs. 2 BrSchG liege hier aber nicht vor.
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Die Anwendbarkeit des Gebührentarifs ergebe sich auch nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 10 FwKS. Diese Norm erweitere die in § 25 Abs. 2 BrSchG enumerativ aufgelisteten Fälle der kostenpflichtigen Feuerwehreinsätze. Darüber hinaus lege sie eine Gebührenpflicht für eine um Amtshilfe ersuchende Behörde gegenüber der ersuchten fest. Dies widerspreche § 25 Abs. 2 BrSchG und § 8 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V.
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Sie, die Klägerin, erhalte auch kein zusätzliches Entgelt, wenn der Beklagte im Rahmen einer Notfallrettung Tragehilfe leiste. Ein spezielles Entgelt für das Tragen einer Person aus einem Gebäude in einen Rettungstransportwagen werde nicht gezahlt.
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Zudem habe der Beklagte auch immer von unentgeltlichen Leistungen der Klägerseite profitiert. Sie stelle bei Einsätzen der Beklagten regelmäßig Personal und Fahrzeuge zur Verfügung, um bei Bränden dem eingesetzten Personal der Feuerwehr bei Bedarf schnelle medizinische Hilfe leisten zu können, so im Jahr 2017 28-mal. Dafür verlange sie kein Entgelt.
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Der Kläger beantragt,
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den „Gebührenbescheid“ des Beklagten vom 25. April 2017, Aktenzeichen ...-911-12600-432290/38, in Form des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2017 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und trägt dazu vor:
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Bei der Wahrnehmung der Aufgabe des Rettungsdiensts habe die Berufsfeuerwehr die vom beklagten Landkreis beauftragte Hilfsorganisation unterstützt. Die eingesetzten Rettungsassistenten seien offenbar zur fachgerechten Beförderung nicht in der Lage gewesen.
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Außerdem sei es auch die Klägerin („der Beklagte“?), die über Benutzungsentgelte die Kosten der Notfallrettung gegenüber den Krankenkassen abrechnen könne.
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Nachdem der Beklagte zunächst dargelegt hatte, dass er die Regelungen über die Amtshilfe nicht für einschlägig halte, ist er davon in der mündlichen Verhandlung wieder abgerückt, wobei er bereits im Widerspruchsbescheid unter Hinweis auf die sich zu eigen gemachte Stellungnahme des Ministeriums für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern von einer Amtshilfe ausgegangen war.
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Die Feuerwehrkostenersatzsatzung stelle auch eine geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheids dar.
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Der Landkreis komme offensichtlich seiner ihm obliegenden Aufgabe der Notfallrettung durch strukturelles Missmanagement der personellen und sächlichen Mittel nicht nach. Er verursache dadurch die Gefahr, wegen derer die Feuerwehr entsendet werden müsse, zumindest grob fahrlässig selbst. Es liege ein Fall des § 25 Abs. 2 Nr. 1 BrSchG vor.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Februar 2019 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg.
- 31
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Dabei kann offen bleiben, ob die als „Rechnung“ überschriebene Forderung des Beklagten gegenüber dem Kläger vom 25. April 2017, die auch nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, von Anfang an ein Verwaltungsakt gewesen ist. Jedenfalls durch den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2017, in dem der Widerspruch als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen wurde, ist diese „Rechnung“ dazu gemacht worden.
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Der Leistungsbescheid „Rechnung“ des Beklagten vom 25. April 2017, Aktenzeichen ...-911-12600-432290/38, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Dem Leistungsbescheid fehlt eine Ermächtigungsgrundlage zur Einforderung der Kosten für die „Tragehilfe“ durch Verwaltungsakt. Ebenso wenig ist es wenigstens in der Sache tragfähig, diese Kosten, bei denen es sich um solche im Rahmen geleisteter Amtshilfe handelt, als Feuerwehrgebühren zur Erstattung zu fordern. Jedenfalls in der geltend gemachten Höhe sind sie auch nicht als Auslagen in Form amtshilfebedingter Mehrkosten zu erstatten.
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Der Leistungsbescheid kann sich nicht auf die Satzung zur Regelung des Kostenersatzes für Leistungen der öffentlichen Feuerwehren der Hansestadt Wismar (Feuerwehrkostenersatzsatzung – FwKS –) vom 3. November 2016 i. V. m. § 25 Abs. 2 des Gesetzes über den Brandschutz und die technischen Hilfeleistungen durch die Feuerwehren für Mecklenburg-Vorpommern (Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz M-V – BrSchG –) stützen.
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Dabei kann offen bleiben, ob die durch Feuerwehrleute des Beklagten geleistete Hilfe bei dem rettungsdienstlichen Transport von erkrankten bzw. verunglückten Menschen eine Technische Hilfeleistung i. S. des § 1 Abs. 3 BrSchG darstellt. Entscheidend ist allein, ob ein den Kostenersatz durch Satzung nach § 25 Abs. 3 BrSchG rechtfertigender Tatbestand des § 25 Abs. 2 BrSchG erfüllt ist. Dies ist indessen nicht der Fall.
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1. Bereits § 25 Abs. 2 Nr. 1 BrSchG bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 1 FwKS bieten für den vorliegenden Sachverhalt keine Ermächtigungsgrundlage zur satzungsrechtlichen Erhebung von Kosten für die „Tragehilfe“ mittels eines Leistungsbescheids. Selbst wenn das Gericht die vom Beklagten doch schon von vornherein recht bemüht klingende Argumentationskonstruktion zugrunde legt, dass auch ein strukturelles Missmanagement der personellen und sächlichen Mittel des dem klägerischen Landkreis obliegenden Rettungsdiensts (§ 7 Abs. 2 Satz 2 des Rettungsdienstgesetzes – RDG M-V –) eine Gefahr i. S. des § 25 Abs. 2 Nr. 1 BrSchG bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 1 FwKS sein könne, hätte der Kläger diese Gefahr (oder gar einen Schaden) weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht. Der Kläger hat nachvollziehbar und für das Gericht überzeugend geschildert, dass er bzw. das von ihm mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragte Unternehmen die Hilfe der örtlichen öffentlichen Feuerwehr zum Transport eines verletzten bzw. erkrankten Menschen nur dann in Anspruch nimmt, wenn es sich um eine Notfallrettung handelt, also bei lebensbedrohlich Verletzten oder Erkrankten (Notfallpatienten), § 2 Abs. 2 RDG M-V, nicht dagegen etwa bei einem „nur“ qualifizierten Krankentransport i. S. des § 2 Abs. 3 RDG M-V oder der Wahrnehmung einer sonstigen Aufgabe des Rettungsdiensts. Da es regelmäßig nicht bereits bei Eingang eines Notfallanrufs erkennbar ist, ob der Notfallpatient aufgrund seiner lebensbedrohlichen Verletzung/Erkrankung für sich genommen oder im Laufe des notwendigen Transports zum Rettungsfahrzeug (Krankenkraftwagen und/oder Notarzteinsatzfahrzeug, § 3 Abs. 2 RDG M-V) über die vorgeschriebene und/oder übliche Besatzung des Fahrzeugs nach § 4 Abs. 1 und 2 RDG M-V hinaus weitere Personen zum Transport benötigt, wäre es absurd, schon einmal rein vorsorglich eine weitere Anzahl von Rettungsdienstpersonal, das auch über die Qualifikation des Tragens eines Notfallpatienten verfügt, zu entsenden. Dies zeigt auch die vom Kläger vorgelegte Statistik des Jahres 2017, wonach er nur bei elf von 5.654 Notfallrettungseinsätzen in der beklagten Hansestadt eine Tragehilfe benötigt bzw. in Anspruch genommen habe. Es ist offensichtlich, dass bei der Notfallrettung schnelle und effiziente Hilfe für den Notfallpatienten erforderlich ist, sodass auch nicht etwa bei festgestellter Notwendigkeit einer „Tragehilfe“ weiteres vorgehaltenes oder vorzuhaltendes Notfallrettungspersonal, das über die hier erforderliche Qualifikation ebenso wie Feuerwehrleute verfügt, aus dem Landkreisgebiet herbeigerufen werden muss, sondern der Kläger auf vor Ort bereitstehende Feuerwehrmitarbeiter der beklagten Hansestadt zurückgreifen kann, ja sogar muss, soweit diese eben schnellere „Tragehilfe“ leisten können. Nur nebenbei bemerkt trägt der Beklagte auch nicht etwa vor, dass „seine“ öffentliche Feuerwehr bereits ständig voll ausgelastet sei und deshalb durch die Anforderung einer „Tragehilfe“ zur Notfallrettung von der Wahrnehmung ihrer (anderen) ureigenen Aufgaben abgehalten werde.
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Aber auch die im Übrigen allein in Frage kommende Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 10 FwKS trägt das Vorgehen des Beklagten zur Einforderung von Kosten für „Amtshandlungen“ mittels Verwaltungsakts nicht. Die Satzungsnorm ist bereits deshalb unwirksam, weil sie sich weder auf § 25 Abs. 2 BrSchG noch auf eine andere Gesetzesnorm (dazu unter 3.) stützen kann.
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Keiner der enumerativ genannten Tatbestände des § 25 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BrSchG ist im Falle von Kosten einer Tragehilfe durch Feuerwehrleute bei einem Notfallrettungseinsatz erfüllt (zur fehlenden Einschlägigkeit der Nr. 1 siehe oben). Diese Vorschrift regelt abschließend die Möglichkeiten eines Kostenersatzes für den Einsatz der öffentlichen Feuerwehren durch Erlass einer Satzung nach § 25 Abs. 3 Satz 1 BrSchG.
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2. In der Sache können in den vorliegenden Fällen nur Kosten einer Amtshilfe nach den §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 des Verwaltungsverfahrens-, Zustellungs- und Vollstreckungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesverwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG M-V) geltend gemacht werden.
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Der Kläger ersucht bei der erforderlichen Tragehilfe durch Feuerwehrleute des Beklagten im Rahmen eines Notfallrettungseinsatzes, weil er aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG M-V). Nach Auffassung des Gerichts zählt dazu auch und gerade der Fall, dass die ersuchende Behörde dazu aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage ist, mag sie auch selbst eigenes qualifiziertes Personal haben. Notfallrettung muss schnelle Rettung sein, jenseits der häufigen Trägheit und Langwierigkeit behördlichen Handelns. Schnelle Rettung durch Tragehilfe kann in solchen Fällen nur die vor Ort bereit stehende öffentliche Feuerwehr leisten, nicht erst durch generell, aber eben örtlich weiter entfernt zur Verfügung stehende Kräfte des Klägers bzw. des von ihm mit der Notfallrettung beauftragten Unternehmens, die im Gegensatz zur örtlichen öffentlichen Feuerwehr länger bräuchten, um die aktuelle und akute Tragehilfe selbst zu leisten. Aus diesem Grund liegt nach Auffassung des Gerichts jedenfalls aber (auch) § 5 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG M-V tatbestandlich vor, denn die Amtshandlung der Tragehilfe könnte nur mit wesentlich größerem Aufwand vorgenommen werden als die ersuchte Behörde. Amtshilfe verweigernde Tatbestände, namentlich § 5 Abs. 3 VwVfG M-V, liegen nicht vor.
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3. Die ersuchende Behörde hat der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten, § 8 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V. Allerdings hat sie auf Anforderung Auslagen der ersuchten Behörde zu erstatten, wenn diese im Einzelfall 35 Euro übersteigen, § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V.
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§ 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V, der einen eigenständigen, aber auch abschließenden Anspruch auf Erstattung der Auslagen der ersuchten Behörde gegen die ersuchende Behörde eines anderen Rechtsträgers statuiert (zur entsprechenden bundesgesetzlichen Vorschrift BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018 – 6 C 10/17 –, juris Rn. 25), ermächtigt nicht zum Erlass einer Auslagenerstattungssatzung bzw. der Satzungsnorm des § 3 Abs. 1 Nr. 10 FwKS durch die ersuchte Behörde bzw. deren Rechtsträger. So spricht die Norm ausdrücklich nur von „auf Anforderung“.
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Selbst wenn man dies anders sähe, so sind jedenfalls die durch die Amtshilfe in Form der Tragehilfe entstandenen Auslagen weder unmittelbar noch mittelbar in Höhe der Feuerwehrgebühren bzw. des entsprechenden Kostenersatzes erstattungsfähig, erst recht nicht über die hier satzungsrechtlich geregelten Pauschalbeträge von Feuerwehrgebühren nach § 25 Abs. 3 Satz 2 BrSchG.
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Der Begriff der Auslagen im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V umfasst nicht den allgemeinen Verwaltungsaufwand. Unter diesen Begriff fallen nur die Kosten für den spezifischen Aufwand, den die ersuchte Behörde für die Amtshilfe betrieben hat. Deren Durchführung muss für den Anfall der Kosten ursächlich gewesen sein (amtshilfebedingte Mehrkosten). Damit sind insbesondere die laufenden Personal- und Sachkosten der ersuchten Behörde von der Erstattung ausgeschlossen (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018, a. a. O. Rn. 26).
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So liegen die Dinge auch hier, legt man die Feuerwehrgebühren (bzw. den satzungsrechtlichen entsprechenden Kostenersatz) zugrunde, die laut „Rechnung“/Leistungsbescheid hier auch angewandt wurden, so die (pauschalierten) Kosten für „Einsatzkraft/Personal“, „Pauschale für Vorhaltekosten des Personals“ und der Betrag für das „Löschfahrzeug“ bzw. die „Pauschale für Vorhaltekosten der Fahrzeuge“.
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Entsprechendes gilt im Ergebnis aber auf für die Kostenposition „Für das Verfassen des Einsatzberichtes und für die Bescheiderstellung“, ein schon feuerwehrgebührenrechtlich fragwürdiger Posten, der wohl am ehesten als Verwaltungsgebühr einzuordnen ist (vgl. den Gebührentarif der FwKS, der dies unter der Überschrift „Verwaltungskosten“ aufführt), welche im Rahmen der Erstattungsregelung der Amtshilfe unzulässig ist, § 8 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V.
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Ob eine andere Pauschalierung jenseits derjenigen der Feuerwehrgebühren für die Auslagen der Tragehilfe als Amtshilfe rechtlich zulässig ist, muss nicht entschieden werden, erscheint aber eher zweifelhaft. Zwar darf die ersuchte Behörde ihre amtshilfebedingten Mehrkosten auch pauschaliert geltend machen, wenn die exakte Berechnung einzelner Kostenpositionen nicht möglich ist oder mit einem Aufwand verbunden wäre, der nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Kosten steht (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018, a. a. O. Rn. 31). Warum diese Voraussetzungen beim Einsatz der öffentlichen Feuerwehr als Tragehilfe bei der Notfallrettung vorliegen sollten, erschließt sich dem Gericht derzeit nicht.
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Ob die Auslagen im Rahmen einer innerörtlichen Tragehilfe bei korrekter Ermittlung den gesetzlichen Mindestbetrag zur Erstattung von 35 € überschreiten, braucht hier schließlich ebenfalls nicht geklärt zu werden.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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