Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die Abschiebung der Antragsteller zu 1 bis zu 3 vorläufig bis zum Ablauf des 15. August 2005 auszusetzen.
Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
Die Antragsteller tragen je 1/8 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners, der Antragsgegner trägt die Hälfte der Gerichtskosten sowie je die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 14.000,- EUR festgesetzt.
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Die zulässigen Anträge haben teilweise Erfolg.
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Auch der Antrag des Antragstellers zu 4, der selbst nicht abgeschoben werden soll, ist zulässig. Er ist insbesondere auch antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog, da er geltend machen kann, durch eine Abschiebung und mögliche Trennung von seinen albanischen Verwandten möglicherweise in seinem Recht auf Achtung seines Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzt zu sein.
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Die Anträge sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO müssen der durch die Anordnung zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Anordnungsgrund, d.h. die Erforderlichkeit gerade einer vorläufigen Regelung, glaubhaft gemacht werden.
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Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können. Zunächst folgt dieser für die Antragsteller zu 1, zu 2 und zu 4 aus § 60a Abs. 2 AufenthG. Es spricht nämlich bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sachlage einiges dafür, dass Art. 8 Abs. 1 EMRK einer Abschiebung der Antragsteller zu 1 und zu 2 rechtlich entgegensteht, sie also rechtlich unmöglich im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG ist.
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Der Begriff des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK ist weit zu verstehen. Er umfasst mehr als die Beziehungen zwischen Elternteilen und ihren Kindern. Er umfasst auch gelebte Beziehungen zwischen Großeltern, Kindern und Enkelkindern (Mayer-Ladewig, EMRK, 1. Aufl. 2003, Art. 8 Rn. 18). Die Achtung des Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK fordert zunächst, dass die Familie ein gemeinsames Leben entsprechend der Bindungen untereinander führen kann. Jedoch garantiert die Konvention dieses Recht nicht schrankenlos. Ein Eingriff in das Familienleben ist nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dann gerechtfertigt, wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer ist.
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Die Trennung der Antragsteller zu 1 und 2 von dem Antragsteller zu 4 würde sich nach derzeitigem Sachstand wohl als nicht gerechtfertigter Eingriff in das von den Antragstellern vermutlich gelebte Familienleben darstellen, so dass der Antragsgegner ihn zu unterlassen hat.
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Allerdings garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise, Einbürgerung oder Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Konvention (EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 ff. - Boultif). Unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Achtung des Familienlebens kann ein Mitgliedstaat jedoch verpflichtet sein, Einschränkungen in seiner Gestaltungsfreiheit im Einwanderungs- und Aufenthaltsrecht hinzunehmen und einen Aufenthalt zu gewähren (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 1. Aufl. 2003, § 22 Rn. 39).
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Die vorgelegten schriftlichen und eidesstattlichen Versicherungen genügen dem Gericht, um davon auszugehen, dass es derzeit wenigstens leicht überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass hier schützenswerte Verbindungen zwischen und unter den Antragstellern bestehen. Würde der Aufenthalt der Antragsteller zu 1 und 2 nunmehr demnächst beendet, bedeutete dies für den Antragsteller zu 4 möglicherweise den Verlust des persönlichen Kontakts zur albanisch sprechenden Verwandtschaft und damit auch den Verlust der Möglichkeit, seine Identität, die durch das Hervorgehen aus einer gemischt-nationalen Ehe geprägt ist, aufzufinden, auszubilden und zu erleben. Dies würde für den Fall, dass die Angaben der Mutter des Antragstellers zu 4 vollkommen zutreffend sein sollten, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens bedeuten, weil nicht wieder gut zu machende Schäden drohen könnten. Es obliegt der Abschiebebehörde, den Sachverhalt insoweit aufzuklären und zu ermitteln, ob hier eine so rege Begegnungs- und Beistandsgemeinschaft zwischen den Antragstellern zu 1 und 2 und ihrem Enkel, dem Antragsteller zu 4, tatsächlich besteht und ob dieser tatsächlich in der vorgetragenen Form (Erlernen auch der albanischen Sprache) von dieser Gemeinschaft profitiert. Angezeigt könnte es sein, sich hierfür des zuständigen Jugendamtes bei den Ermittlungen zu bedienen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Kontakte über ein gelegentliches „Babysitten“ nicht hinausgehen, stünde Art. 8 Abs. 1 EMRK einer Abschiebung zweifellos nicht im Wege. Hingegen dürfte eine enge, gelebte Beistandsgemeinschaft wohl dazu führen, dass eine Abschiebung sich als unverhältnismäßiger Eingriff in das Konventionsrecht darstellen würde.
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Bis zur Abklärung der Beziehungen zum Antragsteller zu 4, für welche das Gericht zwei Monate als angemessen und ausreichend betrachtet, erwiese sich eine getrennte Abschiebung der bei ihren Eltern wohnenden Antragstellerin zu 3 als unverhältnismäßig. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass für eine intensive Beziehung der Antragstellerin zu 3 zum Antragsteller zu 4 bisher nichts spricht. Bei der getroffenen Regelung geht es insoweit nur darum, eine getrennte Abschiebung bis zur Aufklärung des relevanten Sachverhalts als unverhältnismäßige Maßnahme zu unterbinden.
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Hinsichtlich der Antragstellerin zu 3 gilt im Übrigen, dass diese auch ohne den Ausspruch des Gerichts nicht vor Ablauf des 22.06.2005 hätte abgeschoben werden dürfen. Die nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG notwendige Abschiebungsankündigung ist ihr nämlich unter Verstoß gegen § 14 LVwVfG direkt zugestellt worden. Richtig und rechtlich zwingend erforderlich wäre es wohl gewesen, auch ihren Verfahrensbevollmächtigten (vgl. S. 65 f der Behördenakten) einen Monat vor der möglichen Abschiebung zu informieren (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 15.01.1999 - 4 B 4009/99 -, InfAuslR 1999, 200). Letztlich kommt es darauf aber nach dem oben Gesagten nicht an.
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Hinsichtlich der Duldung der Antragsteller zu 1 bis 3 haben die Anträge aller Antragsteller Erfolg. Im Wesentlichen stützt sich die Entscheidung zwar nach den obigen Ausführungen zwar auf das Recht des Antragstellers zu 4 auf seine eigene Identitätsfindung und -ausprägung. Jedoch lässt sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls (hier: Tod des Vaters des Antragstellers zu 4) auch nicht ausschließen, dass die Beziehungen der Antragsteller zu 1 und 2 zu ihrem Enkel auch aus ihrer Sicht ein erheblich schützenswertes Maß angenommen haben.
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Zusammenfassend ist festzustellen, dass es der Kammer augenblicklich mangels vorhandenem Tatsachenmaterial nicht möglich ist, festzustellen, ob die Beziehungen des Antragstellers zu 4 zu seinem Großeltern und bzw. oder seiner Tante so ausgeprägt sind, dass ein Eingriff in das Familienleben sich als unverhältnismäßig darstellen würde. Nach dem schriftlichen Vortrag der Antragsteller spricht jedoch einiges dafür. Es wird nach einer genaueren Ermittlung, die in einer ausführlichen Befragung der Betroffenen und einem Besuch des Jugendamtes bestehen könnten, das Maß der vorhandenen Bindung zu prüfen sein und ins Verhältnis zu dem an sich legitimen Ziel der Abschiebung, Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung, die allein von öffentlichen Sozialleistungen leben, zu setzen sein. Erst dann - möglicherweise und nötigenfalls auch in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren - wird sich die Frage, ob ein Eingriff in das Recht auf Familienleben durch Abschiebung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die öffentliche Sicherheit, beantworten lassen. Da eine Abschiebung aber dazu führen müsste, dass eine Aufklärung unmöglich würde und hinsichtlich des Eingriffs in das Recht auf Familienleben vollendete Tatsachen geschaffen würden, hat sie im Hinblick auf das hohe Schutzgut aus Art. 8 Abs. 1 EMRK bis zur Durchführung dieser Ermittlungen einstweilen zu unterbleiben.
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Da der Antragsgegner die Abschiebung auch ernsthaft beabsichtigt, besteht auch der Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit.
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Die Anträge haben aber keinen Erfolg, soweit mit ihnen eine Duldung bis zum Abschluss der Verfahren auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 AufenthG begehrt werden. Die Regelungen in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zur Frage, wann die Beantragung eines Aufenthaltstitels zu einem fiktiv erlaubten oder geduldeten Aufenthalt führen, sind nämlich abschließend. Die Tatbestände der Normen sind auch offensichtlich nicht erfüllt. Dies behaupten die Antragsteller auch nicht. Ein Recht auf vorläufige Duldung könnte nur dann angenommen werden, wenn die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels greifbar rechtswidrig wäre, ein Anspruch des Ausländers bestünde und das Verwaltungsverfahren sich im Stadium eines Rechtsbehelfsverfahrens befinden würde. Aufgrund des andauernden Bezugs von Leistungen nach dem AsylbLG kann mit Blick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts als allgemeine Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitels) auch unter Berücksichtigung von § 25 Abs. 3 a.E. AufenthG von einer greifbar rechtswidrigen Ablehnung des Aufenthaltstitels hier nicht gesprochen werden.
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Die geltend gemachten Erkrankungen des Antragstellers zu 1 sind ebenfalls nicht geeignet, zu einem Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu gelangen, welcher eine längerfristige Duldung rechtfertigen könnte. Soweit eine fehlende Behandelbarkeit der Erkrankungen im Heimatland behauptet werden sollte, stünde die negative Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu § 53 Abs. 6 AuslG der Annahme eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen. Diese Entscheidung entfaltet Bindungswirkung gegenüber der Ausländerbehörde, § 42 AsylVfG. Insoweit bedürfte es eines Abänderungsantrags gegenüber dem jetzigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dass aus den Erkrankungen ein abschiebungsbezogener Duldungsgrund erwachsen könnte, ist nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 159 VwGO. Sie vollzieht das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten nach.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 62 Abs. 2 GKG und geht für die begehrte Duldung von einem Streitwert von jeweils 2.500 EUR pro Person aus. Da der Antragsteller zu 4 selbst die Duldungen der anderen Antragsteller begehrt, ist sein Antrag allein bezüglich des Streitwerts mit 7.500,- EUR zu beziffern.
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