Urteil vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 4 K 7527/18

Tenor

Der Bescheid des Eich- und Beschusswesens Baden-Württemberg vom 23. November 2018 (Gebühren-Bescheid-Nr. ...) wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen einen Gebührenbescheid in Höhe von 125,- EUR.
Die Klägerin ist Herstellerin von Wurstwaren und Schinken mit Sitz in O.
Am 21.11.2018 führte das Eich- und Beschusswesen Baden-Württemberg, Eichamt F., in dem Betrieb der Firma M. GmbH, Fach-Zentrum für die Metzgerei und Gastronomie, S.-Straße ..., ... S., eine Fertigpackungskontrolle durch. Bei der durchgeführten Kontrolle wurde unter anderem das Produkt „Trüffelsalami“ der Klägerin geprüft. Mit Schreiben vom 23.11.2018 informierte der zuständige Sachbearbeiter W. vom Eichamt F. die Klägerin, dass bei dem Produkt „Trüffelsalami“ die Tabs – Grenzen bei 17 Salami 17 Mal unterschritten gewesen sei und die Ware somit für den Verkauf gesperrt sei. Hierbei wurde Bezug genommen auf das Prüfprotokoll vom 22.11.2018. Aus dem Protokoll geht hervor, dass die Abweichungen zwischen 17,70 g und 23,80 g gelegen haben.
Mit Gebührenbescheid vom 21.11.2018, der Klägerin am 26.11.2018 zugegangen, setzte das Eichamt F. eine Gebühr in Höhe von 125,- EUR fest. Unter der Überschrift Dienstleistung oder Tätigkeitsbeschreibung findet sich folgende Auflistung:
betrifft: B. Trüffelsalami geräuchert
Überwachung von Fertigpackungen ungleicher Nebenfüllmenge
Berechnung nach Arbeitsaufwand (außerhalb der Amtsstelle) 125,00 EUR; Dauer 01:00 Std“.
Als Befundbeschreibung war Folgendes genannt:
„002: Beanstandung von TU2 ungl.. NF“.
Auf dem Bescheid findet sich des Weiteren die Angabe, die Eichgebühren würden nach der Mess- und Eichgebührenverordnung vom 24.03.2015 in der jeweils gültigen Fassung festgesetzt, sowie die Angabe der Schlüsselzahl 19.1.2.2.
Die Klägerin hat am 08.12.2018 Klage gegen den Gebührenbescheid vom 21.11.2018 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Gebührenbescheid sei bereits formell rechtswidrig. Die Klägerin sei nicht nach § 28 VwVfG angehört worden. Eine Ausnahme hinsichtlich der Anhörungspflicht greife nicht ein. Insbesondere sei § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht einschlägig. Diese Regelung sehe eine Ausnahme für gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl vor. Vorliegend handele es sich jedoch nicht um gleichgelagerte Fälle, sondern um konkret auf den Einzelfall bezogene Bescheide. Die Gebühr werde nach Arbeitsaufwand berechnet. Auch finde sich in jedem Bescheid eine konkrete Befundbeschreibung. Weiter fehle es an einer ordnungsgemäßen Begründung des Bescheids nach § 39 VwVfG. Der Bescheid lasse nicht erkennen, gegen welche Vorschrift verstoßen worden sei und nach welchen konkreten Vorschriften die Gebühr erhoben werde. Darüber hinaus sei der Gebührenbescheid materiell rechtswidrig. Zwingend notwendige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheids sei die Rechtmäßigkeit der dem Gebührenbescheid zugrundeliegenden Amtshandlung. Vorliegend treffe die Beanstandung nicht zu. Das Eichamt habe die zu der Trüffelsalami gehörenden Hängeschlaufen und Clipse als Tara vom Nettogewicht abgezogen. Nach der „Richtlinie zur Füllmengenprüfung von Fertigpackungen“ (nachfolgend RFP) seien essbare Därme, Clipse und textile Schnüre nicht als Tara abzuziehen. Die RFP stelle eine Verwaltungsvorschrift dar, die dem bundesweiten einheitlichen Verwaltungsvollzug der Eichbehörden diene. Insoweit entfalte sie Drittwirkung, da alle rechtsunterworfenen Betriebe davon ausgehen dürften, dass die Eichverwaltung sie bundesweit gleich anwende. Vor diesem Hintergrund bestehe Vertrauensschutz auf den durch die RFP vereinheitlichten Verwaltungsvollzug. Die RFP gelte nach wie vor, sie sei nicht aufgehoben. Insbesondere sei sie nicht durch die am 13.12.2014 in Kraft getretene Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2001 (nachfolgend LMIV) als überholt anzusehen. Die LMIV ersetze lediglich die vormalige Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG. In dieser Etikettierungsrichtlinie sei die Nettofüllmenge – wie nunmehr in Art. 9 Abs. 1 Buchst. e LMIV – als Pflichtkennzeichnungselement für vorverpackte Lebensmittel zur Abgabe in Selbstbedienung zu deklarieren. Insoweit habe sich inhaltlich nichts geändert. Lediglich der Wortlaut habe sich leicht verändert. In der Etikettierungsrichtlinie sei von der „Nettofüllmenge“ die Rede, die LMIV spreche von der „Nettofüllmenge des Lebensmittels“. Durch diese rein redaktionelle Klarstellung des Verordnungsgebers auf EU-Ebene ergebe sich jedoch keine inhaltliche Änderung. Auch im Rahmen der Etikettierungsrichtlinie habe es sich um die Nettofüllmenge des Lebensmittels handeln sollen. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass die Lebensmitteldefinition in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bereits aus dem Jahr 2002 stamme. Diese Auffassung werde auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Urt. v. 06.09.2012 – 8 K 1602/10) gestützt. Das Gericht habe entschieden, dass Holzspieße eines Fleischspießes zum Nettogewicht zählten, im Wesentlichen deshalb, da sie dem Erzeugnis das konkrete Gepräge als Fleischspieß gäben. Auch textile Schnüre, nicht essbare Därme und Clipse gäben einer Wurst das typische Gepräge. Die Salami als schnittfeste Rohwurst erhalte ihre typische Form durch die formgebenden Bestandteile der Schnur, des Wurstdarms und der sich verschließenden Clipse. Dass die Regelungen der LMIV die Regelungen der RFP nicht überholt hätten, davon gehe auch die Deutsche Akademie für Metrologie (DAM) des Bayerischen Landesamtes für Maß und Gewicht ausweislich der auf ihrer Internetseite veröffentlichten Allgemeinen Regelungen zu Gesetzlichen Messwesen vom 20.03.2018 aus. Dort heiße es:
„Als Teil der Marktüberwachung erfolgt die Überwachung von Fertigpackungen entsprechend der Verwaltungsvorschrift „Gesetzliches Messwesen – Regelungen zur Füllmengenkontrolle von Fertigpackungen und Prüfung von Maßbehältnissen durch die zuständigen Behörden (GM-FP bzw. RFP)“.
Die Hauptaufgabe der DAM sei die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet des gesetzlichen Messwesens für technische Bedienstete aus allen Bundesländern Deutschlands. Es würde zu ungleichen Wettbewerbsverhältnissen führen, wenn allein aufgrund der abweichenden Auffassung vereinzelter Eichbehörden dasselbe Lebensmittel in verschiedenen Regionen mit einem unterschiedlichen Gewicht ausgezeichnet wäre. Darüber hinaus zeigten die Regelungen der LMIV mehr als deutlich, dass der Begriff der Nettofüllmenge lediglich zur Umschreibung eines unabhängigen von der LMIV zu bestimmenden Gewichts diene:
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„Weiterhin enthalten Art. 23 und Anhang IX LMIV Vorgaben dazu, wie die Angabe der Nettofüllmenge zu erfolgen hat und in welchen Fällen ausnahmsweise eine Angabe unterbleiben darf. Zwar finden sich in Anhang IX LMIV zwei Vorschriften, die indirekte Vorgaben zur Gewichtsermittlung machen. So regelt Anhang IX Nr. 5 LMIV u. a., dass wenn sich ein festes Lebensmittel in einer Aufgussflüssigkeit befindet, auch das Abtropfgewicht des Lebensmittels anzugeben ist. Dies verdeutlicht, dass auch nach der LMIV bestimmte Lebensmittelbestandteile mitgewogen werden dürfen, obwohl diese nicht verzehrt werden. Wäre die den aktuellen Beanstandungen zugrundeliegende Rechtsauffassung zutreffend, wäre es überflüssig vorzuschreiben, dass zusätzlich das Abtropfgewicht anzugeben ist. Denn in diesem Fall wäre ohnehin nur das Abtropfgewicht als Nettofüllmenge anzusehen und damit auch nur dieses anzugeben. Zudem regelt Anhang IX Nr. 2 LMIV, dass wenn die Angabe einer bestimmten Mengenart (wie Nennfüllmenge, Mindestmenge, mittlere Menge) in den Unionsvorschriften oder, falls solche fehlen, in den einzelstaatlichen Vorschriften vorgesehen ist, diese Menge als Nettofüllmenge im Sinne dieser Verordnung gilt. Diese Regelung zeigt, dass der Begriff der ‚Nettofüllmenge' lediglich zur Umschreibung eines (unabhängig von der LMIV zu bestimmenden) Gewichts dient. Besonders deutlich wird dies, weil nach Anhang IX Nr. 2 LMIV auch lediglich eine ‚mittlere Menge' die ‚Nettofüllmenge' im Sinne der LMIV sein kann, sofern eine unions- oder einzelstaatliche Vorschrift vorsieht, dass diese anzugeben ist.
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Schließlich erlaubt Art. 42 LMIV den Mitgliedstaaten, einzelstaatliche Altregelungen aufrecht zu erhalten, nach denen die Nettofüllmenge in einer anderen Art anzugeben ist als Art. 23 Abs. 1 LMIV es vorsieht.
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Für die Frage, wie die (Netto-)Füllmenge zu ermitteln ist, gelten somit neben den eichrechtlichen Vorschriften (MessEG und MessEV) die Vorschriften der Richtlinie 76/211/EWG, die in Deutschland in §§ 22 ff. FertigPackV umgesetzt wurden. Dies verdeutlicht, dass sich an der Rechtslage durch das Inkrafttreten der LMIV nichts geändert hat. Somit ist neben den Vorschriften der FertigPackV auch nach wie vor die RFP anwendbar." (Meisterernst, ZLR 2018, 590, 592)
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Die RFP habe nach wie vor Bestand und die Verwaltung sei verpflichtet, diese weiterhin anzuwenden. Sofern die Verwaltung ihr Ermessen bislang nach einem bestimmten Muster ausgeübt habe, folge daraus eine Selbstbindung der Verwaltung, von der sie nicht ohne besondere sachliche Rechtfertigung in einem Einzelfall abweiche könne. Weiter habe der Beklagte gegen die Grundsätze der Gebührengerechtigkeit verstoßen und damit ermessensfehlerhaft gehandelt. Bei einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung hätte die Klägerin gemäß § 7 Abs. 3 MessEGebV von der Erhebung einer Gebühr befreit, jedenfalls aber eine Gebührenermäßigung vorgenommen werden müssen, weil der Beklagte die Kontrolle allein aus Verbraucherschutzgesichtspunkten und damit im öffentlichen Interesse durchgeführt habe. Ein eigenwirtschaftliches Interesse auf Seiten der Klägerin sei nicht gegeben. Darüber hinaus sei der Bescheid nicht hinreichend bestimmt. Die Gebühr sei gemäß der Schlüsselkennzahl 19.1.2.2 der Anlage zur MessEGebV berechnet worden, der Bescheid weise jedoch lediglich pauschal eine Dauer der Untersuchung von einer Stunde auf. Die konkrete Dauer der Kontrollmaßnahme sei weder dem Bescheid noch dem Prüfprotokoll zu entnehmen. Dem Prüfprotokoll sei lediglich zu entnehmen, dass die Prüfung am 21.11.2018 um 11:37 Uhr stattgefunden habe. Betrage der ermittelte Zeitaufwand weniger als eine Stunde, so sei gemäß § 4 MessEGebV für jeweils angefangene sechs Minuten ein Zehntel des Stundensatzes zu berechnen. Im Übrigen sei für jede angefangene Viertelstunde ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen. Die Angaben des Beklagten seien mangels entsprechender Angaben nicht hinreichend überprüfbar. Die Erhebung einer Pauschalgebühr sei nach der Rechtsprechung als rechtswidrig anzusehen, soweit eine genauere Abrechnung der Kontrolltätigkeit – wie hier – möglich sei. Darauf, dass es sich vorliegend um eine Pauschalgebühr handele, deute jedenfalls der Umstand hin, dass auch im Parallelverfahren (4 K 7621/18) ebenfalls ein Zeitaufwand von einer Stunde berechnet worden sei. Im Übrigen sei der Bescheid auch rechtswidrig, da es an einer der Klägerin individuell zurechenbaren Leistung i.S.d. § 59 Abs. 1 MessEG fehle. In der individuellen Zurechenbarkeit liege die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise durch den Gebührenschuldner finanziert werde. Anknüpfungspunkt sei eine besondere Verantwortlichkeit der in Anspruch genommenen Person. Der Gebührenpflichtige müsse der Leistung näherstehen als die Allgemeinheit. Die gegenständliche Leistung sei im Interesse der Allgemeinheit gegenüber dem „Kunden“, dem Betrieb M. GmbH, und nicht gegenüber der Klägerin erbracht worden. Sie sei vergleichbar mit einer Verkehrskontrolle durch die Polizei nach § 44 Abs. 2 StPO, die sich nicht gegen einen eingegrenzten Personenkreis, sondern allgemein an die Lebensmittelunternehmen richte, wobei sich die Kontrolle durch den Beklagten lediglich zufällig auf ein Erzeugnis der Klägerin bezogen habe. Dem Bescheid liege außerdem ein rechtsmissbräuchliches Verwaltungshandeln des Beklagten zugrunde. Der Beklagte habe im Rahmen der dem Bescheid zugrundeliegenden Fertigpackungskontrolle zielgerichtet nach einem Fleischerzeugnis mit Wurstdarm und Wurstendenabbinder gesucht und hier die Angaben des Nettogewichts überprüft. Aufgrund der jahrelang bewährten und durch die Rechtsprechung bestätigten Verwaltungspraxis sei es dem Beklagten bewusst gewesen, dass er bei einer zielgerichteten Überprüfung eines Fleischerzeugnisses mit Wurstdarm und/oder Wurstendenabbinder auf der Verpackung die Angaben eines Nettogewichts vorfinden werde, dass auch das Gewicht dieses Wurstdarms und Wurstendenabbinders beinhalte. Die Kontrolle habe damit einzig und allein dem Zweck gedient, das Vertrauen der Betriebe in eine jahrelange Verwaltungspraxis auszunutzen und so zu einer Beanstandung zu gelangen. Zuletzt wird vorgetragen, der Anwendungsbereich der LMIV sei vorliegend überhaupt nicht eröffnet. Bei der kontrollierten Ware habe es sich nämlich nicht um Ware für den Endverbraucher gehandelt, sondern um Ware für die Gastronomie und Metzgereien. Ein Vertrieb an den Verbraucher habe nicht stattgefunden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Eich- und Beschusswesens Baden-Württemberg vom 23.11.2018 (Gebühren-Bescheid-Nr. ...) aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, eine Anhörung gemäß § 28 VwVfG sei nicht erforderlich, da nach sämtlichen durch das Eich- und Beschusswesen durchgeführten Fertigpackungsprüfungen eine Vielzahl gleichartiger Gebührenbescheide erlassen werde. Bei allen Marktüberwachungsmaßnahmen an Fertigpackungen seien Gebühren nach § 59 Abs. 1 Satz 1 MessEG zu erheben, unabhängig davon, ob die Prüfung zu einer Beanstandung geführt habe oder nicht. Im Jahr 2018 seien in Baden-Württemberg Fertigpackungskontrollen in etwas mehr als 1700 Betrieben durchgeführt worden, die alle einen Gebührenbescheid erhalten hätten. Bei der Erhebung der Gebühr für die Überwachung der in Verkehr gebrachten Fertigpackungen sei es unerheblich, ob Wursthüllen, Schnüre oder Clipse zum Nettogewicht gehörten oder nicht. Es sei daher auch nicht erforderlich, im Bescheid auf eine mögliche Beanstandung hinzuweisen. Zur Erläuterung für den Kunden würden allerdings Prüfungsdaten wie Anzahl der geprüften Packungen, Befunde zu Verstößen, Ort der Prüfung usw. angegeben. Auf dem Gebührenbescheid befinde sich der Hinweis, dass die Gebühren nach der Mess- und Eichgebührenverordnung vom 24.03.2015 erhoben würden. Wursthüllen, Schnüre und Clipse seien nicht dem Nettogewicht hinzuzurechnen. Diese Auffassung sei durch die einschlägigen EU-Vorschriften gestützt. Gemäß der Definition von Lebensmittel nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gehörten die vom Hersteller als „nicht essbar“ deklarierten Wursthüllen, Schnüre und Clipse nicht zum Lebensmittel, da sie nicht vom Menschen aufgenommen werden könnten. In Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 Buchst. e der LMIV, nach der die Nettofüllmenge des Lebensmittels anzugeben sei, werde deutlich, dass die nicht verzehrbaren Komponenten des Produktes nicht mit der Nettofüllmenge angegeben werden dürften. Insofern ist es nicht mehr zulässig, die mit EU-Recht unverträglichen Regelungen der internen Verwaltungsvorschrift der RFP anzuwenden. Im Lichte der am 13.12.2014 in Kraft getretenen LMIV erscheine auch ein Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 06.09.2012 nicht mehr zielführend, da diese Entscheidung noch unter den damaligen Rechtsgrundlagen getroffen worden sei. Weiter sei das öffentliche Interesse an einer Prüfung vollkommen losgelöst vom öffentlichen Interesse an einer Gebührenermäßigung oder -befreiung zu betrachten, denn diese Verknüpfung finde in den Rechtsvorschriften nicht statt. Es sei auch keine Pauschalgebühr erhoben worden. Dass in einem Parallelverfahren bei einer unterschiedlichen Anzahl an überprüften Fertigpackungen die gleiche Zeit verrechnet worden sei, sei dem Umstand geschuldet, dass die reine Prüfzeit nur einen Bruchteil der insgesamt für eine Prüfung notwendigen Zeit darstelle. Gemäß § 34 Abs. 1 FPackV sei die Einhaltung der Füllmengenvorschriften von den zuständigen Behörden durch Stichproben zu prüfen. Verantwortlich für die Einhaltung der Füllmengenanforderungen sei der Hersteller und dieser könne somit auch nur Adressat des Gebührenbescheides sein.
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Das Gericht hat Eichamtmann W. in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört. Insoweit wird auf die Anlage zum Protokoll verwiesen.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Klage ist zulässig und begründet.
22 
Die Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Sigmaringen ergibt sich aus § 52 Nr. 3 Satz 3 VwGO i.V.m. § 52 Nr. 5 VwGO. Entscheidend ist demnach, mangels Sitz der beschwerten Klägerin innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, der Sitz des Beklagten. Wird das Land verklagt, ist auf den Sitz der Behörde abzustellen, die den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat. Der Erlass des streitgegenständlichen Gebührenbescheids ist dem Regierungspräsidium Tübingen zuzurechnen. Denn bei dem Eich- und Beschusswesen Baden-Württemberg, Eichamt F., handelt es sich nicht um einen Behördensitz, sondern lediglich um eine Betriebsstelle (Außenstelle), die dem Regierungspräsidium Tübingen untergliedert ist (vgl. § 1 Mess- und Eich-Zuständigkeitsverordnung). Der Sitz der Behörde befindet sich daher in Tübingen und somit im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Sigmaringen. Ein Widerspruchsverfahren war gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht durchzuführen.
23 
Die Klage ist begründet. Der Gebührenbescheid des Beschuss- und Eichwesens Baden-Württemberg, Eichamt F., vom 23.11.2018 ist formell und materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Rechtsgrundlage des Gebührenbescheids ist § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 MessEG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 MessEGebV und § 4 MessEGebV i.V.m. Ziffer 19.1.2.2 der Anlage der MessEGebV. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 MessEG erheben die Landesbehörden Gebühren und Auslagen nach den Absätzen 2 und 3 für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen. Nach § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 MessEG wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, für den Bereich der Landesverwaltung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die gebührenpflichtigen Tatbestände, die Gebührenhöhe und die Auslagenerstattung näher zu bestimmen und dabei Fest, Zeit- oder Rahmengebühren vorzusehen. In der Rechtsverordnung kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der Billigkeit eine Gebührenbefreiung oder -ermäßigung bestimmt werden. § 3 Abs. 1 Satz 1 MessEGebV legt fest, dass die Gebühren für individuell zurechenbare Leistungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen und dem dieser Verordnung als Anlage beigefügten Gebührenverzeichnis erhoben werden.
25 
Der Bescheid vom 23.11.2018 ist formell rechtswidrig. Der Klägerin wurde vor Erlass des Bescheids keine Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 28 Abs.1 LVwVfG). Von der Anhörung konnte nicht gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG abgesehen werden.
26 
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung hat das Eichamt F. vor Erlass des streitgegenständlichen Gebührenbescheids vom 23.11.2018 unstreitig nicht durchgeführt. Bei dem Gebührenbescheid handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, der in die Rechte der Klägerin eingreift.
27 
Von der Anhörung konnte auch nicht gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG abgesehen werden. Danach kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will. Zugrunde zu legen sind dieser Prüfung vorliegend Gebührenbescheide, die das Eichamt F. für Fertigverpackungskontrollen nach § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 MessEG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 MessEGebV erlässt. Dabei handelt es sich nicht um gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl.
28 
Gleichartige Verwaltungsakte i.S.d. § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG sind nach dem Zweck der Regelung solche, die aufgrund eines generellen, typischen Sachverhalts, der erfahrungsgemäß keine näheren individuellen Feststellungen erfordert, an eine Vielzahl von Betroffenen ergehen und sich nach ihrem Inhalt und nach dem Sachverhalt, den sie betreffen, nicht oder allenfalls nur unwesentlich voneinander unterscheiden, wie z.B. formularmäßige Aufforderungen zur Impfung, zur Abgabe von Steuererklärungen, Schuleinschreibungen oder Ladungen zur Musterung (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 47. Ed. Stand: 01.04.2020, § 28 Rn. 37; vgl. auch Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 67). Zu berücksichtigen ist dabei, dass § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (vgl. Rüdiger Engel/Mario Pfau in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 28 Rn. 77).
29 
Nach diesem Maßstab erlässt das Eichamt F. keine gleichartigen Verwaltungsakte. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach sämtlichen durch das Eich- und Beschusswesen durchgeführten Fertigpackungsprüfungen ein Gebührenbescheid erlassen wird und dass im Jahr 2018 in Baden-Württemberg Fertigpackungskontrollen in etwas mehr als 1700 Betrieben durchgeführt worden sind. Nicht verkannt wird weiter, dass für den Erlass eines solchen Gebührenbescheids das Ergebnis der Fertigpackungskontrolle, sprich ob es zu Beanstandungen gekommen ist oder nicht, unerhebliche ist (vgl. Ausnahme von der Kostenpflicht gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 MessEG für Beanstandungsfreiheit bei Messgeräten; vgl. auch Hollinger in: Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 59 Rn. 2, 9). Dennoch betreffen die streitgegenständlichen Gebührenbescheide Sachverhalte, die eine nähere individuelle Feststellung erfordern und die sich nach ihrem Inhalt und dem Sachverhalt, den sie betreffen, nicht nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Zum einen müssen individuelle Feststellungen zu dem konkreten Zeitaufwand der Fertigpackungskontrolle getroffen werden, da gemäß § 4 MessEGebV nach Zeitgebühr abgerechnet wird. Nach Angaben von Eichamtmann W. unterliegt die Dauer der Prüfung verschiedenen Faktoren. So muss festgestellt werden, ob eine Vorprüfung stattgefunden hat, bei der vor Ort Ware aus den Regalen genommen und gewogen wird. Denn für die Vorprüfung setzt Eichamtmann W. pro Produkt sechs Minuten Prüfdauer an. Weiter kann es zu erheblichen Unterschieden bezüglich der Anzahl in der Vollprüfung überprüfter Produkte kommen, da nach Angaben Eichamtmann W. von der betreffenden Ware alles beprobt wird, was am Lager ist. Wenn das 20 Würste sind, dann werden alle 20 Würste beprobt. Maßgeblich ist die Anzahl der beprobten Ware, da sich – jedenfalls auch – hieraus die unterschiedliche Dauer der Prüfung ergibt. Aus dem individuell festgestellten Zeitaufwand berechnet sich dann die abzurechnende Zeitgebühr. Allein, dass Entscheidungen – wie vorliegend – nach bestimmten einheitlichen Tarifen, Richtlinien, usw. zu treffen sind, genügt nicht für die Bejahung gleichartiger Verwaltungsakte (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 67). Darüber hinaus ist die Gleichartigkeit zu verneinen, da es auf von den Beteiligten anzugebende individuelle verschiedene Tatsachen ankommen kann (vgl. Kallerhoff/Mayen in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 59). Denn jedenfalls im Einzelfall können nähere individuelle Feststellungen, insbesondere bezüglich der Größe des Unternehmens, erforderlich sein. Denn aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der Billigkeit, insbesondere für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen i.S.d. Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.05.2003, S. 36), kann im Einzelfall gemäß § 7 Abs. 3 MessEGbV eine niedrigere Gebühr oder eine Gebührenbefreiung bestimmt werden. Damit die Behörde ihr diesbezüglich bestehendes Ermessen ausüben kann, sind jedoch Feststellungen zu der Größe des Unternehmens erforderlich. Im Ergebnis kann sich der den maßgeblichen Gebührenbescheiden zugrunde gelegte Sachverhalt daher wesentlich unterscheiden. Aus den wesentlich unterschiedlichen Sachverhalten können sich wesentlich unterschiedliche Gebührenhöhen bis hin zu einer Gebührenbefreiung ergeben.
30 
Im Übrigen werden keine Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen. Wann von einer „größeren Zahl“ auszugehen ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 47. Ed. Stand: 01.04.2020, § 28 Rn. 37). Sie muss in jedem Fall so groß sein, dass sich für die Behörde bei einer Einzelanhörung erhebliche praktische Schwierigkeiten ergeben würden. Insbesondere muss der Erlass der in Frage stehende Verwaltungsakte auch aus sachlich bedingten Gründen in einem engen zeitlichen Rahmen erfolgen, da ansonsten in einem längeren Zeitraum ohne Weiteres Einzelanhörungen durchgeführt werden könnten (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 47. Ed. Stand: 01.04.2020, § 28 Rn. 37; vgl. auch Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 68). Erforderlich ist daher, dass eine vorherige Anhörung aller Betroffenen die Behörde erheblich belasten und wegen zwangsläufiger Verzögerung auch den Bürgern zum Nachteil gereichen würde (vgl. BT-Drs. 7/910, S. 52; vgl. auch Kyrill-Alexander Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 28 Rn. 40).
31 
Die nach Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG geforderte praktische Schwierigkeit der Durchführung von Einzelanhörungen ergibt sich vorliegend nicht. Dabei ist nicht pauschal auf die Gesamtzahl der in einem Jahr durchschnittlich von dem Eichamt F. verabschiedeten Gebührenbescheide nach Fertigpackungskontrollen abzustellen, vielmehr sind die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Umstände des Einzelfalles ergibt sich auch bei einer erheblichen Gesamtjahreszahl an entsprechenden Gebührenbescheiden keine praktische Schwierigkeit der Durchführung von Einzelanhörungen und damit keine große Zahl an Verwaltungsakten. Nach Angaben von Eichamtmann W. in der mündlichen Verhandlung stellen sich die Umstände des Einzelfalles wie folgt dar: Fertigpackungskontrollen sind eher ein Nebenprodukt ihrer Tätigkeit. Für jeden Landkreis im Zuständigkeitsbereich seines Amtes gibt es einen Prüfer. Jeder dieser Prüfer ist ungefähr 35 Tage im Jahr mit solchen Prüfungen beschäftigt. Bei der streitgegenständlichen Fertigpackungskontrolle, die sich nicht nur auf den 21.11.2018 bezog, sondern auch auf den Folgetag, der gebraucht wurde um die Untersuchungen durchzuführen, hat Eichamtmann W. zwölf Vollprüfungen durchgeführt. Hierfür hat er ungefähr sechs Gebührenbescheide verschickt, da sich sechs Produkte auf die Fa. M. bezogen und er hierfür einen Bescheid gemacht hat. Bezogen auf diesen individuellen Prüfvorgang, der in vergleichbarem Maß pro Prüfer und Jahr etwa 17 bis 18 Mal (insgesamt ungefähr 35 Prüftage, eine Prüfung zieht sich über zwei Tage) stattfindet, liegt keine große Zahl an Verwaltungsakten vor. Für das Gericht sind keine Tatsachen ersichtlich, dass sich für den einzelnen Prüfer in dem konkreten Einzelfall eine erhebliche praktische Schwierigkeit ergeben würde, vor Erlass der überschaubaren Anzahl von durchschnittlich sechs bis zwölf Gebührenbescheiden pro Fertigpackungskontrolle eine Anhörung i.S.d. § 28 Abs. 1 LVwVfG durchzuführen. Ebenso wenig liegen sachliche Gründe vor, aus denen sich ergibt, dass der Erlass der Gebührenbescheide in einem engen zeitlichen Rahmen zu erfolgen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass eine vorherige Anhörung zu einem Nachteil der betroffenen Bürger führen würde. Im Gegenteil könnte durch eine Anhörung dem Erlass rechtswidriger Gebührenbescheide bereits im Vorfeld entgegengewirkt werden. Zu seinen Gunsten wäre der betroffene Bürger dann nicht – wie vorliegend – unmittelbar auf den Klageweg angewiesen, ohne zuvor im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt zu haben.
32 
Eine Heilung der Verletzung des § 28 Abs. 1 LVwVfG hat nicht stattgefunden. Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 LVwVfG nichtig macht, ist gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird.
33 
Ein Widerspruchsverfahren, welches grundsätzlich zur Heilung des Anhörungsmangels führen kann, hat vorliegend entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO nicht stattgefunden. Eine Heilung des Anhörungsfehlers setzt voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken (vgl. auch zu Folgendem Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 45 Rn. 26 f.). Äußerungen und Stellungnahmen des Betroffenen gegenüber dem Gericht reichen daher zur Heilung nicht aus (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 – 3 C 16/11 –, juris Rn. 18 m.w.N.). Für eine wirksame Nachholung im gerichtlichen Verfahren ist erforderlich, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 – 7 C 5/14 –, juris Rn. 14 ff.). Ein kritisches Überdenken des Beklagten seiner Entscheidung ist vorliegend während des gerichtlichen Verfahrens weder ausdrücklich erfolgt noch sonst erkennbar, vielmehr wurde die Sachentscheidung verteidigt. Die Äußerungen und Stellungnahmen der Klägerin im vorliegenden Verfahren konnten mithin eine Heilung nicht bewirken.
34 
Der vorliegende Verstoß gegen § 28 Abs. 1 LVwVfG ist auch nicht gemäß § 46 LVwVfG unerheblich. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 LVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es ist nicht offensichtlich, dass die Verletzung von § 28 Abs. 1 LVwVfG die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
35 
Unerheblich ist ein Verstoß i.S.d. § 46 LVwVfG nur dann, wenn er im konkreten Fall schlechthin nicht kausal für die Entscheidung sein kann, das heißt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss darauf haben konnte (vgl. auch zu Folgendem Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 46 Rn. 27 f.; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 17.07.2013 – 6 A 2296/11 –, juris Rn. 28 ff.). Erforderlich ist daher, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei Einhaltung der Vorschrift – hier § 28 Abs. 1 LVwVfG – die Entscheidung anders ausfallen hätte können. § 46 LVwVfG geht im Grundsatz von der Relevanz des Fehlers aus und führt nur dann zur Unbeachtlichkeit, wenn es offenkundig ist, dass der Fehler im Entscheidungsprozess der Behörde keine Rolle gespielt haben kann. Insbesondere bei Ermessensentscheidungen, aber auch wenn andere Spielräume bestehen, ist im Regelfall die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätte kommen können. Das Unterbleiben der Anhörung eines Beteiligten ist damit lediglich unerheblich bei Fragen, die für die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Rolle hätten spielen können. Darüber hinaus reicht die fehlende Kausalität allein nicht aus, es muss vielmehr offensichtlich sein, dass der Fehler auf die Entscheidung in der Sache ohne Einfluss geblieben ist. Dies setzt voraus, dass die fehlende Kausalität für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten und verständigen Beobachter ohne Weiteres – etwa mit Hilfe von Akten oder sonstigen Unterlagen – ersichtlich sein muss (vgl. Schemmer in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 48. Ed. Stand: 01.07.2020, § 46 Rn. 41 m.w.N.).
36 
Es ist nicht jeglicher Zweifel ausgeschlossen, dass der Beklagte ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte. Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht unter anderem geltend gemacht, die zeitliche Dauer der Prüfung sei nicht plausibel und nicht nachprüfbar, außerdem habe ihr im Rahmen der Ermessensausübung nach § 7 Abs. 3 MessEGebV eine Gebührenbefreiung erteilt werden müssen. Es liegt nahe, dass sie im Rahmen einer Anhörung gleichermaßen vorgetragen hätte. Die Äußerungen wären auch objektiv geeignet gewesen, die Entscheidung des Beklagten zu beeinflussen. Die Gebühr wird gemäß § 4 MessEGebV nach einer Zeitgebühr abgerechnet. Die zeitliche Dauer der Prüfung ist daher maßgeblich für die Höhe der Gebühr. Ein Überdenken bzw. Überprüfen hinsichtlich der festgelegten Dauer hätte somit zu einer anderen Entscheidung führen können. Darüber hinaus steht es nach § 7 Abs. 3 MessEGebV beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen im Ermessen der Behörde, eine Gebührenerniedrigung bzw. eine Gebührenbefreiung zu bestimmen.
37 
Im Übrigen ist der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 23.11.2018 materiell rechtswidrig. Bei der Fertigpackungskontrolle nach § 50 Abs. 1 MessEG i.V.m. §§ 42 ff. MessEG i.V.m. §§ 22 ff. FPackV dürfte es sich um eine individuelle zurechenbare öffentliche Leistung nach dem MessEG handeln. Jedenfalls aber erfolgte die konkrete Festsetzung der Gebührenhöhe rechtsfehlerhaft.
38 
Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 bis 3 MessEG soll die Gebühr die mit der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung verbundenen Kosten aller an der Leistung Beteiligten decken. In die Gebühr sind die mit der Leistung regelmäßig verbundenen Auslagen einzubeziehen. Zur Ermittlung der Gebühr sind die Kosten, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als Einzel- und Gemeinkosten zurechenbar und ansatzfähig sind, insbesondere Personal- und Sachkosten sowie kalkulatorische Kosten, zugrunde zu legen. Gemäß § 4 MessEGebV wird nach Zeitgebühr abgerechnet, soweit keine Fest- oder Rahmengebühr angegeben ist. Der Zeitgebühr sind die in der Anlage angegebenen Stundensätze zugrunde zu legen. Bei Erhebung einer Zeitgebühr ist diese durch Multiplikation des Stundensatzes nach der Anlage Schlüsselzahl 19.1.1... oder 19.1.2... mit dem Zeitaufwand für die Durchführung der jeweiligen individuellen zurechenbaren öffentlichen Leistung zu berechnen. Die Zeitgebühr ist für jede die Leistung durchführende Person zu erheben. Beträgt der ermittelte Zeitaufwand weniger als eine Stunde, so ist für jeweils angefangene sechs Minuten ein Zehntel dieser Stundensätze zu berechnen. Im Übrigen ist für jede angefangene Viertelstunde ein Viertel dieser Stundensätze zu berechnen. Nach Ziffer 16.2.1.1 der Anlage (Prüfung bei Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge (außer Sonderfälle) gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MessEG und § 22 der FPackV) i.V.m. Ziffer 19.1.2.2 der Anlage (Stundensätze eines Bachelorabschlusses bzw. eines gleichwertigen Abschlusses oder einer Meister- oder Technikerausbildung) liegt der Stundensatz vorliegend bei 125,- EUR.
39 
Die Stundensatzhöhe wurde ordnungsgemäß auf 125,- EUR festgesetzt. Jedoch wurde der Zeitaufwand für die Durchführung der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung rechtswidrig pauschal auf eine Stunde festgelegt. Nach dem für die vorliegende Maßnahme gerade keine Fest- oder Rahmengebühr angegeben ist, kann eine ordnungsgemäße Abrechnung nach Zeitgebühr i.S.d. § 4 MessEGebV nur erfolgen, wenn der konkrete Zeitaufwand nachvollziehbar ermittelt wurde. Nach den Angaben von Eichamtmann W. in der mündlichen Verhandlung hat dieser die Zeit der individuellen Prüfung nicht gemessen, die Zeit komme vielmehr aus seinem Kopf. Sie würden das zwar anteilig machen, aber doch irgendwie pauschalisiert. Für eine Vollprüfung setzten sie eine Stunde an. Vorliegend wurde also entgegen § 4 MessEGebV die Zeitgebühr nicht anhand des konkreten Zeitaufwands für die Durchführung der individuellen zurechenbaren öffentlichen Leistung berechnet, sondern hierfür eine pauschale Zeitdauer von einer Stunde verwendet. Nachdem im hier maßgeblichen Bereich der MessEGebV auf Rahmengebühren, die zwar der Behörde ein größeres Ermessen zugestehen, insbesondere zu Gunsten einer größeren Rechtsklarheit und einer besseren Nachvollziehbarkeit der Gebührenbemessung für die Betroffenen, verzichtet wurde (vgl. Hollinger in: Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 59 Rn. 20) entspricht ein solches Vorgehen gerade nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn durch dieses Vorgehen ergibt sich mittelbar und entgegen dem Wortlaut von § 4 MessEGebV für jede Vollprüfung bei Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge – unabhängig von der Anzahl der geprüften Waren und des tatsächlichen Zeitaufwands – eine Festgebühr von 125,- EUR. Ferner ist dieses Vorgehen nicht mit dem sich aus § 59 Abs. 2 MessEG ergebenden Kostendeckungsprinzip vereinbar.
40 
Aufgrund dessen ist der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 23.11.2018 sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.
41 
Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass es für die Erhebung der Gebühr nach § 59 Abs. 1 Satz 1 MessEG im Bereich der Kontrolle von Fertigverpackungen unerheblich ist, ob die Kontrolle zu Beanstandungen geführt hat oder nicht. Es ist hierbei zwischen der Marktüberwachung bei Fertigpackungen und anderen Verkaufseinheiten einerseits und der Markt- und Verwendungsüberwachung bei Messgeräten andererseits zu unterscheiden. Die Marktüberwachung bei Fertigpackungen ist seit ihrer Einführung kostenpflichtig (vgl. auch zu Folgendem Hollinger in: Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 59 Rn. 2, 9). Demgegenüber unterliegen die Markt- und Verwendungsüberwachungen bei Messgeräten gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 MessEG nur im Beanstandungsfall der Kostenpflicht. Im Umkehrschluss daraus, dass eine solche Ausnahme von der Kostenpflicht für den Bereich der Marküberwachung bei Fertigpackungen nicht geregelt ist, ergibt sich, dass hier die Gebühren auch bei Beanstandungsfreiheit anfallen. Es handelt sich in diesem Bereich mithin schlicht um eine reine Tätigkeitsgebühr. Die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Beanstandung, mithin ob der Anwendungsbereich der LMIV eröffnet ist und Wursthüllen bzw. Hängeschlaufen und Clipse der Wurst als Tara vom Nettogewicht abgezogen werden müssen oder nicht, ist somit vorliegend nicht entscheidungserheblich und kann dahinstehen.
42 
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Ob vor dem Erlass von Gebührenbescheiden der streitgegenständlichen Art eine Anhörung i.S.d. § 28 Abs. 1 LVwVfG stattzufinden hat, stellt eine in der Rechtsprechung bislang noch nicht geklärte verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage dar, die im Interesse der Rechtssicherheit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf.

Gründe

 
21 
Die Klage ist zulässig und begründet.
22 
Die Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Sigmaringen ergibt sich aus § 52 Nr. 3 Satz 3 VwGO i.V.m. § 52 Nr. 5 VwGO. Entscheidend ist demnach, mangels Sitz der beschwerten Klägerin innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, der Sitz des Beklagten. Wird das Land verklagt, ist auf den Sitz der Behörde abzustellen, die den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat. Der Erlass des streitgegenständlichen Gebührenbescheids ist dem Regierungspräsidium Tübingen zuzurechnen. Denn bei dem Eich- und Beschusswesen Baden-Württemberg, Eichamt F., handelt es sich nicht um einen Behördensitz, sondern lediglich um eine Betriebsstelle (Außenstelle), die dem Regierungspräsidium Tübingen untergliedert ist (vgl. § 1 Mess- und Eich-Zuständigkeitsverordnung). Der Sitz der Behörde befindet sich daher in Tübingen und somit im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Sigmaringen. Ein Widerspruchsverfahren war gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht durchzuführen.
23 
Die Klage ist begründet. Der Gebührenbescheid des Beschuss- und Eichwesens Baden-Württemberg, Eichamt F., vom 23.11.2018 ist formell und materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Rechtsgrundlage des Gebührenbescheids ist § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 MessEG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 MessEGebV und § 4 MessEGebV i.V.m. Ziffer 19.1.2.2 der Anlage der MessEGebV. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 MessEG erheben die Landesbehörden Gebühren und Auslagen nach den Absätzen 2 und 3 für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen. Nach § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 MessEG wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, für den Bereich der Landesverwaltung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die gebührenpflichtigen Tatbestände, die Gebührenhöhe und die Auslagenerstattung näher zu bestimmen und dabei Fest, Zeit- oder Rahmengebühren vorzusehen. In der Rechtsverordnung kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der Billigkeit eine Gebührenbefreiung oder -ermäßigung bestimmt werden. § 3 Abs. 1 Satz 1 MessEGebV legt fest, dass die Gebühren für individuell zurechenbare Leistungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen und dem dieser Verordnung als Anlage beigefügten Gebührenverzeichnis erhoben werden.
25 
Der Bescheid vom 23.11.2018 ist formell rechtswidrig. Der Klägerin wurde vor Erlass des Bescheids keine Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 28 Abs.1 LVwVfG). Von der Anhörung konnte nicht gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG abgesehen werden.
26 
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung hat das Eichamt F. vor Erlass des streitgegenständlichen Gebührenbescheids vom 23.11.2018 unstreitig nicht durchgeführt. Bei dem Gebührenbescheid handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, der in die Rechte der Klägerin eingreift.
27 
Von der Anhörung konnte auch nicht gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG abgesehen werden. Danach kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will. Zugrunde zu legen sind dieser Prüfung vorliegend Gebührenbescheide, die das Eichamt F. für Fertigverpackungskontrollen nach § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 MessEG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 MessEGebV erlässt. Dabei handelt es sich nicht um gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl.
28 
Gleichartige Verwaltungsakte i.S.d. § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG sind nach dem Zweck der Regelung solche, die aufgrund eines generellen, typischen Sachverhalts, der erfahrungsgemäß keine näheren individuellen Feststellungen erfordert, an eine Vielzahl von Betroffenen ergehen und sich nach ihrem Inhalt und nach dem Sachverhalt, den sie betreffen, nicht oder allenfalls nur unwesentlich voneinander unterscheiden, wie z.B. formularmäßige Aufforderungen zur Impfung, zur Abgabe von Steuererklärungen, Schuleinschreibungen oder Ladungen zur Musterung (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 47. Ed. Stand: 01.04.2020, § 28 Rn. 37; vgl. auch Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 67). Zu berücksichtigen ist dabei, dass § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (vgl. Rüdiger Engel/Mario Pfau in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 28 Rn. 77).
29 
Nach diesem Maßstab erlässt das Eichamt F. keine gleichartigen Verwaltungsakte. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach sämtlichen durch das Eich- und Beschusswesen durchgeführten Fertigpackungsprüfungen ein Gebührenbescheid erlassen wird und dass im Jahr 2018 in Baden-Württemberg Fertigpackungskontrollen in etwas mehr als 1700 Betrieben durchgeführt worden sind. Nicht verkannt wird weiter, dass für den Erlass eines solchen Gebührenbescheids das Ergebnis der Fertigpackungskontrolle, sprich ob es zu Beanstandungen gekommen ist oder nicht, unerhebliche ist (vgl. Ausnahme von der Kostenpflicht gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 MessEG für Beanstandungsfreiheit bei Messgeräten; vgl. auch Hollinger in: Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 59 Rn. 2, 9). Dennoch betreffen die streitgegenständlichen Gebührenbescheide Sachverhalte, die eine nähere individuelle Feststellung erfordern und die sich nach ihrem Inhalt und dem Sachverhalt, den sie betreffen, nicht nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Zum einen müssen individuelle Feststellungen zu dem konkreten Zeitaufwand der Fertigpackungskontrolle getroffen werden, da gemäß § 4 MessEGebV nach Zeitgebühr abgerechnet wird. Nach Angaben von Eichamtmann W. unterliegt die Dauer der Prüfung verschiedenen Faktoren. So muss festgestellt werden, ob eine Vorprüfung stattgefunden hat, bei der vor Ort Ware aus den Regalen genommen und gewogen wird. Denn für die Vorprüfung setzt Eichamtmann W. pro Produkt sechs Minuten Prüfdauer an. Weiter kann es zu erheblichen Unterschieden bezüglich der Anzahl in der Vollprüfung überprüfter Produkte kommen, da nach Angaben Eichamtmann W. von der betreffenden Ware alles beprobt wird, was am Lager ist. Wenn das 20 Würste sind, dann werden alle 20 Würste beprobt. Maßgeblich ist die Anzahl der beprobten Ware, da sich – jedenfalls auch – hieraus die unterschiedliche Dauer der Prüfung ergibt. Aus dem individuell festgestellten Zeitaufwand berechnet sich dann die abzurechnende Zeitgebühr. Allein, dass Entscheidungen – wie vorliegend – nach bestimmten einheitlichen Tarifen, Richtlinien, usw. zu treffen sind, genügt nicht für die Bejahung gleichartiger Verwaltungsakte (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 67). Darüber hinaus ist die Gleichartigkeit zu verneinen, da es auf von den Beteiligten anzugebende individuelle verschiedene Tatsachen ankommen kann (vgl. Kallerhoff/Mayen in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 59). Denn jedenfalls im Einzelfall können nähere individuelle Feststellungen, insbesondere bezüglich der Größe des Unternehmens, erforderlich sein. Denn aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der Billigkeit, insbesondere für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen i.S.d. Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.05.2003, S. 36), kann im Einzelfall gemäß § 7 Abs. 3 MessEGbV eine niedrigere Gebühr oder eine Gebührenbefreiung bestimmt werden. Damit die Behörde ihr diesbezüglich bestehendes Ermessen ausüben kann, sind jedoch Feststellungen zu der Größe des Unternehmens erforderlich. Im Ergebnis kann sich der den maßgeblichen Gebührenbescheiden zugrunde gelegte Sachverhalt daher wesentlich unterscheiden. Aus den wesentlich unterschiedlichen Sachverhalten können sich wesentlich unterschiedliche Gebührenhöhen bis hin zu einer Gebührenbefreiung ergeben.
30 
Im Übrigen werden keine Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen. Wann von einer „größeren Zahl“ auszugehen ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 47. Ed. Stand: 01.04.2020, § 28 Rn. 37). Sie muss in jedem Fall so groß sein, dass sich für die Behörde bei einer Einzelanhörung erhebliche praktische Schwierigkeiten ergeben würden. Insbesondere muss der Erlass der in Frage stehende Verwaltungsakte auch aus sachlich bedingten Gründen in einem engen zeitlichen Rahmen erfolgen, da ansonsten in einem längeren Zeitraum ohne Weiteres Einzelanhörungen durchgeführt werden könnten (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 47. Ed. Stand: 01.04.2020, § 28 Rn. 37; vgl. auch Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 68). Erforderlich ist daher, dass eine vorherige Anhörung aller Betroffenen die Behörde erheblich belasten und wegen zwangsläufiger Verzögerung auch den Bürgern zum Nachteil gereichen würde (vgl. BT-Drs. 7/910, S. 52; vgl. auch Kyrill-Alexander Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 28 Rn. 40).
31 
Die nach Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG geforderte praktische Schwierigkeit der Durchführung von Einzelanhörungen ergibt sich vorliegend nicht. Dabei ist nicht pauschal auf die Gesamtzahl der in einem Jahr durchschnittlich von dem Eichamt F. verabschiedeten Gebührenbescheide nach Fertigpackungskontrollen abzustellen, vielmehr sind die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Umstände des Einzelfalles ergibt sich auch bei einer erheblichen Gesamtjahreszahl an entsprechenden Gebührenbescheiden keine praktische Schwierigkeit der Durchführung von Einzelanhörungen und damit keine große Zahl an Verwaltungsakten. Nach Angaben von Eichamtmann W. in der mündlichen Verhandlung stellen sich die Umstände des Einzelfalles wie folgt dar: Fertigpackungskontrollen sind eher ein Nebenprodukt ihrer Tätigkeit. Für jeden Landkreis im Zuständigkeitsbereich seines Amtes gibt es einen Prüfer. Jeder dieser Prüfer ist ungefähr 35 Tage im Jahr mit solchen Prüfungen beschäftigt. Bei der streitgegenständlichen Fertigpackungskontrolle, die sich nicht nur auf den 21.11.2018 bezog, sondern auch auf den Folgetag, der gebraucht wurde um die Untersuchungen durchzuführen, hat Eichamtmann W. zwölf Vollprüfungen durchgeführt. Hierfür hat er ungefähr sechs Gebührenbescheide verschickt, da sich sechs Produkte auf die Fa. M. bezogen und er hierfür einen Bescheid gemacht hat. Bezogen auf diesen individuellen Prüfvorgang, der in vergleichbarem Maß pro Prüfer und Jahr etwa 17 bis 18 Mal (insgesamt ungefähr 35 Prüftage, eine Prüfung zieht sich über zwei Tage) stattfindet, liegt keine große Zahl an Verwaltungsakten vor. Für das Gericht sind keine Tatsachen ersichtlich, dass sich für den einzelnen Prüfer in dem konkreten Einzelfall eine erhebliche praktische Schwierigkeit ergeben würde, vor Erlass der überschaubaren Anzahl von durchschnittlich sechs bis zwölf Gebührenbescheiden pro Fertigpackungskontrolle eine Anhörung i.S.d. § 28 Abs. 1 LVwVfG durchzuführen. Ebenso wenig liegen sachliche Gründe vor, aus denen sich ergibt, dass der Erlass der Gebührenbescheide in einem engen zeitlichen Rahmen zu erfolgen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass eine vorherige Anhörung zu einem Nachteil der betroffenen Bürger führen würde. Im Gegenteil könnte durch eine Anhörung dem Erlass rechtswidriger Gebührenbescheide bereits im Vorfeld entgegengewirkt werden. Zu seinen Gunsten wäre der betroffene Bürger dann nicht – wie vorliegend – unmittelbar auf den Klageweg angewiesen, ohne zuvor im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt zu haben.
32 
Eine Heilung der Verletzung des § 28 Abs. 1 LVwVfG hat nicht stattgefunden. Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 LVwVfG nichtig macht, ist gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird.
33 
Ein Widerspruchsverfahren, welches grundsätzlich zur Heilung des Anhörungsmangels führen kann, hat vorliegend entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO nicht stattgefunden. Eine Heilung des Anhörungsfehlers setzt voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken (vgl. auch zu Folgendem Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 45 Rn. 26 f.). Äußerungen und Stellungnahmen des Betroffenen gegenüber dem Gericht reichen daher zur Heilung nicht aus (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 – 3 C 16/11 –, juris Rn. 18 m.w.N.). Für eine wirksame Nachholung im gerichtlichen Verfahren ist erforderlich, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 – 7 C 5/14 –, juris Rn. 14 ff.). Ein kritisches Überdenken des Beklagten seiner Entscheidung ist vorliegend während des gerichtlichen Verfahrens weder ausdrücklich erfolgt noch sonst erkennbar, vielmehr wurde die Sachentscheidung verteidigt. Die Äußerungen und Stellungnahmen der Klägerin im vorliegenden Verfahren konnten mithin eine Heilung nicht bewirken.
34 
Der vorliegende Verstoß gegen § 28 Abs. 1 LVwVfG ist auch nicht gemäß § 46 LVwVfG unerheblich. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 LVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es ist nicht offensichtlich, dass die Verletzung von § 28 Abs. 1 LVwVfG die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
35 
Unerheblich ist ein Verstoß i.S.d. § 46 LVwVfG nur dann, wenn er im konkreten Fall schlechthin nicht kausal für die Entscheidung sein kann, das heißt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss darauf haben konnte (vgl. auch zu Folgendem Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 46 Rn. 27 f.; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 17.07.2013 – 6 A 2296/11 –, juris Rn. 28 ff.). Erforderlich ist daher, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei Einhaltung der Vorschrift – hier § 28 Abs. 1 LVwVfG – die Entscheidung anders ausfallen hätte können. § 46 LVwVfG geht im Grundsatz von der Relevanz des Fehlers aus und führt nur dann zur Unbeachtlichkeit, wenn es offenkundig ist, dass der Fehler im Entscheidungsprozess der Behörde keine Rolle gespielt haben kann. Insbesondere bei Ermessensentscheidungen, aber auch wenn andere Spielräume bestehen, ist im Regelfall die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätte kommen können. Das Unterbleiben der Anhörung eines Beteiligten ist damit lediglich unerheblich bei Fragen, die für die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Rolle hätten spielen können. Darüber hinaus reicht die fehlende Kausalität allein nicht aus, es muss vielmehr offensichtlich sein, dass der Fehler auf die Entscheidung in der Sache ohne Einfluss geblieben ist. Dies setzt voraus, dass die fehlende Kausalität für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten und verständigen Beobachter ohne Weiteres – etwa mit Hilfe von Akten oder sonstigen Unterlagen – ersichtlich sein muss (vgl. Schemmer in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 48. Ed. Stand: 01.07.2020, § 46 Rn. 41 m.w.N.).
36 
Es ist nicht jeglicher Zweifel ausgeschlossen, dass der Beklagte ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte. Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht unter anderem geltend gemacht, die zeitliche Dauer der Prüfung sei nicht plausibel und nicht nachprüfbar, außerdem habe ihr im Rahmen der Ermessensausübung nach § 7 Abs. 3 MessEGebV eine Gebührenbefreiung erteilt werden müssen. Es liegt nahe, dass sie im Rahmen einer Anhörung gleichermaßen vorgetragen hätte. Die Äußerungen wären auch objektiv geeignet gewesen, die Entscheidung des Beklagten zu beeinflussen. Die Gebühr wird gemäß § 4 MessEGebV nach einer Zeitgebühr abgerechnet. Die zeitliche Dauer der Prüfung ist daher maßgeblich für die Höhe der Gebühr. Ein Überdenken bzw. Überprüfen hinsichtlich der festgelegten Dauer hätte somit zu einer anderen Entscheidung führen können. Darüber hinaus steht es nach § 7 Abs. 3 MessEGebV beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen im Ermessen der Behörde, eine Gebührenerniedrigung bzw. eine Gebührenbefreiung zu bestimmen.
37 
Im Übrigen ist der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 23.11.2018 materiell rechtswidrig. Bei der Fertigpackungskontrolle nach § 50 Abs. 1 MessEG i.V.m. §§ 42 ff. MessEG i.V.m. §§ 22 ff. FPackV dürfte es sich um eine individuelle zurechenbare öffentliche Leistung nach dem MessEG handeln. Jedenfalls aber erfolgte die konkrete Festsetzung der Gebührenhöhe rechtsfehlerhaft.
38 
Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 bis 3 MessEG soll die Gebühr die mit der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung verbundenen Kosten aller an der Leistung Beteiligten decken. In die Gebühr sind die mit der Leistung regelmäßig verbundenen Auslagen einzubeziehen. Zur Ermittlung der Gebühr sind die Kosten, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als Einzel- und Gemeinkosten zurechenbar und ansatzfähig sind, insbesondere Personal- und Sachkosten sowie kalkulatorische Kosten, zugrunde zu legen. Gemäß § 4 MessEGebV wird nach Zeitgebühr abgerechnet, soweit keine Fest- oder Rahmengebühr angegeben ist. Der Zeitgebühr sind die in der Anlage angegebenen Stundensätze zugrunde zu legen. Bei Erhebung einer Zeitgebühr ist diese durch Multiplikation des Stundensatzes nach der Anlage Schlüsselzahl 19.1.1... oder 19.1.2... mit dem Zeitaufwand für die Durchführung der jeweiligen individuellen zurechenbaren öffentlichen Leistung zu berechnen. Die Zeitgebühr ist für jede die Leistung durchführende Person zu erheben. Beträgt der ermittelte Zeitaufwand weniger als eine Stunde, so ist für jeweils angefangene sechs Minuten ein Zehntel dieser Stundensätze zu berechnen. Im Übrigen ist für jede angefangene Viertelstunde ein Viertel dieser Stundensätze zu berechnen. Nach Ziffer 16.2.1.1 der Anlage (Prüfung bei Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge (außer Sonderfälle) gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MessEG und § 22 der FPackV) i.V.m. Ziffer 19.1.2.2 der Anlage (Stundensätze eines Bachelorabschlusses bzw. eines gleichwertigen Abschlusses oder einer Meister- oder Technikerausbildung) liegt der Stundensatz vorliegend bei 125,- EUR.
39 
Die Stundensatzhöhe wurde ordnungsgemäß auf 125,- EUR festgesetzt. Jedoch wurde der Zeitaufwand für die Durchführung der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung rechtswidrig pauschal auf eine Stunde festgelegt. Nach dem für die vorliegende Maßnahme gerade keine Fest- oder Rahmengebühr angegeben ist, kann eine ordnungsgemäße Abrechnung nach Zeitgebühr i.S.d. § 4 MessEGebV nur erfolgen, wenn der konkrete Zeitaufwand nachvollziehbar ermittelt wurde. Nach den Angaben von Eichamtmann W. in der mündlichen Verhandlung hat dieser die Zeit der individuellen Prüfung nicht gemessen, die Zeit komme vielmehr aus seinem Kopf. Sie würden das zwar anteilig machen, aber doch irgendwie pauschalisiert. Für eine Vollprüfung setzten sie eine Stunde an. Vorliegend wurde also entgegen § 4 MessEGebV die Zeitgebühr nicht anhand des konkreten Zeitaufwands für die Durchführung der individuellen zurechenbaren öffentlichen Leistung berechnet, sondern hierfür eine pauschale Zeitdauer von einer Stunde verwendet. Nachdem im hier maßgeblichen Bereich der MessEGebV auf Rahmengebühren, die zwar der Behörde ein größeres Ermessen zugestehen, insbesondere zu Gunsten einer größeren Rechtsklarheit und einer besseren Nachvollziehbarkeit der Gebührenbemessung für die Betroffenen, verzichtet wurde (vgl. Hollinger in: Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 59 Rn. 20) entspricht ein solches Vorgehen gerade nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn durch dieses Vorgehen ergibt sich mittelbar und entgegen dem Wortlaut von § 4 MessEGebV für jede Vollprüfung bei Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge – unabhängig von der Anzahl der geprüften Waren und des tatsächlichen Zeitaufwands – eine Festgebühr von 125,- EUR. Ferner ist dieses Vorgehen nicht mit dem sich aus § 59 Abs. 2 MessEG ergebenden Kostendeckungsprinzip vereinbar.
40 
Aufgrund dessen ist der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 23.11.2018 sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.
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Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass es für die Erhebung der Gebühr nach § 59 Abs. 1 Satz 1 MessEG im Bereich der Kontrolle von Fertigverpackungen unerheblich ist, ob die Kontrolle zu Beanstandungen geführt hat oder nicht. Es ist hierbei zwischen der Marktüberwachung bei Fertigpackungen und anderen Verkaufseinheiten einerseits und der Markt- und Verwendungsüberwachung bei Messgeräten andererseits zu unterscheiden. Die Marktüberwachung bei Fertigpackungen ist seit ihrer Einführung kostenpflichtig (vgl. auch zu Folgendem Hollinger in: Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 59 Rn. 2, 9). Demgegenüber unterliegen die Markt- und Verwendungsüberwachungen bei Messgeräten gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 MessEG nur im Beanstandungsfall der Kostenpflicht. Im Umkehrschluss daraus, dass eine solche Ausnahme von der Kostenpflicht für den Bereich der Marküberwachung bei Fertigpackungen nicht geregelt ist, ergibt sich, dass hier die Gebühren auch bei Beanstandungsfreiheit anfallen. Es handelt sich in diesem Bereich mithin schlicht um eine reine Tätigkeitsgebühr. Die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Beanstandung, mithin ob der Anwendungsbereich der LMIV eröffnet ist und Wursthüllen bzw. Hängeschlaufen und Clipse der Wurst als Tara vom Nettogewicht abgezogen werden müssen oder nicht, ist somit vorliegend nicht entscheidungserheblich und kann dahinstehen.
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Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Ob vor dem Erlass von Gebührenbescheiden der streitgegenständlichen Art eine Anhörung i.S.d. § 28 Abs. 1 LVwVfG stattzufinden hat, stellt eine in der Rechtsprechung bislang noch nicht geklärte verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage dar, die im Interesse der Rechtssicherheit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf.

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