Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.11.2017 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
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| Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrages als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach Bulgarien mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 13.11.2017. |
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| Die am XX.XX.XXXX bzw. XX.XX.XXXX in Al-Hasaka, Syrien, geborenen Kläger zu 1. und 2. sind die Eltern der am XX.XX.XXXX, XX.XX.XXXX, XX.XX.XXXX sowie XX.XX.XXXX jeweils in A.-H., Syrien, geborenen Kläger zu 3.-6. Alle sind nach den Erkenntnissen des Bundesamts Staatenlose kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit, reisten am 25.08.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 14.09.2017 einen Asylantrag. |
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| Für den Kläger zu 1. sind folgende EURODAC-Treffer vermerkt: BG1xx, Fingerabdrucknahmedatum: 12.10.2016, Antragsort: RPC HARMANLY 2, Antragsdatum: 12.10.2016, Geschlecht: männlich; BG2xx, Fingerabdrucknahmedatum: 01.10.2016, Antragsort: GPU SVILENGRAD, Antragsdatum: 01.10.2016, Geschlecht: männlich. |
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| Für die Klägerin zu 2. sind folgende EURODAC-Treffer vermerkt: BG2xx sowie BG1xx. |
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| Die Kläger zu 1. und 2. wurden am 14.09.2017 im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags zu ihrem Fluchtweg befragt. Dabei gaben die Kläger zu 1. und 2. übereinstimmend an, Syrien erstmalig am 20.09.2016 verlassen zu haben und über die Türkei, Griechenland, Serbien, Ungarn nach Deutschland eingereist zu sein. Zuerst seien sie nach Griechenland eingereist. Dort hätten sie sich etwa 20 Tage lang aufgehalten. |
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| Im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1-4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG am 25.09.2017 gab der Kläger zu 1. weiter an, dass sie in Bulgarien gezwungen worden seien, Fingerabdrücke abzugeben. Sie hätten das eigentlich gar nicht gewollt, hätten dort aber etwas unterschreiben müssen. Was sie dort unterschrieben hätten, wisse er nicht. Sie seien ca. 20 Tage lang in Bulgarien gewesen und dann weitergereist. Er wolle nicht nach Bulgarien abgeschoben werden mit seiner Familie. Dort seien die Bedingungen für sie sehr schlecht. Es gebe keine Perspektive für die Kinder. Außerdem würden dort die Menschenrechte missachtet und sei er von der Polizei geschlagen worden. Im Rahmen ihrer Anhörung bestätigte die Klägerin zu 2. die vom Kläger zu 1. gemachten Angaben. |
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| Die persönliche Anhörung der Kläger zu 1. und 2. gemäß § 25 AsylG erfolgte am 25.09.2017. |
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| Am 26.09.2017 richtete das Bundesamt ein Übernahmegesuch nach Anhang III Dublin III-VO hinsichtlich der Kläger an Bulgarien, auf welches die bulgarische Dublin-Unit mit Schreiben vom 06.10.2017 wie folgt antwortete. Das Übernahmeersuchen im Hinblick auf die Klägerin zu 2. sowie die Kläger zu 3.-6. könne nicht akzeptiert werden, weil Bulgarien diesen mit Entscheidung vom 09.03.2017 subsidiären Schutz zuerkannt habe. |
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| Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.11.2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Kläger als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und drohte die Abschiebung der Kläger nach Bulgarien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat mit Ausnahme von Syrien an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). |
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| Gegen diese ihnen am 14.11.2017 zugestellte Entscheidung haben die Kläger am 23.11.2017 Klage beim hiesigen Gericht erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass ihnen in Bulgarien eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung drohe. Darüber hinaus sei der angegriffene Bescheid aufzuheben, weil die Praxis des Bundesamts, bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG die Abschiebungsandrohung mit einer bei Klageerhebung erst nach Unanfechtbarkeit laufenden 30-tägigen Ausreisefrist zu verbinden, objektiv nicht im Einklang mit dem Asylgesetz stehe. |
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| Die Kläger beantragen (schriftlich, sachdienlich gefasst), |
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| den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.11.2017 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. |
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| Die Beklagte beantragt (schriftlich), |
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| Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid. |
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| Mit Beschluss vom 15.01.2018 hat der seinerzeit zur Entscheidung berufene Einzelrichter den Eilantrag A 7 K 10489/17 abgelehnt. |
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| Mit Beschluss vom 27.07.2021 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. |
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| Das Bundesamt hat ausweislich des Telefonvermerks der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin vom 22.11.2021 telefonisch mitgeteilt, dass das an Bulgarien gerichtete Wiederaufnahmegesuch bezüglich des Klägers zu 1. fälschlicherweise keine Einträge/Daten enthalten habe, woraus sich wohl ergebe, dass insoweit kein Antwortschreiben Bulgariens vorliege. Die seinerzeit zuständige Berichterstatterin hat daraufhin die Beklagte gebeten, von Bulgarien umgehend ein Informationsersuchen/Info request zu der Frage einzuholen, wie dort über den Asylantrag des Klägers zu 1. entschieden wurde. |
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| Das Gericht hat die Kläger mit Verfügung vom 11.01.2022 hinsichtlich einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid zugestimmt. Mit Schreiben vom 17.02.2022 hat das Bundesamt noch mitgeteilt, dass entsprechend der Verfügung des Gerichts vom 22.11.2022 ein Info request an den Mitgliedstaat Bulgarien gerichtet worden sei. Trotz einer Mahnung sei keine Antwort Bulgariens eingegangen. |
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| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakten sowie die beigezogene Verfahrensakte der Beklagten Bezug genommen. |
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| Das Gericht konnte in der vorliegenden Sache aufgrund des Beschlusses vom 11.01.2022 durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) entscheiden. |
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| Über die Klage konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Beteiligten hierzu zuvor angehört wurden bzw. ausdrücklich Ihr Einverständnis erklärt haben, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO. |
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| Der schriftsätzlich angekündigte Klageantrag ist dahingehend sachdienlich auszulegen, dass mit der Klage die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.11.2017 und hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG begehrt wird. In diesem Umfang ist die Klage zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - BVerwGE 157, 18 Rn. 16 ff., insbes. Rn. 21; Urteil vom 01.06.2017 - 1 C 9.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 3 Rn. 15; Urteil vom 21.04.2020 - 1 C 4/19 - juris Rn. 14). |
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| Die weiteren, von den Klägern hilfsweise gestellten Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigte sowie – weiter hilfsweise – auf subsidiären Schutz sind zwar für sich genommen unzulässig (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 16.02.2021 - A 13 K 3481/18 - juris Rn. 27 m. w. N.), wirken sich vorliegend angesichts des Erfolgs des Hauptantrags aber nicht aus – auch nicht auf Kostenebene. |
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| Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.11.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. |
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| Die Unzulässigkeitsentscheidung auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erweist sich im Ergebnis als rechtswidrig. |
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| Dies ergibt sich im Hinblick auf den Kläger zu 1. bereits daraus, dass nicht feststeht, ob dem Kläger zu 1. in Bulgarien tatsächlich – ebenso wie den Klägern zu 2.-6. – der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.11.2017 - 1 C 39/16 - BVerwGE 161, 1-17) muss das Bundesamt (und in der Folge auch die Verwaltungsgerichte) aufklären, ob dem schutzsuchenden bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden ist. |
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| Dieser Aufklärungspflicht ist das Bundesamt vorliegend nur unzureichend nachgekommen. Denn das mit dem Formular nach Anhang III Dublin III-VO auf Art. 34 der Verordnung gestützte Wiederaufnahmegesuch (Blatt 148/150 der Bundesamtsakte) enthielt für den Kläger zu 1. keine Einträge, weshalb es hierauf – anders als im Falle der Kläger zu 2.-6. – keine Antwort der bulgarischen Dublin-Unit gab. Auf diesen Umstand hat die seinerzeit zuständige Berichterstatterin das Bundesamt mit Telefonanruf und Verfügung vom 22.11.2021 hingewiesen und darum gebeten, von Bulgarien umgehend ein (neues) Informationsersuchen/Info request zu der Frage einzuholen, wie dort über den Asylantrag des Klägers zu 1. entschieden wurde. Diesem Ansinnen des Verwaltungsgerichts ist das Bundesamt zwar nachgekommen, indem es mit Schreiben vom 17.02.2022 mitgeteilt hat, dass ein Info request an den Mitgliedstaat Bulgarien gerichtet wurde, trotz einer Mahnung aber keine Antwort Bulgariens eingegangen sei. |
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| Bleibt bis zur gerichtlichen Entscheidung unklar, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorliegen und mithin die vom Bundesamt ausgesprochene Unzulässigkeitsentscheidung tragen, und kommt auch eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht in Betracht, geht dieser Umstand zulasten des Bundesamts, welches sich auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen beruft. |
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| Auch ein Austausch der Unzulässigkeitstatbestände bzw. eine Umdeutung derselben kommt vorliegend nicht in Betracht. Schon grundsätzlich scheidet ein Austausch der Rechtsgrundlage angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgen (§ 34a bzw. § 35 AsylG) aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 - 1 C 4.19 - juris Rn. 24; hierzu Neumann, HTK-AuslR / § 29 AsylG / Abs. 1, Stand: 22.10.2020, Rz. 8, 12 f.; siehe auch bereits BVerwG, Urteil vom 21.11.2017 - 1 C 39/16 - BVerwGE 161, 1 Rn. 45). Hinzu kommt, dass das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts ohne Eintrag der Personaldaten des Klägers zu 1. erfolgte und mithin eine Zustimmungsfiktion gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nicht auslösen konnte. Auch unter Zugrundelegung des Dublin-Regimes wäre Bulgarien mithin für den Kläger zu 1. nicht zuständig. |
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| Die Unzulässigkeitsentscheidung ist folglich hinsichtlich des Klägers zu 1. rechtswidrig. |
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| Auch die Unzulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Kläger zu 2.-6. ist im Ergebnis rechtswidrig und daher aufzuheben. |
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| Die Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf die Kläger zu 2.-6. ergibt sich vorliegend (schon) daraus, dass bei ihrem Fortbestehen (und der damit zusammenhängenden Abschiebungsandrohung nach Bulgarien) eine Trennung der Familie drohen würde, die mit Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 7 GRCh sowie Art. 8 EMRK nicht vereinbar wäre. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Unzulässigkeitsentscheidung im Falle einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh aufzuheben ist (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim u.a. - und Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:964], Hamed und Omar -), ist auch auf andere massive Grundrechtsverletzungen wie insbesondere des Rechts auf Achtung des Familienlebens nach Art. 7 GRCh bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK zu übertragen (so für die Fallgestaltung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG: VG Berlin, Urteil vom 05.01.2022 - 34 K 345/20 A - juris Rn. 28-30 m. w. N.; ferner in diesem Sinne bereits für Dublin-Konstellationen VG Sigmaringen, Beschluss vom 14.09.2020 - A 13 K 1269/18 - juris Rn. 33 m. w. N.; Urteil vom 16.11.2017 - A 7 K 2246/17 - juris Rn. 30). |
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| Der Umstand, dass vorliegend eine Abschiebungsandrohung streitgegenständlich ist und in deren Rahmen nach bisherigem asylverfahrensrechtlichen, nationalen Verständnis inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (wie hier: die Wahrung der Familieneinheit) nicht prüfungsgegenständlich waren, ändert an dieser Einschätzung nichts. |
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| Die Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG (bzw. hier: nach § 35 AsylG) stellt nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rückkehrentscheidung i. S. v. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, BVerwGE 162, 382, Rn. 18; Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 - BVerwGE 167, 383, Rn. 23). |
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| Dabei ging das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 10.10.2012 - 10 B 39.12 -, juris Rn. 4), der die Obergerichte folgen (vgl. bspw. OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 317; BayVGH, Urteil vom 21.11.2018 - 13a B 18.30632 -, juris Rn. 22), davon aus, dass ausschließlich von der Ausländerbehörde – und damit nicht im Rahmen der Rückkehrentscheidung vom Bundesamt – alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse wie z. B. schutzwürdige Interessen an der Vermeidung einer Trennung von Familienangehörigen zu prüfen sind. Dies legt insbesondere auch § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG in seinem Wortlaut (nahezu zwingend) nahe, wenn dort das Nichtbestehen von Duldungsgründen nicht als Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung aufgeführt wird. |
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| Demgegenüber gilt gemäß Art. 5 RFRL, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der RFRL den Grundsatz der Nichtzurückweisung einhalten und in gebührender Weise die folgenden Aspekte berücksichtigen: a) das Wohl des Kindes, b) die familiären Bindungen, c) den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen. Nach Art. 6 Abs. 1 RFRL erlassend die Mitgliedstaaten unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung. |
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| Wie die Berücksichtigung des Kindeswohls in Art. 5 lit. a) RFRL bei der Umsetzung der RFRL zu erfolgen hat, ist mittlerweile jedenfalls teilweise vom EuGH geklärt worden. Der EuGH hat mit Urteil vom 11.03.2021 in der Rechtssache C-112/20 - - entschieden, dass Art. 5 lit. a) RFRL in Verbindung mit Art. 24 GRCh dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten vor Erlass einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung das Wohl des Kindes gebührend zu berücksichtigen haben, selbst wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um einen Minderjährigen, sondern um dessen Vater handelt. Mit Urteil vom 14.01.2021 in der Rechtssache C-441/19 hat der EuGH im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen entschieden, dass Art. 5 lit. a RFRL vorschreibt, das Wohl des Kindes in allen Stadien des Verfahrens zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 - , NVwZ 2021, 550, 551, Rn. 51). Ist eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, müssen die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen ergreifen, die zur Durchführung der Abschiebung des Betroffenen erforderlich sind (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 -, Rn. 79). Daher darf ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der RFRL gegenüber einem unbegleiteten Minderjährigen keine Rückkehrentscheidung erlassen, ohne ihn, bis er das Alter von 18 Jahren erreicht, anschließend abzuschieben (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 -, Rn. 81). Insoweit lässt sich der Entscheidung des EuGH entnehmen, dass die Kindeswohlprüfung gerade nicht mehr ausschließlich der Vollzugsentscheidung der Ausländerbehörde einschließlich der dagegen eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten vorbehalten bleiben darf. |
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| § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist folglich unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass auch die Prüfung des in Art. 5 lit. a) RFRL aufgeführten Kindeswohlbelangs ungeschriebene Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung ist, während gleichzeitig § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs unangewendet bleiben muss, soweit eine Duldung aus denselben Gründen des Kindeswohls zu erteilen wäre (vgl. zum Ganzen VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 - juris Rn. 23-32, auch unter Auseinandersetzung mit der bis dato ergangenen, gegenteiligen Rechtssprechung des VG Karlsruhe und des OVG NRW; ferner Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 71 ff.; ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 - juris Rn. 42-46). |
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| Das vorrangig im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GRCh zu erwägende Kindeswohl ist auch bei der Rückkehrentscheidung gegen ein die Personensorge und / oder den Umgang |
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| ausübenden Elternteil zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11.03.2021 - C-112/20 - Rn. 43; VG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 87). |
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| Mit dem Wohl des Kindes – ein Begriff, der in der Rückführungsrichtlinie in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von 1989 (UN-KRK) (Erwägungsgrund Nr. 22) und im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 GRCh auszulegen ist – ist das Wohlergehen des Kindes in der längerfristigen Perspektive gemeint (Jarass, GRCh, 4. Aufl. 2021, Art. 24 Rn. 16). Diese Perspektive zielt in den Worten der Präambel der UN-KRK darauf, dass das Kind umfassend auf ein individuelles Leben in der Gesellschaft vorbereitet werden soll. Daraus ergibt sich für die Bedeutung des Kindeswohls bei der Prüfung des Erlasses einer Rückkehrentscheidung jedenfalls, dass Rückkehrentscheidungen, die eine Perspektive auf ein individuelles Leben in der Gesellschaft schwerwiegend und nachhaltig in Frage stellen, gegen das Berücksichtigungsgebot aus Art. 5 Buchst. a) RFRL verstoßen und rechtswidrig sind (VG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 81). |
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| Zwar stehen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wie auch der allermeisten Verwaltungsgerichte einschließlich des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 08.02.1999 - 1 B 2/99 - juris) regelmäßig weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK einer Aufenthaltsbeendigung entgegen, wenn es sich um ausreisepflichtige ausländische Ehegatten – auch mit Kindern – handelt, die beide (alle) kein Aufenthaltsrecht oder keine sonstigen schutzwürdigen Bindungen an die Bundesrepublik haben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.04.2007 - 11 S 1035/06 – juris Rn. 53; BayVGH, Beschluss vom 03.11.2005 - 10 CE 02.1645 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 04.11.2004 - 11 A 2446/02.A - juris). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem grundsätzlichen Beschluss vom 12.05.1987 (Az. 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1 ff. = NJW 1988, 626 ff.) festgestellt, dass Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG es regelmäßig nicht gebieten, dem Wunsch eines Fremden nach ehelichem und familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn er oder sein Ehegatte hier nicht seinen Lebensmittelpunkt gefunden haben. Dass der Lebensmittelpunkt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland liegt, kann ungeachtet der Vorstellungen und Wünsche des Betroffenen nur dann angenommen werden, wenn sein Verbleib im Bundesgebiet aufenthaltsrechtlich auf Dauer gesichert ist oder ein Anspruch auf Einräumung eines Daueraufenthaltsrechts besteht. Wenn kein Teil einer familiären Lebensgemeinschaft ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, ist grundsätzlich kein hinreichender Anknüpfungspunkt dafür vorhanden, eine familiäre Lebensgemeinschaft gerade in Deutschland zu leben. Vielmehr sind sie darauf zu verweisen, in ihrem Herkunftsstaat ihre Lebensgemeinschaft zu führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.02.1999 - 1 B 2/99 - InfAuslR 1999, 330 f.; HessVGH, Beschluss vom 11.06.2003 - 12 TG 1238/03 - AuAS 2003, 218 f.; BayVGH, Beschluss vom 03.11.2005 - 10 CE 02.1645 -, juris). |
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| Vorliegend droht aber eine dauerhafte Trennung der Familienangehörigen, namentlich des Klägers zu 1. einerseits und der Kläger zu 2.-6. andererseits, die mit Art. 6 GG, Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK unvereinbar wäre. Denn ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zum rechtlichen Schicksal der Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf den Kläger zu 1. kommt für diesen eine Abschiebung nach Bulgarien tatsächlich nicht in Betracht, weil es an den rechtlich hierzu erforderlichen Voraussetzungen fehlt. Gleichermaßen unsicher ist, ob der Kläger zu 1. – sei es als dort selbst subsidiär Schutzberechtigter, sei es als Familienangehöriger der in Bulgarien subsidiär schutzberechtigten Kläger zu 2.-6. – freiwillig nach Bulgarien zurückkehren und dort mit rechtmäßigem Aufenthalt dauerhaft leben könnte. Umgekehrt wäre es den Klägern zu 2.-6. im Falle des Fortbestehens der streitgegenständlichen Unzulässigkeitsentscheidung (und damit verbunden der Abschiebungsandrohung nach Bulgarien und des auf 30 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots) mindestens für diese Zeitdauer verwehrt, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. |
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| Ein Zusammenleben zur Wahrung der Familieneinheit kommt auch nicht in Syrien in Betracht. Denn für alle Kläger gilt aufgrund von Ziff. 4 Satz 4 des streitgegenständlichen Bescheids (und – damit zusammenhängend – aufgrund des von Bulgarien jedenfalls im Hinblick auf die Kläger zu 2.-6. zuerkannten subsidiären Schutzes), dass sie nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. |
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| Schon zur Wahrung der auf Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK beruhenden Familieneinheit ist es daher vorliegend geboten, auch die Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf die Kläger zu 2.-6. aufzuheben. |
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| Hinzu kommt, dass den Klägern zu 2.-6. In Bulgarien eine Verletzung in Art. 4 GRCh drohte, die ebenfalls zur Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung führt/führen muss. |
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| Die Rechtmäßigkeit einer Unzulässigkeitsentscheidung wegen bereits erfolgter Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat setzt in unionsrechtskonformer Einschränkung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG voraus, dass den Antragsteller in dem Mitgliedstaat, der den Schutz gewährt hat, keine Lebensumstände erwarten, die einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh gleichkommen (BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 - 1 C 4/19 - juris Rn. 36 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim u.a. - und Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:964], Hamed und Omar -). |
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| Das ist der Fall, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller bzw. Kläger als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz deshalb als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist (vgl. EuGH, Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 u.a. - Rn. 35; s. a. Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 88). Es ist damit geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 GRCh im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen. |
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| Auf die Vorlage des BVerwG hat der EuGH außerdem im Urteil "Ibrahim" - in Anlehnung an das Urteil "Jawo" vom gleichen Tag - den Maßstab für eine Verletzung von Art. 4 GRCh durch die Lebensbedingungen im Staat der Schutzgewährung näher konkretisiert. Danach fallen systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen nur dann unter Art. 4 GRCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst bei durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 89 - 91 sowie - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], Jawo - Rn. 91 - 93; Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u.a. - Rn. 39). |
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| Der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse in dem Mitgliedstaat, der internationalen Schutz gewährt hat, nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie gerecht werden, vermag angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens die Ausübung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU vorgesehenen Befugnis nicht einzuschränken, solange die zuvor beschriebene Erheblichkeitsschwelle des Art. 4 GRCh nicht überschritten ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 92). Auch der Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, steht nicht schon für sich genommen der Ablehnung eines (neuerlichen) Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig entgegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 93 f.). Systemische Mängel des Asylverfahrens selbst mögen zwar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat rechtfertigen, der subsidiären Schutz gewährt hat, schränken aber ebenfalls die Befugnis der übrigen Mitgliedstaaten nicht ein, einen neuen Antrag als unzulässig abzulehnen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 95 - 100). |
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| Gemessen hieran drohen den Klägern (zu 2.-6.) im Falle ihrer Rücküberstellung nach Bulgarien Lebensbedingungen, die unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen eine Situation extremer materieller Not begründeten, die es ihnen nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. |
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| Dabei geht das Gericht davon aus, dass im Rahmen der Rückkehrprognose lediglich die Kläger zu 2.-6. – ohne den Kläger zu 1. – zu berücksichtigen sind. Zwar ist bei realitätsnaher Betrachtung (BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 - juris) im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt. Diese zu § 60 Abs. 5 AufenthG ergangene Rechtsprechung betrifft jedoch die Verfahrenskonstellation, in der lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, nicht aber – wie hier, s. o. – auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen sind (vgl. a. a. O. juris Rn. 21). Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ist auch deswegen nicht angezeigt, weil es im Falle des Klägers zu 1. tatsächliche (und nicht „nur“ rechtliche) Gründe sind, die seiner Rücküberstellung nach Bulgarien entgegenstehen, weil nicht positiv feststeht, ob der Kläger zu 1. zurück nach Bulgarien reisen kann.. |
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| Ausgehend hiervon ist anzunehmen, dass den Klägern zu 2.-6. im Falle ihrer Rücküberstellung nach Bulgarien – ohne den Kläger zu 1. – eine Verletzung in Art. 4 GRCh drohte. |
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| Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 27.05.2019 - A 4 S 1329/19 - juris Rn. 7) ist bei Zugrundelegung der soeben zitierten Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs davon auszugehen, dass gesunde und arbeitsfähige Flüchtlinge derzeit in Bulgarien weder im Zeitpunkt der Rücküberstellung noch während des Asylverfahrens und auch nicht nach unterstellter Zuerkennung von internationalem Schutz unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen durch systemische Schwachstellen gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO oder sonstige Umstände dem „real risk“ einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art 4 GRCh ausgesetzt werden. Etwas anderes kann im Einzelfall bei vulnerablen Flüchtlingen gelten, d.h. bei Antragstellern mit besonderer Verletzbarkeit. |
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| Nach dem jüngsten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vom 15.02.2022 - 11 A 1625/21.A - juris Rn. 25-46) sowie dem Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen (vom 10.02.2022 - 2 K 175/19 - juris, insbesondere Rn. 58-70) gilt diese Einschätzung nach wie vor und insbesondere auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie (und auch für in Bulgarien anerkannte Schutzberechtigte). Der hier erkennende Einzelrichter macht sich die diesbezüglichen tatrichterlichen Würdigungen der Lebensumstände in Bulgarien zu eigen und überträgt sie auf den Fall der Kläger des vorliegenden Verfahrens. |
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| Die Kläger zu 2.-6. gehören zur Überzeugung des Einzelrichters zur Gruppe der vulnerablen, d. h. besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne des Art. 21 der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU. Danach gelten als schutzbedürftige Personen: Minderjährige, unbegleiteten Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien. |
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| Ob die Klägerin zu 2. bereits aufgrund der psychologischen Stellungnahme des medizinischen Versorgungszentrums der LEA Ellwangen vom 04.10.2017, die den Anforderungen des § 60a Abs. 2c S. 2,3 AufenthG nicht entspricht, aufgrund der dort diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung als vulnerabel einzustufen ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls ergibt sich die Vulnerabilität der Kläger zu 2.-6. insgesamt aus dem Umstand, dass die Klägerin zu 2. angesichts der dargestellten realitätsnahen Betrachtungsweise als alleinstehende Mutter von vier Kindern bzw. Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren nach Bulgarien zurückkehren würde (anders insoweit die Sachverhaltskonstellation bei OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2022 - 11 A 1625/21.A - juris Rn. 87: Alleinstehende junge Führerin mit abgeschlossenem Abitur und begonnenem Studium des Bauwesens). |
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| Auch im vorliegenden Zusammenhang macht sich der erkennende Einzelrichter die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 10.02.2022 - 2 K 175/19 - juris Rn. 72-74), die er auf den hier zu entscheidenden Fall der Kläger zu 2.-6. überträgt, weil sie für die Kläger des vorliegenden Verfahrens gleichermaßen Gültigkeit besitzen. |
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| Dass der Kläger zu 1. die weiteren Kläger im Falle von deren Rücküberstellung nach Bulgarien von Deutschland aus finanziell unterstützen und so ihren Lebensunterhalt in Bulgarien sichern könnte, ist nicht ersichtlich. |
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| Ob die Abschiebungsandrohung bereits wegen des Vorgehens des Bundesamts, die Abschiebungsandrohung unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG mit einer bei Klageerhebung erst nach der Unanfechtbarkeit laufenden 30-tägigen Ausreisefrist zu verbinden, aufzuheben ist, weil sie objektiv nicht in Einklang mit dem AsylG steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2019 - 1 C 15/18 - BVerwGE 164, 179-203 - juris Rn.- 50) und allein dies zur Rechtswidrigkeit der gesamten Abschiebungsandrohung führt (ablehnend mangels subjektiver Rechtsverletzung VG Magdeburg, Urteil vom 19.08.2019 - 8 A 11/19 - juris Rn. 62; bestätigt durch OVG LSA, Beschluss vom 15.10.2019 - 3 L 212/19 - juris Rn. 6), kann offenbleiben. |
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| Denn jedenfalls ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Voraussetzungen von § 35 AsylG nicht (mehr) vorliegen, weil die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 42/20 - juris Rn. 29; Urteil vom 25.04.2019 - 1 C 51/18 - juris Rn. 20; Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24/15 - juris Rn. 25). |
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| Auch die Feststellung in Ziff. 2 des angegriffenen Bescheids, wonach Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, ist vorliegend aufzuheben. Denn sie ist mangels wirksamer Unzulässigkeitsentscheidung verfrüht ergangen und daher im Wege der Anfechtungsklage ebenfalls aufzuheben (vgl. BVerwG, BVerwG, Urteil vom 27.05.2021 - 1 C 6/20 - juris Rn. 11; Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 - BVerwGE 157, 18-34). |
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| Dem befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot ist durch die Aufhebung der Abschiebungsandrohung gleichermaßen die Grundlage entzogen, § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die hilfsweise gestellten, abstrakt betrachtet unzulässigen (s. o.) Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf subsidiären Schutz wirken sich auf der Kostenebene nicht aus. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. |
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| Das Gericht konnte in der vorliegenden Sache aufgrund des Beschlusses vom 11.01.2022 durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) entscheiden. |
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| Über die Klage konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Beteiligten hierzu zuvor angehört wurden bzw. ausdrücklich Ihr Einverständnis erklärt haben, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO. |
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| Der schriftsätzlich angekündigte Klageantrag ist dahingehend sachdienlich auszulegen, dass mit der Klage die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.11.2017 und hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG begehrt wird. In diesem Umfang ist die Klage zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - BVerwGE 157, 18 Rn. 16 ff., insbes. Rn. 21; Urteil vom 01.06.2017 - 1 C 9.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 3 Rn. 15; Urteil vom 21.04.2020 - 1 C 4/19 - juris Rn. 14). |
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| Die weiteren, von den Klägern hilfsweise gestellten Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigte sowie – weiter hilfsweise – auf subsidiären Schutz sind zwar für sich genommen unzulässig (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 16.02.2021 - A 13 K 3481/18 - juris Rn. 27 m. w. N.), wirken sich vorliegend angesichts des Erfolgs des Hauptantrags aber nicht aus – auch nicht auf Kostenebene. |
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| Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.11.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. |
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| Die Unzulässigkeitsentscheidung auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erweist sich im Ergebnis als rechtswidrig. |
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| Dies ergibt sich im Hinblick auf den Kläger zu 1. bereits daraus, dass nicht feststeht, ob dem Kläger zu 1. in Bulgarien tatsächlich – ebenso wie den Klägern zu 2.-6. – der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.11.2017 - 1 C 39/16 - BVerwGE 161, 1-17) muss das Bundesamt (und in der Folge auch die Verwaltungsgerichte) aufklären, ob dem schutzsuchenden bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden ist. |
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| Dieser Aufklärungspflicht ist das Bundesamt vorliegend nur unzureichend nachgekommen. Denn das mit dem Formular nach Anhang III Dublin III-VO auf Art. 34 der Verordnung gestützte Wiederaufnahmegesuch (Blatt 148/150 der Bundesamtsakte) enthielt für den Kläger zu 1. keine Einträge, weshalb es hierauf – anders als im Falle der Kläger zu 2.-6. – keine Antwort der bulgarischen Dublin-Unit gab. Auf diesen Umstand hat die seinerzeit zuständige Berichterstatterin das Bundesamt mit Telefonanruf und Verfügung vom 22.11.2021 hingewiesen und darum gebeten, von Bulgarien umgehend ein (neues) Informationsersuchen/Info request zu der Frage einzuholen, wie dort über den Asylantrag des Klägers zu 1. entschieden wurde. Diesem Ansinnen des Verwaltungsgerichts ist das Bundesamt zwar nachgekommen, indem es mit Schreiben vom 17.02.2022 mitgeteilt hat, dass ein Info request an den Mitgliedstaat Bulgarien gerichtet wurde, trotz einer Mahnung aber keine Antwort Bulgariens eingegangen sei. |
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| Bleibt bis zur gerichtlichen Entscheidung unklar, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorliegen und mithin die vom Bundesamt ausgesprochene Unzulässigkeitsentscheidung tragen, und kommt auch eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht in Betracht, geht dieser Umstand zulasten des Bundesamts, welches sich auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen beruft. |
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| Auch ein Austausch der Unzulässigkeitstatbestände bzw. eine Umdeutung derselben kommt vorliegend nicht in Betracht. Schon grundsätzlich scheidet ein Austausch der Rechtsgrundlage angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgen (§ 34a bzw. § 35 AsylG) aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 - 1 C 4.19 - juris Rn. 24; hierzu Neumann, HTK-AuslR / § 29 AsylG / Abs. 1, Stand: 22.10.2020, Rz. 8, 12 f.; siehe auch bereits BVerwG, Urteil vom 21.11.2017 - 1 C 39/16 - BVerwGE 161, 1 Rn. 45). Hinzu kommt, dass das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts ohne Eintrag der Personaldaten des Klägers zu 1. erfolgte und mithin eine Zustimmungsfiktion gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nicht auslösen konnte. Auch unter Zugrundelegung des Dublin-Regimes wäre Bulgarien mithin für den Kläger zu 1. nicht zuständig. |
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| Die Unzulässigkeitsentscheidung ist folglich hinsichtlich des Klägers zu 1. rechtswidrig. |
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| Auch die Unzulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Kläger zu 2.-6. ist im Ergebnis rechtswidrig und daher aufzuheben. |
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| Die Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf die Kläger zu 2.-6. ergibt sich vorliegend (schon) daraus, dass bei ihrem Fortbestehen (und der damit zusammenhängenden Abschiebungsandrohung nach Bulgarien) eine Trennung der Familie drohen würde, die mit Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 7 GRCh sowie Art. 8 EMRK nicht vereinbar wäre. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Unzulässigkeitsentscheidung im Falle einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh aufzuheben ist (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim u.a. - und Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:964], Hamed und Omar -), ist auch auf andere massive Grundrechtsverletzungen wie insbesondere des Rechts auf Achtung des Familienlebens nach Art. 7 GRCh bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK zu übertragen (so für die Fallgestaltung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG: VG Berlin, Urteil vom 05.01.2022 - 34 K 345/20 A - juris Rn. 28-30 m. w. N.; ferner in diesem Sinne bereits für Dublin-Konstellationen VG Sigmaringen, Beschluss vom 14.09.2020 - A 13 K 1269/18 - juris Rn. 33 m. w. N.; Urteil vom 16.11.2017 - A 7 K 2246/17 - juris Rn. 30). |
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| Der Umstand, dass vorliegend eine Abschiebungsandrohung streitgegenständlich ist und in deren Rahmen nach bisherigem asylverfahrensrechtlichen, nationalen Verständnis inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (wie hier: die Wahrung der Familieneinheit) nicht prüfungsgegenständlich waren, ändert an dieser Einschätzung nichts. |
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| Die Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG (bzw. hier: nach § 35 AsylG) stellt nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rückkehrentscheidung i. S. v. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, BVerwGE 162, 382, Rn. 18; Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 - BVerwGE 167, 383, Rn. 23). |
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| Dabei ging das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 10.10.2012 - 10 B 39.12 -, juris Rn. 4), der die Obergerichte folgen (vgl. bspw. OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 317; BayVGH, Urteil vom 21.11.2018 - 13a B 18.30632 -, juris Rn. 22), davon aus, dass ausschließlich von der Ausländerbehörde – und damit nicht im Rahmen der Rückkehrentscheidung vom Bundesamt – alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse wie z. B. schutzwürdige Interessen an der Vermeidung einer Trennung von Familienangehörigen zu prüfen sind. Dies legt insbesondere auch § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG in seinem Wortlaut (nahezu zwingend) nahe, wenn dort das Nichtbestehen von Duldungsgründen nicht als Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung aufgeführt wird. |
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| Demgegenüber gilt gemäß Art. 5 RFRL, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der RFRL den Grundsatz der Nichtzurückweisung einhalten und in gebührender Weise die folgenden Aspekte berücksichtigen: a) das Wohl des Kindes, b) die familiären Bindungen, c) den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen. Nach Art. 6 Abs. 1 RFRL erlassend die Mitgliedstaaten unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung. |
|
| Wie die Berücksichtigung des Kindeswohls in Art. 5 lit. a) RFRL bei der Umsetzung der RFRL zu erfolgen hat, ist mittlerweile jedenfalls teilweise vom EuGH geklärt worden. Der EuGH hat mit Urteil vom 11.03.2021 in der Rechtssache C-112/20 - - entschieden, dass Art. 5 lit. a) RFRL in Verbindung mit Art. 24 GRCh dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten vor Erlass einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung das Wohl des Kindes gebührend zu berücksichtigen haben, selbst wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um einen Minderjährigen, sondern um dessen Vater handelt. Mit Urteil vom 14.01.2021 in der Rechtssache C-441/19 hat der EuGH im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen entschieden, dass Art. 5 lit. a RFRL vorschreibt, das Wohl des Kindes in allen Stadien des Verfahrens zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 - , NVwZ 2021, 550, 551, Rn. 51). Ist eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, müssen die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen ergreifen, die zur Durchführung der Abschiebung des Betroffenen erforderlich sind (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 -, Rn. 79). Daher darf ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der RFRL gegenüber einem unbegleiteten Minderjährigen keine Rückkehrentscheidung erlassen, ohne ihn, bis er das Alter von 18 Jahren erreicht, anschließend abzuschieben (EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 -, Rn. 81). Insoweit lässt sich der Entscheidung des EuGH entnehmen, dass die Kindeswohlprüfung gerade nicht mehr ausschließlich der Vollzugsentscheidung der Ausländerbehörde einschließlich der dagegen eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten vorbehalten bleiben darf. |
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| § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist folglich unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass auch die Prüfung des in Art. 5 lit. a) RFRL aufgeführten Kindeswohlbelangs ungeschriebene Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung ist, während gleichzeitig § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs unangewendet bleiben muss, soweit eine Duldung aus denselben Gründen des Kindeswohls zu erteilen wäre (vgl. zum Ganzen VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 - juris Rn. 23-32, auch unter Auseinandersetzung mit der bis dato ergangenen, gegenteiligen Rechtssprechung des VG Karlsruhe und des OVG NRW; ferner Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 71 ff.; ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 - juris Rn. 42-46). |
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| Das vorrangig im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GRCh zu erwägende Kindeswohl ist auch bei der Rückkehrentscheidung gegen ein die Personensorge und / oder den Umgang |
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| ausübenden Elternteil zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11.03.2021 - C-112/20 - Rn. 43; VG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 87). |
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| Mit dem Wohl des Kindes – ein Begriff, der in der Rückführungsrichtlinie in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von 1989 (UN-KRK) (Erwägungsgrund Nr. 22) und im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 GRCh auszulegen ist – ist das Wohlergehen des Kindes in der längerfristigen Perspektive gemeint (Jarass, GRCh, 4. Aufl. 2021, Art. 24 Rn. 16). Diese Perspektive zielt in den Worten der Präambel der UN-KRK darauf, dass das Kind umfassend auf ein individuelles Leben in der Gesellschaft vorbereitet werden soll. Daraus ergibt sich für die Bedeutung des Kindeswohls bei der Prüfung des Erlasses einer Rückkehrentscheidung jedenfalls, dass Rückkehrentscheidungen, die eine Perspektive auf ein individuelles Leben in der Gesellschaft schwerwiegend und nachhaltig in Frage stellen, gegen das Berücksichtigungsgebot aus Art. 5 Buchst. a) RFRL verstoßen und rechtswidrig sind (VG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 81). |
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| Zwar stehen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wie auch der allermeisten Verwaltungsgerichte einschließlich des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 08.02.1999 - 1 B 2/99 - juris) regelmäßig weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK einer Aufenthaltsbeendigung entgegen, wenn es sich um ausreisepflichtige ausländische Ehegatten – auch mit Kindern – handelt, die beide (alle) kein Aufenthaltsrecht oder keine sonstigen schutzwürdigen Bindungen an die Bundesrepublik haben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.04.2007 - 11 S 1035/06 – juris Rn. 53; BayVGH, Beschluss vom 03.11.2005 - 10 CE 02.1645 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 04.11.2004 - 11 A 2446/02.A - juris). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem grundsätzlichen Beschluss vom 12.05.1987 (Az. 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1 ff. = NJW 1988, 626 ff.) festgestellt, dass Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG es regelmäßig nicht gebieten, dem Wunsch eines Fremden nach ehelichem und familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn er oder sein Ehegatte hier nicht seinen Lebensmittelpunkt gefunden haben. Dass der Lebensmittelpunkt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland liegt, kann ungeachtet der Vorstellungen und Wünsche des Betroffenen nur dann angenommen werden, wenn sein Verbleib im Bundesgebiet aufenthaltsrechtlich auf Dauer gesichert ist oder ein Anspruch auf Einräumung eines Daueraufenthaltsrechts besteht. Wenn kein Teil einer familiären Lebensgemeinschaft ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, ist grundsätzlich kein hinreichender Anknüpfungspunkt dafür vorhanden, eine familiäre Lebensgemeinschaft gerade in Deutschland zu leben. Vielmehr sind sie darauf zu verweisen, in ihrem Herkunftsstaat ihre Lebensgemeinschaft zu führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.02.1999 - 1 B 2/99 - InfAuslR 1999, 330 f.; HessVGH, Beschluss vom 11.06.2003 - 12 TG 1238/03 - AuAS 2003, 218 f.; BayVGH, Beschluss vom 03.11.2005 - 10 CE 02.1645 -, juris). |
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| Vorliegend droht aber eine dauerhafte Trennung der Familienangehörigen, namentlich des Klägers zu 1. einerseits und der Kläger zu 2.-6. andererseits, die mit Art. 6 GG, Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK unvereinbar wäre. Denn ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zum rechtlichen Schicksal der Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf den Kläger zu 1. kommt für diesen eine Abschiebung nach Bulgarien tatsächlich nicht in Betracht, weil es an den rechtlich hierzu erforderlichen Voraussetzungen fehlt. Gleichermaßen unsicher ist, ob der Kläger zu 1. – sei es als dort selbst subsidiär Schutzberechtigter, sei es als Familienangehöriger der in Bulgarien subsidiär schutzberechtigten Kläger zu 2.-6. – freiwillig nach Bulgarien zurückkehren und dort mit rechtmäßigem Aufenthalt dauerhaft leben könnte. Umgekehrt wäre es den Klägern zu 2.-6. im Falle des Fortbestehens der streitgegenständlichen Unzulässigkeitsentscheidung (und damit verbunden der Abschiebungsandrohung nach Bulgarien und des auf 30 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots) mindestens für diese Zeitdauer verwehrt, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. |
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| Ein Zusammenleben zur Wahrung der Familieneinheit kommt auch nicht in Syrien in Betracht. Denn für alle Kläger gilt aufgrund von Ziff. 4 Satz 4 des streitgegenständlichen Bescheids (und – damit zusammenhängend – aufgrund des von Bulgarien jedenfalls im Hinblick auf die Kläger zu 2.-6. zuerkannten subsidiären Schutzes), dass sie nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. |
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| Schon zur Wahrung der auf Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK beruhenden Familieneinheit ist es daher vorliegend geboten, auch die Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf die Kläger zu 2.-6. aufzuheben. |
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| Hinzu kommt, dass den Klägern zu 2.-6. In Bulgarien eine Verletzung in Art. 4 GRCh drohte, die ebenfalls zur Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung führt/führen muss. |
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| Die Rechtmäßigkeit einer Unzulässigkeitsentscheidung wegen bereits erfolgter Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat setzt in unionsrechtskonformer Einschränkung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG voraus, dass den Antragsteller in dem Mitgliedstaat, der den Schutz gewährt hat, keine Lebensumstände erwarten, die einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh gleichkommen (BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 - 1 C 4/19 - juris Rn. 36 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim u.a. - und Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:964], Hamed und Omar -). |
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| Das ist der Fall, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller bzw. Kläger als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz deshalb als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist (vgl. EuGH, Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 u.a. - Rn. 35; s. a. Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 88). Es ist damit geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 GRCh im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen. |
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| Auf die Vorlage des BVerwG hat der EuGH außerdem im Urteil "Ibrahim" - in Anlehnung an das Urteil "Jawo" vom gleichen Tag - den Maßstab für eine Verletzung von Art. 4 GRCh durch die Lebensbedingungen im Staat der Schutzgewährung näher konkretisiert. Danach fallen systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen nur dann unter Art. 4 GRCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst bei durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 89 - 91 sowie - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], Jawo - Rn. 91 - 93; Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u.a. - Rn. 39). |
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| Der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse in dem Mitgliedstaat, der internationalen Schutz gewährt hat, nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie gerecht werden, vermag angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens die Ausübung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU vorgesehenen Befugnis nicht einzuschränken, solange die zuvor beschriebene Erheblichkeitsschwelle des Art. 4 GRCh nicht überschritten ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 92). Auch der Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, steht nicht schon für sich genommen der Ablehnung eines (neuerlichen) Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig entgegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 93 f.). Systemische Mängel des Asylverfahrens selbst mögen zwar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat rechtfertigen, der subsidiären Schutz gewährt hat, schränken aber ebenfalls die Befugnis der übrigen Mitgliedstaaten nicht ein, einen neuen Antrag als unzulässig abzulehnen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 95 - 100). |
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| Gemessen hieran drohen den Klägern (zu 2.-6.) im Falle ihrer Rücküberstellung nach Bulgarien Lebensbedingungen, die unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen eine Situation extremer materieller Not begründeten, die es ihnen nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. |
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| Dabei geht das Gericht davon aus, dass im Rahmen der Rückkehrprognose lediglich die Kläger zu 2.-6. – ohne den Kläger zu 1. – zu berücksichtigen sind. Zwar ist bei realitätsnaher Betrachtung (BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 - juris) im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt. Diese zu § 60 Abs. 5 AufenthG ergangene Rechtsprechung betrifft jedoch die Verfahrenskonstellation, in der lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, nicht aber – wie hier, s. o. – auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen sind (vgl. a. a. O. juris Rn. 21). Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ist auch deswegen nicht angezeigt, weil es im Falle des Klägers zu 1. tatsächliche (und nicht „nur“ rechtliche) Gründe sind, die seiner Rücküberstellung nach Bulgarien entgegenstehen, weil nicht positiv feststeht, ob der Kläger zu 1. zurück nach Bulgarien reisen kann.. |
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| Ausgehend hiervon ist anzunehmen, dass den Klägern zu 2.-6. im Falle ihrer Rücküberstellung nach Bulgarien – ohne den Kläger zu 1. – eine Verletzung in Art. 4 GRCh drohte. |
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| Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 27.05.2019 - A 4 S 1329/19 - juris Rn. 7) ist bei Zugrundelegung der soeben zitierten Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs davon auszugehen, dass gesunde und arbeitsfähige Flüchtlinge derzeit in Bulgarien weder im Zeitpunkt der Rücküberstellung noch während des Asylverfahrens und auch nicht nach unterstellter Zuerkennung von internationalem Schutz unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen durch systemische Schwachstellen gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO oder sonstige Umstände dem „real risk“ einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art 4 GRCh ausgesetzt werden. Etwas anderes kann im Einzelfall bei vulnerablen Flüchtlingen gelten, d.h. bei Antragstellern mit besonderer Verletzbarkeit. |
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| Nach dem jüngsten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vom 15.02.2022 - 11 A 1625/21.A - juris Rn. 25-46) sowie dem Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen (vom 10.02.2022 - 2 K 175/19 - juris, insbesondere Rn. 58-70) gilt diese Einschätzung nach wie vor und insbesondere auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie (und auch für in Bulgarien anerkannte Schutzberechtigte). Der hier erkennende Einzelrichter macht sich die diesbezüglichen tatrichterlichen Würdigungen der Lebensumstände in Bulgarien zu eigen und überträgt sie auf den Fall der Kläger des vorliegenden Verfahrens. |
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| Die Kläger zu 2.-6. gehören zur Überzeugung des Einzelrichters zur Gruppe der vulnerablen, d. h. besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne des Art. 21 der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU. Danach gelten als schutzbedürftige Personen: Minderjährige, unbegleiteten Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien. |
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| Ob die Klägerin zu 2. bereits aufgrund der psychologischen Stellungnahme des medizinischen Versorgungszentrums der LEA Ellwangen vom 04.10.2017, die den Anforderungen des § 60a Abs. 2c S. 2,3 AufenthG nicht entspricht, aufgrund der dort diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung als vulnerabel einzustufen ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls ergibt sich die Vulnerabilität der Kläger zu 2.-6. insgesamt aus dem Umstand, dass die Klägerin zu 2. angesichts der dargestellten realitätsnahen Betrachtungsweise als alleinstehende Mutter von vier Kindern bzw. Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren nach Bulgarien zurückkehren würde (anders insoweit die Sachverhaltskonstellation bei OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2022 - 11 A 1625/21.A - juris Rn. 87: Alleinstehende junge Führerin mit abgeschlossenem Abitur und begonnenem Studium des Bauwesens). |
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| Auch im vorliegenden Zusammenhang macht sich der erkennende Einzelrichter die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 10.02.2022 - 2 K 175/19 - juris Rn. 72-74), die er auf den hier zu entscheidenden Fall der Kläger zu 2.-6. überträgt, weil sie für die Kläger des vorliegenden Verfahrens gleichermaßen Gültigkeit besitzen. |
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| Dass der Kläger zu 1. die weiteren Kläger im Falle von deren Rücküberstellung nach Bulgarien von Deutschland aus finanziell unterstützen und so ihren Lebensunterhalt in Bulgarien sichern könnte, ist nicht ersichtlich. |
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| Ob die Abschiebungsandrohung bereits wegen des Vorgehens des Bundesamts, die Abschiebungsandrohung unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG mit einer bei Klageerhebung erst nach der Unanfechtbarkeit laufenden 30-tägigen Ausreisefrist zu verbinden, aufzuheben ist, weil sie objektiv nicht in Einklang mit dem AsylG steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2019 - 1 C 15/18 - BVerwGE 164, 179-203 - juris Rn.- 50) und allein dies zur Rechtswidrigkeit der gesamten Abschiebungsandrohung führt (ablehnend mangels subjektiver Rechtsverletzung VG Magdeburg, Urteil vom 19.08.2019 - 8 A 11/19 - juris Rn. 62; bestätigt durch OVG LSA, Beschluss vom 15.10.2019 - 3 L 212/19 - juris Rn. 6), kann offenbleiben. |
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| Denn jedenfalls ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Voraussetzungen von § 35 AsylG nicht (mehr) vorliegen, weil die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 42/20 - juris Rn. 29; Urteil vom 25.04.2019 - 1 C 51/18 - juris Rn. 20; Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24/15 - juris Rn. 25). |
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| Auch die Feststellung in Ziff. 2 des angegriffenen Bescheids, wonach Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, ist vorliegend aufzuheben. Denn sie ist mangels wirksamer Unzulässigkeitsentscheidung verfrüht ergangen und daher im Wege der Anfechtungsklage ebenfalls aufzuheben (vgl. BVerwG, BVerwG, Urteil vom 27.05.2021 - 1 C 6/20 - juris Rn. 11; Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 - BVerwGE 157, 18-34). |
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| Dem befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot ist durch die Aufhebung der Abschiebungsandrohung gleichermaßen die Grundlage entzogen, § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die hilfsweise gestellten, abstrakt betrachtet unzulässigen (s. o.) Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf subsidiären Schutz wirken sich auf der Kostenebene nicht aus. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. |
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