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| Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Der Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weshalb die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt bedurfte (§ 85 SGB IX). Dieses hat über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 297/88 -). |
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| Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO). Dies beinhaltet die Prüfung, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637/97 -), desgleichen, wenn sie Umstände in die Ermessensbetätigung einstellt, die nicht ausreichend ermittelt sind aber auch, wenn sie einzelne Gesichtspunkte zwar erkennt, diese aber unzutreffend gewichtet. |
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| In Fällen, in denen die Zustimmung für die beabsichtigte Kündigung erteilt wird, kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Bescheids an, der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war mit der Folge, dass erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene oder vom Schwerbehinderten danach mitgeteilte oder sonstwie bekannt gewordene Umstände die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten und damit der erteilten Zustimmung im Grundsatz nicht mehr berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2008, - 5 B 79.08 -, ; s. auch Verwaltungsgericht München, Urteil vom 18.11.2010, - M 15 K 09.5850 -, mit weiteren Nachweisen). |
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| Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdende Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil des VG Stuttgart vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau/Düwell/Haines , Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem früheren SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Das hat auch Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Die zu treffende Ermessensentscheidung setzt somit eine Abwägung einerseits der Belange des schwerbehinderten Beschäftigten an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und andererseits der Interessen des Arbeitgebers, die vorhandenen Arbeitsplätze wirtschaftlich zu nutzen und den Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen, voraus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171.06 und Urt. v. 28.02.1968, BVerwGE 29, 140). Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 31.07.2007 – 5 B 81/06 -, und Urt. v. 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287 <292 f. > m. w. N. zum SchwbG). |
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| Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besonders hohe Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um auch den im Schwerbehindertengesetz zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an wirtschaftlichem Nutzen in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.1 0.1 971 V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-, Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990 - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3 und Urt. v. 19.10.1995, BVerwGE 99, 336 = DVBl 1996,858). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitgeber gehalten wäre, den Schwerbehinderten „durchzuschleppen“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.02.1968, BVerwGE 29, 140), wenn also eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.06.1990 aaO). Das Schwerbehindertenrecht soll nicht dazu führen, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer, deren Leistungen - sei es auch aufgrund ihrer Behinderung - unterhalb des betrieblich oder wirtschaftlich Vertretbaren liegen, weiterbeschäftigt werden müssen. In einer solchen Situation kann nicht mehr vom Fortbestehen eines synallagmatischen Austauschverhältnisses gesprochen werden, wie dies das Arbeitsverhältnis voraussetzt, vielmehr würde aus der Rechtsbeziehung dann nur noch eine einseitige Belastung des Arbeitsgebers folgen. Deshalb kann unter solchen Bedingungen die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden. Von einem unzumutbaren „Durchschleppen“ kann gesprochen werden, wenn die Minderleistungen das Übliche wesentlich überschreiten, wenn aus diesem Grunde beim Arbeitgeber erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Schwierigkeiten eintreten, wenn aufgrund einer Prognose davon auszugehen ist, dass sich diese Lage nicht ändern wird und wenn beim Arbeitgeber kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, an dem der Schwerbehinderte ungeachtet seiner Behinderung beschäftigt werden kann; auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers kommt es hierbei nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.04.1989 - 6 S 1297/88 - Juris -). |
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| Hinsichtlich der für die Abwägung bedeutsamen Umstände darf sich das Integrationsamt im Grundsatz nicht darauf beschränken, die Behauptungen der Verfahrensbeteiligten - namentlich des Arbeitgebers - lediglich auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die Behörde muss vielmehr dem Untersuchungsgrundsatz (§ 20 SGB X) folgend alle Tatsachen ermitteln, die unter Berücksichtigung des Antrags auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erforderlich sind, um die gegensätzlichen Interessen gegeneinander abzuwägen und sich von der Richtigkeit der für die Entscheidung wesentlichen Umstände unter Berücksichtigung der Behauptungen der Verfahrensbeteiligten eine eigene Überzeugung zu bilden (vgl. etwa Bay. VGH, Beschl. v. 18.6.2008 - BV 05.2467 - unter Hinweis auf BVerwG vom 19.10.1995, BVerwGE 99, 336/338 und vom 6.2.1995 Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1985 Nr. 9). Diejenigen Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden, braucht das Integrationsamt bei seiner Ermessensentscheidung nicht eigens „ausermitteln“, soweit diese sich ihm bei vernünftiger Überlegung nicht aufdrängen mussten oder aber durch die Beteiligten ein Hinweis erfolgt ist (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, Buchholz 436.61 § 85 SGB IX Nr. 8; Beschluss vom 23.09.1997 - 9 S 1635/96). Dagegen sind die vier tatsächlichen Kriterien, nach denen von einem Fall eines unzumutbaren „Durchschleppens“ gesprochen werden kann (vgl. oben), vollständig in ihrem Sachverhalt zu erforschen. Insoweit darf das Integrationsamt lediglich hilfsweise berücksichtigen, inwieweit die Darstellung der Verfahrensbeteiligten überhaupt zweifelhaft oder von der jeweils anderen Seite substantiell bestritten ist. Äußert sich ein Verfahrensbeteiligter zu einzelnen ganz konkreten Aussagen eines anderen Beteiligten nicht, so darf das Integrationsamt vom Vorliegen des entsprechenden Sachverhaltes ausgehen. Dabei kommt es auf die Konkretheit des Vorbringens entscheidend an. Pauschale Behauptungen vermögen ein unzumutbares „Durchschleppen“ im oben dargestellten Sinne nicht zu begründen. |
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| Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier zwar vor. Die nach § 85 SGB IX vorzunehmende Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Damit war das Ermessen eröffnet. Die vorliegend angefochtene Ermessensentscheidung ist nach den oben dargestellten Grundsätzen im Ergebnis aber zu beanstanden. |
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| 1. Schon das Verwaltungsverfahren selbst weckt hier Zweifel an einer ordnungsgemäßen Ermessensbetätigung seitens des Beklagten. Der Antrag der Beigeladenen vom 13.02.2009 wäre nach Lage der Dinge im Anschluss an die zunächst durchgeführte mündliche Verhandlung vom 18.03.2009 nämlich ohne weiteres ablehnungsreif gewesen. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechs Monate erkrankt. Dass hierin eine das Übliche wesentlich überschreitende Minderleistung liegt (vgl. oben), ist schon nicht zu erkennen. Noch mehr gilt dies für das zweite Kriterium, das zur Beantwortung der Frage, ob von einem unzumutbaren „Durchschleppen“ gesprochen werden kann (vgl. oben), heranzuziehen ist. Erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Schwierigkeiten der Beigeladenen aufgrund der sechsmonatigen Abwesenheit des Klägers waren nicht ernsthaft zu erkennen. Die Beigeladene hat in ihrem Antrag und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2009 vor dem Beklagten auch keinerlei konkrete Angaben hierzu gemacht. Sie beschränkte sich auf die pauschale Behauptung, man sei „in erhebliche Schwierigkeiten gelangt, da man dauernd umdisponieren müsse“ bzw. es sei schwierig, die vielen Krankentage des Klägers organisatorisch zu gestalten. Ein solches Vorbringen ist nahezu ohne Aussagewert. Auch der von der Beigeladenen unter dem 23.02.2009 dem Beklagten übermittelte Fragebogen zum Arbeitsplatz des Klägers und zum Unternehmen trug insoweit nichts Erhellendes bei. Immerhin handelt es sich bei der Beigeladenen mit einer Zahl von 50 Arbeitsplätzen gemäß § 73 Abs. 1 SGB IX nicht um einen „Kleinbetrieb“. Daraus folgt zugleich, dass zu diesem Zeitpunkt auch nicht davon ausgegangen werden konnte, dass beim Arbeitgeber kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, an dem der Schwerbehinderte ungeachtet seiner Behinderung (künftig) beschäftigt werden kann (vgl. oben). Zwar obliegt es nach den oben ausgeführten Grundsätzen dem Schwerbehinderten, im Verfahren nach dem SGB IX ggf. darzutun, in welchem Bereich seines bisherigen Arbeitgebers seiner Ansicht nach eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Macht der Schwerbehinderte solche Angaben nicht, so darf das Integrationsamt jedoch nicht einfach davon ausgehen, eine solche anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit sei offensichtlich nicht vorhanden, was letztlich dann zur Annahme eines unzumutbaren „Durchschleppens“ führen müsse. Vielmehr muss der Arbeitgeber selbst eine solche Behauptung erst einmal nachvollziehbar aufstellen. Die beigeladene Arbeitgeberin hatte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten am 18.03.2009 aber noch nicht einmal vorgetragen, eine solche anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht. Im Übrigen hätte angesichts der Größe des Unternehmens mit 50 Arbeitsplätzen außer einer entsprechenden pauschalen Behauptung auch wenigstens eine grobe Aufgliederung der Arbeitsplätze erfolgen müssen, ehe für den Beklagten die Annahme gerechtfertigt wäre, ein anderweitiger Arbeitsplatz, an dem der Kläger ungeachtet seiner Behinderung beschäftigt werden könne, sei beim Arbeitgeber nicht vorhanden. |
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| Dass der Beklagte in dieser Lage des Verfahrens keine den Antrag der Beigeladenen zurückweisende Entscheidung getroffen hat, er vielmehr über Monate hinaus - isoliert - Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers und einer diesbezüglichen Prognose angestellt hat, wirft die Frage auf, ob dem Beklagten seine gesetzliche Aufgabe, Schwerbehinderten nach dem SGB IX Schutz zu gewähren, hinlänglich bewusst ist. Er erweckt so den Eindruck, er sehe es als notwendig an, Zustimmungsanträge von Arbeitgebern, die ihre schwerbehinderten Mitarbeiter kündigen wollen, „passend“ zu machen. Die Annahme einer ordnungsgemäßen Ermessensbetätigung in einem solchen „fehlgeleiteten“ Verwaltungsverfahren ist daher schon zweifelhaft. |
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| 2. Aber auch aus der letztlich ergangenen Entscheidung des Beklagten vom 26./27.04.2010 ergeben sich entsprechende Ermessensfehler, die zur Aufhebung dieser Entscheidung führen müssen. |
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| a) Auch insoweit gilt, dass der Beklagte bis zum Erlass des angegriffenen Bescheides die Voraussetzung, ob beim Arbeitgeber kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, an dem der Schwerbehinderte ungeachtet seiner Behinderung beschäftigt werden kann (vgl. oben), nicht weiter aufgeklärt hat. Insoweit gilt das oben Ausgeführte. Dieser Aufklärungsmangel bezüglich eines maßgeblichen Umstandes stellt allein schon einen Ermessensfehler dar. |
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| b) Zwar konnte der Beklagte durch den weiteren Zeitablauf nunmehr davon ausgehen, dass die Fehlzeiten des Klägers (inzwischen) das übliche Maß wesentlich überschritten haben. Mit Ausnahme des kurzen Wiedereingliederungsversuches stand der Kläger nunmehr für einen Zeitraum von September 2008 bis April 2010 seinem Arbeitgeber nicht mehr zur Verfügung, sondern war arbeitsunfähig. Wie schon in anderen Verfahren, bei welchen es um das sog. „Durchschleppen“ ging und die vor der erkennenden Kammer des Verwaltungsgerichts zu entscheiden waren, hat der Beklagte jedoch auch hier keinerlei Feststellungen zur Frage getroffen, ob diese Fehlzeiten des Klägers bei der Beigeladenen zu erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt haben (vgl. oben). Angesichts des Umstandes, dass für den Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten kein Lohnfortzahlungsanspruch mehr bestand, waren erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht ohne weiteres zu erkennen. |
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| Zwar bestehen infolge der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 20.01.2009 in der Rechtssache C-350/06) zum Entgeltanspruch der Arbeitnehmer für krankheitsbedingt ausgefallenen Urlaubsanspruch, für Arbeitgeber in der gegebenen Konstellation entsprechende finanzielle Belastungen, nachdem der EuGH aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit auf einen entsprechenden „Urlaubsabgeltungsanspruch“ erkannt hat. Diesen Umstand, der im Rahmen der o.a. Grundsätze zum „Durchschleppen“ eventuell eine wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers darstellen kann, obwohl der Kläger im Übrigen seit langem keine Lohn- oder Lohnfortzahlungsansprüche mehr hat, hat der Beklagte seiner Ermessensentscheidung aber nicht zugrunde gelegt, weil er schon keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Damit käme es insoweit allein auf das Vorliegen erheblicher betrieblicher Schwierigkeiten an. Aber auch diesbezüglich fehlt es an den entsprechenden Feststellungen des Beklagten und an einem konkreten Vorbringen der Beigeladenen um von einer ordnungsgemäßen Sachverhaltsermittlung und nachfolgend einer rechtmäßigen Ermessensentscheidung auszugehen. Allein das sich berufen auf „Disponierungsschwierigkeiten“ seitens der beigeladenen Arbeitgeberin stellt keinen konkreten Vortrag erheblicher betrieblicher Schwierigkeiten dar. |
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| c) Auch hinsichtlich der zu stellenden Prognose zum weiteren Gesundheitszustand des Klägers hat der Beklagte keine sicheren Tatsachenfeststellungen getroffen. Der Beklagte hat sich ersichtlich maßgeblich auf die Kurzauskunft des den Kläger behandelnden niedergelassenen Arztes Dr. ... vom 10.04.2010 verlassen, wonach mit einer Genesung nicht zu rechnen sei und eine Berentung empfohlen werde. |
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| Bei dieser Bescheinigung handelt es sich schon nicht um ein ärztliches Gutachten, weil sie die Grundlagen der Untersuchung und deren Ergebnisse nicht offen legt und keine nachvollziehbaren Schlussfolgerungen daraus zieht. Es handelt sich vielmehr um unüberprüfbare Behauptungen von nicht näher dargelegten „dauerhaften Beeinträchtigungen“. Zwar ist nicht zu übersehen, dass der Beklagte zahlreiche Versuche unternommen hat, namentlich von diesem Arzt tiefergehende Auskünfte zu erlangen. Nachdem dies aber ersichtlich gescheitert war, durfte sich der Beklagte mit der dürftigen Mitteilung, die dann schließlich einging, nicht begnügen. Der Beklagte verfügte über entsprechende Entbindungserklärungen von der ärztlichen Schweigepflicht seitens des Klägers. Er hätte daher zumindest im vorliegenden Fall auch eine schriftliche gutachterliche Äußerung des Zentrums für Psychiatrie in ... einholen können und müssen und schließlich hätte er, wenn die gewisse „Unwilligkeit“ der mit dem Kläger befassten Ärzte zu gutachterlichen Äußerungen nicht anders behebbar gewesen wäre, selbst ein fachärztliches Gutachten nach den Regeln des SGB X in Auftrag geben müssen. Der Kläger hatte ausdrücklich auch einen ggf. vom Integrationsamt beauftragten Gutachter von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Holt das Integrationsamt eine solche Entbindungserklärung ausdrücklich ein, versagt es sich aber anschließend einem solchen Gutachtensauftrag, obwohl ihm anderweitige gutachterliche Stellungnahmen nicht wirklich zur Verfügung stehen, so leiden die Ermittlungen an einem Sachverhaltsaufklärungsmangel, der im Ergebnis einen Ermessensfehler hervorbringt. |
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| 3. Ein weiteres kommt schließlich hinzu. Im Rahmen seiner Abwägung vor Erlass des angegriffenen Bescheides hat der Beklagte ein weiteres bedeutsames Kriterium gänzlich unberücksichtigt gelassen. Zwar hat der Beklagte im Rahmen des angegriffenen Bescheides vom 26.04.2010 zunächst erkannt, der Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nach dem SGB IX solle nicht dazu führen, dass einem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers außerhalb des ihm Zumutbaren abverlangt werde (vgl. oben). Im Rahmen der Prüfung, ab wann von einer Unzumutbarkeit auszugehen sei, hat der Beklagte aber überhaupt nicht berücksichtigt, ob die Beigeladene ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 71 Abs. 1 SGB IX aktuell genügt bzw. ob durch die beabsichtigte Kündigung die Gefahr bestand, dass die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX drohte unterschritten zu werden. |
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| Bei der Frage, was einem Arbeitgeber an Zumutbarem abverlangt wird, kann dies im Rahmen der gebotenen Abwägung nicht völlig außer Betracht bleiben. Die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist nach § 156 Abs. 1 SGB IX bußgeldbewehrt. Es handelt sich um eine durchaus erhebliche Rechtspflicht, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) konkretisiert. Beruft sich ein Arbeitgeber darauf, die Weiterbeschäftigung eines Schwerbehinderten sei ihm unzumutbar, so macht es einen Unterschied, ob er im Übrigen die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt oder ob er (nunmehr) hiergegen verstößt. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der in eigener Person alle maßgeblichen Rechtsvorschriften, die dem entsprechenden Rechtskreis zuzuordnen sind, erfüllt, sich bei der Frage der Zumutbarkeit auf einen engeren Maßstab berufen kann als derjenige, der selbst seine gesetzlichen Verpflichtungen nicht vollkommen erfüllt. |
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| Ausweislich der Angaben der Beigeladenen in dem vom Beklagten verwandten Fragebogen zum Unternehmen, die - soweit angegeben - plausibel erschienen und vom Kläger im Verwaltungsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen wurden, bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung des Klägers für die Beigeladene gemäß § 71 Abs. 1 SGB IX eine Pflicht zur Beschäftigung von drei schwerbehinderten Menschen. Ob diese Pflicht durch die Kündigung des Klägers drohte unterschritten zu werden, blieb aber offen. Die Beigeladene hatte die Rubrik „Tatsächlich besetzt einschließlich Mehrfachanrechnungen (Ist)“ in Bezug auf die Pflichtquote aus § 71 Abs. 1 SGB IX nicht ausgefüllt und der Beklagte hat insoweit nicht ergänzend nachgefragt. Aus diesem Aufklärungsmangel resultierte im Folgenden ganz offensichtlich die Annahme des Widerspruchsausschusses des Beklagten, die Beigeladene beschäftige überhaupt nur einen Schwerbehinderten, den Kläger. Soweit die Beigeladene im gerichtlichen Verfahren nunmehr vorträgt, sie habe (seinerzeit) vier Schwerbehinderte beschäftigt, zeigt dies nur, dass der maßgebliche Sachverhalt im entscheidenden Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten, dem 26.04.2010, insoweit gänzlich ungeklärt war. Auch dies führt daher zu einem Ermessensfehler mit der Folge, dass der angegriffene Bescheid aufgehoben werden musste. |
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