Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet (§ 166 VwGO, §§ 114, 115, 119, 120, 121 ZPO). Ratenzahlungen sind nicht zu leisten.
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| Der Antragsteller, ein syrischer Staatsangehöriger, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (A 7 K 555/17) gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.01.2017 enthaltene Abschiebungsandrohung nach Griechenland. |
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| Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Diese Frist ist hier eingehalten. Der Bescheid vom 10.01.2017 wurde dem Antragsteller am 13.01.2017 zugestellt. Der am 16.01.2017 gestellte Antrag ist daher innerhalb der Wochenfrist bei Gericht eingegangen. |
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| Der Antrag ist auch begründet. |
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| Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts der Asylbewerberin im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig und ist deren Folge. |
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| Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93, juris). |
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| Solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung liegen hier vor. |
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| 1. Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG grundsätzlich richtig und daher auch eine Abschiebungsandrohung gem. § 35 AsylG zu erlassen war. |
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| 2. Jedenfalls bestehen hier ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, weil in Bezug auf Griechenland ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK vorliegen dürfte. Auch im Rahmen einer Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG ist zu prüfen, ob Abschiebungsverbote vorliegen, da ebenfalls die Anforderungen von § 34 AsylG gelten (vgl. OVG NRW, U. v. 24.08.2016 - 13 A 63/16.A -, juris). § 35 AsylG stellt zu § 34 AsylG insoweit eine Sonderregelung dar, als die Abschiebung in den Staat angedroht werden muss, in dem der Ausländer vor Verfolgung sicher war. Im vorliegenden bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Griechenland keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK droht. |
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| a) Zwar trifft es zu, dass Griechenland Mitglied der Europäischen Union und damit Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Es besteht daher prinzipiell die Vermutung, dass auch anerkannte Flüchtlinge gemäß den Vorschriften der EMRK behandelt werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. -, juris). Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden, wenn ernsthafte und durch Tatsachen belegte Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Ausländer Gefahr läuft einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, den die geltenden asylrechtlichen Richtlinien der EU konkretisieren, ausgesetzt wird (vgl. EGMR, U. v. 21.01.2011 - 30969/09 -, M. S. S./Belgien u. Griechenland, NVwZ 2011, 413; EGMR, U. v. 04.11.2014 - 29217/12 -, Tarakhel/Schweiz, NVwZ 2015, 127; VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, juris; VG Lüneburg, U. v. 21.12.2016 - 8 A 170/16 -, juris). |
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| Aus der Rechtsprechung des EGMR folgt auch, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht dazu verpflichtet, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet bestimmte Leistungen zu verschaffen wie eine Wohnung oder finanzielle Unterstützung (vgl. EGMR, U. v. 21.01.2011 - 30969/09 -, M. S. S./Belgien u. Griechenland, NVwZ 2011, 413). Hier besteht aber die Besonderheit, dass die europäischen Richtlinien, hier insbesondere die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie), bestimmte Mindeststandards vorsehen, wie anerkannte Flüchtlinge in den Mitgliedstaaten zu behandeln sind (vgl. EGMR, U. v. 21.01.2011 - 30969/09 -, M. S. S./Belgien u. Griechenland, NVwZ 2011, 413; VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, juris). Dazu gehört insbesondere der Zugang zu Beschäftigung gem. Art. 26 RL 2011/95/EU, der auch beschäftigungsbezogene Bildungsangebote oder berufsbildende Maßnahmen umfasst, oder den Zugang zu Wohnraum gem. Art. 32 RL 2011/95/EU. Dadurch wird festgelegt, wie die Aufnahmebedingungen in den Mitgliedstaaten ausgestaltet sein müssen. Doch kann auch nicht jeder einzelne Verstoß gegen Richtlinienvorschriften ein Abschiebungsverbot begründen (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. -, juris). Dies würde zu einer Umgehung des Europäischen Asylsystems führen. Ein Abschiebungsverbot liegt vielmehr erst dann vor, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen im jeweiligen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des in diesen Mitgliedstaat abgeschobenen Ausländers implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. -, juris). Dazu ist einerseits erforderlich, dass die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sind, so dass sie die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass es nicht nur in Einzelfällen zu Grundrechtsverstößen kommt. Andererseits müssen sich diese strukturellen Schwachstellen auch konkret auf den Antragsteller auswirken können (vgl. VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, juris; VG Lüneburg, U. v. 21.12.2016 - 8 A 170/16 -, juris). Diese Grundsätze, die sich an sich aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-III-VO sowie der erwähnten Rechtsprechung des EuGH ergeben und damit auf noch nicht anerkannte Asylbewerber anwendbar sind, gelten für anerkannte Schutzberechtigte entsprechend (vgl. HessVGH, U. v. 04.11.2016 - 3 A 1292/16.A -, juris; VG Lüneburg, U. v. 21.12.2016 - 8 A 170/16 -, juris). Zum europäischen Asylsystem gehört auch, dass anerkannte Flüchtlinge menschenwürdig behandelt werden und daher auch die Bedingungen für sie so ausgestaltet sind, dass ein effektiver Flüchtlingsschutz gewährleistet ist. Dies zeigt sich auch an den oben erwähnten Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie zur Behandlung anerkannter Flüchtlinge. |
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| b) Nach diesen Maßstäben bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass derzeit kein Abschiebungsverbot im Falle des Antragstellers besteht. Aus dem Dokument „Länder-Information: Griechenland“ (Stand Oktober 2016) der Antragsgegnerin geht hervor, dass schutzberechtigte Migranten zwar prinzipiell Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung haben. Allerdings bestehen starke Einschränkungen bei der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Rechte wegen der schwierigen ökonomischen und staatlich-administrativen Situation des Landes. Insbesondere mangelt es auch an zielgerichteten Maßnahmen zur Integration und Unterstützung nach Zuerkennung eines Schutzstatus. Anerkannte Schutzberechtigte bleiben gesellschaftlich ausgegrenzt. Darüber hinaus bestehen Probleme für anerkannte Flüchtlinge, eine Wohnung zu finden. Es gibt weder für Einheimische noch für Zuwanderer Sozialwohnungen, Mietsubventionen oder sonstige finanzielle Hilfen bei der Wohnungssuche. Von staatlichen Stellen werden nur sehr wenige Unterkünfte zur Verfügung gestellt, wobei anerkannte Schutzberechtigte bei der Vergabe oft Diskriminierungen ausgesetzt sind. Sie bleiben daher häufig obdachlos. Darüber hinaus stellt gerade auch Arbeitslosigkeit ein großes Problem unter anerkannten Schutzberechtigten dar, da keine staatliche Strategie zur Förderung des Zugangs zum Arbeitsmarkt besteht. Arbeitslose Schutzberechtigte erhalten zu 90% kein Arbeitslosengeld, da sie meist weniger als zwei Jahre in die Sozialkassen eingezahlt haben. Sonstige Sozialhilfeleistungen gab es bisher nicht. Zwar war für Januar 2017 die Einführung eines Systems der Sozialhilfe geplant, zu dem auch anerkannte Schutzberechtigte Zugang haben sollen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge v. 22.12.2016). Wie dies in Griechenland aber tatsächlich praktiziert werden wird, dürfte offen sein. |
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| Für diese Einschätzung spricht im Übrigen auch, dass aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zu den Verhältnissen in Griechenland (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. -, juris) und einer entsprechenden Anweisung des Bundesministeriums des Innern vom 28.11.2011 im Rahmen von Dublin-Verfahren in der Vergangenheit keine Überstellungen von Asylbewerbern mehr nach Griechenland stattgefunden haben. Dass sich an der diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Situation in Griechenland, die nach den oben erwähnten Erkenntnismitteln auch für anerkannte Schutzberechtigte gelten dürfte, entscheidend etwas geändert hat, ist nicht ersichtlich. |
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| Der Einwand der Antragsgegnerin in Bezug auf den Antragsteller, er habe bei seinem ersten Aufenthalt in Griechenland eine Arbeit gehabt und könne daher seinen Lebensunterhalt dort sichern, greift demgegenüber nicht durch. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben als Tagelöhner gearbeitet. Es ist bei einer Rückkehr völlig offen, ob er wieder eine Arbeit finden wird. Selbst wenn der Antragsteller sich in irgendeiner Weise ohne staatliche Unterstützung durchschlagen können sollte, hat er dennoch einen Anspruch auf menschenrechtskonforme Behandlung, welcher ein Mindestmaß an bestimmten staatlichen Leistungen, wie es die Qualifikationsrichtlinie vorsieht, beinhaltet (vgl. VG Lüneburg, U. v. 21.12.2016 - 8 A 170/16 -, juris). |
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| Ebenso ist es unerheblich, dass die Lage für die einheimische Bevölkerung in Griechenland in weiten Teilen ebenfalls schwierig ist. Wie oben erläutert bleiben gerade auch anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland gesellschaftlich ausgegrenzt und werden diskriminiert. Sie gehören daher wie Asylsuchende zu einer besonders schutzbedürftigen Gruppe, was bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK zu berücksichtigen ist (vgl. EGMR, U. v. 04.11.2014 - 29217/12 -, Tarakhel/Schweiz, NVwZ 2015, 127; VG Lüneburg, U. v. 21.12.2016 - 8 A 170/16 -, juris). |
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