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| Die Klage ist zulässig (dazu A.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu B.). |
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| Gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage bestehen keine Bedenken. Insbesondere wurde die Klage fristgemäß erhoben sowie überwiegend erfolglos ein Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO durchgeführt. Gegenüber den zusätzlichen Verschlechterungen in den Widerspruchsbescheiden vom 08.01.2018 ist zwar kein erneutes Vorverfahren durchgeführt worden. Doch soweit die Widerspruchsbescheide eine zusätzliche selbständige Beschwer, die Festsetzung eines höheren Teilbetrags, enthalten, bedarf es auch keines (weiteren) Widerspruchsverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 VwGO). |
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| Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weder soweit die Festsetzung des Abwasser-Teilbeitrags für den Abwasserkanal („Kanalbeitrag“, dazu I.), des Abwasser-Teilbeitrags für den mechanischen und biologischen Teil des Klärwerks („Klärbeitrag“, dazu II.) noch des Wasserversorgungsbeitrags (dazu III.) angefochten wird. |
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| Die Verfügung der Beklagten vom 19.07.2012 über die Festsetzung des Kanalbeitrags in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 08.01.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Zum maßgeblichen Zeitpunkt (dazu 1.) beruhte die Festsetzung eines Kanalbeitrags auf einer wirksamen Rechtsgrundlage (dazu 2.) und ist formell (dazu 3.) und materiell rechtmäßig erfolgt (dazu 4.). |
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| 1. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Anderes (BVerwG Beschl. v. 16.12.2019 - 6 B 58.19 - juris Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.02.2020 - 9 S 3359/19 - juris Rn. 9). Dies ist hier der Fall. |
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| a) Es ist anerkannt, dass bei der Überprüfung der Rechtsgrundlage eines Beitragsbescheids nicht auf den Zeitpunkt seines Erlasses und nicht auf jenen der letzten Behördenentscheidung, sondern auf denjenigen der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist und dementsprechend ein "verfrüht" ergangener rechtswidriger Beitragsbescheid im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durch rechtliche oder tatsächliche Veränderungen "geheilt" werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2010 - 2 S 2425/09 - juris Rn. 48). Denn das Inkrafttreten einer neuen Satzung kann auch ohne eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung bewirken, dass ein vorher erlassener, mangels Entstehens der Beitragspflicht zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wird und deshalb im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht der Aufhebung unterliegt (BVerwG, Urt. v. 27.04.1990 - 8 C 87.88 - NVwZ 1991, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2010 - 2 S 2425/09 - juris Rn. 47). So kann ein nicht bestandskräftiger Beitragsbescheid, der wegen einer nichtigen Satzung zunächst rechtswidrig ist, durch eine wirksame neue Satzung, der keine Rückwirkung beigemessen wird, rechtmäßig werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.01.1995 - 8 B 193.94 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 273; Bay. VGH, Urt. v. 29.04.2010 - 20 BV 09.2108 - juris). |
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| b) Maßgeblich für die Beitragsfestsetzung ist zudem ohnehin die Satzungsfassung, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld für das Grundstück des Klägers Geltung beansprucht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.03.2012 - 2 S 2231/11 - juris Rn. 25; Urt. d. Kammer v. 05.11.2019 - 2 K 13059/17 -). Die Beitragsschuld ihrerseits kann ohne wirksame Satzung nicht entstehen (vgl. Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 19.11.2019, § 8 Rn. 685b). |
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| Die Abwassersatzung der Beklagten vom 02.02.2011 ist aber ungültig, weil ausweislich des Prüfungsberichts vom 26.08.2013 der Gemeindeprüfanstalt Baden-Württemberg der Prognosezeitraum der den Beitragsobergrenzen für die Anschlussbeiträge (Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung) zugrundeliegende Globalberechnung im Jahr 2009 ablief. Folglich konnte diese Globalberechnung nicht mehr als Gesamtkalkulation die Beitragssätze dieser Satzung rechtfertigen. |
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| Die fehlende Globalberechnung führt zur Ungültigkeit der Satzung vom 02.02.2011, da dies keinen unbeachtlichen Mangel nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG darstellt. Nach dieser Bestimmung sind lediglich Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich, wenn sie zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Der Beschluss zur Kalkulation des Gebührensatzes ist daher ebenso gefordert, wie der zur „Globalberechnung“ des Beitragssatzes (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.03.2006 - 2 S 2842/04 - juris Rn. 19; Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 19.11.2019, Band III, § 8 Rn. 675). Denn eine rechtswirksame Beschlussfassung kann nur auf der Grundlage einer ausreichend plausiblen und aktuellen Kalkulation erfolgen (Gössl, in: Gössl/Reif, KAG, Stand: 34. Ergänzungslieferung Januar 2016, § 2 Rn. 1.5.2.2). Dies war hier jedoch nicht der Fall. |
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| Dies hat die Beklagte nicht verkannt. Denn sie hat nicht nur eine fortgeschriebene neue Globalberechnung erstellt, sondern auch als neue kommunalpolitische Entscheidung auf der Grundlage dieser Globalberechnung die Abwassersatzung vom 28.10.2015 erlassen, die veränderte Beitragssätze sowohl für den öffentlichen Abwasserkanalbeitrag als auch für den mechanischen und biologischen Teil des Klärbeitrags vorsieht. Es ist deshalb der rechtlichen Beurteilung der Beitragsfestsetzung gegenüber dem Kläger nicht lediglich die neue Globalberechnung 2015, sondern auch die auf dieser Globalberechnung beruhende Abwassersatzung 2015 zugrunde zu legen (vgl. dazu Urt. d. Kammer v. 26.10.2005 - 2 K 4289/03 - juris). |
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| c) Die Interessen des Klägers im Fall einer während des Rechtsstreits eintretenden Rechtsänderung wurden dadurch gewahrt, dass - erstens - die Rechtsänderung nicht zu seinen Lasten verwertet werden durfte, ohne ihm eine angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, und er - zweitens - die Kostenlast noch hätte abwenden können, indem er die Hauptsache auf diese Anhörung hin für erledigt erklärt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1990 - 8 C 87.88 - juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2010 - 2 S 2425/09 - juris Rn. 49) oder seinen Rechtsbehelf zurückgenommen hätte. |
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| d) Diese Grundsätze gelten im Rahmen der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erst Recht, weshalb bereits die Widerspruchsbehörde (und nicht erst das Gericht) die Beitragsfestsetzung auf die neue Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - AbwS 2015) vom 28.10.2015 stützen durfte und musste. |
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| 2. Die angefochtene Verfügung findet somit in § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 AbwS 2015 ihre Rechtsgrundlage. |
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| Nach § 22 Satz 1 AbwS 2015 erhebt die Beklagte zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Abwasseranlagen einen Abwasserbeitrag. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AbwS 2015 unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich benutzt werden können. Gemäß § 24 Abs. 1 AbwS 2015 ist Beitragsschuldner, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Der Beitrag bemisst sich nach der Nutzungsfläche (§§ 25 - 31 AbwS 2015), der Beitragssatz ist in § 33 AbwS 2015 geregelt. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 AbwS 2015 entsteht die Beitragsschuld in den Fällen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 AbwS 2015 mit der Erteilung der Baugenehmigung bzw. dem In-Kraft-Treten des Bebauungsplans oder einer Satzung im Sinne von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB. Nach § 35 Abs. 2 AbwS 2015 wird der Abwasserbeitrag einen Monat nach Bekanntgabe des Abgabebescheids fällig. |
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| 3. Die Beitragsverfügung in ihrer Gestalt durch den Widerspruchsbescheid ist formell rechtmäßig. |
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| Insbesondere war das Landratsamt ... als Rechtsaufsichtsbehörde (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO, § 17 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO, § 119 Satz 1 GemO) die zuständige Widerspruchsbehörde. Diese Zuständigkeit schloss auch die „reformatio in peius“ der Verfügung der Beklagten ein (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 7 KAG, § 367 Abs. 2 AO). Denn im Widerspruchsverfahren ist eine „Verböserung“ (sog. „reformatio in peius“) des Ausgangsbescheids zulässig. Im Beitragsrecht folgt die Pflicht hierzu aus dem Grundsatz der Erhebungspflicht. Demnach hat die Widerspruchsbehörde den Beitragsbescheid ggf. auch zum Nachteil dessen zu ändern, der den Widerspruch eingelegt hat (BVerwG, Beschl. v. 05.03.1997 - 8 B 37.97 - juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1571/98 - juris Rn. 32). Dem steht das Kommunalabgabengesetz - jedenfalls seit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 15.12.1986 (GBL S.465, nachfolgend: KAG-ÄndG 1986) - nicht mehr entgegen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 7 KAG, § 367 Abs. 2 AO). Auch im allgemeinen Verwaltungsrecht muss derjenige, welcher einen ihn belastenden Verwaltungsakt anficht, grundsätzlich mit der Verschlechterung seiner Position rechnen. Mit der Anfechtung des Verwaltungsakts kann dieser nicht mehr Grundlage seines Vertrauensschutzes sein, jedenfalls solange die “Verböserung” nicht zu untragbaren Zuständen führen würde (BVerwG, Beschl. v. 17.06.1996 - 1 B 100.96 - NVwZ-RR 1997, 26; vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit der „reformatio in peius“ im Widerspruchsverfahren, BVerwG, Urt. v. 29.08.1986 - 7 C 51.84 - juris; Urt. der Kammer v. 05.11.2019 - 2 K 12403/17 - nicht veröffentlicht). |
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| Weiter fand die nach § 71 VwGO erforderliche Anhörung des Klägers mit Schreiben des Landratsamtes ... vom 01.09.2017 vor der „Verböserung“ statt. |
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| 4. Die Heranziehung des Klägers ist sowohl dem Grunde nach (dazu a), als auch der Höhe nach rechtmäßig (dazu b). |
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| a) Die Voraussetzungen der § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 AbwS 2015 für die Heranziehung des Klägers zu dem Kanalbeitrag liegen dem Grunde nach vor. |
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| Die Grundvoraussetzung für seine Beitragspflicht (dazu aa) ist ebenso gegeben wie die des Nachveranlagungstatbestandes (dazu bb). Die abstrakte Beitragsschuld ist entstanden (dazu cc) und die Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten (dazu dd). Es liegt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor (dazu ee). |
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| aa) Nach § 20 Abs. 1 KAG können die Gemeinden und Landkreise zur teilweisen Deckung der Kosten für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen Anschlussbeiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden. Da der die Beitragserhebung rechtfertigende Vorteil nach § 20 Abs. 1 KAG die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung oder Anlage voraussetzt, dürfen der Inanspruchnahme weder rechtliche noch tatsächliche Hinderungsgründe entgegenstehen. |
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| Dies ist der Fall. Denn dem Kläger ist im Vergleich zur vorherigen Bebauung und zur Umgebungsbebauung durch das weitere - dritte - Vollgeschoss im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit seines Grundstücks ein zusätzlicher Vorteil entstanden. Des Weiteren ist er weder rechtlich noch tatsächlich gehindert, Schmutz- oder Oberflächenwasser, das auf der veranlagten Grundstücksfläche anfällt, in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage einzuleiten. |
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| bb) Auch die Voraussetzungen eines in Gesetz und Satzung vorgesehenen Tatbestands zur Nachveranlagung des Klägers sind erfüllt. |
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| (1) Seiner Nachveranlagung steht der Grundsatz der Einmaligkeit nicht entgegen. |
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| Die Ausprägung des Grundsatzes der Einmaligkeit des Beitrags verbietet es lediglich, für ein und dieselbe Fläche mehrfach Beiträge gleicher Art zu erheben. Er ergibt sich aus dem Wesen des Beitrags als Gegenleistung für die dem Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage gebotenen Vorteile. Er besagt zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nach diesem Grundsatz nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Zum anderen schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.09.2009 - 2 S 482/09 - juris; Urt. v. 15.07.2004 - 2 S 975/02 - NVwZ-RR 2005, 135). Steht nicht fest, ob ein Grundstück Gegenstand einer Beitragspflicht war, muss der Beitragspflichtige den Nachweis über das Vorliegen der entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen führen (Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in Bad.-Württ., Stand: 27. Juni 2019, § 29 Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.08.1998 - 12 A 11364/98 - juris). Im Jahr 1966 wurde für das Grundstück des Klägers ein sog. Dolenbeitrag für die Ableitung des Abwassers nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Dolensatzung der damals noch selbständigen Gemeinde ... v. 08.10.1957 erhoben. |
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| (2) Ist ein Grundstück - wie vorliegend - durch eine wirksame Verfügung zu einem vergleichbaren Beitrag veranlagt worden, so lässt das aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgende Verbot der Doppelbelastung nur dann Raum für eine erneute Beitragserhebung, wenn die betreffende Verfügung aufgehoben worden ist oder wenn sich die Gemeinde eine Nachveranlagung durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat, auf Grund derer sich die erneute Veranlagung des Grundstücks rechtfertigen lässt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.07.2004 - 2 S 975/02 - juris Rn. 32). Seit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12.02.1996 (GBI. S.104, nachfolgend: KAG-ÄndG 1996) ist nicht mehr Voraussetzung, dass der Vorbehalt der Nachveranlagung ununterbrochen seit der erstmaligen Beitragspflicht des betroffenen Grundstücks in der Satzung enthalten war. Nachveranlagungstatbestände können folglich nun auch erstmals in eine Satzung aufgenommen werden. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass sich die Grundstücksverhältnisse nach dem 01.03.1996 geändert haben, eine satzungsrechtliche Grundlage nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG gegeben ist und die Nachveranlagung auf Basis des in der Satzung vorgesehenen Beurteilungsmaßstabs dadurch erfolgt ist, dass von der baulichen Nutzungsmöglichkeit die bisher zulässige, ebenfalls berechnet nach dem in der Satzung vorgesehenen Beitragsmaßstab in Abzug gebracht wird (vgl. Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band III, Stand März 2009, § 8 Rn. 697b; Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in Bad.-Württ., Stand: 27. Juni 2019, § 29 Rn. 6). |
|
| Diese Voraussetzungen liegen vor. Ob die Dolensatzung vom 08.10.1957 in § 8 Abs. 2 sowie weitere Satzungen im Zeitraum von 1957 bis 2015 einen solchen wirksamen Nachveranlagungstatbestand enthielten, kann offenbleiben. In § 32 AbwS 2015 findet sich jedenfalls ein zulässiger Nachveranlagungstatbestand und die Grundstücksverhältnisse haben sich nach dem 01.03.1996 verändert. Die Baugenehmigung zur Erhöhung der Anzahl der Vollgeschosse um ein weiteres Vollgeschoss wurde dem Kläger am 10.02.2012 erteilt. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 AbwS 2015 werden für Grundstücke Beiträge erhoben, soweit die bis zum In-Kraft-Treten der Satzung zulässige bzw. genehmigte Zahl der Vollgeschosse überschritten oder eine größere Zahl von Vollgeschossen allgemein zugelassen wird. Das Maß der baulichen Nutzung bestimmt sich bei Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 28 bis 30 AbwS 2015 nach den jeweiligen Festsetzungen. Bei einem Bebauungsplan ohne entsprechende Festsetzungen oder in unbeplanten Gebieten - wie beim Grundstück des Klägers - kommt es nicht auf die Ausnutzbarkeit der Festsetzungen, sondern auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an, im konkreten Fall nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 AbwS 2015 auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Geschosse. Als Geschosse gelten nach § 31 Abs. 3 AbwS 2015 Vollgeschosse im Sinne der Landesbauordnung in der im Entstehungszeitpunkt geltenden Fassung. Mit der Genehmigung und Errichtung von drei Vollgeschossen anstelle des bisher vorhandenen Gebäudes mit lediglich zwei Vollgeschossen wurde folglich ein zusätzliches Geschoss errichtet, das vorher noch nicht vorhanden war. Dieses dritte Vollgeschoss stellt einen Vorteil dar, selbst wenn zuvor die Wohnfläche auf zwei Vollgeschossen größer war. Denn es ist die Entscheidung des Bauherrn, im Rahmen des baurechtlich Zulässigen die Wohnfläche auf zwei oder drei Vollgeschossen zu verteilen. Von der Beklagten wurde der Kläger auch auf die in beitragsrechtlicher Hinsicht nachteilige Gestaltung mit drei Vollgeschossen hingewiesen. Sollte der Kläger sein Gebäude mit den nunmehr drei Vollgeschossen auf der bebaubaren Grundstücksfläche in Zukunft zulässigerweise erweitern, so wird kein weiterer Beitrag anfallen. |
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| cc) Die abstrakte Beitragsschuld des Klägers ist erst am 01.01.2016 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage, die Abwassersatzung der Beklagten in ihrer Fassung vom 28.10.2015, in Kraft getreten ist (vgl. § 50 Abs. 2 AbwS 2015). |
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| Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit Erteilung der Baugenehmigung bestanden hat. Denn es ist nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage erst unter der zeitlichen Geltung der Abwassersatzung geschaffen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine frühere Satzung, wie hier, nichtig ist (zu weiteren Fallgruppen vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.07.2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 30). Denn die abstrakte Beitragsschuld entsteht in keinem Fall, wenn die erlassene Beitragssatzung ungültig ist (vgl. Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 19.11.2019, Band III, § 8 Rn. 685b). |
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| dd) Die Festsetzung des nachveranlagten Kanalbeitrags ist nicht verjährt. |
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| Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Nr. c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 AO beträgt die Festsetzungsfrist einheitlich vier Jahre. Sie beginnt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist, und endet im Falle der Ungültigkeit einer Satzung nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.07.2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 33). Auch eine Verböserung im Widerspruchsbescheid ist nur innerhalb der nach dem Kommunalabgabengesetz allgemein geltenden vierjährigen Festsetzungsfrist zulässig (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1571/98 - juris Rn 36; BFH, Urt. v. 30.07.1997 - II R 9/95 - BStBl. II, 635). Da die abstrakte Beitragsschuld des Klägers hier - wie ausgeführt - erst am 01.01.2016 entstanden ist, begann der Lauf der Festsetzungsfrist erst mit Beginn des Jahres 2017. Nachdem der angefochtene Widerspruchsbescheid bereits am 08.01.2018 erlassen worden ist, ist noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. |
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| ee) Ein Verstoß der Festsetzung gegen das Gleichbehandlungsgebot scheidet aus. |
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| Voraussetzung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist eine willkürliche Gleichbehandlung ungleicher und eine willkürliche Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.08.1990 - 8 C 4/89 - juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.10.2009 - 2 S 424/08 - juris). |
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| Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn ausweislich des klägerischen Vortrags wurde anderen Grundstückseigentümern der Gemarkung ... gerade keine Baugenehmigung für die Errichtung eines dritten Vollgeschosses erteilt. Falls diese dennoch ein drittes Vollgeschoss formell illegal errichtet haben oder Gebäudeflächen formell illegal als Wohnraum nutzen, obwohl sie in den zur Genehmigung eingereichten Bauvorlagen als „Dachboden“ oder „Abstellfläche“ bezeichnet sind, so führt dies nicht bereits zu einem gleichen Sachverhalt. Die zuständige Baurechtsbehörde könnte auf Hinweis vielmehr gegen diese anderen Eigentümer bauaufsichtlich einschreiten. Falls in solchen Verfahren nachträgliche Baugenehmigungen erteilt würden, müssten auch diese Grundstücke nachveranlagt werden. |
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| b) Die Heranziehung des Klägers zum Kanalbeitrag ist auch der Höhe nach rechtmäßig. |
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| Liegt ein Fall der grundstücksbezogenen Nachveranlagung vor, erfolgt die Berechnung der Nachveranlagung auf der Basis des in der Satzung vorgesehenen Beitragsmaßstabes dadurch, dass von der (neuen, unter Einschluss der zusätzlichen) baulichen Nutzung die bisherige, ebenfalls berechnet nach dem in der Satzung vorgesehenen Beitragsmaßstab, in Abzug gebracht wird. Die so errechnete Differenz ist der nachzuveranlagende Beitrag (VG Freiburg, Urt. v. 08.07.2008 - 3 K 1512/06 - juris; Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band III, Rn. 697 b; Urt. d. Kammer v. 05.11.2019 - 2 K 13059/17 -), nicht etwa die Differenz zu dem vormals entrichteten „Dolenbeitrag“. |
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| Die als Beitragsmaßstab nach §§ 25 ff. AbwS 2015 gewählte Ermittlung der Nutzungsfläche durch eine Vervielfachung der Grundstücksfläche mit einem Nutzungsfaktor nach der möglichen Geschosszahl wird auch den Vorgaben des § 31 KAG gerecht. Unerheblich ist, dass die tatsächliche Gesamtwohnfläche im Vergleich zur vorherigen Bebauung abgenommen hat. Denn § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG stellt lediglich darauf ab, dass sich die „bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht“. Mit steigender zulässiger Geschosszahl wächst auch die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks abstrakt und damit auch der Vorteil, den eine Erschließungsmaßnahme dem Grundstück vermittelt (vgl. Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in Bad.-Württ., Stand: 27. Juni 2019, § 29 Rn. 6). |
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| Die Widerspruchsbehörde hat folgende Differenzberechnung durchgeführt, die nicht zu beanstanden ist: |
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| Nutzungsfaktor (§ 27 AbwS 2015) |
| Nutzungsfläche, § 25 AbwS 2015: Grundstücksfläche (710 m²) x Nutzungsfaktor |
| | | | | | (887,50 m²) wg. § 25 Satz 2 AbwS 2015: 888 m² |
| | | | Beitrag = Differenz Nutzungsfläche x 4,75 EUR/m² |
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| Auch die Verfügung der Beklagten vom 19.07.2012 über die Festsetzung des Klärbeitrags in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 08.01.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
|
| Mit Ausnahme des Beitragssatzes ergeben sich keine Unterschiede zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Kanalbeitrags. Deshalb ist im Übrigen auf die Ausführungen unter Ziff. I.3. und I.4. zu verweisen. Schließlicht ist der Beitragssatz seiner Höhe nach nicht zu beanstanden. |
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| Die Verfügung der Beklagten vom 19.07.2012 über die Festsetzung des Wasserversorgungsbeitrags in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 08.01.2018 ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Die Verfügung beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage (dazu 1.), ist formell und materiell rechtmäßig (dazu 2.). |
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| 1. Die angefochtene Verfügung findet in § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 35 Abs. 1 der Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS 2015) der Beklagten vom 28.10.2015 ihre Rechtsgrundlage. |
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| Zu Recht hat das Landratsamt ... nicht auf die Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS 2000) der Beklagten vom 10.05.2000 abgestellt, sondern auf diejenige aus dem Jahr 2015. Denn die Wasserversorgungssatzung vom 10.05.2000 ist ungültig, weil ausweislich des Prüfungsberichts vom 26.08.2013 der Gemeindeprüfanstalt Baden-Württemberg der Prognosezeitraum der den Beitragsobergrenzen für die Anschlussbeiträge (Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung) zugrundeliegenden Globalberechnung im Jahr 2009 ablief. Folglich konnte diese Globalberechnung nicht mehr als Gesamtkalkulation die Beitragssätze dieser Satzung rechtfertigen. |
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| Die fehlende Globalberechnung für den Prognosezeitraum ab 2010 führt zur Ungültigkeit der Satzung vom 10.05.2000 jedenfalls ab diesem Jahr. Dies ist nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG als Mangel bei der Beschlussfassung unbeachtlich. Nach dieser Bestimmung sind lediglich Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Geringfügig dürfte eine Kostenüberdeckung sein, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 vom Hundert übersteigt (LT-Drucks. 13/3966, S. 41). Mangels einer Kalkulation für die Jahre nach 2009 kann jedoch nicht festgestellt werden, ob das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten überstieg. Die Gebührenkalkulation hat insoweit eine befristete Wirkung (vgl. LT-Drucks. 13/3966, S. 41). Mangels einer Fortschreibung der Gebührenkalkulation und damit fehlenden Schaffung gültigen Satzungsrechts (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 12.07.2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 71) ist die Satzung vom 10.05.2000 jedenfalls ab dem Jahr 2010 nichtig. |
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| Auch dies hat die Beklagte nicht verkannt. Denn sie hat nicht nur eine neue Globalberechnung erstellt, sondern sie hat auch als neue kommunalpolitische Entscheidung auf der Grundlage dieser Globalberechnung die Wasserversorgungssatzung vom 28.10.2015 erlassen, die veränderte Beitragssätze für die Wasserversorgung vorsieht. Es ist deshalb der rechtlichen Beurteilung nicht lediglich die neue Globalberechnung 2015, sondern auch die auf dieser Globalberechnung beruhende Wasserversorgungssatzung 2015 zugrunde zu legen. |
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| Nach § 25 Satz 1 WVS 2015 erhebt die Beklagte zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WVS 2015 unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich benutzt werden können. Gemäß § 27 Abs. 1 WVS 2015 ist Beitragsschuldner, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Der Beitrag bemisst sich nach der Nutzungsfläche (§§ 28 - 34 WVS 2015), der Beitragssatz ist in § 36 WVS 2015 geregelt. Nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 WVS 2015 entsteht die Beitragsschuld in den Fällen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 WVS 2015 mit der Erteilung der Baugenehmigung bzw. dem In-Kraft-Treten des Bebauungsplans oder einer Satzung im Sinne von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB. Nach § 38 WVS 2015 wird der Wasserversorgungsbeitrag einen Monat nach Bekanntgabe des Abgabebescheids fällig. |
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| 2. Die Verfügung ist auch formell und materiell rechtmäßig. |
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| Das ergibt sich weitgehend aus den Ausführungen oben unter I. und II., auf die das Gericht nochmals Bezug nimmt. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung kann hier allerdings schon deswegen nicht greifen, da nicht festgestellt werden konnte, ob das Grundstück des Klägers bereits zu einem Wasserversorgungsbeitrag veranlagt wurde (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.09.2009 - 2 S 482/09 - juris). |
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| Gründe, die eine Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht ermöglichen (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nrn. 3 u. 4 VwGO), sind nicht erkennbar. |
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| Beschluss vom 17. März 2020 |
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