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| Der nach Schließung der mündlichen Verhandlung am 23.07.2020 beim Verwaltungsgericht eingegangene Schriftsatz der Beklagten vom 22.07.2020 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO). |
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| Die zunächst als Anfechtungsklage erhobene und in der mündlichen Verhandlung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellte Klage ist zulässig. Die Umstellung des Klageantrags ist keine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.12.2014 - 4 C 33/13 - BVerwGE 151, 36 - in juris Rn. 11). |
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| Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Zulässig ist eine derartige Fortsetzungsfeststellungsklage, wenn die ursprüngliche Anfechtungsklage zulässig war, nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und ein Feststellungsinteresse besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1999 - 4 C 4/98 - BVerwGE 109, 74 - in juris Rn. 10). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. |
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| Die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage war unstreitig zulässig. Eine Erledigung ist dadurch eingetreten, dass die Beklagte in der Zwischenzeit für das Jahr 2020 einen neuen Notdienstplan erlassen hat. Weiter liegt ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ein Feststellungsinteresse besteht typischerweise in den anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses, kann sich aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.2019 - 9 B 52/18 - NVwZ-RR 2020, 331 - in juris Rn. 9). Eine Wiederholungsgefahr liegt vorliegend vor, weil die Klägerin auch künftig damit rechnen muss, dass die Beklagte in den Folgejahren entsprechende Entscheidungen zur Dienstbereitschaft treffen wird. Dass die Klägerin gegen künftige Anordnungen der Notdienstbereitschaft Klage erheben könnte, steht der Annahme eines berechtigten Feststellungsinteresses nicht entgegen. Insoweit ist schon aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes eine Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Notdienstbereitschaft im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage geboten. |
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| Die Fortsetzungsfeststellungsklage bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Bescheid der Landesapothekerkammer vom 20.12.2018 und deren Widerspruchsbescheid vom 14.03.2019 sind nicht rechtswidrig gewesen. |
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| Rechtsgrundlage für die von der Beklagten mit Verfügung vom 20.12.2018 getroffene Regelung der Dienstbereitschaft für Apotheken im Notdienstkreis Esslingen ist § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 8 Apothekengesetz (ApoG) und § 23 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). |
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| Die Öffnungszeiten der Apotheken einschließlich der Notdienstbereitschaft ergeben sich aus einem Zusammenwirken apothekenrechtlicher Vorschriften und des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg. Die Dienstbereitschaft von Apotheken ist in § 23 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO normiert; diese Bestimmung beruht auf der Ermächtigung des § 21 Abs. 2 Nr. 8 ApoG. § 23 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO ordnet eine ständige Dienstbereitschaft der Apotheken an (Öffnungspflicht) und sieht eine Ausnahme nur für den Fall vor, dass die Apotheke aufgrund einer Anordnung nach § 4 Abs. 2 LadÖG geschlossen zu halten ist. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LadÖG hat die zuständige Behörde für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken anzuordnen, dass während der Ladenschlusszeiten nach § 3 Abs. 2 LadÖG abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss (Schließungsanordnung). Der Notdienst der Apotheken wird auf dieser Grundlage in der Weise herbeigeführt, dass alle bis auf die jeweiligen Notdienstapotheken zu bestimmten Zeiten geschlossen werden müssen. Für die danach verbleibenden Zeiten der Bereitschaftspflicht ordnet § 23 Abs. 1 Satz 2 ApBetrO für bestimmte Tagesrandzeiten unmittelbar selbst eine Befreiung an und ermöglicht darüber hinaus eine Befreiung durch die zuständige Behörde (§ 23 Abs. 2 ApBetrO). Zuständige Behörde ist nach § 6 Abs. 1 Heilberufe-Kammergesetz die Landesapothekerkammer. |
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| Die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LadÖG bestehende Verpflichtung der Landesapothekerkammer zum Erlass von Entscheidungen, Apotheken insbesondere nachts sowie an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten, umfasst gleichzeitig die Ermächtigung, abwechselnd für einen Teil der Apotheken von einer solchen Entscheidung mit der Folge abzusehen, dass diese gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO dienstbereit sein müssen. Damit ergibt sich aus § 4 Abs. 2 Satz 1 LadÖG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO die Befugnis der Beklagten, Dienstbereitschaften bestimmter Apotheken während der allgemeinen Ladenschlusszeiten anzuordnen und im Interesse der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einen Apothekennotdienst zu organisieren. |
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| Sind in einer Gemeinde oder Nachbargemeinden mehrere Apotheken vorhanden, ist die Landesapothekerkammer verpflichtet, eine Regelung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LadÖG zu treffen. Bei der Ausgestaltung der Anordnung der Regelung des Apothekennotdienstes nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LadÖG ist der Behörde jedoch Auswahlermessen eingeräumt; dieses Auswahlermessen muss sowohl dem Arbeitsschutzgedanken als auch dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gerecht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.02.1989 - 3 C 35/86 - NJW 1990, 787 - in juris Rn. 27 - 29). Liegt bereits eine Notdienstregelung vor und haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert - z.B. durch Wegfall oder Neuansiedlung von Apotheken -, so ist die Behörde ebenfalls von Amts wegen verpflichtet, den Notdienst neu zu ordnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.02.1989 - 3 C 35/86 - NJW 1990, 787 - in juris Rn. 32); eines Widerrufs der bisherigen Notdienstregelung bedarf es in diesem Fall nicht. |
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| Da im Notdienstkreis Esslingen mehrere Apotheken vorhanden sind und seit der letzten Notdienstregelung mehrere Apotheken aufgegeben wurden, war die Beklagte verpflichtet, eine neue Notdienstregelung zu treffen. Die Beklagte hat bei der Ausgestaltung der Notdienstregelung ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. |
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| Die gerichtliche Kontrolle einer behördlichen Ermessensentscheidung beschränkt sich gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf, anhand der von der Behörde tatsächlich angestellten Erwägungen zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.05.2016 - 10 C 8/15 - NVwZ 2016, 1577 - in juris Rn. 13). Es ist hingegen nicht Aufgabe des Gerichts, aus einer Vielzahl möglicher Problemlösungen eine auszuwählen, soweit sich nicht allein diese eine Lösung als die einzig richtige aufdrängt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.02.1989 - 3 C 35/86 - NJW 1990, 787 - in juris Rn. 31). |
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| Die äußeren Grenzen, innerhalb derer sich eine (rechtmäßige) Ermessensausübung bewegen muss, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 14.12.1989 - 3 C 30/87 - NJW 1991, 766 - in juris Rn. 17) wie folgt abgesteckt: |
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| Die Behörde muss bei der Anordnung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LadÖG in Ausübung ihres Ermessens unter Wahrung der Wettbewerbsgleichheit zwischen den Apotheken die Arbeitsschutzinteressen des Apothekenpersonals und das Interesse der Bevölkerung an der Arzneimittelversorgung gegeneinander abwägen. Weder kann die Bevölkerung eine in jeder Hinsicht bequeme Arzneimittelversorgung verlangen noch das Apothekenpersonal einen uneingeschränkten Arbeitsschutz. Bei der Abwägung hat die Behörde die örtliche Situation zu berücksichtigen, d.h. die Zahl der für eine Notdienstregelung in Betracht kommenden Apotheken, die Entfernung zwischen der dienstbereiten Apotheke und den notfalls zu versorgenden Apothekenkunden sowie die Verkehrsverhältnisse und die öffentlichen Verkehrsbedingungen. Da die widerstreitenden Interessen zu einem gerechten Ausgleich zu bringen sind, kann das Interesse der Bevölkerung an kurzen Wegen zur dienstbereiten Apotheke umso eher berücksichtigt werden, je mehr Apotheken von der Regelung erfasst werden und je geringer damit die Belastung des Apothekenpersonals der einzelnen Apotheke ist. Die Bevölkerung muss umgekehrt umso mehr Abstriche an einer bequemen Arzneimittelversorgung hinnehmen, je weniger Apotheken nach den örtlichen Verhältnissen zu einer einheitlichen Notdienstregelung herangezogen werden können. In keinem Fall aber darf die Notdienstregelung dazu führen, dass sich im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse die Bevölkerung außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten nicht mehr in zumutbarer Weise mit Arzneimitteln versorgen kann. |
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| Um auch dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes unter gleichzeitiger Wahrung der Versorgungsinteressen gerecht zu werden, muss die Behörde bemüht sein, unter Berücksichtigung der jeweiligen Entfernungen, Verhältnisse und Verkehrsverbindungen sowie eines mehr städtischen oder ländlichen Charakters des Gebiets möglichst viele Apotheken einer Gemeinde oder benachbarter Gemeinden zu einer wechselseitigen Dienstbereitschaftsregelung zusammenzufassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.02.1989 - 3 C 35/86 - NJW 1990, 787 - in juris Rn. 30). |
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| Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat ihr Ermessen erkannt und ihre Ermessensentscheidung ausreichend begründet. Sie ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen, hat ihre Erwägungen am Zweck der Norm ausgerichtet und die entscheidungserheblichen Umstände angemessen gewichtet. Umstände, die eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich. |
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| Die Beklagte hat sich von dem Gedanken leiten lassen, grundsätzlich alle Apotheken im Notdienstkreis Esslingen gleichermaßen in die Notdienstregelung einzubeziehen, soweit die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung hierdurch nicht gefährdet wird. Hiervon ausgehend hat die Beklagte ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Apotheke im Ortsteil Ruit für eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung des gesamten Notdienstkreises nicht geeignet ist; insoweit weist die Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass bei Inanspruchnahme der Apotheke im Ortsteil Ruit ein Bewohner in Aichwald ca. 17 km einfach zurücklegen müsste. Dass die Beklagte dies als unzumutbar für die Bevölkerung anzieht, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 14.12.1989 - 3 C 30/87 - NJW 1991, 766 - in juris Rn. 20) hat bei einer Entfernung von 14 km zur nächstgelegenen Stadt mit dienstbereiter Apotheke eine unzumutbare Einschränkung der Arzneimittelversorgung im Notdienstbereich angenommen, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht zur Verfügung steht. Da in der Innenstadt von Esslingen eine relativ große Anzahl von Apotheken vorhanden ist, gewinnt das Interesse der Bevölkerung an kurzen Wegen an Gewicht. Soweit die Klägerin die Bevölkerung am Rande des Notdienstbereichs auf die Inanspruchnahme eines anderen Notdienstbereichs verweisen will, geht dies fehl. Maßgebend ist allein, ob im jeweiligen Notdienstbezirk eine unzumutbare Einschränkung der Arzneimittelversorgung besteht. |
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| Die Beklagte hat weiter in ihrer Ermessensentscheidung zutreffend berücksichtigt, dass es beim Apothekennotdienst nicht nur darum geht, Verschreibungen einzulösen, sondern die generelle Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung maßgebend ist. Der Apotheker übt auch eine beratende Funktion aus und steht als Ansprechpartner für Patienten zur Verfügung, die ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament zur Selbstmedikation erwerben wollen. Im Hinblick auf den Aspekt der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und den Belangen der weitgehend gleichmäßigen Belastung der Apothekenbetriebe erscheint die von der Beklagten gewählte Dienstbereitschaftsregelung als sachgerecht. |
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| Die Beklagte hat auch die oben aufgezeigten äußeren Grenzen beachtet. Das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der bisherigen Notdienstregelung ist angesichts des in der Notdienstregelung vom 28.12.2017 enthaltenen Widerrufsvorbehalts nicht schutzwürdig (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.09.2019 - 8 C 7/18 - GewArch 2020, 66 - in juris Rn. 18). Zwar beeinträchtigt die Entscheidung der Beklagten die freie Berufsausübung der Klägerin, weil für sie die Anzahl der Notdienste geringfügig ansteigt. Diese Beeinträchtigung ist aber durch die von der Beklagten angeführten sachlichen Gründe gerechtfertigt. Die streitgegenständliche Notdienstregelung dient dem Gebot der Gleichbehandlung durch eine gerechte Verteilung der Belastungen des Notdienstes auf die Apotheken und ihr Personal, der gleichmäßigen Verteilung der Notdienstapotheken auf den Notdienstbezirk und damit der gleichmäßigen Begünstigung der Einwohner dieses Bezirks, sowie dem Leitbild der Apothekenbetriebsordnung, die jede Apotheke verpflichtet, die notwendigen Arzneimittel und Einrichtungen bereit zu halten, um die Verpflichtung zur Gewährleistung einer Arzneimittelabgabe außerhalb der üblichen Öffnungszeiten sicherzustellen. Möglicherweise ist eine Notdienstregelung denkbar, die für die Klägerin eine größere Entlastung bringt als die von der Beklagten getroffene Regelung, aber die streitgegenständliche Anordnung, für die sich die Beklagte entschieden hat, unterliegt als Ermessensentscheidung keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1989 - 3 C 30/87 - NJW 1991, 766 - in juris Rn. 22). |
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