Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 9 K 1664/19

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Befreiung vom Bauverbot im Gewässerrandstreifen für eine sich auf dem Grundstück der Kläger befindliche Mauer.
Die Kläger sind jeweils zur Hälfte Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks M.-Str. ..., Flurstück Nr. .../... in G.. Das Grundstück liegt ebenso wie die angrenzenden Nachbargrundstücke am Ufer der F.. Die Grundstücksgrenze verläuft unterhalb der Böschungsoberkante. An der Böschung, zwischen 1,0m und 1,7m eingerückt von der Grundstücksgrenze, begannen die Kläger auf ihrem Grundstück im Jahr 2013 eine Mauer aus Betonpflanztrögen zu errichten, die im Verlauf des Jahres 2016 fertig gestellt wurde. Die dahinterliegende Gartenfläche befindet sich auf gleichem Niveau mit der Oberkante der Mauer, während die Böschung unterhalb der Mauer zur F. hin abfällt. Durch die Mauer entsteht ein Höhenunterschied von 80cm bis 100cm. Zuvor bestand an derselben Stelle bereits eine Ufermauer entlang der Böschungslinie. Teile der alten Mauer wurden in den Neubau einbezogen.
Auf gleicher Linie wie die streitgegenständliche Mauer befindet sich auf dem flussabwärts an das klägerische Grundstück angrenzenden Wohngrundstück ebenfalls eine Mauer. Das Landratsamt G. hat als zuständige Wasserbehörde die Grundstückseigentümer zur Beseitigung der Mauer angehört.
Flussaufwärts an das Grundstück der Kläger grenzt das Betriebsgelände der Firma B. an. Zur F. hin weist dieses Grundstück eine Mauer aus Betonblocksätzen auf, für welche nachträglich durch die Beklagte im Einvernehmen mit der unteren Wasserbehörde mit Bescheid vom 22.06. 2017 eine Befreiung von dem Bauverbot nach § 38 Abs. 5 Wasserhaushaltsgesetz (im Folgenden: WHG) i. V. m. § 29 Abs. 3 Nr. 2 Wassergesetz Baden-Württemberg (im Folgenden: WG) mit der Begründung erteilt wurde, bei Beseitigung der Mauer könne die bestehende Kanalisation nicht weiterbetrieben werden und der Betriebsablauf könne dadurch unterbrochen werden, dass die Zufahrt zu dem Betriebsgelände in der jetzigen Breite dann nicht mehr möglich sei. Außerdem befinde sich die Unterkante der Mauer über dem HQ-100-Wasserspiegel.
In einer Entfernung von etwa 150 Metern flussaufwärts vom klägerischen Grundstück befindet sich die Wasserkraftanlage L., die 1992 erbaut wurde und ebenfalls bis an das Ufer der F. heranreicht.
Etwa 300 Meter flussaufwärts befindet sich ein Schlachthof, auf dessen Betriebsgelände sich an der Böschung zum Flussufer hin ebenfalls eine Mauer befindet. Diese bestand bereits zum Zeitpunkt der F.-Ausweitung am C. vor Inkrafttreten des neuen baden-württembergischen Wassergesetzes am 01.01. 2014.
Mit getrennten Schreiben vom 25.02. 2016 wies das Landratsamt G. die Kläger auf das Bauverbot im Bereich des Gewässerrandstreifens nach § 29 Abs. 3 Satz Nr. 2 WG hin und forderte sie auf, die Mauer aus Betonpflanztrögen bis zum 31.03. 2016 zurückzubauen. Anderenfalls werde die Maßnahme gebührenpflichtig angeordnet. Das Schreiben gelte als Anhörung nach § 28 LVwVfG.
Daraufhin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 29.03. 2016 die Befreiung vom Bauverbot nach § 38 Abs. 4 WHG i. V. m. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WG mit der Begründung, es bestünde Bestandsschutz. Denn an dieser Stelle habe sich bereits seit etwa 50 Jahren eine Mauer befunden. Diese sei sehr marode gewesen und habe gedroht, in Richtung der F. zu kippen, weshalb sie sich zu einer Sanierung entschlossen hätten. Um ein Fortspülen der Pflanzsteine zu verhindern, stünden die ersten beiden Reihen auf einem Betonfundament und seien selbst mit Beton gefüllt. Zwischen den Steinen bestünde aber noch ein freier Zwischenraum. Eine Baugenehmigung sei nicht beantragt worden, da sich die Mauer ca. 1,0m bis 1,7m auf dem Grundstück befinde und eine Höhe von 80cm bis 100cm habe. Sie könnten nicht ausschließen, dass ein Hochwasser, wie bereits in den 50er Jahren, das Grundstück bzw. die Böschungsoberkante in Mitleidenschaft ziehe. In jüngster Vergangenheit (Ende 2010) sei die F. bedrohlich an die Oberkante herangekommen. Für die Dauer der Sanierung sei die Begrünung zurückgeschnitten worden, zukünftig solle die Mauer sich aber durch standortgemäße Begrünung in das Umgebungsgesamtbild einfügen. Die Böschung sei mit Brombeersträuchern zugewachsen gewesen, darunter habe nur sehr spärliche Vegetation bestanden und bei Hochwassern sei daher die Gefahr von Erosion entsprechend gegeben gewesen. Zum Schutz vor Erosion sei Wiesengras ausgesät worden.
In seiner Stellungnahme vom 28.11.2016 teilte das Landratsamt G. als untere Wasserbehörde mit, dass das Einvernehmen für eine Befreiung nicht in Aussicht gestellt werden könne. Nach vorheriger Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2017 den Befreiungsantrag ab. Sie führte zur Begründung aus, es seien weder Gründe des Allgemeinwohls noch Gründe für die Annahme einer unbilligen Härte ersichtlich, die eine Befreiung vom Verbot der Bebauung des Gewässerrandstreifens rechtfertigen würden. Unbilligkeitsgründe ergäben sich auch nicht aufgrund des Baubeginns vor der Novellierung des Wasserrechts im Jahr 2014. Es bestünde auch kein eigentumsrechtlicher Bestandsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG, der nur Bedeutung im Rahmen von Ermächtigungsgrundlagen zum repressiven Einschreiten erlange, nicht jedoch bei Erlaubnis - oder Befreiungsverfahren. Nachdem zunächst eine gemeinsame Zustellung an beide Kläger erfolgte, wurde der Bescheid vom 07.07.2017 den Klägern am 01.09.2017 erneut einzeln zugestellt.
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Gegen den zunächst an beide Kläger zugestellten Bescheid legte die „Familie G.“ am 07.08.2017 Widerspruch ein. Am 12.09.2017 legten sodann die Kläger Widerspruch ein und begründeten diesen damit, dass durch unglückliche bauliche Maßnahmen der Beklagten eine zum Teil relativ steile Böschung entstanden sei, die nicht nur bis zur Mauer hin, sondern auch darüber hinaus mit standorttypischen Gehölzen und Kräutern bewachsen sei. Die unauffälligen und in keiner Weise behindernd eingefügten Steine würden in keiner Weise die Durchlässigkeit für Pflanzen oder Tiere behindern und die Mauer falle optisch praktisch nicht auf. Auf gleicher Linie befinde sich flussaufwärts ein Parkplatz mit einer aus massiven Steinblöcken errichteten Mauer. Flussabwärts befinde sich ebenfalls eine senkrechte Mauer. Durch die massive Uferbebauung werde das Oberflächenwasser gebündelt auf die Böschung abgeleitet, weshalb ein erhöhtes Erosionsrisiko für das zwischen den massiven Uferbebauungen gefangene Grundstück der Kläger entstehe. Auch bei Hochwasser biete das Grundstück der Kläger dem Angriff des fließenden Wassers nur wenig Widerstand.
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Am 27.09.2017 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass ihrem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne und der Widerspruch an das Regierungspräsidium Stuttgart weitergeleitet werde.
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Am 21.03.2018 teilte das Regierungspräsidium Stuttgart mit, dass die zuständige Widerspruchsbehörde das Landratsamt G. sei, da die Befreiungsentscheidung nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 WG nicht im Zusammenhang mit einer baurechtlichen Entscheidung stehe.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2019, zugestellt am 14.02.2019, wies das Landratsamt G. den Widerspruch der Kläger unter Bezug auf das Bauverbot im Gewässerrandstreifen nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG zurück. Es bestünden keine überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit und auch eine unbillige Härte nach § 38 Abs. 5 Satz 1 Variante 2 WHG bestehe nicht. Eine Befreiung von dem Verbot baulicher Anlagen im Gewässerrandstreifen komme daher nicht in Betracht. Die Betonpflanztröge befänden sich auf einem Betonfundament, seien ebenfalls mit Beton gefüllt und stellten keine naturnahe Maßnahme dar. Sie seien gerade mit Blick auf die Defizite in der Gewässerstruktur und die Zielvorgabe des WHG, die naturnahe Gewässerentwicklung voranzutreiben, untragbar. Vielmehr sei die Mauer als Maßnahme zur Landgewinnung anzusehen, da durch diese eine neue, näher an der F. liegende Böschungsoberkante geschaffen werde. Der dahinter befindliche Bereich hin zum klägerischen Grundstück könne mit Erdmaterial aufgefüllt und dadurch eine größere ebene Fläche geschaffen werden. Die Sichtbarkeit spiele für die Frage, ob die ökologische Funktion eines Gewässers beeinträchtigt werde, keine Rolle, auf den Bewuchs komme es daher nicht an. Die von den Klägern in Bezug genommenen weiteren Bauten im Gewässerrandbereich seien teilweise durch eine wasserrechtliche Befreiung legitimiert, im Übrigen werde den Verstößen in entsprechender Weise nachgegangen. Es bestehe auch kein Bestandsschutz, da die alte Mauer abgerissen worden und mithin ein möglicher Bestandsschutz erloschen sei und sich nicht auf den Neubau erstrecken könne.
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Am 11.03.2019 haben die Kläger Klage erhoben und ausgeführt, die Beseitigung der Ufermauer stelle für sie eine unbillige Härte dar, da ohne eine Sicherung in absehbarer Zeit Schäden am Grundstück entstanden wären. Ihr Grundstück sei durch die massive Uferbebauung auf den angrenzenden Grundstücken anderenfalls einem Hochwasser ungeschützt ausgeliefert. Durch den Neubau der Ufermauer sei es auch nicht zu einem Landgewinn gekommen, vielmehr solle hierdurch lediglich das klägerische Grundstück abgesichert werden. Die Mauer erlaube weiterhin den Durchlass von Sickerwasser. Sowohl die Böschung als auch die Pflanztröge seien mit ortstypischen Gewächsen bewachsen.
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Die Kläger beantragen,
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den Bescheid der Beklagten vom 07.07. 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts G. vom 11.02. 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die am 29.03. 2016 beantragte Befreiung vom Bauverbot im Gewässerrandstreifen zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist die Beklagte auf den Bescheid vom 07.07.2017 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes G. vom 07.02.2019 und führt weiter aus, dass keine Härtefallgründe ersichtlich seien, die eine Beseitigung der Mauer für die Kläger unbillig machten. Es spiele keine Rolle, dass sich die Mauer aus grobporigem Material zusammensetze, welches die Sickerung von Regenwasser zulasse und darüber hinaus mittlerweile auch standortgerecht bewachsen sei. Die Pflanztröge aus Beton befänden sich auf einem Betonfundament und seien selbst mit Beton gefüllt, was keine naturnahe Maßnahme darstelle. Ebenfalls unerheblich sei, dass die Kläger vorbrächten, bei der Böschungsoberkante der F. handele es sich ohnehin nicht um ein natürlich gewachsenes Gelände. Die Kläger könnten sich nicht auf Bestandsschutz berufen, da die Mauer in ihrer aktuellen Form erst nach Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes am 01.01.2014 fertiggestellt worden sei. Aufgrund der vorgetragenen Umgebungsbebauung könne den Klägern kein Anspruch auf Befreiung vom Verbot der Errichtung baulicher Anlagen im Gewässerrandstreifen zustehen. Im Bereich zwischen der Brücke C.-G.-Str. und der Brücke auf Höhe des Klinikums C., in dem auch das klägerische Grundstück und die von den Klägern in Bezug genommenen weiteren Ufermauern lägen, sei entlang des F.- Ufers lediglich eine Befreiung erteilt worden, hieraus könne keine Selbstbindung der Verwaltung abgeleitet werden. Die Situation, die der Befreiung zugrunde liege, sei auch nicht mit der klägerischen Situation vergleichbar.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten der Beklagten und der Widerspruchsbehörde verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Befreiung vom Verbot der Errichtung baulicher Anlagen im Gewässerrandstreifen nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 Satz 1 WG für die von ihnen erbaute Mauer zu.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie als Verpflichtungsklage statthaft. Das klägerische Begehren auf Befreiung vom Bauverbot im Gewässerrandstreifen ist auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet. Der entscheidungserhebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Verpflichtungsklage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung (BVerwG, Urteil vom 03.11.1994 – 3 C 17/92 – BVerwGE 97, 79-93, juris). Die Kläger konnten als Miteigentümer des Grundstücks in uneigentlicher notwendiger Streitgenossenschaft nach § 64 VwGO i. V. m. §§ 59 ff. ZPO die Klage gemeinschaftlich erheben. Um eine uneigentliche oder prozessuale Streitgenossenschaft wegen notwendig einheitlicher Sachentscheidung handelt es sich in allen Fällen, in denen mehrere Kläger oder Beklagte durch Rechtsbeziehungen des materiellen Rechts dergestalt miteinander verbunden sind, dass zwar eine gesonderte Klage einzelner bzw. gegen einzelne möglich und sinnvoll ist, dass aber, wenn sie zusammen klagen oder verklagt werden, die Entscheidung wegen der Einheit des Streitgegenstandes, notwendig einheitlich ergehen muss. Dies ist der Fall, wenn entweder die Rechtskraft des Urteils allen Streitgenossen gegenüber wirkt oder wenn die Identität des Streitgegenstands bzw. die Unteilbarkeit des streitigen Rechts eine einheitliche gleichzeitige Entscheidung erforderlich macht (Kopp/ Schenke, VwGO 26. Auflage 2020, § 64 Rn. 6). Dies ist insbesondere der Fall, wenn - wie hier - mehrere Personen gemeinsam um die Erteilung einer Genehmigung nachsuchen und sie nach deren Versagung eine auf die Erteilung der Genehmigung gerichtete Verpflichtungsklage erheben (BVerwG, Urteil vom 07.09.1979 – IV C 7.77 – juris).
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Die Klage ist unbegründet. Die streitgegenständliche Mauer stellt eine nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG verbotene Nutzung des Gewässerrandstreifens dar, weshalb es zur Schaffung eines rechtmäßigen Zustandes einer Befreiung bedarf.
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Das landesgesetzliche Bauverbot nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG ist mit höherrangigem Bundesrecht, namentlich § 38 Abs. 4 WHG vereinbar. Der Landesgesetzgeber konnte von § 38 Abs. 4 WHG abweichende Regelungen treffen und in § 29 Abs. 3 weitergehende Verbote im Gewässerrandstreifen normieren. Mit dieser Regelung hat der Landesgesetzgeber nicht in verfassungswidriger Weise in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen.
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Der Bundesgesetzgeber regelt den Bereich der Gewässerrandstreifen in § 38 WHG:
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„§ 38 WHG Gewässerrandstreifen
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(1) Gewässerrandstreifen dienen der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen.
(2) Der Gewässerrandstreifen umfasst das Ufer und den Bereich, der an das Gewässer landseits der Linie des Mittelwasserstandes angrenzt. Der Gewässerrandstreifen bemisst sich ab der Linie des Mittelwasserstandes, bei Gewässern mit ausgeprägter Böschungsoberkante ab der Böschungsoberkante.
(3) Der Gewässerrandstreifen ist im Außenbereich fünf Meter breit. Die zuständige Behörde kann für Gewässer oder Gewässerabschnitte
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1. Gewässerrandstreifen im Außenbereich aufheben,
2. im Außenbereich die Breite des Gewässerrandstreifens abweichend von Satz 1 festsetzen,
3. innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile Gewässerrandstreifen mit einer angemessenen Breite festsetzen.
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Die Länder können von den Sätzen 1 und 2 abweichende Regelungen erlassen.
(4) Eigentümer und Nutzungsberechtigte sollen Gewässerrandstreifen im Hinblick auf ihre Funktionen nach Absatz 1 erhalten. Im Gewässerrandstreifen ist verboten:
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1. die Umwandlung von Grünland in Ackerland,
2. das Entfernen von standortgerechten Bäumen und Sträuchern, ausgenommen die Entnahme im Rahmen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft, sowie das Neuanpflanzen von nicht standortgerechten Bäumen und Sträuchern,
3. der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, ausgenommen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist, und der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in und im Zusammenhang mit zugelassenen Anlagen,
4. die nicht nur zeitweise Ablagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können.
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Zulässig sind Maßnahmen, die zur Gefahrenabwehr notwendig sind. Satz 2 Nummer 1 und 2 gilt nicht für Maßnahmen des Gewässerausbaus sowie der Gewässer- und Deichunterhaltung.
32 
(5) Die zuständige Behörde kann von einem Verbot nach Absatz 4 Satz 2 eine widerrufliche Befreiung erteilen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Maßnahme erfordern oder das Verbot im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt. Die Befreiung kann aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit auch nachträglich mit Nebenbestimmungen versehen werden, insbesondere um zu gewährleisten, dass der Gewässerrandstreifen die in Absatz 1 genannten Funktionen erfüllt.“
33 
Das baden-württembergische Wassergesetz ergänzt die Verbote des § 38 Abs. 4 WHG in § 29 Abs. 3 WG um weitere Verbotstatbestände und regelt in Abs. 4 die Befreiungsmöglichkeit nach § 38 Abs. 5 WHG:
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„§ 29 WG Gewässerrandstreifen (zu § 38 WHG)
35 
[...]
(3) § 38 Absatz 4 WHG ist mit den Maßgaben anzuwenden, dass in den Gewässerrandstreifen ebenfalls verboten sind
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1. der Einsatz und die Lagerung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, ausgenommen Wundverschlussmittel zur Baumpflege und Wildbissschutzmittel, in einem Bereich von fünf Metern,
2. die Errichtung von baulichen und sonstigen Anlagen, soweit sie nicht standortgebunden oder wasserwirtschaftlich erforderlich sind und
3. die Nutzung als Ackerland in einem Bereich von fünf Metern ab dem 1. Januar 2019; hiervon ausgenommen sind die Anpflanzung von Gehölzen mit Ernteintervallen von mehr als zwei Jahren sowie die Anlage und der umbruchlose Erhalt von Blühstreifen in Form von mehrjährigen nektar- und pollenspendenden Trachtflächen für Insekten.
37 
(4) § 38 Absatz 5 WHG findet auf Absatz 2 und Absatz 3 entsprechende Anwendung. Im Innenbereich trifft die Entscheidungen die Gemeinde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde.
[...]“
38 
Der Wasserhaushalt ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32, Art. 72 GG Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bundesgesetzgeber hat von seiner Gesetzgebungskompetenz durch den Erlass des Wasserhaushaltsgesetzes im Jahr 2009 Gebrauch gemacht. Nach Art. 72 Abs. 1 GG bleibt die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer jedoch bestehen, soweit und solange der Bund keinen Gebrauch von seiner Zuständigkeit gemacht hat. Nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG ist im Bereich des Wasserhaushalts außerdem eine abweichende Gesetzgebung möglich, soweit sich der Landesgesetzgeber hierbei in dem bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen bewegt. Hiervon sind stoff- oder anlagenbezogenen Regelungen ausdrücklich ausgenommen. Der Landesgesetzgeber konnte im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 Abs. 1 GG weitergehende Verbote im Bereich des Gewässerrandstreifens erlassen.
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Allerdings erfassen die in § 38 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG enthaltenen Öffnungsklauseln für abweichende landesrechtliche Regelungen das hier in Rede stehende Bauverbot nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG nicht. Der vielfach in der Kommentarliteratur gezogene Erst-Recht-Schluss, wonach die Länder aufgrund der Öffnungsklausel nach § 38 Abs. 3 WHG, die es ihnen erlaubt, die Gewässerrandstreifen als Schutzzonen vollständig abzuschaffen, auch über die in § 38 Abs. 4 WHG aufgenommenen Verbote weitergehende Restriktionen treffen können, ist nicht überzeugend, da der Landesgesetzgeber vorliegend eine Regelung mit höherem Schutzumfang erlassen hat, während der aus § 38 Abs. 3 WHG gezogene Erst-Recht-Schluss den Bundesländern die Begrenzung des Gewässerschutzes, mithin die Abschaffung der Verbote des § 38 Abs. 4 Satz 2 WHG, gestattet (Riedel in: Giesberts/ Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Edition Stand: 01.10.2020, WHG § 38 Rn. 4; Faßbender in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 94. EL Dezember 2020, WHG § 38 Rn. 13; Czychowski/ Reinhardt, 12. Auflage 2019, § 38 Rn. 33).
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Die Öffnungsklausel des § 38 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG erlaubt dem Landesgesetzgeber zwar weitergehende Regelungen begrenzt auf die Anwendung von Pflanzenschutz - und Düngemitteln im Bereich des Gewässerrandstreifens. Hiervon hat der baden-württembergische Landesgesetzgeber in § 29 Abs. 3 Nr. 1 WG Gebrauch gemacht. Eine weitergehende Regelungskompetenz zu abweichender Landesgesetzgebung lässt bereits der eindeutige Wortlaut des § 38 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG nicht zu.
41 
Dass der Bundesgesetzgeber bestimmte Öffnungsklauseln formuliert hat, ist jedoch nicht als abschließende Kompetenzzuweisung zu verstehen. Die bestehenden Regelungsvorbehalte zugunsten der Länder schließen darüberhinausgehende Ländergesetzgebung nicht aus. Regelungsvorbehalte zugunsten der Länder in Bundesgesetzen verdeutlichen einerseits, dass das betreffende Bundesgesetz hinsichtlich der den Ländern vorbehaltenen Regelungsbereiche keine abschließende Regelung enthält und die Länder insoweit von der Gesetzgebung nicht ausgeschlossen sein sollen. Das gilt insbesondere dort, wo bundesgesetzliche Regelungen bestimmen, dass landesrechtliche Vorschriften „unberührt“ bleiben, kann aber auch dort der Fall sein, wo dynamische Verweisungen auf Landesrecht bestehen. Andererseits wird aus derartigen Vorbehalten häufig resultieren, dass außerhalb des vorbehaltenen Bereichs eine Landesgesetzgebung nicht statthaft sein soll, insbesondere dann nicht, wenn diese Vorbehalte konkretisiert und differenziert ausgestaltet sind („verdeutlichende Regelungsvorbehalte“). Allerdings muss auch hier der Wille des Bundesgesetzgebers exakt ermittelt werden, da ein entsprechender Vorbehalt auch deshalb angefügt werden kann, weil dafür gesetzgeberisch ein anderweitig begründeter, spezifischer Bedarf gesehen wird (Uhle in: Maunz/ Dürig, GG Art. 72, Werkstand: 92. EL August 2020, Rn. 89ff.).
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§ 38 Abs. 4 Satz 2 WHG stellt nach dem Willen des Bundesgesetzgebers keine abschließende Regelung dar, weshalb dem Landesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 Abs. 1 GG ein Regelungsspielraum hinsichtlich weiterer Verbote im Gewässerrandstreifen verblieb.
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Dies ergibt sich hinreichend eindeutig aus der Gesetzesbegründung, wonach das Erhaltungsgebot des Gewässerrandstreifens nach § 38 Abs. 4 Satz 1 WHG durch den zweiten Satz der Vorschrift nicht abschließend konkretisiert wird, sondern weitergehende Regelungen möglich bleiben. Der Katalog des Satz 2 enthält lediglich bestimmte Tätigkeiten, die im Gewässerrandstreifen in jedem Fall verboten sein sollen (BT-Drs. 16/12275, S. 62). Neben den bereits durch Bundesgesetz verbotenen Tätigkeiten verbleibt den Bundesländern mithin die Möglichkeit, weitergehende Verbote in die Landeswassergesetze aufzunehmen. Zudem normiert die Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 3 WHG eine Abweichungsmöglichkeit der Länder von der durch den Bundesgesetzgeber getroffenen Regelung, die den Ländern bereits von Verfassungs wegen nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG zusteht, und soll daher gerade nicht zum Ausdruck bringen, dass der Bund an dieser Stelle eine abschließende Regelung getroffen hat. Die Regelung des § 29 Abs. 3 Nr.2 WG steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des besonderen Schutzes der Gewässerrandstreifen. Durch die Regelung der Gewässerrandstreifen sollen oberirdische Gewässer und ihre Ufer vor Stoffeinträgen geschützt und die Ausprägung einer naturnahen Ufervegetation gewährleistet werden (Schwendner/Rossi in: Sieder/ Zeitler/ Dahme/ Knopp, WHG AbwAG Werkstand 55. EL September 2020, WHG § 38 Rn. 1). Demselben Zweck dient das Verbot baulicher Anlagen im Gewässerrandstreifen, die die Entwicklung einer naturnahen Ufervegetation wenn nicht verhindern, so doch zumindest beeinträchtigen.
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Die Beklagte hat zu Recht den Antrag der Kläger auf Erteilung einer Befreiung für die im Jahr 2016 fertiggestellte Mauer abgelehnt.
45 
Die Beklagte war nach §§ 29 Abs. 4 Satz 2, 82 Abs. 6 Satz 2 WG i. V. m. § 38 Abs. 5 WHG zuständig für diese Entscheidung.
46 
Die streitgegenständliche Mauer ist von dem Verbot des § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG erfasst und bedarf daher einer Befreiung. Die Mauer stellt eine bauliche Anlage i. S. des § 2 Abs. 1 LBO dar, da sie auf einem Betonfundament gründet und aus Bauprodukten hergestellt ist. Die Mauer befindet sich im Bereich des Gewässerrandstreifens Der Gewässerrandstreifen umfasst das Ufer und den Bereich, der an das Gewässer landseits der Linie des Mittelwasserstandes angegrenzt (§ 38 Abs. 2 Satz 1 WHG). Die Breite der Gewässerrandstreifen im Innenbereich hat der Landesgesetzgeber nach § 29 Abs. 1 Satz 1 WG auf fünf Meter festgesetzt. Der Gewässerrandstreifen dient besonders dem Schutz und der Verbesserung ökologischer Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen (§ 38 Abs. 1 WHG). Die F. stellt ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 2 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WHG dar. Das Grundstück der Kläger weist nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten eine ausgeprägte Böschungsoberkante auf. Dass diese nicht natürlich entstanden, sondern Folge von baulichen Maßnahmen sein soll, spielt bei der Bemessung des Gewässerrandstreifens keine Rolle, erforderlich ist lediglich eine deutlich erkennbare Böschungsoberkante. Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz WHG bemisst sich der Gewässerrandstreifen dann ab der Böschungsoberkante. Nach klägerischem Vortrag befindet sich die Mauer entlang der Böschungsoberkante zwischen 1,0m und 1,7m von der Grundstücksgrenze entfernt und somit im Bereich des Gewässerrandstreifens.
47 
Bei der Mauer handelt es sich weder um eine standortgebundene bauliche Anlage noch ist sie wasserwirtschaftlich erforderlich.
48 
Die Kläger können sich nicht auf den Bestandsschutz berufen, weshalb es vorliegend einer Befreiung vom Bauverbot nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 WG bedarf. Der möglicherweise vormals bestehende Bestandsschutz für die sich ursprünglich auf dem Grundstück befindliche Mauer wirkt nicht nach deren Abriss für den Neubau an gleicher Stelle fort. Lediglich für Bauwerke, die vor dem Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes 2014 errichtet wurden, besteht nach der Gesetzesbegründung Bestandsschutz (LT-Drs 15/3760, S. 133). Mit der Entfernung der alten Mauer ist ein möglicher Bestandsschutz entfallen. Alleine der Baubeginn im Jahr 2013 vor Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes ist nicht ausreichend, um Bestandsschutz zu erlangen, da nach der Gesetzesbegründung zu § 29 WG lediglich im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Anlagen hiervon erfasst werden sollen. Auch die Verwendung von Bestandteilen der alten Mauer im Rahmen des Neubaus lässt keinen Bestandsschutz entstehen, da es sich insgesamt um eine neue Anlage handelt.
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Vorliegend kann nur eine Befreiung wegen unbilliger Härte in Betracht kommen. Gründe des Allgemeinwohls sind nicht ersichtlich und auch nicht durch die Kläger vorgetragen.
50 
In der Festsetzung der Gewässerrandstreifen liegt eine gesetzliche Beschränkung eigentümerrechtlicher Positionen, die in Ansehung der gemeinwohlorientierten Zielsetzungen grundsätzlich eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt (Czychowski/ Reinhardt, WHG, 12. Auflage 2019, § 38 Rn. 18). Es bedarf aber einer Befreiungsmöglichkeit, wenn im Einzelfall die Grenzen des Art. 14 Abs. 2 GG durch unverhältnismäßige Inanspruchnahme des Bürgers überschritten werden.
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Eine unbillige Härte kann etwa eine unzumutbare Beschränkung des Eigentums sein. Dies ist dann anzunehmen, wenn vom Eigentum keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibt. Das Eigentum genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, wenn es die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert. Wenn das betroffene Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens und die Grundlage der privaten Lebensführung des Eigentümers ausmacht, ist die Zumutbarkeitsschwelle schneller überschritten (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 – 1 BvR 242/91 – BVerfGE 102, 1-25, juris). Vorliegend ist die Nutzungseinschränkung des Grundstücks durch das Bauverbot im Gewässerrandstreifen jedoch nicht so weitreichend, dass keine sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibt. Die Kläger können ihr Eigentum trotz allem noch sinnvoll nutzen, insbesondere ist weder dargetan noch von Amts wegen ersichtlich, dass die Nutzung des Wohngebäudes für die Kläger ohne die Befreiung eingeschränkt wäre. Zudem verbleibt auch im Gartenbereich auch außerhalb des Gewässerrandstreifens noch eine nutzbare Fläche und steht auch die Böschung zur Nutzung z. B. in Form von Anpflanzungen von Nutzsträuchern oder Obstbäumen grundsätzlich zur Verfügung.
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Die Mauer ist nicht zur Sicherung des Grundstücks vor Hochwasserschäden erforderlich, da sie bereits außerhalb des regelmäßig von Hochwasser betroffenen Bereichs liegt. Nach der Hochwasserkarte der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) liegt die HQ-100-Linie etwa auf der Höhe der Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks. Die Linie drückt aus, wie häufig mit Hochwasserständen in diesem Ausmaß zu rechnen ist. Lediglich alle hundert Jahre ist mithin mit Wasserständen zu rechnen, die an die Grenze des klägerischen Grundstücks heranreichen. Da sich die Mauer noch hinter der HQ-100-Linie befindet, liegt sie außerhalb des Hochwasserbereiches und ist zur Sicherung vor Hochwasserschäden ungeeignet.
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Auch zur Sicherung des Grundstücks vor Ausspülung durch Oberflächenwasser und dem hierdurch möglicherweise drohenden Abrutschen des Geländes lässt sich die aus Betonpflanztrögen auf einem Betonfundament errichtete Mauer nicht rechtfertigen. Solche Unterhaltungsmaßnahmen zur Absicherung der Gewässerrandstreifen liegen grundsätzlich in der Verantwortung desjenigen, der die Unterhaltslast für das Gewässer zu tragen hat (OVG Saarland, Urteil vom 14.06.2002 – 3 Q 39/01 – juris). Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 WG trägt das Land Baden-Württemberg für Gewässer erster Ordnung, zu denen nach § 4 Satz 3 WG i. V. m. Anlage 1 zum WG auch die F. zählt, die Unterhaltslast. Dies umfasst nicht nur das Flussbett, sondern auch die Uferbereiche der F., unabhängig davon, in wessen Eigentum dieses Gelände steht (Czychowski/ Reinhardt, WHG 12. Auflage 2019, § 39 Rn. 10).
54 
Teil der Unterhaltslast ist nach § 33 WG auch das Beseitigen von rechts - und ordnungswidrigen Zuständen, wozu auch die Absicherung der Böschung gegen das Ausspülen und Abrutschen zu rechnen ist. Die Kläger hätten sich also bei etwaigen Uferabbrüchen an das Land Baden-Württemberg zu wenden, wenn dieses nicht der Unterhaltspflicht durch notwendige Uferschutzmaßnahmen nachgekommen wäre, soweit die Verletzung der Unterhaltspflicht zu einem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht führt (Czychowski/ Reinhardt, WHG 12. Auflage 2019, § 39 Rn. 79). In welcher Art und Weise solche Uferschutzmaßnahmen ausgeführt werden, liegt im Ermessen des Unterhaltslastträgers. Vorliegend haben die Kläger zudem nicht ausreichend nachgewiesen, dass eine Absicherung des Grundstücks lediglich durch eine einbetonierte Mauer erfolgen könne und nicht durch naturnähere Maßnahmen, wie beispielsweise durch standortgerechten Bewuchs.
55 
Es besteht keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung der Kläger im Verhältnis zu dem flussaufwärts liegenden Nachbarn. Eine mögliche Ungleichbehandlung kann nur im Verhältnis zu diesem Nachbarn in Betracht kommen, da diesem als einzigem in der näheren Umgebung eine Befreiung nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 WG erteilt wurde. Die sonstigen baulichen Anlagen wurden vor der Novellierung des Wassergesetzes, beziehungsweise ohne eine Befreiung vom Bauverbot erbaut. Da das klägerische Begehren auf die Erteilung einer Befreiung gerichtet ist, können nur solche Sachverhalte, in denen eine Befreiung erteilt wurde, mit dem vom Kläger geltend gemachten Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt einer willkürlichen Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verglichen werden. Aus der dem flussaufwärts angrenzenden Nachbarn erteilten Befreiung kann sich kein Anspruch der Kläger auf Erteilung der Befreiung ergeben. Es liegt keine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten vor. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „unbilligen Härte“ bedarf der Auslegung durch den jeweiligen Normanwender. Die Beklagte hat die gleichen Beurteilungskriterien im Rahmen der Befreiungsentscheidungen herangezogen, insbesondere das durch die Rechtsprechung entwickelte Kriterium der sinnvollen (wirtschaftlichen) Nutzbarkeit des Grundstücks (VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.08.2018 – 12 K 1148/18 – juris). Die abweichende Beurteilung der beiden Tatbestände anhand dieser Kriterien stellt keine Ungleichbehandlung der Kläger dar. Die den Befreiungsentscheidungen jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Zwar liegen beide zu befreienden Mauern jenseits der HQ-100-Linie und somit außerhalb des direkten Hochwassergefahrenbereichs, jedoch hatte die Beklagte hinsichtlich der Befreiung des Nachbargrundstücks weitere Umstände zu berücksichtigen, die für das klägerische Grundstück nicht herangezogen werden konnten. So wäre die Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks bei einer Beseitigung der Mauer besonders eingeschränkt, weil dann die in diesem Bereich verlaufende Kanalisation nicht weiter nutzbar wäre und außerdem die Zufahrt zu den Betriebsgebäuden nicht mehr ausreichend breit wäre, um diese mit einem Gabelstapler zu erreichen. Vergleichbare Umstände, weshalb die Mauer zum Erhalt der Nutzbarkeit des Grundstücks erforderlich ist, haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt, weshalb die Ablehnung ihres Befreiungsantrags keine mit Art. 3 GG unvereinbare Ungleichbehandlung darstellt.
56 
Bei der sich in der Nähe befindlichen Wasserkraftanlage dürfte es sich bereits um eine solche bauliche Anlage handeln, die von dem Verbot des § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG ausgenommen ist, da die Wasserkraftanlage standortgebunden ist und zu ihrer Funktionsfähigkeit in ausreichender Nähe zu dem Gewässer erbaut werden muss. Hinsichtlich der sich auf dem flussabwärts angrenzenden Nachbargrundstück befindlichen Mauer können die Kläger sich nicht auf eine Ungleichbehandlung berufen, da für diese keine Befreiung erteilt wurde.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
58 
Die Berufung ist vorliegend nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG mit höherrangigem Recht von grundsätzlicher Bedeutung ist und - soweit ersichtlich - hierzu noch keine obergerichtliche Rechtsprechung ergangen ist.

Gründe

 
21 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Befreiung vom Verbot der Errichtung baulicher Anlagen im Gewässerrandstreifen nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 Satz 1 WG für die von ihnen erbaute Mauer zu.
22 
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie als Verpflichtungsklage statthaft. Das klägerische Begehren auf Befreiung vom Bauverbot im Gewässerrandstreifen ist auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet. Der entscheidungserhebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Verpflichtungsklage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung (BVerwG, Urteil vom 03.11.1994 – 3 C 17/92 – BVerwGE 97, 79-93, juris). Die Kläger konnten als Miteigentümer des Grundstücks in uneigentlicher notwendiger Streitgenossenschaft nach § 64 VwGO i. V. m. §§ 59 ff. ZPO die Klage gemeinschaftlich erheben. Um eine uneigentliche oder prozessuale Streitgenossenschaft wegen notwendig einheitlicher Sachentscheidung handelt es sich in allen Fällen, in denen mehrere Kläger oder Beklagte durch Rechtsbeziehungen des materiellen Rechts dergestalt miteinander verbunden sind, dass zwar eine gesonderte Klage einzelner bzw. gegen einzelne möglich und sinnvoll ist, dass aber, wenn sie zusammen klagen oder verklagt werden, die Entscheidung wegen der Einheit des Streitgegenstandes, notwendig einheitlich ergehen muss. Dies ist der Fall, wenn entweder die Rechtskraft des Urteils allen Streitgenossen gegenüber wirkt oder wenn die Identität des Streitgegenstands bzw. die Unteilbarkeit des streitigen Rechts eine einheitliche gleichzeitige Entscheidung erforderlich macht (Kopp/ Schenke, VwGO 26. Auflage 2020, § 64 Rn. 6). Dies ist insbesondere der Fall, wenn - wie hier - mehrere Personen gemeinsam um die Erteilung einer Genehmigung nachsuchen und sie nach deren Versagung eine auf die Erteilung der Genehmigung gerichtete Verpflichtungsklage erheben (BVerwG, Urteil vom 07.09.1979 – IV C 7.77 – juris).
23 
Die Klage ist unbegründet. Die streitgegenständliche Mauer stellt eine nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG verbotene Nutzung des Gewässerrandstreifens dar, weshalb es zur Schaffung eines rechtmäßigen Zustandes einer Befreiung bedarf.
24 
Das landesgesetzliche Bauverbot nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG ist mit höherrangigem Bundesrecht, namentlich § 38 Abs. 4 WHG vereinbar. Der Landesgesetzgeber konnte von § 38 Abs. 4 WHG abweichende Regelungen treffen und in § 29 Abs. 3 weitergehende Verbote im Gewässerrandstreifen normieren. Mit dieser Regelung hat der Landesgesetzgeber nicht in verfassungswidriger Weise in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen.
25 
Der Bundesgesetzgeber regelt den Bereich der Gewässerrandstreifen in § 38 WHG:
26 
„§ 38 WHG Gewässerrandstreifen
27 
(1) Gewässerrandstreifen dienen der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen.
(2) Der Gewässerrandstreifen umfasst das Ufer und den Bereich, der an das Gewässer landseits der Linie des Mittelwasserstandes angrenzt. Der Gewässerrandstreifen bemisst sich ab der Linie des Mittelwasserstandes, bei Gewässern mit ausgeprägter Böschungsoberkante ab der Böschungsoberkante.
(3) Der Gewässerrandstreifen ist im Außenbereich fünf Meter breit. Die zuständige Behörde kann für Gewässer oder Gewässerabschnitte
28 
1. Gewässerrandstreifen im Außenbereich aufheben,
2. im Außenbereich die Breite des Gewässerrandstreifens abweichend von Satz 1 festsetzen,
3. innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile Gewässerrandstreifen mit einer angemessenen Breite festsetzen.
29 
Die Länder können von den Sätzen 1 und 2 abweichende Regelungen erlassen.
(4) Eigentümer und Nutzungsberechtigte sollen Gewässerrandstreifen im Hinblick auf ihre Funktionen nach Absatz 1 erhalten. Im Gewässerrandstreifen ist verboten:
30 
1. die Umwandlung von Grünland in Ackerland,
2. das Entfernen von standortgerechten Bäumen und Sträuchern, ausgenommen die Entnahme im Rahmen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft, sowie das Neuanpflanzen von nicht standortgerechten Bäumen und Sträuchern,
3. der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, ausgenommen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist, und der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in und im Zusammenhang mit zugelassenen Anlagen,
4. die nicht nur zeitweise Ablagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können.
31 
Zulässig sind Maßnahmen, die zur Gefahrenabwehr notwendig sind. Satz 2 Nummer 1 und 2 gilt nicht für Maßnahmen des Gewässerausbaus sowie der Gewässer- und Deichunterhaltung.
32 
(5) Die zuständige Behörde kann von einem Verbot nach Absatz 4 Satz 2 eine widerrufliche Befreiung erteilen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Maßnahme erfordern oder das Verbot im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt. Die Befreiung kann aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit auch nachträglich mit Nebenbestimmungen versehen werden, insbesondere um zu gewährleisten, dass der Gewässerrandstreifen die in Absatz 1 genannten Funktionen erfüllt.“
33 
Das baden-württembergische Wassergesetz ergänzt die Verbote des § 38 Abs. 4 WHG in § 29 Abs. 3 WG um weitere Verbotstatbestände und regelt in Abs. 4 die Befreiungsmöglichkeit nach § 38 Abs. 5 WHG:
34 
„§ 29 WG Gewässerrandstreifen (zu § 38 WHG)
35 
[...]
(3) § 38 Absatz 4 WHG ist mit den Maßgaben anzuwenden, dass in den Gewässerrandstreifen ebenfalls verboten sind
36 
1. der Einsatz und die Lagerung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, ausgenommen Wundverschlussmittel zur Baumpflege und Wildbissschutzmittel, in einem Bereich von fünf Metern,
2. die Errichtung von baulichen und sonstigen Anlagen, soweit sie nicht standortgebunden oder wasserwirtschaftlich erforderlich sind und
3. die Nutzung als Ackerland in einem Bereich von fünf Metern ab dem 1. Januar 2019; hiervon ausgenommen sind die Anpflanzung von Gehölzen mit Ernteintervallen von mehr als zwei Jahren sowie die Anlage und der umbruchlose Erhalt von Blühstreifen in Form von mehrjährigen nektar- und pollenspendenden Trachtflächen für Insekten.
37 
(4) § 38 Absatz 5 WHG findet auf Absatz 2 und Absatz 3 entsprechende Anwendung. Im Innenbereich trifft die Entscheidungen die Gemeinde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde.
[...]“
38 
Der Wasserhaushalt ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32, Art. 72 GG Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bundesgesetzgeber hat von seiner Gesetzgebungskompetenz durch den Erlass des Wasserhaushaltsgesetzes im Jahr 2009 Gebrauch gemacht. Nach Art. 72 Abs. 1 GG bleibt die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer jedoch bestehen, soweit und solange der Bund keinen Gebrauch von seiner Zuständigkeit gemacht hat. Nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG ist im Bereich des Wasserhaushalts außerdem eine abweichende Gesetzgebung möglich, soweit sich der Landesgesetzgeber hierbei in dem bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen bewegt. Hiervon sind stoff- oder anlagenbezogenen Regelungen ausdrücklich ausgenommen. Der Landesgesetzgeber konnte im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 Abs. 1 GG weitergehende Verbote im Bereich des Gewässerrandstreifens erlassen.
39 
Allerdings erfassen die in § 38 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG enthaltenen Öffnungsklauseln für abweichende landesrechtliche Regelungen das hier in Rede stehende Bauverbot nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG nicht. Der vielfach in der Kommentarliteratur gezogene Erst-Recht-Schluss, wonach die Länder aufgrund der Öffnungsklausel nach § 38 Abs. 3 WHG, die es ihnen erlaubt, die Gewässerrandstreifen als Schutzzonen vollständig abzuschaffen, auch über die in § 38 Abs. 4 WHG aufgenommenen Verbote weitergehende Restriktionen treffen können, ist nicht überzeugend, da der Landesgesetzgeber vorliegend eine Regelung mit höherem Schutzumfang erlassen hat, während der aus § 38 Abs. 3 WHG gezogene Erst-Recht-Schluss den Bundesländern die Begrenzung des Gewässerschutzes, mithin die Abschaffung der Verbote des § 38 Abs. 4 Satz 2 WHG, gestattet (Riedel in: Giesberts/ Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Edition Stand: 01.10.2020, WHG § 38 Rn. 4; Faßbender in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 94. EL Dezember 2020, WHG § 38 Rn. 13; Czychowski/ Reinhardt, 12. Auflage 2019, § 38 Rn. 33).
40 
Die Öffnungsklausel des § 38 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG erlaubt dem Landesgesetzgeber zwar weitergehende Regelungen begrenzt auf die Anwendung von Pflanzenschutz - und Düngemitteln im Bereich des Gewässerrandstreifens. Hiervon hat der baden-württembergische Landesgesetzgeber in § 29 Abs. 3 Nr. 1 WG Gebrauch gemacht. Eine weitergehende Regelungskompetenz zu abweichender Landesgesetzgebung lässt bereits der eindeutige Wortlaut des § 38 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG nicht zu.
41 
Dass der Bundesgesetzgeber bestimmte Öffnungsklauseln formuliert hat, ist jedoch nicht als abschließende Kompetenzzuweisung zu verstehen. Die bestehenden Regelungsvorbehalte zugunsten der Länder schließen darüberhinausgehende Ländergesetzgebung nicht aus. Regelungsvorbehalte zugunsten der Länder in Bundesgesetzen verdeutlichen einerseits, dass das betreffende Bundesgesetz hinsichtlich der den Ländern vorbehaltenen Regelungsbereiche keine abschließende Regelung enthält und die Länder insoweit von der Gesetzgebung nicht ausgeschlossen sein sollen. Das gilt insbesondere dort, wo bundesgesetzliche Regelungen bestimmen, dass landesrechtliche Vorschriften „unberührt“ bleiben, kann aber auch dort der Fall sein, wo dynamische Verweisungen auf Landesrecht bestehen. Andererseits wird aus derartigen Vorbehalten häufig resultieren, dass außerhalb des vorbehaltenen Bereichs eine Landesgesetzgebung nicht statthaft sein soll, insbesondere dann nicht, wenn diese Vorbehalte konkretisiert und differenziert ausgestaltet sind („verdeutlichende Regelungsvorbehalte“). Allerdings muss auch hier der Wille des Bundesgesetzgebers exakt ermittelt werden, da ein entsprechender Vorbehalt auch deshalb angefügt werden kann, weil dafür gesetzgeberisch ein anderweitig begründeter, spezifischer Bedarf gesehen wird (Uhle in: Maunz/ Dürig, GG Art. 72, Werkstand: 92. EL August 2020, Rn. 89ff.).
42 
§ 38 Abs. 4 Satz 2 WHG stellt nach dem Willen des Bundesgesetzgebers keine abschließende Regelung dar, weshalb dem Landesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 Abs. 1 GG ein Regelungsspielraum hinsichtlich weiterer Verbote im Gewässerrandstreifen verblieb.
43 
Dies ergibt sich hinreichend eindeutig aus der Gesetzesbegründung, wonach das Erhaltungsgebot des Gewässerrandstreifens nach § 38 Abs. 4 Satz 1 WHG durch den zweiten Satz der Vorschrift nicht abschließend konkretisiert wird, sondern weitergehende Regelungen möglich bleiben. Der Katalog des Satz 2 enthält lediglich bestimmte Tätigkeiten, die im Gewässerrandstreifen in jedem Fall verboten sein sollen (BT-Drs. 16/12275, S. 62). Neben den bereits durch Bundesgesetz verbotenen Tätigkeiten verbleibt den Bundesländern mithin die Möglichkeit, weitergehende Verbote in die Landeswassergesetze aufzunehmen. Zudem normiert die Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 3 WHG eine Abweichungsmöglichkeit der Länder von der durch den Bundesgesetzgeber getroffenen Regelung, die den Ländern bereits von Verfassungs wegen nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG zusteht, und soll daher gerade nicht zum Ausdruck bringen, dass der Bund an dieser Stelle eine abschließende Regelung getroffen hat. Die Regelung des § 29 Abs. 3 Nr.2 WG steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des besonderen Schutzes der Gewässerrandstreifen. Durch die Regelung der Gewässerrandstreifen sollen oberirdische Gewässer und ihre Ufer vor Stoffeinträgen geschützt und die Ausprägung einer naturnahen Ufervegetation gewährleistet werden (Schwendner/Rossi in: Sieder/ Zeitler/ Dahme/ Knopp, WHG AbwAG Werkstand 55. EL September 2020, WHG § 38 Rn. 1). Demselben Zweck dient das Verbot baulicher Anlagen im Gewässerrandstreifen, die die Entwicklung einer naturnahen Ufervegetation wenn nicht verhindern, so doch zumindest beeinträchtigen.
44 
Die Beklagte hat zu Recht den Antrag der Kläger auf Erteilung einer Befreiung für die im Jahr 2016 fertiggestellte Mauer abgelehnt.
45 
Die Beklagte war nach §§ 29 Abs. 4 Satz 2, 82 Abs. 6 Satz 2 WG i. V. m. § 38 Abs. 5 WHG zuständig für diese Entscheidung.
46 
Die streitgegenständliche Mauer ist von dem Verbot des § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG erfasst und bedarf daher einer Befreiung. Die Mauer stellt eine bauliche Anlage i. S. des § 2 Abs. 1 LBO dar, da sie auf einem Betonfundament gründet und aus Bauprodukten hergestellt ist. Die Mauer befindet sich im Bereich des Gewässerrandstreifens Der Gewässerrandstreifen umfasst das Ufer und den Bereich, der an das Gewässer landseits der Linie des Mittelwasserstandes angegrenzt (§ 38 Abs. 2 Satz 1 WHG). Die Breite der Gewässerrandstreifen im Innenbereich hat der Landesgesetzgeber nach § 29 Abs. 1 Satz 1 WG auf fünf Meter festgesetzt. Der Gewässerrandstreifen dient besonders dem Schutz und der Verbesserung ökologischer Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen (§ 38 Abs. 1 WHG). Die F. stellt ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 2 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WHG dar. Das Grundstück der Kläger weist nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten eine ausgeprägte Böschungsoberkante auf. Dass diese nicht natürlich entstanden, sondern Folge von baulichen Maßnahmen sein soll, spielt bei der Bemessung des Gewässerrandstreifens keine Rolle, erforderlich ist lediglich eine deutlich erkennbare Böschungsoberkante. Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz WHG bemisst sich der Gewässerrandstreifen dann ab der Böschungsoberkante. Nach klägerischem Vortrag befindet sich die Mauer entlang der Böschungsoberkante zwischen 1,0m und 1,7m von der Grundstücksgrenze entfernt und somit im Bereich des Gewässerrandstreifens.
47 
Bei der Mauer handelt es sich weder um eine standortgebundene bauliche Anlage noch ist sie wasserwirtschaftlich erforderlich.
48 
Die Kläger können sich nicht auf den Bestandsschutz berufen, weshalb es vorliegend einer Befreiung vom Bauverbot nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 WG bedarf. Der möglicherweise vormals bestehende Bestandsschutz für die sich ursprünglich auf dem Grundstück befindliche Mauer wirkt nicht nach deren Abriss für den Neubau an gleicher Stelle fort. Lediglich für Bauwerke, die vor dem Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes 2014 errichtet wurden, besteht nach der Gesetzesbegründung Bestandsschutz (LT-Drs 15/3760, S. 133). Mit der Entfernung der alten Mauer ist ein möglicher Bestandsschutz entfallen. Alleine der Baubeginn im Jahr 2013 vor Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes ist nicht ausreichend, um Bestandsschutz zu erlangen, da nach der Gesetzesbegründung zu § 29 WG lediglich im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Anlagen hiervon erfasst werden sollen. Auch die Verwendung von Bestandteilen der alten Mauer im Rahmen des Neubaus lässt keinen Bestandsschutz entstehen, da es sich insgesamt um eine neue Anlage handelt.
49 
Vorliegend kann nur eine Befreiung wegen unbilliger Härte in Betracht kommen. Gründe des Allgemeinwohls sind nicht ersichtlich und auch nicht durch die Kläger vorgetragen.
50 
In der Festsetzung der Gewässerrandstreifen liegt eine gesetzliche Beschränkung eigentümerrechtlicher Positionen, die in Ansehung der gemeinwohlorientierten Zielsetzungen grundsätzlich eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt (Czychowski/ Reinhardt, WHG, 12. Auflage 2019, § 38 Rn. 18). Es bedarf aber einer Befreiungsmöglichkeit, wenn im Einzelfall die Grenzen des Art. 14 Abs. 2 GG durch unverhältnismäßige Inanspruchnahme des Bürgers überschritten werden.
51 
Eine unbillige Härte kann etwa eine unzumutbare Beschränkung des Eigentums sein. Dies ist dann anzunehmen, wenn vom Eigentum keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibt. Das Eigentum genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, wenn es die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert. Wenn das betroffene Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens und die Grundlage der privaten Lebensführung des Eigentümers ausmacht, ist die Zumutbarkeitsschwelle schneller überschritten (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 – 1 BvR 242/91 – BVerfGE 102, 1-25, juris). Vorliegend ist die Nutzungseinschränkung des Grundstücks durch das Bauverbot im Gewässerrandstreifen jedoch nicht so weitreichend, dass keine sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibt. Die Kläger können ihr Eigentum trotz allem noch sinnvoll nutzen, insbesondere ist weder dargetan noch von Amts wegen ersichtlich, dass die Nutzung des Wohngebäudes für die Kläger ohne die Befreiung eingeschränkt wäre. Zudem verbleibt auch im Gartenbereich auch außerhalb des Gewässerrandstreifens noch eine nutzbare Fläche und steht auch die Böschung zur Nutzung z. B. in Form von Anpflanzungen von Nutzsträuchern oder Obstbäumen grundsätzlich zur Verfügung.
52 
Die Mauer ist nicht zur Sicherung des Grundstücks vor Hochwasserschäden erforderlich, da sie bereits außerhalb des regelmäßig von Hochwasser betroffenen Bereichs liegt. Nach der Hochwasserkarte der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) liegt die HQ-100-Linie etwa auf der Höhe der Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks. Die Linie drückt aus, wie häufig mit Hochwasserständen in diesem Ausmaß zu rechnen ist. Lediglich alle hundert Jahre ist mithin mit Wasserständen zu rechnen, die an die Grenze des klägerischen Grundstücks heranreichen. Da sich die Mauer noch hinter der HQ-100-Linie befindet, liegt sie außerhalb des Hochwasserbereiches und ist zur Sicherung vor Hochwasserschäden ungeeignet.
53 
Auch zur Sicherung des Grundstücks vor Ausspülung durch Oberflächenwasser und dem hierdurch möglicherweise drohenden Abrutschen des Geländes lässt sich die aus Betonpflanztrögen auf einem Betonfundament errichtete Mauer nicht rechtfertigen. Solche Unterhaltungsmaßnahmen zur Absicherung der Gewässerrandstreifen liegen grundsätzlich in der Verantwortung desjenigen, der die Unterhaltslast für das Gewässer zu tragen hat (OVG Saarland, Urteil vom 14.06.2002 – 3 Q 39/01 – juris). Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 WG trägt das Land Baden-Württemberg für Gewässer erster Ordnung, zu denen nach § 4 Satz 3 WG i. V. m. Anlage 1 zum WG auch die F. zählt, die Unterhaltslast. Dies umfasst nicht nur das Flussbett, sondern auch die Uferbereiche der F., unabhängig davon, in wessen Eigentum dieses Gelände steht (Czychowski/ Reinhardt, WHG 12. Auflage 2019, § 39 Rn. 10).
54 
Teil der Unterhaltslast ist nach § 33 WG auch das Beseitigen von rechts - und ordnungswidrigen Zuständen, wozu auch die Absicherung der Böschung gegen das Ausspülen und Abrutschen zu rechnen ist. Die Kläger hätten sich also bei etwaigen Uferabbrüchen an das Land Baden-Württemberg zu wenden, wenn dieses nicht der Unterhaltspflicht durch notwendige Uferschutzmaßnahmen nachgekommen wäre, soweit die Verletzung der Unterhaltspflicht zu einem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht führt (Czychowski/ Reinhardt, WHG 12. Auflage 2019, § 39 Rn. 79). In welcher Art und Weise solche Uferschutzmaßnahmen ausgeführt werden, liegt im Ermessen des Unterhaltslastträgers. Vorliegend haben die Kläger zudem nicht ausreichend nachgewiesen, dass eine Absicherung des Grundstücks lediglich durch eine einbetonierte Mauer erfolgen könne und nicht durch naturnähere Maßnahmen, wie beispielsweise durch standortgerechten Bewuchs.
55 
Es besteht keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung der Kläger im Verhältnis zu dem flussaufwärts liegenden Nachbarn. Eine mögliche Ungleichbehandlung kann nur im Verhältnis zu diesem Nachbarn in Betracht kommen, da diesem als einzigem in der näheren Umgebung eine Befreiung nach § 38 Abs. 5 WHG i. V. m. § 29 Abs. 4 WG erteilt wurde. Die sonstigen baulichen Anlagen wurden vor der Novellierung des Wassergesetzes, beziehungsweise ohne eine Befreiung vom Bauverbot erbaut. Da das klägerische Begehren auf die Erteilung einer Befreiung gerichtet ist, können nur solche Sachverhalte, in denen eine Befreiung erteilt wurde, mit dem vom Kläger geltend gemachten Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt einer willkürlichen Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verglichen werden. Aus der dem flussaufwärts angrenzenden Nachbarn erteilten Befreiung kann sich kein Anspruch der Kläger auf Erteilung der Befreiung ergeben. Es liegt keine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten vor. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „unbilligen Härte“ bedarf der Auslegung durch den jeweiligen Normanwender. Die Beklagte hat die gleichen Beurteilungskriterien im Rahmen der Befreiungsentscheidungen herangezogen, insbesondere das durch die Rechtsprechung entwickelte Kriterium der sinnvollen (wirtschaftlichen) Nutzbarkeit des Grundstücks (VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.08.2018 – 12 K 1148/18 – juris). Die abweichende Beurteilung der beiden Tatbestände anhand dieser Kriterien stellt keine Ungleichbehandlung der Kläger dar. Die den Befreiungsentscheidungen jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Zwar liegen beide zu befreienden Mauern jenseits der HQ-100-Linie und somit außerhalb des direkten Hochwassergefahrenbereichs, jedoch hatte die Beklagte hinsichtlich der Befreiung des Nachbargrundstücks weitere Umstände zu berücksichtigen, die für das klägerische Grundstück nicht herangezogen werden konnten. So wäre die Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks bei einer Beseitigung der Mauer besonders eingeschränkt, weil dann die in diesem Bereich verlaufende Kanalisation nicht weiter nutzbar wäre und außerdem die Zufahrt zu den Betriebsgebäuden nicht mehr ausreichend breit wäre, um diese mit einem Gabelstapler zu erreichen. Vergleichbare Umstände, weshalb die Mauer zum Erhalt der Nutzbarkeit des Grundstücks erforderlich ist, haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt, weshalb die Ablehnung ihres Befreiungsantrags keine mit Art. 3 GG unvereinbare Ungleichbehandlung darstellt.
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Bei der sich in der Nähe befindlichen Wasserkraftanlage dürfte es sich bereits um eine solche bauliche Anlage handeln, die von dem Verbot des § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG ausgenommen ist, da die Wasserkraftanlage standortgebunden ist und zu ihrer Funktionsfähigkeit in ausreichender Nähe zu dem Gewässer erbaut werden muss. Hinsichtlich der sich auf dem flussabwärts angrenzenden Nachbargrundstück befindlichen Mauer können die Kläger sich nicht auf eine Ungleichbehandlung berufen, da für diese keine Befreiung erteilt wurde.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
58 
Die Berufung ist vorliegend nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des § 29 Abs. 3 Nr. 2 WG mit höherrangigem Recht von grundsätzlicher Bedeutung ist und - soweit ersichtlich - hierzu noch keine obergerichtliche Rechtsprechung ergangen ist.

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