Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (5. Kammer) - 5 K 384/08.TR

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen - Mutter und Tochter - erstreben ihre Asylanerkennung, die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sowie von Abschiebungsverboten.

2

Am 9. September 2004 stellte die Klägerin zu 1) bei der Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Trier erstmals einen Asylantrag, nachdem sie sich am 3. September 2004 bei der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Trier als Asylsuchende gemeldet hatte. Bei der Asylbeantragung gab sie an, nigerianische Staatsangehörige und am ... in ... geboren zu sein; sie gehöre der Volksgruppe der Ibo an und sei christlicher Religionszugehörigkeit. Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 15. September 2004 trug die seinerzeit hochschwangere Klägerin zu 1) vor, dass sie verheiratet sei und ein Kind in Nigeria bei einer Freundin zurückgelassen habe. Der Vater ihres Ehemannes sei der Chief ihres Dorfes gewesen. Er habe drei Gehilfen für den Schrein gehabt, die reiche Leute ausgesucht und behauptet hätten, sie schuldeten ihnen Geld. Der angebliche Schuldner sei dann zum Orakel gebracht worden und habe ein Glas vergiftetes Wasser trinken müssen. Anschließend habe der Schwiegervater das Geld der Getöteten an sich genommen. Deswegen habe sie Albträume, in denen das Orakel sie töte. Ein Dorfbewohner namens Robert habe sich bei der Regierung in Abijan über die Ereignisse beschwert. Darauf hätten Regierungstruppen viele Leute festgenommen und das Dorf zerstört. Dies sei vor ungefähr zwei Monaten gewesen. Sie selbst sei ins nächste Dorf gegangen; wo sich ihr Ehemann aufhalte, wisse sie nicht. Gleichwohl hätte sie weiterhin Albträume gehabt. Sie befürchte, von den Leuten des Orakels getötet zu werden. An staatliche Stellen habe sie sich nicht gewandt, um dort Hilfe zu erhalten. Eine weiße Frau habe ihr dann geholfen, Nigeria zu verlassen; sie sei am 2. September 2004 mit einem Flugzeug nach Frankfurt geflogen.

3

Dieser Asylantrag der Klägerin zu 1) blieb erfolglos; er wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. September 2004 sowohl hinsichtlich der Anerkennung als asylberechtigt als auch hinsichtlich § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Außerdem wurde das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG verneint. Ferner wurde die Klägerin zu 1) aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihr die Abschiebung nach Nigeria oder in jeden anderen Staat, in den sie einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass eine Asylanerkennung bereits deshalb ausscheide, weil die Klägerin zu 1) nicht glaubhaft dargelegt habe, dass sie als hochschwangere Frau auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist sei. Abschiebungshindernisse könnten nicht festgestellt werden, weil das - im Übrigen völlig unglaubhafte - Vorbringen der Klägerin zu 1) noch nicht einmal ansatzweise eine drohende politische Verfolgung erkennen lasse. Es sei anzunehmen, dass sie sich schon länger illegal in Deutschland aufhalte und den Asylantrag lediglich wegen der unmittelbar bevorstehenden Geburt ihres Kindes und der damit bei einem illegalen Aufenthalt verbundenen Schwierigkeiten gestellt habe.

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Am 4. Oktober 2004 hat die seinerzeit anwaltlich vertretene Klägerin zu 1) sodann Klage erhoben, die mit seit dem 10. Februar 2005 rechtskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 17. Januar 2005 - 5 K 1374/04.TR - abgewiesen wurde.

5

Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2005 stellte die zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Klägerin zu 1) sodann für die am ... in ... geborene Klägerin zu 2), ihre Tochter, einen ersten Asylantrag, ohne diesen in der Sache zu begründen.

6

Auch dieser Asylantrag blieb erfolglos; er wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 4. Juli 2005, der am 8. Juli 2005 zugestellt wurde, sowohl hinsichtlich der Anerkennung als asylberechtigt als auch hinsichtlich § 60 Abs. 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Außerdem wurde das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG verneint. Ferner wurde die Klägerin zu 2) aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihr die Abschiebung nach Nigeria oder in jeden anderen Staat, in den sie einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass nichts für eine der Klägerin zu 2) in ihrem Heimatland drohende Verfolgung ersichtlich sei.

7

Am 12. Juli 2005 hat die Klägerin zu 2) sodann - ohne anwaltliche Vertretung - Klage erhoben, die mit seit dem 28. Dezember 2005 rechtskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 23. November 2005 - 5 K 683/05.TR - abgewiesen wurde.

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Mit Anwaltsschriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 9. August 2007 haben beide Klägerinnen sodann Asylfolgeanträge gestellt und geltend gemacht, dass der Klägerin zu 2) in Nigeria eine Zwangsbeschneidung drohe. Persönlich wurden die Anträge am 4. Oktober 2007 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Trier gestellt. Dabei machten die Klägerinnen geltend, dass die frauenspezifischen Asylgründe in den bisherigen Asylverfahren nicht berücksichtigt worden seien.

9

Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 27. Februar 2008 trug die Klägerin zu 1) vor, dass bei der Volksgruppe der Ibo, der sie angehöre, eine zwangsweise Beschneidung vom Mädchen verpflichtend sei. Die Kinder würden den Eltern weggenommen und - auch gegen den Willen der Eltern - vom Stammesältesten beschnitten. Sie selbst sei im Alter von drei Monaten ebenfalls beschnitten worden.

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In einem von der Klägerin zu 1) vorgelegten ärztlichen Attest vom 11. Januar 2008 ist allerdings ausgeführt, dass bei ihr keine Anzeichen für eine Beschneidung erkennbar seien.

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Mit Bescheid vom 8. Mai 2008, der am 16. Mai 2008 zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Abänderung de Bescheide vom 23. September 2004 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG bzw. vom 4. Juli 2005 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Die Voraussetzungen der §§ 71 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes lägen nicht vor; das jetzige Vorbringen, das sich ausschließlich auf die Klägerin zu 2) beziehe, hätte bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht werden können. Im Übrigen stehe zwischenzeitlich fest, dass das ursprüngliche Vorbringen der Klägerin zu 1) bereits deshalb nicht glaubhaft sei, weil sie ausweislich der Eintragungen in ihrem Pass bereits am 13. Dezember 2003 - und damit vor den sie angeblich zur Ausreise aus Nigeria veranlassenden Ereignissen - mit einem Schengen-Visum nach Griechenland geflogen sei. Auch bestehe keine Veranlassung, die ergangene Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen wieder aufzugreifen.

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Am 27. Mai 2008 haben die Klägerinnen Klage erhoben, mit der sie auf das bisherige Vorbringen verweisen. Des Weiteren trägt die Klägerin zu 1) vor, dass sie aus armen Verhältnissen stamme und befürchte, bei einer Rückkehr nach Nigeria mit dem Mann, der ihr die Ausreise finanziert habe und dem sie seinerzeit bereits versprochen gewesen sei, zwangsweise verheiratet zu werden. Bei einer Weigerung habe sie Lebensbedrohungen zu befürchten. Außerdem betont sie erneut, im jüngsten Babyalter beschnitten worden sei; das gleiche Schicksal drohe der Klägerin zu 2). Derartiges sei im ersten Asylverfahren nicht vorgetragen worden, weil seinerzeit nicht bekannt gewesen sei, dass ein Asylantrag auf frauenspezifische Gründe gestützt werden könne. Hiervon hätten sie - die Klägerinnen - erst nach der Mandatierung des jetzigen Prozessbevollmächtigten Ende Juli 2007 erfahren, so dass die Asylfolgeanträge fristgerecht gestellt worden seien. Aufgrund der der Klägerin zu 2) drohenden Zwangsbeschneidung lägen bei der Klägerin zu 1) die Voraussetzungen des § 26 AsylVfG für die Gewährung von Familienasyl vor.

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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 1) vorgetragen, dass sie im Dezember 2003 nicht nach Griechenland geflogen sei, weil sie dort hätte verheiratet werden sollen; sie sei im September 2004 nach Deutschland geflogen.

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Die Klägerinnen beantragen,

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den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass im Hinblick auf ihre Person in Bezug auf eine Abschiebung nach Nigeria die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1, Abs. 2 bis Abs. 5 bzw. Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.

16

Die in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung ebenfalls nicht vertretene Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Entscheidung schriftsätzlich entgegengetreten und bittet,

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die Klage abzuweisen.

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Die Kammer hat mit Beschluss vom 5. Juni 2008 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2008. Die sämtliche Asylverfahren der Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die auf Blatt 52 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Nigeria lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, den Klägerinnen steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als asylberechtigt noch ein solcher auf Feststellung von Abschiebungsverboten zur Seite, denn bei ihnen ist gemäß § 71 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - kein weiteres Asylverfahren durchzuführen.

21

Dabei ist das Gericht durch das Ausbleiben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht gehindert, diese Entscheidung zu treffen, denn die Beklagte wurde zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und mit der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

22

Maßgebend für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens sind in Bezug auf die Klägerin zu 1) nicht mehr die der Entscheidung der Beklagten vom 23. September 2004 zugrunde liegenden Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 - AsylVfG'1993 - (BGBl. I. S. 1361) und des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 - AuslG -, denn gemäß § 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Änderungen durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 - AsylVfG - (BGBl. I. S. 1950, 1989 ff.) ist auf die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebende Rechtslage abzustellen, so dass im Hinblick auf das Bestehen von Abschiebungsverboten grundsätzlich auf § 60 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) abzustellen ist.

23

Das Begehren der Klägerinnen kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben, weil in ihrem Fall gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - nicht vorliegen und die Beklagte rechtsfehlerfrei ein Wiederaufgreifen des Verfahrens abgelehnt hat.

24

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes(VwVfG) vorliegen. Nach § 51 VwVfG ist ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nur dann zulässig, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, neue Beweismittel vorliegen oder Wiederaufnahme gründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung - ZPO - gegeben sind, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und wenn die Geeignetheit der neuen Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt und der Antrag binnen 3 Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt wurde (vgl. zu alledem, BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1987 - 9 C 285/86 -, vom 30. August 1988 - 9 C 47/87 -, NVwZ 1989 S. 161 und vom 13. Mai 1993 - 9 C 49/92 -, BVerwGE 92 S. 278). Dabei genügt es nicht, dass der Asylbewerber eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage lediglich behauptet; vielmehr ist es erforderlich, dass sich aus dem glaubhaften, substantiierten Vortrag des Asylbewerbers eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage tatsächlich ergibt.

25

Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch des Antragstellers auf fehlerfreie Ermessensausübung. Hat das Bundesamt auf einen derartigen Wiederaufgreifensantrag eine Abänderung der ergangenen Entscheidung mit der Begründung abgelehnt, das neue Vorbringen ermögliche keine abweichende Entscheidung, hat es ungeachtet der Frage des Wiederaufgreifens eine neue Sachentscheidung getroffen, deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41/99 -, BVerwGE 111, S. 77 ff.).

26

Vorliegend sind die Voraussetzungen der §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht erfüllt, denn die Verhältnisse, insbesondere die Rechtslage, haben sich seit Abschluss der ersten Klageverfahren der Klägerinnen nicht entscheidungserheblich geändert. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nämlich nur vor, wenn die für den Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnormen, also seine entscheidungserheblichen rechtlichen Grundlagen, nachträglich geändert wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, S. 243 ff). Daran fehlt es indessen, denn in Bezug auf den von den Klägerinnen in ihren ersten Asylverfahren vorgetragenen Sachverhalt, der auch den Entscheidungen der Beklagten über die beiden ersten Asylanträge zugrunde gelegt wurde, haben sich die einschlägigen Bestimmungen nicht entscheidungserheblich geändert.

27

Zwar wurde durch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit Januar 2005 geltenden Fassung zunächst klar gestellt, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch wegen einer geschlechtsspezifischen Verfolgung vorliegen kann. Durch § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG wurde außerdem der bisher durch § 51 Abs. 1 AuslG gewährte Abschiebungsschutz auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure erstreckt, sofern der Staat oder Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Schließlich stellte die zum 28. August 2007 in Kraft getretene Neuregelung des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie) nunmehr klar, dass für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, die Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Qualifikationsrichtlinie ergänzend anzuwenden sind.

28

Diese Rechtsänderungen stellen indessen keine Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Entscheidungen der Beklagten im jeweils ersten Asylverfahren der Klägerinnen dar, weil die Klägerinnen in ihren ersten Asylverfahren keine Tatsachen vorgetragen haben, die im Lichte der geänderten Bestimmung des § 60 AufenthG Einfluss auf die Entscheidungen über Abschiebungshindernisse/Abschiebungsverbote hätten haben können. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der nunmehr von den Klägerinnen im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen frauenspezifischen Gesichtspunkte. Soweit die Klägerinnen vortragen, von deren Asylrelevanz erst infolge der Beauftragung ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten erfahren zu haben, ändert dies nichts daran, dass die von ihnen behaupteten Tatsachen, sollten sie denn überhaupt vorliegen, keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage betreffen. Im Hinblick auf die die Klägerinnen gemäß §§ 15 AsylVfG, 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO treffenden Mitwirkungspflichten war es nämlich zunächst ihre Aufgabe, in ihren ersten Asylverfahren als Asylsuchende alle ihre guten Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Sie hätten also unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern müssen, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihnen nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder nach dort zurückzukehren/erstmals einzureisen. Dabei braucht der Asylsuchende zwar nur in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen, während es hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse ausreicht, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 1987 - 9 B 266/86 -). Demnach muss er alle Umständen vortragen, aus denen sich zumindest Anhaltspunkte für eine politischen Verfolgung bzw. das Bestehen von Abschiebungshindernissen/Abschiebungsverboten ergeben. Nicht verlangt wird von ihm hingegen eine Bewertung, ob die behauptete Verfolgungsgefahr tatsächlich asylrechts- oder abschiebungsrelevant ist oder nicht. Demnach ist er gehalten, alle Tatsachen, die Rückschlüsse auf eine irgendwie geartete Verfolgungsgefahr zulassen können, umfassend vorzutragen.

29

Dieser ihrer Verpflichtung sind die Klägerinnen indessen in ihren ersten Asylverfahren nicht nachgekommen, denn sie haben keine Tatsachen vorgetragen, die Rückschlüsse auf geschlechtsspezifische Verfolgungsgefahren zulassen könnten. Dabei können sie auch nicht geltend machen, dass ein diesbezüglicher Vortrag seinerzeit von vornherein entscheidungsunerheblich gewesen und deshalb unterblieben sei, zumal sie nicht vorgetragen haben, dass ihnen in den ersten Asylverfahren abgeraten worden sei, derartiges vorzutragen. Vielmehr ist den die beiden ersten Asylverfahren betreffenden Verwaltungsvorgängen zu entnehmen, dass die Klägerinnen Gelegenheit hatten, alle Gründe darzulegen, die einer Rückkehr in ihr Heimatland entgegenstehen könnten (vgl. Blatt 8 der Verwaltungsakte 5120121-232 und Blatt 24 der Verwaltungsakte 5162940-232). Im Übrigen stellte sich die Frage, ob eine drohende Zwangsbeschneidung asylrechts-/abschiebungsrelevant sein kann, nicht erst seit der seit 2005 geänderten Rechtslage, sondern konnte auch vorher bereits von Bedeutung sein (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118/90 -, BVerwGE 89, S. 162 ff.).

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Von daher hätten die Klägerinnen die frauenspezifischen Gesichtspunkte bereits in ihren ersten Asylverfahren vortragen können und müssen. Wenn dies deshalb unterblieben sein sollte, weil der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) diese nicht hinreichend informiert hätte, müsste sich die Klägerin zu 1) insoweit gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ein eventuelles Verschulden ihres früheren Prozessbevollmächtigten zuzurechnen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 1 B 429/02 -, NVwZ 2003, S. 868).

31

Da es aber - wie bereits ausgeführt - Aufgabe eines Asylbewerbers ist, umfassend alle Tatsachen vorzutragen, die Rückschlüsse auf eventuelle mit einer Rückkehr ins Heimatland verbundenen Gefahren zulassen, und die Klägerinnen seinerzeit durch die Beklagte auch zur Abgabe aller Gründe, die einer Rückkehr in ihr Heimatland entgegenstehen könnten, aufgefordert wurden, ist das Gericht der Überzeugung, dass der Verschuldensgrad des groben Verschuldens im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG gegeben ist, so dass für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens kein Raum ist.

32

Im Übrigen steht - ohne dass dies allerdings noch entscheidungserheblich wäre - das jetzige Vorbringen der Klägerin zu 1) über ihre Lebensumstände in Nigeria in krassem Widerspruch zu den von ihr im ersten Asylverfahren gemachten Angaben.

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Demzufolge kann die Klage mit der auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - beruhenden Kostenentscheidung keinen Erfolg haben; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

34

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

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