Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (6. Kammer) - 6 K 749/13.TR

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilten Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

2

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnanwesens in A..., B... Nördlich gelegen in einer Entfernung von ca. 1.000 Meter liegt der Windpark C..., in dem zur Zeit sechs Windkraftanlagen vorhanden sind.

3

Bezüglich des Windparks C... existierte ein Bebauungsplan, der Anfang des Jahres 2012 wieder aufgehoben worden ist. Das Gebiet liegt aber weiterhin in einer vom regionalen Raumordnungsplan Region D... - Teilbereich Windenergie -festgesetzten Vorrangfläche für Windenergie. Bezüglich des Baugebietes B..., in dem das Anwesen der Klägerin liegt, existierte ebenfalls ein Bebauungsplan der Ortsgemeinde A..., der hier ein reines Wohngebiet festsetzte. Wegen formeller Mängel ist dieser Plan indessen nie wirksam geworden und inzwischen auch wieder aufgehoben worden.

4

Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beantragte am 11. Mai 2011 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen des Typs Enercon 82 mit einer Nabenhöhe von 108,38 Meter und einer Gesamthöhe von 149 Meter mit einer Leistung von 2,3 MW auf den Grundstücken der Gemarkung A..., Flur ..., Flurstück ... und ... Mit Bescheid vom 21. Mai 2012 erging der beantragte Genehmigungsbescheid. Unter Ziffer II Nr. 17 enthält der Bescheid die Bedingung, dass unter anderem am Immissionspunkt IO 9 (Immissionsort A..., B...) – das Nachbargebäude der Klägerin – ein Immissionsrichtwert – IRW – von 55 dB(A) Tags und 40 dB(A) Nachts nicht überschritten werden dürfe. Grundlage dieser Grenzwertbestimmung war die Einstufung des Gebiets B... als allgemeines Wohngebiet, weil hier ein Architekturbüro, ein Rechtsanwaltsbüro, eine Jagdschule mit Schulungsräumen, ein Photograph sowie ein Holzbauunternehmen ansässig seien. Die Festlegung eines Grenzwertes für ein WA-Gebiet sei aber auch deshalb geboten, weil die am Ortsrand gelegenen Gebäude mit der vorhandenen Situation vorbelastet seien, da bereits privilegierte Windkraftanlagen existierten. Von daher sei ein IRW von 40 dB(A) in der Nachtzeit als Ergebnis einer Mittelwertbildung zwischen reinem Wohngebiet und Außenbereich geboten. Im weiteren wurden im Bescheid unter II. Nr. 18 und 19 Immissionsanteile für die Windkraftanlage EPU 1 und 2 festgesetzt (für EPU 1 am IO 9: 32,7 und EPU 2 am IO 9: 31,7) sowie bestimmt, dass zur Nachtzeit ein Schallleistungspegel (ohne Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages) von Le, Max = 104,0 dB(A) nicht überschritten werden darf. Dieser Genehmigungsbescheid wurde am 22. Mai 2012 für sofort vollziehbar erklärt.

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Gegen den Genehmigungsbescheid vom 21. Mai 2012 erhob die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 22. Mai 2012 Widerspruch, der sich auch gegen die Festlegung der Immissionsgrenzwerte für IO 9 richtet. Am 03. September 2013 erging insoweit ein Abhilfebescheid des Beklagten, der unter anderem die Immissionsanteile für die Windkraftanlagen EPU 1 am Immissionsort 9 (A..., B...) auf 34,8 dB(A) (früher 32,7 dB(A)) und für EPU 2 auf 33,8 dB(A) (früher 31,7 dB(A)) erhöhte. Soweit dem Widerspruch der Beigeladenen im Übrigen nicht abgeholfen wurde, erhob sie hiergegen am 24. September 2013 erneut Widerspruch.

6

Auch die Klägerin erhob gegen den ihr am 10. Juli 2012 zugestellten Bescheid am 20. Juli 2012 (Eingang per Fax bei der Behörde) Widerspruch, den sie unter anderem damit begründete, dass die festgesetzten Lärmgrenzwerte fehlerhaft seien. Ihr stehe ein Schutzanspruch für ein reines Wohngebiet zu. Im Übrigen würden auch Belange des Tier- und Artenschutzes verletzt.

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Der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung Trier-Saarburg wies mit Widerspruchbescheid vom 29. April 2013 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Ausschuss an, dass die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzt werde. Dies sei bei den umweltrechtlichen Belangen schon deshalb nicht der Fall, weil diese nicht drittschützend seien. Auch seien keine unzumutbaren Lärmimmissionen zu erwarten. Insofern könne offen bleiben, ob es sich bei der Umgebungsbebauung um ein reines Wohngebiet handle, wofür aber vieles spreche. Denn es sei zulässig, für die am Ortsrand gelegenen Wohngebäude den Grenzwert für ein allgemeines Wohngebiet festzusetzen, da bei privilegierter Außenbereichsnutzung und Wohnbebauung ein Mittelwert gebildet werden könne. Deshalb sei der nächtliche Grenzwert mit 40 dB(A) richtig bestimmt worden. Die Einhaltung dieses Wertes sei aber durch das eingereichte Lärmgutachten sicher belegt.

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Gegen den am 10. Mai 2013 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 10. Juni 2013 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend:

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Bei Errichtung der genehmigten Anlagen würde sie in der Gesamtbetrachtung mit der bereits bestehenden Belastung unzumutbaren Schallbeeinträchtigungen ausgesetzt werden. Sie wohne in einem faktischen reinen Wohngebiet. Hier gelte ein nächtlicher Immissionsrichtwert von 35 dB(A), der nach den vorliegenden Berechnungen eindeutig überschritten werde. Für den IO 9, Haus B..., welches nur 10 Meter von ihrem entfernt liege, sei eine Gesamtbelastung von 40 dB(A) zugelassen worden. Die Bildung eines Mittelwertes als Grundlage dieser Grenzwertbestimmung sei nicht zulässig. Selbst bei grundsätzlicher Zulassung dieser Verfahrensweise müsste ein deutlich geringerer Wert festgesetzt werden. Bei einem reinen Wohngebiet genieße jedes Gebäude den gleichen Schutz, auch die Ortsrandbebauung. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Wohnbebauung viel früher als die Windkraftnutzung stattgefunden habe. Überdies würde auch der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nicht sicher eingehalten. Aufgrund des Widerspruchs des Beigeladenen gegen die ihr erteilten Bescheide stünde derzeit noch gar nicht fest, welche Immissionsanteile den genehmigten Anlagen zuzurechnen seien. Schließlich sei nicht ausreichend überprüft worden, inwieweit die vor Ort vorhandene Fledermauspopulation durch den Betrieb der Anlagen beeinträchtigt würde. Die Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach dem UVPG sei nicht ausreichend.

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Die Klägerin beantragt,

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den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 21. Mai 2012 zum Zeichen 11-14431 zur Errichtung und zum Betrieb von 2 WEA vom Typ Enercon E-82 mit einer Nabenhöhe von 108,38 Meter und einer Gesamthöhe von 149 Meter auf Gemarkung A..., Flurstücke und in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2013 sowie in Gestalt des Abhilfebescheides vom 3. September 2013 aufzuheben.

12

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,

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die Klage abzuweisen.

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Sie tragen im Wesentlichen vor, die Festlegung des Grenzwertes als Ergebnis einer Mittelwertbildung sei rechtlich zutreffend. Die Klägerin werde daher nicht in unzumutbarer Weise in ihrem Recht auf Lärmschutz verletzt.

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Das Gericht hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakten zu den Aktenzeichen 5 K 399/12.TR, 5 K 610/13.TR, 6 K 1475/13.TR und 5 L 1544/13.TR Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

18

Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 21. Mai 2012 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2013 sowie in Gestalt des Abhilfebescheides vom 3. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

19

Eine Verletzung drittschützender Verfahrensbestimmungen liegt nicht vor. Die Klägerin ist allerdings befugt, das Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu rügen. Zwar dient die UVP nur dem Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit ohne erkennbaren Bezug zur Rechtsstellung eines Einzelnen. Jedoch darf nach § 4 Abs. 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz im Rahmen eines zulässig erhobenen Rechtsbehelfs auch ein Dritter die fehlende UVP rügen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 8 B 10342/14.OVG – juris mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 -, juris). Gemäß § 3a S. 4 UVPG unterliegt die aufgrund einer Vorprüfung getroffenen behördlichen Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, allerdings einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 -, ZUR 2014, 288).

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Vor diesem Hintergrund ist die von dem Beklagten vorgenommene UVP-Vorprüfung nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene Vorprüfung ist Ziffer 1.6.2 der Spalte 2 zu Anlage 1 des UVPG. Danach ist bei 6 bis weniger als 20 Windkraftanlagen eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen. Die vorgenannte Ziffer greift hier ein, da der Windpark C... mit den Anlagen der Beigeladenen auf insgesamt 7 Anlagen erweitert werden soll (vgl. § 3 b UVPG). § 3c UVPG bestimmt, dass, sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles vorgesehen ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären.

21

Der Beklagte ist in seiner Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass keine erheblichen Umweltauswirkungen zu befürchten sind. Er hat hierbei erwogen, dass die Standortbereiche keine besonderen Potentiale oder Empfindlichkeiten aufwiesen. Konflikte mit den aktuellen Flächennutzungen insbesondere unter künftigen Windkraftstandorten seien nicht zu erwarten. Für die Betroffenheiten der nächstgelegenen Siedlungsflächen lägen gutachterliche Stellungnahmen zu Schallimmissionen und Schattenwurf vor, welche die Bedingungen für eine hinreichende Verträglichkeit aufzeigten. Der Beklagte hat sich im Rahmen der Vorprüfung auch mit den Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse auseinandergesetzt. Hierbei hat er erwogen, dass der Raum bereits durch einen Windpark vorbelastet sei und die örtliche Tierwelt bereits an entsprechende Beeinträchtigungen gewöhnt bzw. sensibilisiert sei. Im Zusammenhang mit den Erfassungen und Bewertungen zur Avifauna seien keine auf Windenergieanlagen empfindlich reagierende Vogelarten nachgewiesen worden. Gutachterlich sei zur Herabsetzung eines möglichen Kollisionsrisikos zwischen Windkraftanlage und Fledermäusen ein in Abhängigkeit von Datum, Uhrzeit und Windgeschwindigkeit stundenweise Abschaltung der Anlagen vorgeschlagen worden. Mit der Definierung von Abschaltzeiten verblieben keine erheblichen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Fledermausfauna. Nach Überzeugung der Kammer wurde die Vorprüfung nach den entsprechenden Vorgaben von § 3 c UVPG durchgeführt. Auch das Ergebnis ist nachvollziehbar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nahegelegene Naturschutzgebiete oder FFH-Gebiete nicht vorhanden sind. Die Klägerin berichtet vielmehr selbst von einem Gewerbegebiet in einer Entfernung von 1,5 km.

22

Die Genehmigung des Beklagten verletzt auch keine materiellen Rechte der Klägerin. Der Beklagte hat bei Erteilung der Genehmigung für die Windkraftanlagen nicht gegen den immissionsschutzrechtlichen Schutzgrundsatz verstoßen. Rechtsgrundlage für die vom Beklagten ausgesprochene immissionsschutzrechtliche Genehmigung sind u.a. § 4 – 6, 19 Bundesimmissions-schutzgesetz - BImSchG -. Nach § 6 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass sich die aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und 2. andere öffentlich rechtlichen Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und so zu betreiben, dass zur Gewährung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Zur Überzeugung des Gerichts hat der Beklagte bei der Erteilung der Genehmigung nicht zu Lasten der Klägerin gegen den vorgenannten Schutzgrundsatz verstoßen, indem sie Immissionsrichtwerte von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) festgesetzt hat.

23

Die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit von Lärmbeeinträchtigungen bestimmt sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die ihrerseits – abgesehen vom möglichen Einfluss eines Bestandsschutzes – 1. von der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und 2. von den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen abhängen. Als maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Zulässigkeit von Lärmeinwirkungen hat der Beklagte in seinem Bescheid die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) zu Grunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden.

24

Bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Gebietes ist zunächst davon auszugehen, dass es sich bei der Umgebungsbebauung des Wohnhauses der Klägerin um ein faktisches reines Wohngebiet handelt. Die Kammer konnte bei ihrer Ortsbesichtigung eine gewerbliche Nutzung der Straße „B...“ in A... nicht feststellen. Es handelte sich vielmehr nach Augenschein ausschließlich um eine Wohnnutzung in der Umgebung des Anwesens der Klägerin. Der Beklagte und die Beigeladene haben auch nicht dargelegt, in der Umgebung des Anwesens der Klägerin gebe es eine gewerbliche Nutzung, die über den auch in einem reinen Wohngebiet zulässigen Rahmen (vgl. §§ 3, 13 BauNVO) hinausginge. Daher besteht keine Veranlassung, den Charakter der Umgebung als reines Wohngebiet in Zweifel zu ziehen.

25

Die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel betragen für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in reinen Wohngebieten grundsätzlich tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) (Nr. 6.1e TA-Lärm). Der Beklagte hat in seinem Genehmigungsbescheid indessen einen Immissionsrichtwert nach Nr. 6.1d (TA-Lärm) von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) festgesetzt und hierbei berücksichtigt, dass das Anwesen der Klägerin am Rande eines reinen Wohngebietes zum Außenbereich hin liegt. Diese Erwägungen im Bescheid des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197, 205; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. September 2001 – 7 A 12122/00.OVG -, Urteilsabdruck S. 21; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Juli 2011 – 8 A 10537/11.OVG -, Beschlussabdruck S. 5 m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung kann der Eigentümer eines in einem faktischen reinen Wohngebiet an der Grenze zum Außenbereich gelegenen Grundstücks grundsätzlich nicht verlangen, dass eine lärmemittierende Anlage, die in diesem Außenbereich errichtet werden soll, zu seinem Schutz die Immissionsrichtwerte für reine Wohngebiete nach Nr. 6.1e TA-Lärm einhält. Unter Beachtung des für beide Seiten geltenden Gebots der Rücksichtnahme kommt es vielmehr darauf an, in welchem Umfang es dem Eigentümer des am Ortsrand zum Außenbereich gelegenen Grundstücks nach den spezifischen Gegebenheiten des Einzelfalles zuzumuten ist, die Auswirkungen eines Außenbereichsvorhabens hinzunehmen. Dem durch die besondere Lage eines solchen Grundstücks verminderten Schutzbedürfnis des Eigentümers ist dabei in der Regel durch die Einhaltung des Immissionsrichtwertes für allgemeine Wohngebiete nach Nr. 6.1d TA-Lärm genüge getan. Der Eigentümer eines Grundstücks am Rande eines reinen Wohngebietes kann daher allenfalls darauf vertrauen, dass im benachbarten Außenbereich keine Nutzung entsteht, die mit der Wohnnutzung nicht mehr verträglich ist. Das gilt auch, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - eine zusammenhängende Bebauung nur als schmaler Streifen in den angrenzenden Außenbereich hinein erstreckt. Eine solches „Hineinwuchern“ des Innenbereichs in den Außenbereich mag zwar unter städtebaulichen Gesichtspunkten problematisch sein. Weshalb die Eigentümer der zu einem solchen „Innenbereichsast“ gehörenden und an den Außenbereich grenzenden Grundstücke jedoch nur in geringerem Umfang als die Eigentümer sonstiger Randlagengrundstücke verpflichtet sein sollten, Rücksicht auf die Funktion des Außenbereichs zu nehmen, erschließt sich der Kammer nicht. Den für das Grundstück der Klägerin erforderlichen Schutz hat der Beklagte hier berücksichtigt, indem er in der Lärmschutzauflage im Genehmigungsbescheid als Richtwert denjenigen für ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt hat.

26

Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts sicher eingehalten werden kann. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Lärmberechnungen sind nicht überzeugend.

27

Die Beigeladene hat im gerichtlichen Verfahren einen aktuellen schalltechnischen Bericht über die Geräuschsituation in der Nachbarschaft der geplanten zwei Windenergieanlagen vorgelegt. Das Schallschutzgutachten kommt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Immissionsrichtwerte am Wohnhaus der Klägerin eingehalten werden. Soweit die Beigeladene Berechnungen alternativ sowohl mit als auch ohne Zusatzvorrichtungen an den Rotorblättern durchgeführt hat, ist hiergegen nichts zu erinnern. Dies ändert nichts daran, dass der maßgebliche Immissionsrichtwert voraussichtlich – in beiden Fällen - eingehalten werden kann.

28

Das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Schallgutachten berücksichtigt auch zu Recht nicht die Anlage Enercon E 101 mit einer Nabenhöhe von 149 m auf den Parzellen 31 und 32, Flur 2, Gemarkung A..., die Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zum Aktenzeichen 6 K 962/14.TR ist. Der Vertreter der Beigeladenen hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass die am 17. Mai 2013 erteilte Änderungsgenehmigung für die vorgenannte Anlage einer Neugenehmigung gleichsteht und damit nach dem Prioritätsprinzip nicht als Vorbelastung berücksichtigt werden musste (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG).

29

Der Hinweis der Klägerin auf die mögliche Vorbelastung durch das Gewerbegebiet E... führt ebenfalls nicht zu einer Fehlerhaftigkeit des Schallgutachtens. Ein wesentlicher Immissionsbeitrag des 1,5 km entfernten Gewerbegebietes ist für die Kammer nicht ersichtlich. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass hier allein die Einhaltung des Immissionsrichtwertes zur Nachtzeit in Frage steht. Die Klägerin hat jedoch nicht plausibel dargelegt, dass die von ihr benannten Betriebe im Gewerbegebiet erkennbare Lärmbeeinträchtigungen zur Nachtzeit hervorrufen.

30

Auch die Änderung der Immissionsanteile am Immissionsort B... durch den Abhilfebescheid des Beklagten vom 3. September 2013 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Änderung des Immissionsanteils der einzelnen Anlagen durch Beifügung eines Sicherheitszuschlages erschüttert insbesondere nicht die Annahme der Kammer, dass der maßgebliche Immissionsrichtwert von 40 dB(A) am Haus der Klägerin eingehalten werden kann. Der von der Beigeladenen vorgelegte schalltechnische Bericht vom 16. Mai 2014 hat vielmehr ergeben, dass die zulässige Gesamtbelastung am B... bei Zugrundelegung einer Zusatzbelastung durch die beiden Windkraftanlagen mit 34,9 bzw. 33,9 dB(A) sicher eingehalten werden kann. Die Erhöhung des Immissionsanteils der beiden Windkraftanlagen auf 34,8 bzw. 33,8 dB(A) im Abhilfebescheid führt somit nicht zu einer Absenkung des Schutzniveaus auf Seiten der Klägerin.

31

Das Gericht kann auch offenlassen, ob der Abstand der geplanten Anlagen zu dem Wohnhaus der Klägerin 1000 m unterschreitet. Zwar enthält der Regionale Raumordnungsplan Region D... - Teilfortschreibung Kapitel Energieversorgung/Teilbereich Windenergie (genehmigt mit Bescheid vom 13. Mai 2004, vgl. https://www.plg-region-trier.de/upload/Text_311.pdf) das Ausschlusskriterium „1.000-m-Mindestabstand um Gemeinden mit der besonderen Funktion Wohnen“ (Gliederungsnummer 3.1.2, Tabelle 2, Nr. 4.2). Dieses Kriterium entfaltet keine drittschützende Wirkung zu Gunsten der Klägerin. Die Kammer nimmt insoweit auf die Ausführungen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Oktober 2004 - 8 B 11696/04.OVG - Bezug. Diese beziehen sich zwar auf den in dem Regionalen Raumordnungsplan ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehenen Mindestabstand von 500 m von Wohnbebauung (s. Tabelle 2, Nr. 4.1), gelten aber ebenso für das von der Klägerin in Anspruch genommene Ausschlusskriterium. In dem Beschluss heißt es:

32

„Dieser Mindestabstand ist keineswegs in dem genannten regionalen Raumordnungsplan - etwa im Rahmen einer Zielfestsetzung - vorgeschrieben, sondern er bildet lediglich ein der Planung zugrunde liegendes Kriterium, das - mit anderen Kriterien zusammen - das Ziel hat, geeignete und mit sonstigen Erfordernissen und Funktionen der Raumordnung verträgliche Gebiete für Windenergieanlagen auszuwählen. Dabei soll mit diesem Mindestabstand den in § 2 Abs. 2 Nrn. 1, 8 und 11 ROG genannten Grundsätzen der Raumordnung Rechnung getragen werden. Die Ausweisung von Vorranggebieten für die Windkraft auf der Grundlage eines derart pauschalierten Abstandes soll sicherstellen, dass im Allgemeinen die geplanten Windenergieanlagen nicht mit unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Wohnnutzung verbunden sind, und zwar auch dann, wenn die Vorranggebiete mit den größtmöglichen Anlagen in höchstmöglicher Konzentration besetzt werden (s. II.8 der Teilfortschreibung des regionalen Raumordnungsplans). Das 500 m- Abstandkriterium ist somit lediglich eine planerische Leitlinie für die Ausweisung der Vorranggebiete, eine darüber hinausgehende Schutzwirkung für den Einzelnen kommt ihm nicht zu. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass eine diesen Schutzabstand nicht beachtende Windkraftanlage zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für einen Nachbarn führt, wie andererseits die Einhaltung des Abstandes allein nicht geeignet ist, derartige Beeinträchtigungen von vornherein auszuschließen.“

33

Soweit die Klägerin ferner Belange des Natur- und Artenschutzes rügt, fehlt es an ihrer individuellen Rechtsverletzung. Dem Einzelnen stehen auch unter europarechtlichen Vorzeichen keine subjektiven Individualrechte auf Artenschutz zu (OVG RP, a.a.O.; Gärditz, NVwZ 2014, S. 1, 5 f). Gleiches gilt für die Rüge der „Rechtswidrigkeit der Genehmigung i.V.m. dem EEG“ im Parallelverfahren zum Aktenzeichen 6 K 1475/13.TR. Insoweit ist ebenfalls die Verletzung einer drittschützenden Norm nicht erkennbar. Das Gericht hat daher keine Veranlassung gesehen, dem Antrag der Klägerin, die Sache dem EuGH vorzulegen, näherzutreten.

34

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, die Klägerin auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese in der mündlichen Verhandlung einen Antrag gestellt hat und sich somit am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).

35

Das Gericht sieht keine Veranlassung, die Berufung nach näherer Maßgabe von § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO zuzulassen, da keine Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO vorliegen.

36

Beschluss

37

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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