Beschluss vom Verwaltungsgericht Trier (7. Kammer) - 7 N 4075/19.TR

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der Antrag, die Zwangsvollstreckung gegen die Vollstreckungsschuldnerin, respektive deren Vertreter, einzuleiten, hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.

2

I. Dem Vollstreckungsgläubiger fehlt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Vollstreckung, da es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um einen unzulässigen „In-Sich-Prozess" handelt. Bei der einzig in Betracht kommenden Vollstreckung nach § 170 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – stünde sowohl auf Seiten des Vollstreckungsgläubigers als auch auf Seiten der Vollstreckungsschuldnerin die Ortsgemeinde ... als Rechtsträgerin.

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1. Die Vollstreckung richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 170 VwGO, welcher die Vollstreckung gegen die öffentliche Hand regelt. Auch wenn die Vollstreckung zugleich zugunsten der öffentlichen Hand erfolgt, ist § 170 VwGO in der hier streitgegenständlichen Konstellation gegenüber § 169 VwGO spezieller (vgl. BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters, 50. Ed. 1.7.2017, VwGO § 170 Rn. 3), da er für den Fall der Vollstreckung gegen die öffentliche Hand Privilegierungen vorsieht, so etwa die Gewährung einer Abwendungsfrist (§ 170 Abs. 2 VwGO) und den Ausschluss der Vollstreckung in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht (§ 170 Abs. 3 S. 1 VwGO). Diese Privilegierungen sind unabhängig davon geboten, ob durch die öffentliche Hand oder einen Privaten vollstreckt wird, denn die öffentliche Körperschaft, gegen die vollstreckt werden soll, ist in beiden Fällen gleichermaßen schutzbedürftig.

4

Die streitgegenständliche Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. März 2019 (Az. 7 K 1010/18.TR u. 10 A 10849/18.OVG) unterfällt dem Anwendungsbereich des § 170 VwGO, da sie zugunsten der öffentlichen Hand gegen die öffentliche Hand erfolgen würde.

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a. Auf Seiten des Vollstreckungsgläubigers steht die Ortsgemeinde .... Die Vollstreckung würde zu ihren Gunsten wirken, denn nach dem in Rheinland-Pfalz geltenden Rechtsträgerprinzip wäre hierdurch nicht der Gemeinderat, sondern die Ortsgemeinde begünstigt. Diese Vermögenszuordnung ergibt sich daraus, dass der Gemeinderat als solcher lediglich in Bezug auf das Sachanliegen im Organstreitverfahren, d. h. im Innenverhältnis, rechtsfähig ist. Im Übrigen ist er nicht Träger eigener Rechte und Pflichten, sondern ausschließlich als Organ der Ortsgemeinde handlungsfähig (vgl. § 28 Abs. 1 der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung (Gesetz vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994, 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2018 (GVBl. 2018, 448) – GemO –).

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b. Zugleich steht die Ortsgemeinde ... auch auf Seiten der Vollstreckungsschuldnerin. Obschon der vorangegangene Organstreit beendet und das „Quasi-Organ“ Bürgerinitiative nicht mehr als solches tätig ist, hat die „Quasiorganstellung“ zur Folge, dass der an den Organstreit anknüpfende vorliegende Titel sich gegen die Ortsgemeinde ... als Rechtsträgerin des „Quasi-Organs“ richtet.

7

Maßgeblich ist insoweit, dass die Initiative „Bürgerbegehren ... gegen die Beteiligung der Ortsgemeinde ... am Ausbau der B ...“ in dem Moment, in welchem sie sich konstituiert hat, den vorstaatlichen gesellschaftlichen Raum verlassen hat. Die Außenrechtskreise der Bürger, welche sich zur Bürgerinitiative zusammengeschlossen haben, wurden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr tangiert (vgl. zu Vorstehendem: OVG RP, Urteil vom 6. Februar 1996 – 7 A 12861/95.OVG –, Rn. 32, juris). Auch der Vertreter der Bürgerinitiative hat dieser bloß zur Handlungsfähigkeit verholfen, ohne in eigenen Rechte betroffen zu sein (vgl. OVG RP, Urteil vom 6. Februar 1996, a. a. O., Rn. 32). Zugleich gingen mit der „quasi-organschaftlichen“ Rechtsstellung der Bürgerinitiative nicht nur prozessuale Besonderheiten im Hinblick auf die statthafte Klageart (Feststellungsklage) einher, sondern die Bürgerinitiative war als „Quasi-Organ“ Inhaberin materieller Rechtspositionen und hätte, wenn die Voraussetzungen zur Zulassung des Bürgerbegehrens vorgelegen hätten, diesbezüglich einen sicherungsfähigen Anspruch gehabt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – 7 B 11392/03.OVG –, Rn. 10, juris).

8

Vor diesem Hintergrund hat die Bürgerinitiative im vorangegangenen Organstreitverfahren (Az. 7 K 1010/18.TR und 10 A 10849/18.OVG) zur gemeindlichen Willensbildung beigetragen, indem sie nicht etwa persönliche Rechte ihrer Mitglieder vertreten, sondern ihre „quasi-organschaftlichen“ Rechtspositionen, d. h. ihren Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens, geltend gemacht hat. Diese inhaltliche Zielrichtung ist auch durch den Ausgang des Organstreitverfahrens, wonach das Bürgerbegehren mangels hinreichend bestimmter Fragestellung unzulässig war, nicht rückwirkend entfallen.

9

Der Umstand, dass die hinter der Bürgerinitiative stehenden Personen zu keinem Zeitpunkt als natürliche Personen am vorangegangen Rechtsstreit beteiligt waren, schließt eine Vollstreckung aus dem vorliegenden Kostenfestsetzungsbeschluss gegen das „Quasi-Organ“ in ihr persönliches Vermögen aus. Eine solche Vorgehensweise hätte letztlich einen „Durchgriff“ auf die eigene Rechtsstellung der am Organstreitverfahren unbeteiligten natürlichen Personen zur Folge. Dies liefe jedoch der vorstehend dargestellten Systematik, die ihre Grundlage im Rechtsinstitut des „Quasi-Organs“ findet, diametral zuwider. Die hieraus resultierende klare dogmatische Trennung zwischen dem Bürgerbegehren auf der einen und den dahinterstehenden Personen auf der anderen Seite würde durchbrochen. Hierdurch käme es zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass die Mitglieder der Bürgerinitiative persönlich haften würden, obschon sie keine eigenen Rechte geltend gemacht, sondern bloß an der gemeindlichen Willensbildung mitgewirkt haben. Obwohl sie am Rechtsstreit selbst nicht beteiligt waren, würden sie damit das finanzielle Kostenrisiko tragen. Dies liefe zudem der gesetzgeberischen Intention zuwider, mit dem Institut des Bürgerbegehrens nicht bloß die abstrakte Möglichkeit einer Bürgerbeteiligung zu schaffen, sondern ein praktisch nutzbares Instrument. Das schließt ein, dass die Durchführung eines Bürgerbegehrens nicht mit unzumutbaren finanziellen Risiken verbunden sein darf (vgl. zu Vorstehendem: VG Koblenz, Urteil vom 10. Februar 2014 – 6 K 1521/03.KO –, ESOVG).

10

Auch eine Vollstreckung gegen das „Quasi-Organ“ als solches scheidet aus, denn dies hat ebenso wie die übrigen Gemeindeorgane keine eigenständige Rechtspersönlichkeit, sondern ist unmittelbar der Ortsgemeinde als juristischer Person zuzuordnen (vgl. zum Organbegriff: PdK RhPf B-1, GemO § 28 2., beck-online). Eine andere Behandlung des „Quasi-Organs“ findet in materieller Hinsicht keine Rechtfertigung, da dies gemäß den vorstehenden Ausführungen nach seiner Konstituierung in gleicher Weise wie die sonstigen Organe ausschließlich im gemeindlichen Interesse und Rechtskreis tätig wird.

11

Infolgedessen ist eine Vollstreckung nach § 170 VwGO aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. März 2019 letztlich nur gegen den Rechtsträger des „Quasi-Organs“, d. h. die Ortsgemeinde ..., möglich (vgl. zum tauglichen Vollstreckungsschuldner: OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2003 – 15 E 1191/02 –, Rn. 3, juris). Eine Titelumschreibung auf die Ortsgemeinde ... ist hierbei vor dem Hintergrund des § 171 VwGO nicht erforderlich, denn hiernach bedarf es in den Fällen des § 170 Abs. 1 bis 3 VwGO keiner Vollstreckungsklausel (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Pietzner/Möller, 36. EL Februar 2019, VwGO § 171 Rn. 17).

12

2. Dies hat, wie eingangs bereits ausgeführt, weiter zur Folge, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um einen „In-Sich-Prozess“ handelt, da die Ortsgemeinde ... zugleich Rechtsträgerin von Vollstreckungsschuldner- und gläubiger ist.

13

Hieran vermag der Umstand, dass sich der Vollstreckungsantrag vom 9. September 2019 begrifflich gegen die Bürgerinitiative als solche richtet, nichts zu ändern (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 VwGO), denn dies bildet lediglich die Beteiligtenstellung im Ausgangsverfahren sowie im Verfahren zur Kostenfestsetzung ab. Sähe man dies anders, wäre der Antrag im Übrigen gemäß den vorstehenden Ausführungen bereits deshalb erfolglos, weil der vorliegende Titel in Gestalt des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. März 2019 von vornherein nur eine Vollstreckung gegen die Ortsgemeinde ... ermöglicht. Gleiches wäre der Fall, wenn der Antrag auf Vollstreckung gegen die dahinterstehenden Personen und den Vertreter der Bürgerinitiative gerichtet wäre, da der Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit wie vorstehend dargelegt keinen „Durchgriff“ ermöglicht.

14

Der damit vorliegende „In-Sich-Prozess“ ist zwar nicht als solcher unzulässig. Das Verwaltungsprozessrecht verhält sich nicht zum „In-Sich-Prozess“ und schließt diesen nicht um seiner selbst willen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1991 – 8 C 10/90 –, Rn. 12, juris). Allerdings fehlt dem Vollstreckungsgläubiger ein rechtsschutzwürdiges Interesse an der begehrten gerichtlichen Anordnung der Vollstreckung. Diese würde dem Vollstreckungsgläubiger nämlich keinen rechtlichen Vorteil bringen, sondern praktisch „ins Leere“ laufen, da sie aufgrund der Identität von Vollstreckungsschuldner- und gläubiger zu keiner Vermögensverschiebung führen würde.

15

Hinzu kommt, dass die Vollstreckung der im Organstreitverfahren entstandenen Kosten – selbst wenn es gemeindeintern faktisch zu einer Vermögensverschiebung käme – in materieller Hinsicht rechtsmissbräuchlich wäre, denn der allgemeine, aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete Grundsatz des Verbots unzulässiger Rechtsausübung ("dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est") verbietet es, etwas zu fordern, was sofort wieder zurückgegeben werden müsste. Eben darauf würde die begehrte Vollstreckung jedoch hinauslaufen, denn im Innenverhältnis zwischen der Bürgerinitiative als „Quasi-Organ“ und der Ortsgemeinde ist letztere zur Tragung der im Organstreitverfahren entstandenen Rechtsverfolgungskosten verpflichtet.

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Dies folgt aus dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, wonach jede öffentlich-rechtliche Körperschaft die Ausgaben zu tragen hat, dies sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch ihre Organe ergeben. Hierzu gehören auch die Kosten von Gerichtsverfahren, die von den Organen im Rahmen ihrer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben geführt werden. Dies gilt auch dann, wenn lediglich ein Organteil Rechte geltend macht, die ihm in dieser Eigenschaft zustehen, sofern die Klage nicht mutwillig erhoben wurde (vgl. OVG RP, Urteil vom 19. Mai 1987 – 7 A 90/86 –, beck-online; VGH BW, Urteil vom 2. August 2017 – 1 S 542/17 –, Rn. 29, beck-online; VG Gießen, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 8 E 1066/05 –, Rn. 18, juris). Nichts Anderes gilt im vorliegenden Fall eines Organstreits zwischen „Quasi-Organ“ und Organ, denn es gibt keine Veranlassung, das „Quasi-Organ“ in diesem Zusammenhang anders zu behandeln. Vielmehr ist auch insoweit in materieller Hinsicht die Kostentragung durch die Ortsgemeinde als Rechtsträgerin geboten, denn das „Quasi-Organ“ ist kein Organ „zweiter Klasse“, sondern trägt gemäß § 17a GemO gleichermaßen – wenn auch einzelfallbezogen und temporär – zur gemeindlichen Willensbildung bei (vgl. mit ausführlicher Begründung: VG Koblenz, Urteil vom 10. Februar 2014, a. a. O.).

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Gründe, die den Kostenerstattungsanspruch des „Quasi-Organs“ Bürgerinitiative ausschließen würden, liegen hier nicht vor. Insbesondere war die Klageerhebung nicht mutwillig. Sowohl die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Viermonatsfrist des § 17a Abs. 3 S. 1 HS 2 GemO begonnen hat, als auch die rechtlichen Auswirkungen des Grundsatzbeschlusses vom 11. Dezember 2014 und die Bestimmtheit der Fragestellung waren klärungsbedürftig. Letztere Problematik war auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des rheinland-pfälzischen OVG (OVG RP, Beschluss vom 3. März 2017 – 10 D 10454/17.OVG –, juris) jedenfalls nicht zweifelsfrei gelöst, sondern bedurfte einer Fortentwicklung dieser Rechtsprechung.

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Aus diesem Grund war auch der Antrag auf Zulassung der Berufung vom 5. Juli 2018 gegen das erstinstanzliche Urteil des erkennenden Gerichts entgegen der Auffassung des Vollstreckungsgläubigers nicht mutwillig. Vielmehr hatte die Bürgerinitiative vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ein berechtigtes Interesse an der Ausschöpfung des Rechtswegs.

19

Nach alledem ist der Vollstreckungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnis abzulehnen.

20

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Bei dem von dem Vollstreckungsgläubiger eingeleiteten Vollstreckungsverfahren gegen die öffentliche Hand nach § 170 VwGO handelt es sich um ein selbstständiges Beschlussverfahren, auf das die kostenrechtlichen Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 154 ff. VwGO) und nicht etwa unmittelbar die Vorschriften der Zivilprozessordnung wie § 788 ZPO anwendbar sind (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 26. April 2018 – 5 N 200/18.NW –, ESOVG m. w. N.).

21

III. Einer Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren bedarf es nicht, weil nach Nr. 5301 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –) eine Festgebühr vorgesehen ist.

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