Beschluss vom Verwaltungsgericht Trier (6. Kammer) - 6 L 1935/20.TR
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag ist zulässig (A), hat in der Sache aber keinen Erfolg (B).
A)
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Der Antrag ist statthaft (I.), er ist gegen die richtige Antragsgegnerin gerichtet (II.) und das erkennende Gericht ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig (III.). Bedenken im Hinblick auf sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen nicht.
I.
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Der Antrag ist auf den Erlass einer einstweiligen (Regelungs-) Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gerichtet.
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1. Die Statthaftigkeit des Antrags, der nach seinem Wortlaut darauf abzielt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu gestatten, ihre in der ... in ... betriebene Praxis für Yoga, Meditation und Tantra-Massage vorläufig zu eröffnen, folgt aus § 123 Abs. 1 VwGO, da er nicht auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abzielt (vgl. § 123 Abs. 5 i.V.m. §§ 80, 80a VwGO).
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2. Der Antrag ist allerdings entsprechend dem erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) auf die vorläufige Feststellung gerichtet, dass § 4 Nr. 3 der Zehnten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 19. Juni 2020 - 10. CoBeLVO - (GVBl. S. 267, geändert durch VO vom 25. Juni 2020, GVBl. S. 299) der Durchführung von Tantra-Massagen in dem Betrieb der Antragstellerin nicht entgegensteht, sofern die für Massagesalons geltenden Vorgaben der genannten Verordnung (vgl. insb. §§ 1 Abs. 9, 6 Abs. 1 und Abs. 2) eingehalten werden. Durch eine solche Anordnung würde dem Anliegen der Antragstellerin, ihre beabsichtigte Tätigkeit vorläufig rechtlich umfassend abzusichern und sich weder dem Risiko eines ordnungsbehördlichen Einschreitens (vgl. §§ 9 Abs. 1, 88 Abs. 1 Nr. 1, 89 Abs. 1, 90 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG -, § 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörden) noch der Sanktionierung durch Bußgelder (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 24 des Infektionsschutzgesetzes - IfSG - i.V.m. § 23 Nr. 14 10. CoBeLVO, § 9 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzesauszusetzen - im Folgenden IfSGDV -) auszusetzen, umfassend Rechnung getragen.
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a) Die nach dem Wortlaut des Antrags begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Fortführung ihres Betriebs vorläufig zu gestatten, kommt hingegen nicht in Betracht, da § 4 10. CoBeLVO eine solche Gestattung nicht vorsieht und auch darüber hinaus keine sonstigen normativen Grundlagen für eine solche Genehmigung erkennbar sind.
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b) Ein streitiges Rechtsverhältnis kann auch durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO vorläufig festgestellt werden (vgl. z.B. VerfGH RP, Beschluss vom 29. April 2020 - VGH B 26/20 -, juris, Rn. 14).
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Zwischen den Beteiligten besteht bereits jetzt ein gerichtlich feststellbares konkretes Rechtsverhältnis, da die Anwendung des § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO auf einen bestimmten bereits übersehbaren Sachverhalt, nämlich die von der Antragstellerin im Rahmen ihrer Praxis beabsichtigte Durchführung von Tantra-Massagen, streitig ist und sich daraus Folgen für die Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, BVerwGE 136, 54, juris, Rn. 24 m. w. N.). Sofern diese Dienstleistung nach § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO verboten wäre, müsste die Antragstellerin damit rechnen, dass die Antragsgegnerin hiergegen einschreiten und ein Bußgeld verhängen würde.
- 9
c) Die grundsätzliche Möglichkeit, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung vorbeugend zu untersagen, gegen die erneute Praktizierung der Tantra-Massage durch die Antragstellerin einzuschreiten (vgl. allg. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 18, Vorb § 40 Rn. 33), steht der Auslegung des Begehrens der Antragstellerin als Antrag auf eine vorläufige Feststellung nicht entgegen. Grundsätzlich ist die Feststellungsklage gegenüber Leistungsklagen, zu denen auch die vorbeugende Unterlassungsklage gehört, subsidiär (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 28). Ebenso hat die Antragsgegnerin auch eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer Auffassung die von der Antragstellerin in ihrer Praxis beabsichtigte Ausführung der Tantra-Massage nach § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO verboten sei. Allerdings hat sie nicht zu erkennen gegeben, dass bzw. auf welche Weise sie vorgehen würde, wenn die Antragstellerin diese Dienstleistung erneut anbieten sollte. Jedenfalls wäre eine vorbeugende Untersagung nicht effektiver als die hier angestrebte Feststellung (vgl. zu einer ähnlich gelagerten Konstellation BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, BVerwGE 148, 146, juris, Rn. 18 f.).
II.
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Der Antrag ist auch gegen die richtige Antragsgegnerin - im Sinne der passiven Prozessführungsbefugnis (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 18, § 78 Rn. 1 f.) - gerichtet, da es nach den vorstehenden Ausführungen um ein zwischen den Beteiligten bestehendes konkretes Rechtsverhältnis geht.
III.
- 11
Das angerufene Gericht ist nach §§ 123 Abs. 2 i.V.m. §§ 45, 52 Nr. 5 VwGO als Gericht eines zukünftigen Hauptsacheverfahrens sachlich und örtlich zuständig.
B)
- 12
Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
- 13
Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung, vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 6 ff.). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO - glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.
I.
- 14
Es fehlt der Antragstellerin bereits an dem erforderlichen Anordnungsanspruch, da keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO der Praktizierung der Tantra-Massage in ihrem Betrieb nicht entgegensteht.
- 15
1. Da die angestrebte Anordnung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft, könnte sie nur dann ergehen, wenn das Abwarten in der Hauptsache für die Antragstellerin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte und sie im Hauptsacheverfahren erkennbar Erfolg hätte, wobei ein strenger Maßstab hinsichtlich der Erfolgsaussichten anzulegen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 6 VR 3.13 -, NVwZ-RR 2014, 558, juris, Rn. 5 ff.).
- 16
2. § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO, der die Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnliche Einrichtungen untersagt, erfasst auch den Betrieb der Antragstellerin, sofern sie darin, wie von ihr beabsichtigt, die Tantra-Massage praktiziert.
- 17
a) Prostitutionsstätten sind nach § 2 Abs. 4 des Prostituiertenschutzgesetzes - ProstSchG - Gebäude, Räume und sonstige ortsfeste Anlagen, die als Betriebsstätte zur Erbringung sexueller Dienstleistungen bereitgestellt werden. Eine sexuelle Dienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 ProstSchG eine sexuelle Handlung mindestens einer Person an oder vor mindestens einer anderen unmittelbar anwesenden Person gegen Entgelt oder das Zulassen einer sexuellen Handlung an oder vor der eigenen Person gegen Entgelt (Satz 1). Keine sexuellen Handlungen sind allerdings Vorführungen mit ausschließlich darstellerischem Charakter, bei denen keine weitere der anwesenden Personen sexuell aktiv einbezogen ist (Satz 2).
- 18
Bei dem Betrieb der Antragstellerin handelt es sich zweifelsfrei um eine Prostitutionsstätte im Sinne dieser Regelungen, sofern dort Tantra-Massage praktiziert wird. Bei der Tantra-Massage sind, wie die Antragstellerin selbst darlegt, beide Beteiligte entkleidet. Die Massageleistung erstreckt sich zudem auf den gesamten Körper des Kunden/der Kundin, insbesondere die Geschlechtsorgane, wobei die Herbeiführung eines Orgasmus zumindest nicht untypisch ist (vgl. https://www.tantramassage-verband.de/wp-content/uploads/2017/07/Stellungnahme-TMV-Langversion-1.pdf). Dass die von der Antragstellerin praktizierte und von ihr als „klassisch“ bezeichnete Form der Tantra-Massage anders ablaufen sollte, ist weder ersichtlich noch von der Antragstellerin dargelegt worden. Sie umfasst somit sexuelle Handlungen am Körper des Kunden/der Kundin.
- 19
b) § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO orientiert sich mit der Verwendung des Begriffs der Prostitutionsstätte ersichtlich an den vorgefundenen Regelungen des Prostituiertenschutzgesetzes. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er sich hiervon hätte lösen wollen. Das entscheidende Kriterium für die Abgrenzung gegenüber anderen Betrieben, insbesondere den in § 6 Abs. 2 10. CoBeLVO genannten Massagesalons, ist die sexuelle Orientierung der jeweiligen Dienstleistungen. Diese ist offenkundig der Grund für die unterschiedliche Behandlung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Betrieben einerseits und sonstigen Betrieben, die nach § 6 Abs. 2 10. CoBeLVO selbst dann ihre Tätigkeit unter Beachtung bestimmter Vorgaben ausüben dürfen, wenn das Abstandsgebot wegen der Art der Tätigkeit nicht eingehalten werden kann.
- 20
3. § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO begegnet derzeit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 21
a) Er beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) aus § 32 S. 1 IfSG i.V.m. § 32 S. 2 IfSG, § 1 Nr. 1 IfSGDV. Danach ist das fachlich zuständige Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie (MSAGD) ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
- 22
b) Die Untersagung der Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen ist von der genannten gesetzlichen Ermächtigung gedeckt. Sie bezweckt, die unkontrollierte Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 zu verhindern oder zumindest zu begrenzen und genügt (noch) dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (vgl. hierzu z.B. Grzezick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 Rn. 107 ff.).
- 23
aa) Trotz der gesunkenen Zahl gemeldeter Infektionen geht von dem Virus weiterhin eine beachtliche Gefahr insbesondere für bestimmte Personengruppen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems aus. So schätzt das Robert-KochInstitut die Gefährdung für die Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin als hoch und für Risikogruppen als sehr hoch ein. Die Situation sei trotz Rückläufigkeit der übermittelten Fallzahlen weiterhin dynamisch und deshalb ernst zu nehmen (Robert-Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit- 2019 (COVID-19), Stand: 3. Juli 2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-03-de.pdf?__blob=publicationFile).
- 24
Nach den derzeitigen Erkenntnissen verbreitet sich das Virus bei direkten persönlichen Kontakten insbesondere über Sprechen, Husten oder Niesen im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch. Bei der Übertragung spielen zudem Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, eine Rolle. Die dadurch entstehenden Ansteckungsgefahren sind zwar noch nicht abschließend untersucht. Das Robert-Koch-Institut geht unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Studien aber davon aus, dass SARS-CoV-2-Viren über Aerosole auch im gesellschaftlichen Umgang übertragen werden können. Schließlich sind nach gegenwärtigen Erkenntnissen auch Schmierinfektionen durch das Berühren derselben Gegenstände nicht auszuschließen, die zu neuen Infektionsketten führen können (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html).
- 25
bb) Dass ein solches Verbreitungsrisiko insbesondere im Zusammenhang mit Dienstleistungen besteht, bei denen - wie bei sexuellen Dienstleistungen - Abstände zwischen den beteiligten Personen nicht eingehalten werden können, liegt auf der Hand und wird auch von der Antragstellerin nicht bestritten.
- 26
cc) Die Untersagung der Öffnung von Prostitutionsstätten ist auch erforderlich (vgl. allg. Grzeszick, a.a.O., Rn. 113 ff.), denn die generelle Untersagung solcher Dienstleistungen vermeidet die damit verbundenen Risiken effektiver als andere Maßnahmen, etwa die diversen in der 10. CoBeLVO geregelten Schutzvorkehrungen. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 6 S. 2 der Neunten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz - 9. CoBeLVO - vom 4. Juni 2020 (GVBl. 2020, 249) die Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnlichen Einrichtungen mit Wirkung vom 10. Juni 2020 nicht mehr untersagt werden sollte und hiervon erst durch die Verordnung vom 9. Juni 2020 (GVBl. S. 261) Abstand genommen wurde.
- 27
dd) Die mit § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO verbundenen Beeinträchtigungen stehen auch nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck. Die Maßnahme führt zwar zu Grundrechtseinschränkungen von erheblicher Intensität, wobei insbesondere das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen ist, obwohl negative finanzielle Folgen in den letzten Monaten teilweise durch staatliche Hilfen aufgefangen wurden. Auch wenn § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO nur bis zum 31. August 2020 gilt, liegt die Vermutung nahe, dass sie viele der betroffenen Betriebe in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht.
- 28
Anderseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Erkenntnisse über die Gefahren, die von dem SARS-CoV-2-Virus ausgehen, seine Wirkungsweise und seine Verbreitung nach wie vor lückenhaft sind. Daher ist eine Prognose, welche Einschränkungen der gesellschaftlichen oder geschäftlichen Kontakte von Menschen zwingend erforderlich sind, um die Folgen der Verbreitung des Virus in einem beherrschbaren Rahmen zu halten, mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die Entwicklung in anderen Staaten hat allerdings gezeigt, dass angesichts eines bislang nicht verfügbaren Impfstoffs unzureichende oder zu spät ergriffene Schutzmaßnahmen dazu führen können, dass die intensivmedizinischen Kapazitäten einer Region oder gar eines ganzen Staates mit der Folge zahlreicher Todesfälle überfordert werden können. Schließlich hat es auch im Inland in der jüngsten Vergangenheit immer wieder lokal stark erhöhte Infektionszahlen gegeben, die auf unzureichende Schutzmaßnahmen zurückzuführen sein dürften. Vor diesem Hintergrund ist es angesichts des dem Gesetzgeber - hier: dem Verordnungsgeber - zustehenden Einschätzungsspielraums (vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 -, BVerfGE 134, 242, Rn. 173, 287, 298) auch weiterhin noch angemessen, die Öffnung von Betrieben zu untersagen.
- 29
c) Darüber hinaus verstößt die generelle Untersagung des Betriebs von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
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aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Differenzierungen sind möglich, bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Die dem Gesetzgeber gesetzten Grenzen können von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen (BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 -, BVerfGE 148, 147, juris, Rn. 94 f.).
- 31
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Ungleichbehandlung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen und anderen Dienstleistungsbetrieben, insbesondere „normalen“ Massagesalons derzeit noch gerechtfertigt.
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Die entscheidenden Gründe, die den Verordnungsgeber veranlasst haben, die Öffnung von Prostitutionsstätten trotz der bereits beschlossenen abweichenden Regelung (vgl. o.) weiterhin zu untersagen, waren zum einen die Absicht, eine Verlagerung von Sexualdienstleistungen nach Rheinland-Pfalz zu verhindern, darüber hinaus die Befürchtung, die Einhaltung der hygienischen Anforderungen könne nur unzureichend kontrolliert werden, und schließlich die Einschätzung, dass die Nachverfolgung von Kontakten nicht gewährleistet sei (https://corona.rlp.de/de/aktuelles/detail/news/News/detail/keine-oeffnung-von-bordellen-oder-anderen-prostitutionsbetrieben-ab-dem-10-juni-1/).
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Zumindest der letztgenannte Aspekt rechtfertigt es jedenfalls derzeit noch, die Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnliche Einrichtungen zu untersagen, während andere Dienstleistungsbetriebe, in denen es zum unmittelbaren Körperkontakt zwischen Leistungserbringern und Kunden kommt, unter bestimmten Vorgaben geöffnet bleiben. Nach dem ihm zustehenden Einschätzungsspielraum (vgl. o.) ist der Verordnungsgeber zu der Annahme berechtigt, dass Infektionsketten im Zusammenhang mit sexuellen Dienstleistungen weniger zuverlässig nachzuverfolgen sind als bei sonstigen Dienstleistungen (vgl. z.B. § 6 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 1 Abs. 8 10. CoBeLVO). Angesichts einer nach wie vor negativen gesellschaftlichen Wertung in Bezug auf die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen kann auch angenommen werden, dass Kunden sich vielfach entweder weigern würden, die geforderten Informationen (Name, Vorname, Anschrift und Telefonnummer) anzugeben bzw. falsche Angaben machen würden.
- 34
Ob die angegebenen Schwierigkeiten bei der Überwachung sexueller Dienstleistungen - gegebenenfalls in Verbindung mit einer Verlagerung solcher Dienstleistungen nach Rheinland-Pfalz - ein fortdauerndes Öffnungsverbot rechtfertigen, kann daher dahingestellt bleiben. Sofern man entscheidend auf diesen Aspekt abstellen wollte, müsste man sich der Frage stellen, inwieweit eine vergleichbare Problematik bei der Überwachung der nach dem Prostituiertenschutzgesetz bestehenden Pflichten besteht bzw. mögliche Vollzugsdefizite in diesem Bereich weniger schwer wiegen als im Zusammenhang mit der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus.
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Im vorliegenden Verfahren lässt sich im Rahmen des Eilverfahrens nicht zuverlässig beurteilen, ob und auf welche Weise durch entsprechende Vorgaben beim Betrieb von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen ein vergleichbares Schutzniveau erreicht werden könnte wie bei sonstigen Betrieben. Angesichts des beträchtlichen Risikopotentials, des erheblichen Zeitdrucks, unter dem Schutzkonzepte entwickelt werden mussten und müssen, sowie der nach wie vor mit erheblichen Unsicherheiten behafteten Entscheidungsgrundlagen ist dem Verordnungsgeber ein beträchtlicher Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Dieser umfasst in gewissem Umfang auch die Befugnis, die Öffnung zunächst geschlossener Einrichtungen zeitlich gestaffelt und unter Vorgabe differenzierter Schutzkonzepte zuzulassen. Dies rechtfertigt es derzeit noch, unter dem Gesichtspunkt der Bedenken im Hinblick auf die Nachverfolgung von Infektionsketten die Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen weiterhin zu untersagen. Dies entbindet den Verordnungsgeber allerdings nicht von der Verpflichtung, mit Nachdruck nach Konzepten zu suchen, die einerseits die mit der Verbreitung des Virus verbundenen Risiken auf ein akzeptables Maß begrenzen, andererseits Grundrechtseingriffe nur in dem notwendigen Umfang einschränken. Dies gilt umso mehr, je schwerer die jeweiligen Freiheitsbeschränkungen wiegen und je länger sie andauern. Derzeit ist es allerdings noch nicht in dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Maß wahrscheinlich, dass die aktuell geltende Untersagung der Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen der Kontrolle in einem Hauptsacheverfahren nicht standhalten wird.
II.
- 36
Es fehlt derzeit auch an einem Anordnungsgrund. Es liegen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Antragstellerin könne ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile erleiden, so dass auch deshalb die mit der begehrten Anordnung verbundene Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht kommt (vgl. o.). Da es sich bei dem Betrieb der Antragstellerin nur im Hinblick auf die von ihr beabsichtigte Tantra-Massage um eine Prostitutionsstätte handelt, könnte sie ihre sonstigen Dienstleistungen trotz § 4 Nr. 3 10. CoBeLVO weiterhin anbieten. Dass sie hiermit keine hinreichenden Erlöse erzielen könnte, um schwere und unzumutbare Nachteile zu vermeiden, hat sie bislang nicht dargelegt.
C)
- 37
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
- 38
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG - i.V.m. Ziff. 1.5 S. 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs 2013, LKRZ 2014, 169. Weil mit der begehrten Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen würde, ist eine Reduzierung des Streitwertes nicht angezeigt.
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Referenzen
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