Urteil vom Verwaltungsgericht Würzburg - W 2 K 17.50701

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt im Wesentlichen die Aufhebung eines seinen Asylantrag als unzulässig abweisenden Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).

Der Kläger, ein nach eigenen Angaben am … … 1988 in Man/Elfenbeinküste geborener ivorischer Staatsangehöriger vom Volk der Malinke mit muslimischer Glaubenszugehörigkeit, reiste am 15. Juli 2017 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. August 2017 einen Asylantrag.

Eine Eurodac-Abfrage der Bundespolizei vom 17. Juli 2017 ergab, dass der Kläger am 4. April 2017 illegal in Italien eingereist und dort registriert worden war.

Bei Anhörungen durch das Bundesamt am 8. August 2017 gab er an, er habe keine Familienangehörige in Deutschland. Sein Heimatland habe er am 3. Januar 2017 verlassen. Er sei über Burkina Faso, Niger, Libyen, Italien und Österreich nach Deutschland eingereist. In Italien sei er am 4. April 2017 eingereist. Er habe sich dort ca. drei Monate in Foggia aufgehalten. Er habe im Flüchtlingslager und auf der Straße gelebt. Er habe in Italien keinen Asylantrag gestellt und sei auch nicht zu seinen Fluchtgründen befragt worden. Sein Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. Es gäbe keine bestimmten Gründe, die gegen Italien sprächen, aber er wolle nicht dorthin. Er habe keine Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder eine Behinderung. Schutzwürdige Belange, die im Rahmen der eventuellen Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen wären, wurden nicht geltend gemacht.

Daraufhin stellte das Bundesamt am 14. August 2017 für den Kläger im sog. Dublin-Verfahren ein Wiederaufnahmegesuch an Italien, das jedoch unbeantwortet blieb.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2017, dem Kläger am 20. Oktober 2017 persönlich ausgehändigt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig, da Italien aufgrund der illegalen Einreise gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

II.

Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2017, am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Würzburg als Telefax vorab eingegangen, ließ der Kläger dagegen Klage erheben.

In Italien seien derart außerordentliche systemische Mängel gegeben, welche sich aufgrund der Flüchtlingszahlen, der Kapazitäten, der Verwaltung, auch des Dublin-Verfahrens als Verstoß gegen die Menschenrechte und als unmenschliche und erniedrigende Behandlung der Flüchtlinge darstellen würden. Seites des Bundesamts würde mit veralteter Rechtsprechung und mit unzutreffenden, veralteten Zahlen usw. operiert. Tatsächlich sei veröffentlicht, dass zu den bisherigen Flüchtlingen in Italien in der ersten Hälfte des Jahres 2017 weitaus mehr als 120.000 Flüchtlinge hinzugekommen seien. Ausweislich einer Fernsehsendung vom 30. August 2017 sei ein Interview mit dem deutschen Außenminister veröffentlicht worden, in dem er gravierende Mängel Italiens einräume und sich dazu bekannt habe, es Italien nicht zu verübeln, Flüchtlinge einfach „durchzuwinken“. Italien werde trotz seiner Hilfegesuche auf europäischer Ebene im Regen stehen gelassen. Italien sei überfordert. Dem Klägerbevollmächtigten sei am 25. September 2017 eine Videoaufnahme eines Asylbewerbers vorgespielt worden, die zeige wie Personen, denen in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden sei, in Rom auf der Straße campen müssten. Weiter sei zu sehen gewesen, dass die Polizei mit mehreren Wasserwerfern gegen diese Personengruppe vorgehe. Personen aus der Gruppe würden ihre Ausweise und Berechtigungsscheine nach oben halten, um der Polizei ihren Status als anerkannte Flüchtlinge deutlich zu machen, ohne dass ihnen das etwas nütze. Ein Reporter, der scheinbar Fotoaufnahme von den Geschehnissen machen wolle, werde von mehreren Polizisten umringt, am Fotografieren gehindert und weggedrängt. Für den Kläger würden sich in Italien Zustände bieten, welche eine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit usw. darstellten. Es werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 1. August 2016 – M 24 S 16.50487 sowie weitere Fundstellen in der Literatur hingewiesen.

Der Kläger lässt beantragen,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Oktober 2017, Geschäftszeichen 7167925 – 231 wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger erneut zu verbescheiden.

Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach §°60°AufenthG vorliegen;

hilfsweise die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu verkürzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Der Kläger sei trotz angekündigtem Überstellungstermin am 4. April 2018 nicht zur Abholung angetroffen worden. Die für den 4. April 2018 geplante Überstellung habe storniert werden müssen. Der Kläger sei flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Dublin-III VO. Die Überstellungsfrist verlängere sich entsprechend und ende nunmehr am 15. April 2019.

Der Rechtsstreit wurde dem Einzelrichter am 11. Januar 2018 zur Entscheidung übertragen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf beigezogene Verwaltungsakten des Bundesamtes und die in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2018 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Parteien verhandelt werden konnte, ist im Hinblick auf die Anfechtungsklage in Ziffer 1 zulässig, jedoch unbegründet.

Soweit die Klage in Ziffer 2 auf erneute Verbescheidung bzw. hilfsweise auf die Verpflichtung zur Zuerkennung eines bestimmten Schutzstatus gerichtet ist, ist die Klage bereits unzulässig. Ist, wie hier, ein sog. Dublin-Bescheid verfahrensgegenständlich ist einzig die Anfechtungsklage statthaft. Für weitergehende Verpflichtungsanträge verbleibt aufgrund der Eigenständigkeit des Dublin-Verfahrens gegenüber dem nationalen Asylverfahren kein Raum.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 18. Oktober 2017 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die in Ziffer 1 des Bescheides ausgesprochene Unzulässigkeit des klägerischen Asylantrag findet ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Italien ist aufgrund der durch Eurodac-Treffer verifizierten illegalen Ersteinreise am 4. April 2017 gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO zuständig. Diese Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO durch Ablauf der Jahresfrist erloschen. Italien hat auf das innerhalb der Fristen des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO gestellte Aufnahmegesuch der Beklagten nicht reagiert, was gemäß Art. 22 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 Dublin III-VO zu einem Zuständigkeitsübergang für die Bearbeitung des Asylantrags führt. Damit ist Italien gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs wieder aufzunehmen.

Die Überstellungsfrist ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch noch nicht verstrichen. Italien ist auch für den Asylantrag des Klägers aktuell zuständig.

Zwar endete die Überstellungsfrist ursprünglich am 15. April 2018. Da sich der Kläger jedoch trotz schriftlich angekündigten Überstellungstermins am 4. April 2018 nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft zur Abholung bereitgehalten hatte, konnte die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zulässigerweise von der Beklagten auf höchstens 18 Monate verlängert werden. Der Kläger war „flüchtig“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO. Überwiegend wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass unter „flüchtig“ ein planvolles und vorsätzliches unentschuldigtes Vorgehen zu verstehen ist, wenn auch ein Untertauchen im engeren Sinne nicht erforderlich ist (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylG, Stand April 2017, § 29 Rn. 251 m.w.N.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof definiert in seinem Beschluss vom 29. April 2016 – 11 ZB 16.50024 – juris, den Begriff „flüchtig“ als jede Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der sich der Betroffene vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht. Im vorliegenden Fall wurde der Kläger vorab darüber informiert, dass er am 4. April 2018 nach Italien überstellt werden soll und er sich aus diesem Grund an diesem Tag ab einer bestimmten Uhrzeit in seiner Unterkunft aufhalten muss. Der Kläger hat sich mithin bewusst der Überstellung nach Italien entzogen, indem er zu der ihm angekündigten Zeit – und sei es nur kurzfristig – nicht in seiner Unterkunft angetroffen werden konnte. Dabei ist es unerheblich, an welchem anderen Ort er sich zu dieser Zeit aufgehalten hat. Unabhängig davon, ob sich aus der Dublin-Verordnung oder aus § 15 AsylG eine Pflicht zur Selbstgestellung bei einer Überstellung in den für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat besteht (verneinend: VG Berlin, B.v. 25. Januar 2018 – 31 L 586.17 A – juris), ist der Kläger jedenfalls gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG verpflichtet, sich in einem vorher definierten zumutbaren Zeitraum in der ihm zugewiesenen Unterkunft zur Abholung bereit zu halten. Diese Anforderung stellt gerade keine Pflicht zur Selbstgestellung dar, sondern konkretisiert lediglich die im Dublinwie im Asylverfahren bestehende Residenzpflicht in zumutbarer Weise räumlich und zeitlich zur Durchführung der Überstellung. Kommt der Betroffene, wie im Fall des Klägers, dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich pflichtwidrig der Überstellung und ist flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO.

Die Beklagte hat auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, indem sie für die Fristverlängerung die Maximalfrist von 18 Monaten voll ausschöpfte. Selbst wenn Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO dem Betroffenen einen subjektiven Anspruch auf ermessensfehlerfrei Entscheidung über die Verlängerung gewährt, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Aus dem Wortlaut „höchstens“ lässt sich zur Überzeugung des Gerichtes nicht der Rechtssatz herauslesen, dass die Beklagte gehalten ist, die Frist in der Regel nur um sechs Monate zu verlängern (so aber beispielsweise: VG Würzburg, U.v. 29. Januar 2018 – W 2 K 17.50166 – juris). Zwar sieht die Dublin III-VO vor, dass zur Vorbereitung und Durchführung der Überstellung stets ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung stehen soll (BVerwG, B.v. 27. April 2016 – 1 C 22/15 – juris). Jedoch steht dem Umkehrschluss, im Rahmen des Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO sei in der Regel nur eine Verlängerung auf sechs Monate ermessensfehlerfrei, die berechtigten Interessen der an der Überstellung beteiligten Staaten entgegen. Diese haben bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der von ihnen durchzuführenden Überstellungen ein berechtigtes Planungsinteresse, dem eine grundsätzlich nur etappenweise Verlängerung bis zur Maximalfrist widerspricht. Mithin begegnet nach Rechtsauffassung des Gerichtes im Rahmen des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO eine Verlängerung auf 18 Monate in der Regel keine rechtlichen Bedenken, soweit nicht einzelfallbezogen gewichtige Gründe dagegen sprechen. Da dies lediglich der Planbarkeit und Durchführführung eines (zweiten) Überstellungsversuches dient, steht einer solchen Auslegung nicht entgegen, dass Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO keinen Sanktionscharakter besitzt. Auch die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 29. April 2016 – 11 ZB 16.50024 – juris, stehen dem nicht entgegen. Dieser weist lediglich darauf hin, dass der Berufungszulassungsantrag sich nicht mit den Ausführungen im angegriffen verwaltungsgerichtlichen Urteil auseinandersetzt, so dass dem nicht zu entnehmen ist, dass sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung auch zu eigen macht.

Im Übrigen wäre selbst bei einer Verlängerung um nur sechs Monate die Überstellungsfrist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedenfalls noch nicht abgelaufen. Da es nach Auffassung des Gerichtes vor Ablauf der ursprünglichen Überstellungsfrist lediglich einer Mitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat darüber bedarf, dass und aus welchem Grund die Überstellungsfrist verlängert wurde, ohne dass bereits ein konkretes Fristende benannt werden muss (ausführlich dazu: VG Cottbus, B.v. 5. Juni 2018 – 5 L 212/18.A – juris), wäre selbst bei einer Verlängerung um sechs Monate zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Zuständigkeit Italiens noch gegeben.

Es liegt auch kein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO vor.

Die Überstellung an Italien ist nicht rechtlich unmöglich im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Diese Vorschrift entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (z.B. EuGH, U.v. 21.12.201 – C 411/10 u.a. – juris). Danach ist die Überstellung eines Asylsuchenden an einen anderen Mitgliedsstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der rücküberstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GK-Charta zur Folge hätten.

Das Gericht geht auf der Grundlage der in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismitteln davon aus, dass in Italien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden.

Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus: In Italien existiert ein rechtstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. So können laut AIDA (Country Report Italy, Up Date 2017, S. 48) auch Dublin-Rückkehrer, die – wie der Kläger – noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, nach einer Überstellung im Dublin-Verfahren ohne weiteres einen Asylantrag stellen und werden in das normale Asylverfahren eingegliedert.

Die größten Probleme, denen sich Dublin-Rückkehrer nach einer Überstellung gegenübersehen, sind im Bereich der Aufnahmebedingungen zu verorten. Italien ist nach wie vor von einem starken Zustrom an Flüchtlingen betroffen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger als Dublin-Rückkehrer in einer anderen Situation befindet als die auf dem Seeweg ankommenden Flüchtlinge in den sog. Hotspots an der italienischen Küste. Die von der Klägerbevollmächtigten zitierte Berichterstattung von Pro Asyl zu der Situation in diesen Hotspots ist für die individuelle Gefahrenprognose bezüglich der dem Kläger mutmaßlich in Italien drohenden Rechtsverletzungen schon nicht aussagekräftig.

Dublin-Rückkehrer, die noch nicht in Italien offiziell untergebracht waren, haben Zugang zu Unterbringung. Eine allgemeine Aussage, wie lange es dauert, bis tatsächlich ein Platz gefunden sei, sei laut Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich nicht möglich. Aufgrund von Informationsmangel, Fragmentierung des Systems und Platzknappheit, dauere es tendenziell länger, weshalb in den letzten Jahren temporäre Aufnahmestrukturen für die Rückkehrer geschaffen worden seien, in denen nicht-vulnerable Fälle verblieben, bis ihr rechtlicher Status geklärt sei (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien – Stand 19. Januar 2018, S. 21f). Seit 2017 würden in den SPRAREinrichtungen (Sistema di Protezione per Richiedenti e Rifugiuati) laut AIDA (a.a.O., S. 44) seit 70 Plätze für vulnerable Dublin-Rückkehrer vorgehalten.

Zwar sei es in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Überstellung mehrere Tage am Flughafen (ohne Schlafplätze) hätten verbringen müssen, bis sie in einer Unterkunft untergebracht werden konnten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 14). Zudem gebe es Berichte, dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht würden und sich selbst um ihre Unterbringung – mitunter in Behelfssiedlungen – kümmern müssten (vgl. östr. Bundesamt, Länderinformationsblatt, S. 22). Auch AIDA verweist auf Angaben von Ärzte ohne Grenzen, die im Jahr 2017 eine Zunahme obdachloser Dublin-Rückkehrer in Rom festgestellt hätten (Update 2017, S. 14 u. 49). Jedoch kann die drohende Obdachlosogkeit zur Überzeugung des Gerichts – trotz der sich mehrenden Ausnahmefälle – nicht als Regelfall unterstellt werden, so dass sich daraus noch keine systemischen Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO ableiten lassen.

Wird die Zuständigkeit Italien, wie im Fall des Klägers, durch Verstreichen der Äußerungsfrist gemäß Art. 21 Dublin III VO begründet, wird der Transfer in der Regel über die großen Flughäfen Italien abgewickelt, wo den Dublin-Rückkehrer von der italienischen Grenzpolizei ein Schreiben ausgehändigt wird, (verbale di invito), das die für die Entgegennahme des Asylantrags zuständige Behörde (questura) benennt (vgl. AIDA, Up Date 2017, S. 48). Selbst wenn die zuständige Behörde, wie von AIDA berichtet, oft sehr weit vom Flughafen entfernt ist, und dem Asylbewerber nur eine Frist von wenigen Tagen gewährt wird, dort vorstellig zu werden, ohne dass in jedem Fall gewährleistet ist, dass der Betroffene mit einem entsprechenden ÖPNV-Ticket oder Auskunft über die günstigste Verkehrsverbindung ausgestattet ist (vgl. AIDA, a.a.O.), überschreitet dies – auch in Zusammenschau mit den Engpässen bei der Unterbringung von Dublin-Rückkehrern – weder in der Regelhaftigkeit noch in der Intensität der Verfahrenserschwernis – die Schwelle zum systemischen Mangel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO.

Zudem ist weder substantiiert dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass gerade der Kläger bei einer Rückkehr nach Italien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen würde. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Kläger in Italien weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen kann. Jedenfalls wenn er sich dem Asylsystem in Italien unterwirft, hat er im Falle einer Überstellung nach Italien als Asylbewerber grundsätzlich Anspruch auf Unterbringung und Verpflegung, dessen Erfüllung – wie bereits ausgeführt – auch zur Überzeugung des Gerichts – trotz bestehender Versorgungsengpässe und administrativer Erschwernisse – hinreichend gesichert ist.

Mithin bleibt es bei der Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers, so dass der Asylantrag des Klägers gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit.a) AsylG unzulässig ist.

Auch die in Ziffer 2 enthaltene Feststellung, dass keine Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen. Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer – in der Person des Klägers liegender – rechtlicher Abschiebungshindernisse sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Ferner bestehen auch gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheides keine rechtlichen Bedenken. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sind keine Gründe ersichtlich, die rechtlich oder tatsächlich gegen die Durchführbarkeit der Abschiebung sprechen.

Ermessensfehler bei der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4 des Bescheides sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Damit erweist sich der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 18. Oktober 2017 insgesamt als rechtmäßig. Die Klage war in Ziffer 1 als unbegründet, in Ziffer 2 als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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