Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 12 S 274/04

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2003 - 5 K 2899/01 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe

 
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Die Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ist nicht gewahrt worden. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Verwaltungsgerichts ist dem Kläger am 13.10.2003 zugestellt worden. Der Zulassungsantrag (Schriftsatz vom 05.12.2003) ging am 08.12.2003 und damit verspätet beim Verwaltungsgericht ein.
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist kommt nicht in Betracht. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne sein Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Dabei sind an eine Behörde zwar keine strengeren, aber auch keine geringeren Anforderungen zu stellen als an einen Rechtsanwalt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.2002, FEVS 54, 390; Beschluss vom 06.06.1995, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198 = NVwZ-RR jew. m.w.N. 1996, 60; OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1993, NJW 1994, 1299).
Wie ein Rechtsanwalt aufgrund der ihm obliegenden Organisationspflicht in seinem Büro eine wirksame und hinreichend sichere Ausgangskontrolle schaffen muss, die sicherstellt, dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich abgesandt werden, so ist auch eine Behörde in Fristsachen zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet. Die Erledigung des tatsächlichen Abgangs fristwahrender Schriftsätze muss so kontrolliert und vermerkt werden, dass sie zweifelsfrei nachweisbar ist. Dies setzt regelmäßig voraus, dass hinreichende Vorkehrungen im Bereich der behördeneigenen Poststelle getroffen worden sind, die eine sorgfältige Behandlung fristwahrender Schriftstücke in der Poststelle sicherstellen und den nachweisbaren Abgang eines dorthin gelangten Schriftstückes gewährleisten. Erfolgt im Einzelfall gegenüber den Bediensteten der amtsinternen Poststelle kein besonderer Hinweis auf die Wichtigkeit des fristwahrenden Schriftstückes und findet nur eine Kontrolle der Übergabe des Poststücks an die Postausgangsstelle statt, wird die Erledigung also lediglich durch Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet, festgehalten, beruht eine eingetretene Fristversäumnis auf Organisationsverschulden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 04.10.2002 und 06.06.1995, jeweils a.a.O.; OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1993, a.a.O.; BFH, Beschluss vom 07.07.2003, BFH/NV 2003, 1440; BGH, Beschluss vom 15.03.1990, HFR 1990, 522; Beschluss vom 21.04.1988, VersR 1988, 942).
Danach kann im Streitfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die auf eine wirksame Ausgangs- bzw. Endkontrolle im Bereich seiner Poststelle schließen ließen. Dem Vorbringen kann auch nicht entnommen werden, dass der tatsächliche Abgang der ursprünglichen Antragsschrift vom 06.11.2003 hinreichend auf andere Weise sichergestellt worden ist, etwa durch einen - mündlichen oder schriftlichen - Hinweis auf die Art und Bedeutung des Schriftstückes gegenüber den mit der Absendung beauftragten Bediensteten der amtsinternen Poststelle. Insbesondere aus der vorgelegten dienstlichen Erklärung der im Bereich des Rechtsamtes des Klägers beschäftigten Sekretärin vom 08.12.2003 geht hervor, dass diese den Schriftsatz vom 06.11.2003 mit den Nebenabschriften in einen Briefumschlag getan, diesen mit der Anschrift des Verwaltungsgerichts versehen und anschließend in das Ausgangspostfach des Rechtsamtes gelegt hat, wo er am gleichen Tag „von der Poststelle abgeholt“ worden sei. Der Leiter der Poststelle, der den Briefumschlag mit dem Schriftsatz vom 06.11.2003 vom Ausgangspostfach des Rechtsamtes abgeholt hat, kann sich nach dem Vortrag des Klägers „aufgrund der hohen Zahl von Schreiben, die täglich das Haus verlassen,“ nicht mehr an dieses Schriftstück erinnern. Aus alledem und mangels anderweitiger bzw. weiterer Angaben zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages ist davon auszugehen, dass der auf dem vorgelegten Entwurf des Schriftsatzes vom 06.11.2003 angebrachte Abgangsvermerk „ab“ entweder von dem Unterzeichner des verloren gegangenen Schriftsatzes vom 06.11.2003 oder von dessen Sekretärin, nicht aber von einem Bediensteten der behördeneigenen Postausgangsstelle angebracht worden ist. Hinreichende Vorkehrungen, die eine sorgfältige Behandlung fristwahrender Schriftstücke im Bereich der behördlichen Poststelle sicherstellen und den nachweisbaren Abgang des dorthin gelangten Schriftstückes gewährleisten, sind weder im Allgemeinen noch im konkreten Fall des verloren gegangenen Schriftsatzes vom 06.11.2003 benannt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Dies folgt aus § 194 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO a.F. (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27.05.2003 - 12 S 740/03 - und vom 02.06.2003 - 12 S 733/03 -).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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