Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 10 S 3156/08

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.November 2008 – 12 K 5012/07 – wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 21.692,33 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag, mit dem die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 VwGO) und der besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in Anspruch genommen werden, hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, B. v. 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838 f., v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744 f., B. v. 12.11.2002 - 7 AV 4.02 - juris, B. v. 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - DVBl 2003, 401 f.; B. v. 14.06.2002 - 7 AV 1.02 - DVBl 2002, 1556 f.); sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 – juris; B. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 - DVBl 2000, 1458 ff.), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, B. v. 10.03.2004 a.a.O.), sofern nicht seinerseits die anderen Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden. Zur Darlegung ernstlicher Zweifel (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich.
Gemessen hieran begegnet das Urteil keinen ernstlichen Zweifeln.
Das angegriffene Urteil geht zunächst im Anschluss an das von Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten Prof. Dr. S. davon aus, dass die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für Behandlung entstanden sind, die auf wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden beruhen und daher keine notwendigen Aufwendungen darstellen. Diese Einschätzung wird mit dem Zulassungsantrag nicht erfolgreich infrage gestellt. Das Gutachten geht davon aus, dass sich zwar teilweise eine „prinzipielle Wirksamkeit“ im Labor gezeigt habe und auch eine begrenzte klinische Erfahrung an Patientinnen belegt sei (vgl. S. 14 des Gutachtens). In Ermangelung bislang nicht durchgeführter großer randomisierter und kontrollierter „Phase III-Studien“ könne von einer allgemein anerkannten wissenschaftlichen Methode nicht gesprochen werden, was nur dann der Fall sei, wenn ein spürbar positives Einwirken auf den Krankheitsverlauf wissenschaftlich gesichert sei. Noch viel weniger sei dies dann anzunehmen, wenn noch nicht einmal größere „Phase II-Studien“ durchgeführt worden seien (vgl. S. 12 und 13). Dass, wie die Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags meint, „eine wissenschaftliche Anerkennung jedenfalls in der Zukunft durchaus möglich und von dem Gutachten nicht ausgeschlossen“ werde, macht diese nicht schon heute zu einer anerkannten wissenschaftlichen Methode.
Was die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung und die Wirksamkeit der vom Gutachter vorgeschlagenen Behandlungsmethoden betrifft, werden diese im Anschluss an das Gutachten vom Verwaltungsgericht bejaht, ohne dass insoweit ernstliche Zweifel aufgezeigt werden bzw. vorliegen. Die Klägerin beanstandet in diesem Zusammenhang zunächst unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 11.03.2008, das Gutachten und ihm folgend das angegriffene Urteil hätten übersehen, dass angesichts der bei ihr festgestellten „survivin-positiven“ Zellen eine Chemotherapie bzw. Strahlentherapie keinen Sinn gemacht hätte. Es kann in diesem Zusammenhang schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Gutachter dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und wissenschaftlich gewürdigt hat. Denn dieser Sachverhalt war Gegenstand des Schreibens von Dr. K. vom 17.02.2005 an die Klägerin. Im Gutachten wird aber ausdrücklich hierauf Bezug genommen (vgl. S. 5) und es erfolgt eine Auseinandersetzung mit den hierin enthaltenen Therapievorschlägen von Dr. K.. Ungeachtet dessen und unabhängig hiervon sind auch aus einem weiteren Grund insoweit keine ernstlichen Zweifel begründet. Dies ergibt sich aus folgendem: Der Senat geht zwar zugunsten der Klägerin davon aus, dass im Rahmen des geltend gemachten Zulassungsrundes der ernstlichen Zweifel auch Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, insbesondere eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht in zulässiger Weise gerügt werden können. In jedem Fall können dann aber Unterlassungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die dem Erfolg einer Aufklärungsrüge entgegenstehen würden, nicht unbeachtet bleiben. Denn eine Verletzung der Aufklärungspflicht kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann mit Erfolg gerügt werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter entweder bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung durch die Stellung eines Beweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt hatte oder sich dem Verwaltungsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 22.02.1988 - 7 B 28.88 - NVwZ 1988, 1020; v. 01.03.2001 - 6 B 6.01 - NVwZ 2001, 923; v. 25.01.2005 - 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen und weitere die Sachverhaltsermittlung anstoßende Anträge, zu kompensieren. Mit dem Verweis auf eine Antragstellung in der mündlichen Verhandlung wird den Beteiligten in zumutbarer Weise angesonnen, ihr bisheriges Vorbringen kritisch zu sichten und nach dem aktuellen Stand der schriftsätzlichen Auseinandersetzung sowie dem Zwischenergebnis der mündlichen Verhandlung eine aktuelle Entscheidung zu treffen, ob eine weitere Sachverhaltsaufklärung überhaupt noch erforderlich ist. Zwar wurde hier im Schriftsatz vom 11.03.2008 pauschal die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, was dann später vom Gericht auch veranlasst wurde. Ein weiterer Antrag wurde im Anschluss an die Einholung des Gutachtens nach der über die mündliche Verhandlung gefertigten Niederschrift nicht gestellt. In diesem Zusammenhang genügt ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Antrag den genannten Anforderungen nicht (vgl. BVerwG, B.v. 06.03.1995 – 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265; B.v. 10.10.2002 – 9 BN 2.01 – NVwZ-RR 2002, 140). Gleichermaßen wurde zu keinem Zeitpunkt ein Antrag gestellt, den Gutachter zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung zu laden (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO; vgl. zu den Substantiierungsanforderungen BVerwG, B.v. 21.09.1994 – 1 B 131.93 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46; v. 19.03.1996 - 11 B 9.96 - NJW 1996, 2318; v. 16.07.2008 – 2 B 55.07 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 95).
Das Gleiche gilt für die Bewertung des Umstandes, dass die Klägerin an einem Tumor erkrankt war, der zu einer Subgruppe von etwa 1 bis 2 % aller Mammakarzinome zählt. Wenn die Schlussfolgerung des Gutachters (vgl. S. 8), wonach es sich bei dieser „sehr wahrscheinlich“ (und nicht nur „wahrscheinlich“, wie im Schriftsatz vom 07.10.2008 eingewandt wurde) um eine Untergruppe des duktal-invasiven Mammakarzinoms handele, infrage gestellt wird, insbesondere auch bezweifelt wird, dass hier eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode bestehe, so war gleichfalls ein Antrag auf Erläuterung des Gutachtens nicht gestellt worden. Eine entsprechende weitere Aufklärung musste sich insoweit dem Gericht nicht aufdrängen, weil der Gutachter des Gerichtes im Gegensatz zu dem früher in einem anderen Verfahren eingeholten Gutachten Prof. Dr. B. sich offenbar zu einer eindeutigen Aussage in der Lage sah.
Wenn beanstandet wird, der Gutachter habe auf Seite 14 seines Gutachtens, keine gesicherte Eignung zu einer definitiven Ausheilung habe bestätigen könne, so übersieht die Klägerin, dass der Gutachter sich an dieser Stelle zu den Therapievorschlägen von Dr. K. äußert und nicht zu denen des Gutachters.
Der Umstand, dass der Gutachter etwa davon spricht, dass infolge einer Chemotherapie ein günstiger Einfluss „erwartet“ werden könne (vgl. S. 8/9), lässt keinen Schluss darauf zu, dass der Gutachter selbst davon ausgeht, dass insoweit keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorliegen könnte. Denn insoweit kann der Gutachter aufgrund des bisherigen wissenschaftlichen Erfahrungswissens lediglich eine Prognose abgeben, die im Ergebnis auch einen Misserfolg beinhalten kann. Denn eine absolute Gewissheit kann hier nicht bestehen und selbstverständlich auch nicht gefordert werden.
Ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode, mit erfolgreichen Rügen nicht infrage gestellt, so kommt es auf die Frage, ob nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. B.v. 06.12.2005 – 1 BvR 347/98) ausnahmsweise eine Beihilfefähigkeit auch wissenschaftlich nicht allgemein anerkannter Behandlungsmethoden bejaht werden muss, nicht mehr an.
10 
2. Die Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass der Rechtssache nicht nur allgemeine oder durchschnittliche Schwierigkeiten zukommt. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn sich der konkret zu entscheidende Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfällen deutlich abhebt und sich gerade die diesbezüglichen Fragen im Berufungsverfahren stellen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.09.2005 – 9 S 437/05 – NVwZ-RR 2006, 255; v. 22.04.1997 – 14 S 913/97 – NVwZ 1997, 1230; vgl. auch BVerfG, Kammerb. v. 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Den Darlegungserfordernissen ist hierbei nur genügt, wenn in fallbezogener Auseinandersetzung mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts dargetan wird, inwieweit sich die benannten Schwierigkeiten in Vergleich mit Verfahren durchschnittlicher Schwierigkeit als "besondere" darstellen und für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 10.06.1997 – 7 S 662/97 – NVwZ-RR 1998, 31). Dabei kann im Einzelfall dem Darlegungserfordernis genügt sein, wenn auf eine (tatsächlich auch vorliegende) besonders aufwändige und eingehende Begründung in der angegriffenen Entscheidung verwiesen wird (vgl. BVerfG, Kammerb. v. 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). In Anbetracht des eher geringen Gewichts der oben unter 1) behandelten Einwände, die keine grundlegenden Fragestellungen als noch unbeantwortet erscheinen lassen, sind solche besonderen Schwierigkeiten nicht gegeben.
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 52 Abs. 3 GKG.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen