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| Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung über das Rechtsmittel (vgl. § 125 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 VwGO). |
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| Die zulässige Berufung führt zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht. |
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| Nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darf der Verwaltungsgerichtshof die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Verwaltungsgericht zurückverweisen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. |
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| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagte hat die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht beantragt. Auch stellt die Ablehnung des von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Beweisantrags einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, auf dem das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht und der deshalb eine weitere Verhandlung der Sache mit einer nachzuholenden umfangreichen Beweisaufnahme notwendig macht. |
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| Die Ablehnung des Beweisantrags durch das Verwaltungsgericht findet im Prozessrecht keine Stütze. Das Verwaltungsgericht hat damit den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 08.04.2004 - 2 BvR 743/03 -; BVerwG, Beschluss vom 12.03.2004 - 6 B 2.94 -). |
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| Das Verwaltungsgericht hat den vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt. Zwar kennt auch der vom Untersuchungsgrundsatz bestimmte Verwaltungsprozess die Möglichkeit, einen Beweisantrag durch "Wahrunterstellung" abzulehnen. Diese Verfahrensweise setzt indes voraus, dass die behauptete Beweistatsache im Folgenden so behandelt wird, als wäre sie wahr (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 a.E. StPO), was regelmäßig nur für nicht entscheidungserhebliche Behauptungen in Frage kommt (BVerwG, Beschluss vom 12.08.1998 - 7 B 162.98 - Juris Rn. 2). Das Gericht darf sich daher im weiteren Verlauf nicht in Widerspruch zu den als wahr unterstellten Annahmen setzen und muss sie "ohne jede inhaltliche Einschränkung" in ihrem mit dem Beteiligtenvorbringen gemeinten Sinn behandeln, als wären sie nachgewiesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.12.2012 - 2 B 32/12 -, Juris Rn. 12; Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 47.85 - BVerwGE 77, 150, 155, Beschluss vom 20.09.1993 - 4 B 125.93 - Juris Rn. 7). Gegen diese Grundsätze hat das Verwaltungsgericht verstoßen. |
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| Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Verwaltungsgericht als wahr unterstellt, dass „Studiendirektorin F. Schüler aus zwei Arbeitsgruppen während der so genannten Erarbeitungsphase (Versuchsdurchführung) 10 bis 15 Minuten lang nach Glukoseteststreifen befragt hat und dass dadurch die gesamte Klasse und auch die Klägerin gestört worden ist und es zu Verzögerungen im Unterrichtsablauf kam“. Bereits die Formulierung auf Seite 15 der angefochtenen Entscheidung am Ende des ersten Absatzes „Dies gilt auch für den Fall, dass Studiendirektorin F. sich mit einzelnen Schülern fachlich unterhalten haben sollte“ (Unterstreichung nur hier), belegt, dass das Verwaltungsgericht das als wahr unterstellte Vorbringen nicht uneingeschränkt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dies gilt umso mehr, als es an dieser Stelle weder auf den - zuvor unterstellten - störenden Charakter der Befragung noch auf den zeitlichen Umfang der Störung eingeht. |
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| Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit des als wahr unterstellten Vorbingens verkannt. Das aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) folgende Recht des Prüflings auf ein faires Verfahren verpflichtet den Prüfer, darauf zu achten, dass der Prüfungsstil, der Ablauf des Prüfungsverfahrens und die Prüfungsatmosphäre nach Möglichkeit leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings ausschließen. Der Prüfling soll nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Prüfers einer psychischen Belastung ausgesetzt werden, die das Bild seiner Leistungsfähigkeit verfälscht und dadurch seine Chancen mindert (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2012 - 9 S 2143/11 -, VBlBW 2013, 111; BVerwG, Urteil vom 11.11.1998 - 6 C 8/97 -, BVerwGE 107, 363, 368 f. m.w.N.; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 328). Ob sich das Verhalten eines Prüfers so hätte auswirken können, ist anhand einer objektiven Betrachtung aus der Sicht eines verständigen Prüflings zu beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2012, a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 11.11.1998, a.a.O., und vom 20.09.1984 - 7 C 57/83 -, BVerwGE 70, 143). |
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| Mit den dargelegten Anforderungen des Fairnessgebots, auf die das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht eingegangen ist, ist die Annahme aber nicht zu vereinbaren, dass es während der Erarbeitungsphase (Versuchsdurchführung) der Lehrprobe der Klägerin im Fach Biologie in dem beschriebenen zeitlichen Umfang zu einer Befragung von Schülern durch eine der Prüferinnen gekommen ist und dadurch die gesamte Klasse sowie die Klägerin gestört und der Unterrichtsverlauf verzögert worden sind. Bereits die Annahme einer - nachweislich - durch das Verhalten der Prüferin verursachten Störung der Klägerin während ihrer Lehrprobe belegt das Vorhandensein einer prüfungsrechtlich relevanten Verunsicherung des Prüflings. Erst recht gilt dies, wenn der - bis zu einem Viertel der Gesamtdauer der Unterrichtspraxis ausmachende - zeitliche Umfang der Störung hinzugenommen und außerdem berücksichtigt wird, dass durch die Intervention der Prüferin die ganze Klasse gestört und der Unterrichtsverlauf verzögert worden ist. Insgesamt bestehen bei objektiver Betrachtung und mit Blick auf die zeitnahe Rüge der Klägerin keine Zweifel, dass bei einem nach Art und Umfang derart störenden Verhalten der Prüferin während der Lehrprobe von einer prüfungsrechtlich erheblichen, leistungsverfälschenden Verunsicherung der Klägerin auszugehen ist. Sollte den Erwägungen des Verwaltungsgerichts die Annahme zugrunde liegen, ein Verfahrensfehler sei nicht gegeben, weil das Verhalten der Prüferin der korrekten Beurteilung der Leistungen der Klägerin gedient habe, läge hierin eine unzulässige Verengung der Voraussetzungen des Fairnessgebots. |
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| Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat darauf hin, dass es sich bei der unter Beweis gestellten „Störung“ des Unterrichtsablaufs, der Klasse und der Klägerin um keine unmittelbar der Wahrnehmung durch Zeugen zugänglichen, bestimmten Beweistatsachen handelt (§ 373 ZPO i.V.m. § 98 VwGO), sondern um die Schlussfolgerung (Beweisziel) aus bestimmten Indiztatsachen. Das Verwaltungsgericht hat dies dem Beweisbegehren der Klägerin aber nicht entgegengehalten und ihr so auch nicht die Möglichkeit zur Konkretisierung eingeräumt sondern auch insoweit eine „Wahrunterstellung“ vorgenommen. Das kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen. |
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| Der Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts ausgewirkt hat und die von diesem insoweit angenommenen Tatsachen keine ordnungsgemäße Grundlage für eine erstinstanzliche Entscheidung sein können. Die demnach in einer weiteren mündlichen Verhandlung durchzuführende Beweisaufnahme ist umfangreich, da voraussichtlich die von der Klägerin benannten acht Schüler und Schülerinnen als Zeugen zum Ablauf der Lehrprobe zu vernehmen sind. |
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| Die Entscheidung über die Zurückverweisung liegt im Ermessen des Verwaltungsgerichtshofs. Das Ermessen ist dabei durch den Regel-Ausnahme-Grundsatz des § 130 Abs. 1 und 2 VwGO vorgeformt, wonach die Zurückverweisung den Ausnahmefall darstellt. Maßgeblich sind dabei insbesondere Gründe der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung sowie des Rechtsschutzes, etwa die Verkürzung des Rechtsweges (vgl. Senatsurteil vom 22.01.2013 - 9 S 1891/12 -; BayVGH, Beschluss vom 16.03.2011 - 12 B 10.2407 -, Juris Rn. 27; Happ in: Eyermann , VwGO, 13. Aufl. 2010, § 130 Rn. 17, a.a.O., Rn. 15). |
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| Ausgehend hiervon verweist der Senat die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Nach Aktenlage ist zur gebotenen Aufklärung des Sachverhalts eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Vernehmung zahlreicher Zeugen erforderlich, die vom Verwaltungsgericht unterlassen wurde. Mit Blick darauf, dass es derzeit noch an der Entscheidungsreife fehlt und in Anbetracht der Aufgabenverteilung zwischen der zugangsbeschränkten Berufungsinstanz und der vor Ort befindlichen Eingangsinstanz hält der Senat eine Zurückverweisung für angemessen. Außerdem steht den Beteiligten nach einer Zurückverweisung und Entscheidung durch das Verwaltungsgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 VwGO eine weitere Tatsacheninstanz zur Verfügung. Eine Verkürzung des Rechtswegs wird so vermieden. |
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| Mit der Zurückverweisung der Sache wird die erste Instanz mit Rechtskraft dieser Entscheidung erneut eröffnet. Das Verfahren wird dort mit der in § 130 Abs. 3 VwGO vorgeschriebenen Bindungswirkung fortgesetzt. |
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| Die Entscheidung über die Kosten ist der Endentscheidung vorzubehalten (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.12.2002 - 11 S 1442/02 -, NVwZ-RR 2003, 532). |
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| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. |
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