Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 3 S 1962/13

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2012 - 5 K 588/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, einen von ihm errichteten Anbau an ein Wohngebäude abzubrechen.
Der Kläger erwarb im Jahr 2007 das Grundstück Flst.-Nr. ... im Gewann W..., Gemarkung B., U... 13. Zum Zeitpunkt seines Erwerbs war das Grundstück mit einem im Jahr 1985 genehmigten Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m² bebaut. Das Grundstück befindet sich im Bereich des Wochenendhausgebiets „Wanne“. Für dieses Gebiet beschloss der Gemeinderat der Gemeinde B. am 21.3.1961 unter Aufhebung bisher geltender Bestimmungen den Erlass einer „Ortsbausatzung über die Errichtung von Wochenendhäusern auf den Markungen des Gemeindebezirks B.“ (OBS). Nach § 2 OBS sind Wochenendhäuser nur für den vorübergehenden Aufenthalt, insbesondere über das Wochenende oder in Ferienzeiten, bestimmt. Nach § 4 OBS darf die Grundfläche der Wochenendhäuser 35 m² nicht überschreiten.
Schon im Jahr 1994 kam es zu Beschwerden einzelner Grundstückseigentümer gegenüber dem Landratsamt Heilbronn, wonach andere Eigentümer sich über die Regelungen der Ortsbausatzung hinwegsetzten, ihre Wochenendhäuser „schwarz“ erweiterten und zum dauerhaften Wohnen nutzten. Nach einem vom damaligen Dezernenten gebilligten Aktenvermerk vom 9.6.1996 wurde jedoch von einem Einschreiten abgesehen, da es sich um Erweiterungsbauten meist älterer Leute handele und daher mit künftigen Erweiterungen nicht mehr zu rechnen sei. Im Jahr 2007 waren so im Gebiet „Wanne“ eine erhebliche Anzahl von Gebäuden mit einer Grundfläche von mehr als 35 m2 vorhanden sowie eine erhebliche Anzahl von Gebäuden, die zum dauerhaften Wohnen genutzt wurden. Die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks schrieben im März 2007 die Stadtverwaltung B.s mit Fragen zur zulässigen Bebauung an und forderten sie zum Einschreiten gegen „illegal erstellte Anbauten“ auf. Dieses Schreiben leitete die Stadtverwaltung mangels Baurechtszuständigkeit an das Landratsamt weiter. Dem Landratsamt kamen in diesem Zusammenhang Zweifel an der Gültigkeit der Ortsbausatzung. In einem von Sachgebietsleiter am 13.4.2007 unterschriebenen Vermerk wurde deswegen vorgeschlagen:
„Weiteres Vorgehen:
1. Erhebung des rechtlichen Status…
2. Zielbesprechung. Bisherigen Baulichkeiten sollen geduldet werden, neue Bauten unter best. festzulegenden Bedingungen genutzt und ggf. neu gebaut werden dürfen. Gemeinde muss hier mit ins Boot genommen werden… Bebauungsplan durch Gemeinde als Ziel“.
Der Bürgermeister der Stadt B. erklärte jedoch im Juni 2007 gegenüber dem Landratsamt, die Aufstellung eine Bebauungsplans sei nicht beabsichtigt. Daraufhin ordnete das Baurechtsamt eine Auflistung der feststellbaren baurechtlichen Verstöße an. Das Vermessungsamt ermittelte danach die Grundflächen der vorhandenen Gebäude und fertigte zwei entsprechende Karten, die das Datum 16.1.2008 tragen Auf dem Grundstück des Klägers ist in den Karten neben einer Garage ein Hauptgebäude mit einer Grundfläche von rund 38 m2 verzeichnet.
Der Sachgebietsleiter der Baurechtsbehörde entschied am 28.3.2008, die Karten dem Bürgermeister zuzuleiten mit der nochmaligen Anregung, einen Bebauungsplan aufzustellen. Falls die Stadt dem nicht nachkomme, würden Bauvorhaben, deren Zustand auf den Karten dokumentiert sei, genehmigt oder zumindest geduldet. Neufälle, die die in den Karten verzeichneten Maße der baulichen Anlagen überschritten, müssten dagegen zurückgebaut werden. Der Bürgermeister antwortete darauf am 17.4.2008, dass für den Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Legalisierung bisheriger Verstöße „auf gar keinen Fall in Betracht“ komme. Man wünsche sogar, Altfälle aufzugreifen.
Bereits Mitte Dezember 2007 hatte das Landratsamt einen Hinweis auf einen Schwarzbau im Bereich des Unteren Wannenwegs erhalten. Daraufhin stellte ein Baukontrolleur am 31.1.2008 auf dem klägerischen Grundstück einen Erweiterungsbau fest, durch den sich die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes auf rund 92 m² erhöht. Mit Verfügung vom 4.2.2008 ordnete das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an und forderte den Kläger auf, Planunterlagen einzureichen. Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts über einen erneuten Ortstermin am 27.3.2008 wurde „der Anbau zwischenzeitlich fertig gestellt. Der Innenausbau war bis auf Streicharbeiten (gerade in Garage) abgeschlossen. Daher hat sich Herr H. nicht an den Baustopp gehalten“.
Mit Schreiben vom 28.3.2008 wurde der Kläger zum Erlass einer Abbruchs- und Rückbauanordnung angehört. Mit Schriftsatz vom 2.6.2008 legte er Planunterlagen über den Umfang der Baumaßnahmen vor und führte aus, die Bestimmungen der Ortsbausatzung seien durch die tatsächliche Handhabung und Entwicklung in den letzten Jahren wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Nun ausgerechnet gegen ihn einzuschreiten, sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtswidrig.
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Mit Verfügung vom 4.9.2008 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger an, den errichteten Anbau abzubrechen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anbau sei formell und materiell baurechtswidrig. Er sei ohne Baugenehmigung im Außenbereich errichtet worden und könne als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht zugelassen werden, da er Bestimmungen der wirksamen Ortsbausatzung verletze und damit öffentliche Belange beeinträchtige. Das Anordnungsermessen sei dahingehend auszuüben, die Beseitigung des Anbaus zu verlangen. Denn das Interesse des Klägers an der Erhaltung einer durch eigenmächtiges Handeln erlangten Position sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtsgemäßer Zustände nachgeordnet. Ein weniger belastendes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Die Anordnung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
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Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 7.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Überbauung seines Grundstücks richte sich nicht nach § 35 BauGB, sondern nach § 34 BauGB. Maßgeblich hierfür sei die in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bebauung. In diese füge sich sein Bauvorhaben ein.
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Mit Bescheid vom 18.1.2011 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der errichtete Anbau sei materiell rechtswidrig, da er gegen § 4 OBS verstoße, der als Bestimmung eines einfachen Bebauungsplans fortgelte. Dieser einfache Bebauungsplan sei auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Denn das von ihm umfasste Wochenendhausgebiet bestehe aus 101 Grundstücken. Im März 2010 seien auf 33 Grundstücken Wohnsitze gemeldet gewesen und auf 29 Grundstücken sei die Gebäudegrundfläche von 35 m² überschritten worden. Der ganz überwiegende Teil der Grundstücke werde daher nicht entgegen den Regelungen der Ortsbausatzung genutzt. Die Abbruchsanordnung sei auch ermessensfehlerfrei. Zwar sei sie für den Kläger mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden, doch habe er aufgrund seiner Vorgehensweise das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen. Die Abbruchsanordnung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser hindere die Baurechtsbehörde bei Schwarzbauten nicht, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen, denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gehandelt. Ferner verstoße die Abbruchsanordnung auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Das Landratsamt habe sich dazu entschieden, alle Gebäude mit einer Grundfläche von mehr als 35 m², die in einer vom Vermessungsamt gefertigten Karte eingezeichnet seien, nicht mehr aufzugreifen. Dagegen werde gegen alle Gebäude bzw. Gebäudeteile, die in der Karte eine zulässige Gebäudegrundfläche aufwiesen und später vergrößert würden, vorgegangen.
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Der Kläger hat am 18.2.2011 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Mit Urteil vom 9.10.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage nach Einnahme eines Augenscheins abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtene Abbruchsanordnung sei nicht zu beanstanden. Denn für den Anbau fehle es an einer Baugenehmigung, er verstoße gegen materielles Recht und auf andere Weise als durch den Erlass der Abbruchsanordnung könnten rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden. Die materielle Rechtswidrigkeit lasse sich allerdings nicht auf einen Verstoß gegen die Ortsbausatzung der Gemeinde B. stützen, das die Satzung mangels Bekanntmachung nicht wirksam zustande gekommen sei. Damit richte sich die Zulässigkeit des Anbaus nach § 35 BauGB. Denn das Vorhaben des Klägers liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, da sich die in seiner Umgebung vorhandene Bebauung nicht als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur darstelle. Als im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben könne der Anbau des Klägers somit nur zugelassen werden, wenn er keine öffentlichen Belange beeinträchtige. Er lasse jedoch die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Zudem fehle es an einer ausreichenden Erschließung jedenfalls in abwasserrechtlicher Hinsicht. Das somit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Abbruchsanordnung sei fehlerfrei ausgeübt worden. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebiete es nicht, rechtswidrige Zustände stets „flächendeckend“ zu bekämpfen. Die Baurechtsbehörde müsse sich für ihr Vorgehen nur bestimmte Regeln setzen und diese auch befolgen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz werde nur dann begründet, wenn sie zeitgleich oder später errichtete vergleichbare Vorhaben ungleich behandele. Nach diesen Maßgaben habe das Landratsamt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn es sei gegen den klägerischen Anbau noch in dessen Errichtungsphase eingeschritten. Weiter sei glaubhaft, dass seither gegen jeden weiteren bekannt gewordenen Fall eines Ausbaus der Häuser im Gewann Wanne eingeschritten werde.
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Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 11.9.2013 die Berufung zugelassen.
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Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung geltend, die angefochtene Abbruchsanordnung und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung fehlten und überdies das Anordnungsermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Anordnungstatbestand sei nicht erfüllt, da das vergrößerte Wohnhaus planungsrechtlich zulässig sei. Die Ortsbausatzung der Gemeinde B. über die Bebauung des Wochenendhausgebiets sei nicht wirksam zustande gekommen und damit für die Zulässigkeit des Anbaus ohne Bedeutung. Das Baugrundstück liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht verneint, dass der Bebauungskomplex im Bereich Wanne Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Denn dieser Komplex, insbesondere auch entlang des U... Wegs, bestehe aus Wochenendhäusern und massiven Wohnhäusern, häufig mit Grundflächen zwischen 76 m2 bis zu 112 m2. Ob dieser Bebauungskomplex als städtebauliche Einheit in Erscheinung trete oder stark durchgrünt sei, sei für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ebenso unerheblich wie seine Entstehungsgeschichte. In die solchermaßen gebildete Umgebungsbebauung füge sich sein Wohngebäude mit Anbau ein. Das gelte auch für das Maß der baulichen Nutzung. Denn die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes mit rund 92 m2 füge sich in die Bandbreite der in der Umgebung vorhandenen Grundflächen von Wohnhäusern ein. Nicht anderes gelte für die Zahl der Vollgeschosse, weil das neu entstandene Gebäude nur eines aufweise und seine Firsthöhe mit 4,3 m auf der Südseite dem durch die Umgebung geprägten Rahmen entspreche. Selbst wenn man zur Auffassung komme, der Anbau sei doch rechtswidrig, sei jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Denn dem Konzept des Landratsamts für ein bauaufsichtliches Einschreiten liege zugrunde, nur gegen bauliche Anlagen einzuschreiten, die nach dem 16.1.2008, dem Tag der Erstellung der beiden Karten des Vermessungsamts, errichtet worden seien. Zu diesem Stichtag sei sein Anbau aber längst vollständig fertig gestellt gewesen. Dagegen sei das Landratsamt gegen andere bauliche Anlagen, die nach dem 16.1.2008 errichtet worden seien, bislang nicht eingeschritten. In einem Fall, auf dem Grundstück Flst.-Nr. ..., habe das Landratsamt sogar ein Gebäude mit einer Grundfläche von rund 70 m2 genehmigt.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.10.2012 - 5 K 588/11 - zu ändern und die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 aufzuheben.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Es erwidert, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung lägen vor. Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich. Für die Annahme, dort bestehe ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil, fehle es schon an einer organischen Siedlungsstruktur. Das Verwaltungsgericht habe nach Einnahme eines Augenscheins aus dem Umständen des Einzelfalls zu Recht geschlossen, dass es sich bei der Bebauung im Bereich Wanne um eine Splittersiedlung handele. Selbst wenn das anders zu sehen sein und doch ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegen sollte, füge sich das klägerische Vorhaben nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein. Da das Wohnhaus des Klägers durch seine äußere Erscheinungsform die Umgebung dominiere, sei der Rahmen, der zur Beurteilung seines Einfügens zu wählen sei, weit zu ziehen und entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die auf der nördlichen Seite des U... Wegs belegenen Vorhaben zu beschränken. In den so zu bestimmenden Rahmen füge sich ein Gebäude mit 92 m2 Grundfläche keinesfalls ein. Eines der angrenzenden Wohnhäuser habe z.B. nur eine Grundfläche von 50 m2. Von 68 Wochenend-/Wohnhäusern hätten 49 eine Grundfläche von lediglich bis zu 39 m². Lediglich sieben bis acht hätten eine Grundfläche von 73 bis 94 m². Sei der Anbau somit in jedem Fall planungsrechtlich unzulässig, lasse die Ausübung des Anordnungsermessens keine Fehler erkennen. Das Einschreiten gegen das klägerische Vorhaben sei nicht gleichheitswidrig, zumal es am 16.1.2008 nicht fertiggestellt gewesen sei. Dagegen spreche schon, dass am 31.1.2008 noch ein Gerüst angebracht gewesen sei und selbst am 27.3.2008 noch Malerarbeiten stattgefunden hätten. Was die übrigen Baulichkeiten betreffe, warte das Landratsamt den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren ab. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... sei zwar im Jahr 1997 ein Gebäude genehmigt worden, doch nur dessen Untergeschoss überschreite die 35 m2 Grenze deutlich, nicht aber seine oberirdische Gebäudeteile.
21 
Der Senat hat das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
22 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Landratsamts Heilbronn verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
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2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
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a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
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Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
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b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
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c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
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Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
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3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
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a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
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b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
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aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
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Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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