Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 1855/14

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. September 2014 - 6 K 1670/14 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Am 13.02.2014 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin, ihr die Stadthalle der Stadt Weinheim für ihren Bundesparteitag am 01. und 02.11., 08. und 09.11., 22. und 23.11. oder am 29. und 30.11.2014 zur Verfügung zu stellen.
Dieser Antrag wurde von der Antragsgegnerin u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass die Halle an den genannten Terminen bereits belegt sei. Einsicht in den Hallenbelegungsplan wurde nicht gewährt.
Am 06.06.2014 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr den Großen Saal der Stadthalle Weinheim vom 01.11.2014 bis zum 02.11.2014, hilfsweise vom 08.11.2014 bis zum 09.11.2014, weiter hilfsweise vom 22.11.2014 bis zum 23.11.2014, höchst hilfsweise vom 29.11.2014 bis zum 30.11.2014 einschließlich Tischen und Stühlen, Bühne mit Lautsprechertechnik, Empore, Foyer, Bewirtungszone, Garderobe und Toiletten zur Durchführung eines Bundesparteitages zu überlassen.
Mit Beschluss vom 10.09.2014 (- 6 K 1670/14 - juris) lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag als unbegründet ab. Ob die Antragstellerin einen Anordnungsgrund geltend machen könne, könne dahinstehen, da sie jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Zwar halte sich die geplante Veranstaltung im Rahmen des in der Benutzungsordnung festgelegten Widmungszwecks. Es sei jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass eine zur Selbstbindung führende Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin existiere, indem die Halle in der Vergangenheit für vergleichbare Veranstaltungen zur Verfügung gestellt worden wäre. Bei den von der Antragstellerin angeführten politischen Veranstaltungen der ... am 22.07.2013, der Partei ... ... am 23.03.2011 und der ... am 14.11.2008 habe es sich um Wahlkampfveranstaltungen gehandelt, die sich an die Öffentlichkeit gerichtet und damit auch dem Informationsinteresse der Einwohnerschaft gedient hätten. Hiervon unterschieden sich rein parteiinterne Veranstaltungen wie der geplante Bundesparteitag wesentlich, so dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Differenzierung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht zu beanstanden sei.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Der erforderliche Anordnungsgrund liege vor, weil der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile für die Antragstellerin dringend geboten sei. Der Rücktritt des im April 2013 gewählten Parteivorsitzenden mache es erforderlich, unverzüglich einen neuen Vorsitzenden zu wählen, da nur dieser über die erforderliche demokratische Legitimation verfüge, die Geschäfte der Partei dauerhaft zu leiten. Die kommissarische Amtsführung durch einen Stellvertreter dürfe nicht zu einem Dauerzustand werden. Der Anordnungsanspruch sei ebenfalls zu bejahen. Da der Widmungszweck der Stadthalle in der Benutzungsordnung abschließend bestimmt worden sei und sich die geplante Veranstaltung im Rahmen dieses Widmungszwecks halte, komme ein Rückgriff auf die bisherige Nutzungspraxis nicht in Betracht. Eine Belegung der Halle zu den beantragten Terminen habe die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Auf entsprechenden rechtlichen Hinweis hat sie unter Vorlage einer Verfügung ihres Amtes für Immobilienwirtschaft vom 12.12.2013 zu den Sperrzeiten der Stadthalle 2014 vorgetragen, dass die Stadthalle - wie jedes Jahr - am 01.11.2014 wegen des gesetzlichen Feiertages Allerheiligen geschlossen sei. Das Personal der Stadthalle stehe nicht zur Verfügung und eine Vergabe und Vermietung der Halle finde nicht statt. Am 08./09.11.2014 finde in Zusammenarbeit mit dem evangelischen Dekanat Weinheim die „Gedenkveranstaltung Reichspogromnacht“ in der Stadthalle statt. Die Veranstaltung sei bereits am 07.11.2013 verbindlich zur Belegung angemeldet worden. Die erforderlichen Aufbauarbeiten zu der begleitenden Ausstellung sowie die technischen Proben zur eigentlichen Gedenkveranstaltung müssten am 08.11.2014 durchgeführt werden, weshalb die Halle auch an diesem Tag nicht anderweitig vergeben werden könne. Die Reservierung für die Aufführungstermine des ... Theaters am 22./23.11.2014 sei bereits am 20.03.2013 erfolgt. Der Termin 29.11.2014 (Gastspiel des ... ...) sei mit E-Mail vom 16.01.2014 verbindlich bestätigt worden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefallenen Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
1. Der erforderliche Anordnungsgrund ist allerdings entgegen den vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken zu bejahen. Ein Parteitag einer nicht verbotenen politischen Partei im Sinne des Art. 21 GG ist - nicht anders als eine anlassbezogene Versammlung - eine termingebundene Veranstaltung, weil die Partei - unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben aus dem Parteiengesetz und ggf. ihrer Satzung- selbst darüber entscheidet, wann und wo sie einen Parteitag abhält. Diese Entscheidung, die eine Partei im Rahmen ihres Selbstorganisationsrechts trifft, ist grundsätzlich hinzunehmen. Unerheblich ist daher, dass die Antragstellerin, die ihren letzten ordentlichen Parteitag am 20./21.04.2013 veranstaltet hat, einen solchen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 PartG und nach § 19 lit. a Satz 1 ihrer Satzung zwingend erst im Jahr 2015 wieder einberufen muss. Denn mit der beabsichtigten Abhaltung eines Parteitags im November 2014 hält sie sich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben. Zudem hat sie hinreichend gewichtige sachliche Gründe dafür angeführt, den nächsten Bundesparteitag bereits jetzt und nicht erst im kommenden Jahr abhalten zu wollen.
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2. Die Antragstellerin hat jedoch den erforderlichen Anordnungsanspruch (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) nicht glaubhaft gemacht.
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a) Im vorliegenden Fall kann sich unter den gegebenen Umständen ein Anspruch der Antragstellerin, ihr die Stadthalle in Weinheim für die Durchführung ihres Bundesparteitags zur Verfügung zu stellen, allein aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG ergeben. Danach ist es geboten, politische Parteien gleich zu behandeln, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien (kommunale) Einrichtungen zur Nutzung zur Verfügung stellt (vgl. Beschl. des Senats v. 11.05.1995 - 1 S 1283/95 - BWGZ 1995, 927 = NVwZ-RR 1996, 681). Das Recht auf Chancengleichheit ist verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat (BVerfG, Beschl. v. 07.03.2007 - 2 BvR 447/07 - BVerfGK 10, 363).
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Der nach den oben genannten Vorschriften in diesem Rahmen grundsätzlich gegebene Zulassungsanspruch zu einer öffentlichen Einrichtung besteht - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht unbeschränkt. Vielmehr wird er durch den Zweck der öffentlichen Einrichtung, wie er in der Widmung zum Ausdruck kommt, begrenzt (vgl. Senatsbeschl. v. 11.05.1995, a.a.O.).
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Der Zweck einer öffentlichen Einrichtung wird von der Gemeinde in der Regel in einer Benutzungssatzung oder einem Beschluss des Gemeinderats über die Widmung der Einrichtung festgelegt. Maßgeblich ist danach hier die Benutzungsordnung für die Stadthalle Weinheim. Nach A. 1. dieser Benutzungsordnung dient die Stadthalle als öffentliche Einrichtung dem kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben der Stadt Weinheim. Sie wird darüber hinaus für überörtliche Veranstaltungen vermietet.
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Danach hält sich hier die geplante Abhaltung eines Bundesparteitags im Rahmen des Widmungszwecks nach Satz 2 („überörtliche Veranstaltung“). Unerheblich ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, ob bereits Parteitage oder ähnliche Parteiveranstaltungen in der Stadthalle stattgefunden haben. Nur wenn es an einer ausdrücklichen Widmung durch Satzung oder Beschluss des Gemeinderats fehlen würde, käme es maßgeblich auf die tatsächliche Vergabepraxis an, aus der sich eine konkludente Widmung für bestimmte Arten von Veranstaltungen ergeben könnte. Hier vermag dagegen der Umstand, dass tatsächlich noch keine Parteitage in der Stadthalle abgehalten wurden, den in der Benutzungsordnung niedergelegten Widmungszweck nicht einzuschränken, zumal dies möglicherweise allein darauf zurückzuführen ist, dass der Antragsgegnerin entsprechende Anfragen politischer Parteien noch nicht vorlagen.
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b) Der Anordnungsanspruch scheitert jedoch daran, dass die Stadthalle zu den fraglichen Terminen unter Beachtung des Prioritätsprinzips für andere, ebenfalls im Rahmen des Widmungszwecks liegende Veranstaltungen vergeben wurde bzw. geschlossen ist.
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Die Antragsgegnerin hat unter Vorlage der Verfügung ihres Amtes für Immobilienwirtschaft vom 12.12.2013 zu den Sperrzeiten der Stadthalle 2014 plausibel dargelegt, dass die Stadthalle am 1./2. November 2014 geschlossen ist und für keinerlei Veranstaltungen zur Verfügung gestellt wird.
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Für die hilfsweise beanspruchten Termine hat die Antragsgegnerin - ebenfalls unter Vorlage entsprechender Belege - nachvollziehbar dargelegt, dass die Reservierungen zeitlich jeweils vor der Anfrage der Antragstellerin vorgenommen wurden. Die insoweit seitens der Antragstellerin geäußerten Zweifel teilt der Senat nicht. Für eine weitergehende Sachaufklärung bezüglich einzelner Umstände der jeweils vorgenommenen Reservierungen besteht kein Anlass.
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Rechtlich unerheblich ist, dass die Mietverträge mit den jeweiligen Veranstaltern teilweise erst im Oktober 2014 abgeschlossen wurden. Zwar erfolgt die verbindliche Überlassung der Stadthalle ausweislich der Benutzungsordnung erst aufgrund eines schriftlichen Mietvertrages. Etwaige Terminvormerkungen ohne schriftlichen Vertrag sind unverbindlich und begründen keinerlei Rechte (A. 3.3 der Benutzungsordnung). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Antragsgegnerin in ihrer Verwaltungspraxis die angemeldeten Termine als verbindlich bestätigt und die eigentliche Vergabe nach der Reihenfolge der Vormerkungen, d.h. nach dem Prioritätsprinzip, vornimmt. Eine solche Vergabepraxis entspricht den Forderungen der Antragstellerin und ist auch vom Senat als sachgerecht anerkannt worden (vgl. Urt. v. 19.05.2003 - 1 S 1449/01 - BWGZ 2003, 804). Auch die jeweiligen Veranstalter vertrauen nach Erhalt einer Reservierungsbestätigung auf eine entsprechende endgültige Vergabe, was sich insbesondere daran zeigt, dass für die Veranstaltungen bereits vor Abschluss des Mietvertrags (mit dem ... Theater erst am 06.10.2014 und mit dem ... ... erst am 02.10.2014) geworben wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Eine Halbierung des Auffangstreitwerts entsprechend der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., Anh § 164 Rn. 14) kommt nicht in Betracht, weil der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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