Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 3 S 1184/16

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. April 2008 - 5 K 2146/06 - geändert.

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 06.03.2006 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 06.06.2011 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.05.2006 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 07.07.2005 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des im Untergeschoss der Kirche, ... Straße ... in K..., gelegenen Lagerraums in eine Krypta zu erteilen.

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 1 gegen das Urteil vom 15. April 2008 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 tragen die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen zu je 1/2. Im Übrigen behalten die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen jeweils auf sich.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Begräbnisstätte (Krypta) in einer im Industriegebiet gelegenen Kirche.
Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien mit derzeit etwa 600 Mitgliedern. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. ... (... Straße ...) auf der Gemarkung der Beigeladenen Ziff. 1. Nach Erteilung des Einvernehmens der Beigeladenen Ziff. 1 genehmigte die Beklagte der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahre 1994 die Errichtung einer Kirche mit zwei Obergeschossen, einem Untergeschoss und Glockentürmen sowie den Bau eines Versammlungsraums auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... Die ursprünglich auch vorgesehene Einrichtung eines Mausoleums bzw. einer Krypta mit zehn Begräbnisplätzen im Untergeschoss der Kirche stellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin angesichts des insoweit versagten Einvernehmens der Beigeladenen Ziff. 1 zunächst zurück. In den genehmigten Plänen ist der betreffende Bereich an der Kirchenostseite als Abstellraum bezeichnet.Die anschließend errichtete und auf der Grundlage einer im Jahre 1997 erteilten Nachtragsbaugenehmigung mit ca. 300 Sitzplätzen im Kirchenschiff ausgestattete Kirche wird seither als solche genutzt.
Das Kirchengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Industriegebiet“ für die Gewanne „Kurzer See“ und „Beim Fürfelder Zollstock“ von 1970, der das gesamte Plangebiet als Industriegebiet (GI) ausweist. Er ist Teil des - durch spätere Erweiterungen schrittweise vergrößerten - Plangebiets „Industriegebiet K...“. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind dort Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO zugelassen. Auf den die Kirche umgebenden Grundstücken befinden sich ein Produktionsbetrieb für Holzverpackungen und Holzkisten, dessen 85 Mitarbeiter im Schichtbetrieb arbeiten, und der metallverarbeitende Betrieb mit Gießerei der Beigeladenen Ziff. 2, in dem rund 250 Mitarbeiter beschäftigt sind. In der Umgebung finden sich ferner ein Betonwerk und ein Großbetrieb für Dichtungstechnik mit etwa 150 Mitarbeitern.
Im Juli 2005 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung für den Einbau einer Krypta als „privaten Bestattungsplatz ausdrücklich ausschließlich für verstorbene Geistliche“ in den bereits in der Vergangenheit hierfür vorgesehenen Abstellraum im Untergeschoss ihrer Kirche. Das mit der ursprünglichen Planung von 1994 identische Vorhaben betrifft den Einbau von zehn Grabkammern in Wandnischen, die nach Beisetzung durch dicht verfugte Stahlbetonplatten zur Raumseite hin verschlossen und mit beschrifteten Marmorverkleidungen versehen werden sollen. Im Freiraum vor den Sarkophagen sollen zu bestimmten Zeiten Gedenkgebete für die Verstorbenen gesprochen werden. Zur Bestätigung der kirchenrechtlichen Erforderlichkeit einer solchen Priesterbegräbnisstätte legte die Klägerin Stellungnahmen eines Theologen, eines Kunsthistorikers und eines Kirchenrechtlers vor. Nach den eingereichten Plänen ist ein Zugang zu der Krypta nur von außen über eine auf ihrer Nordseite vorhandene Treppe vorgesehen. Die Be- und Entlüftung des Innenraums soll durch drei bereits vorhandene Drehkippfenster sowie zusätzlich über das Dach erfolgen.
Das Gesundheitsamt beim Landratsamt Heilbronn stimmte der Krypta aus hygienischer Sicht unter Auflagen zu. Der Gemeinderat der Beigeladenen zu 1. versagte am 17.10.2005 erneut sein Einvernehmen in bau- und zugleich in bestattungsrechtlicher Hinsicht (§ 9 BestattG). Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 06.3.2006 wegen des fehlenden Einvernehmens ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Mit Urteil vom 15.4.2008 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vorgesehene Bestattungsart entspreche althergebrachter Tradition der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Eine Ausnahme sei nicht schon deswegen unzulässig, weil die Krypta im Industriegebiet gebietsunverträglich sei. Denn die genehmigte Kirche präge das Industriegebiet bereits mit. Eine über den bisherigen Bestand hinausgehende Unverträglichkeit mit dem Baugebietscharakter werde durch die Umnutzung im Kircheninneren nicht hervorgerufen.
Gegen den sie jeweils beschwerenden Teil des Urteils haben die Klägerin einerseits sowie die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 andererseits die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt.
Der Senat hat mit Urteil vom 9.11.2009 - 3 S 2679/08 - die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage insgesamt unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgewiesen. Die Umwandlung des Abstellraums in eine Krypta stelle eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung dar. Sie sei im fraglichen Industriegebiet weder allgemein zulässig, noch könne sie im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, die sie auf eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 sowie ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 ff. WRV gestützt hat. Mit Urteil vom 18.11.2010 - 4 C 10.09 - hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des erkennenden Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Nutzungsänderung von einer Kirche ohne Krypta in eine Kirche mit Krypta habe der Verwaltungsgerichtshof zwar zu Recht weder als allgemein noch als ausnahmsweise zulässig erachtet. Die Verneinung des Befreiungstatbestandes des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB werde von den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht getragen.
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Der Gemeinderat der Beigeladenen Ziff. 1 hat in der Sitzung vom 21.03.2011 erneut das Einvernehmen zur Errichtung einer Krypta versagt. Ferner hat die Beklagte durch Bescheid vom 06.06.2011 den Ablehnungsbescheid vom 06.03.2006 ergänzend begründet.
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Daraufhin hat der Senat nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 20.7.2011 - 3 S 465/11 - wiederum die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgewiesen. Die weder allgemein noch ausnahmsweise zulässige Nutzungsänderung könne auch nicht im Wege einer Befreiung zugelassen werden. Zum einen würden durch eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt. Zum anderen sei die Befreiung nicht durch Belange des Wohls der Allgemeinheit gefordert. Schließlich sei die Abweichung unter Würdigung der nachbarlichen Interessen, insbesondere der Interessen des unmittelbar benachbarten holzverarbeitenden Betriebes, auch nicht mit öffentlichen Belangen vereinbar.
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Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27.6.2013 - 4 B 43.11 - zurückgewiesen.
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Auf die von der Klägerin eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 9.5.2016 - 1 BvR 2202/13 - das Urteil des erkennenden Senats aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne sich auf den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen. Zu den grundrechtlich geschützten Betätigungen gehöre auch die Bestattung kirchlicher Würdenträger nach bestimmten glaubensgeleiteten Riten und die dementsprechende Totensorge einschließlich der alter syrisch-orthodoxer Kirchenlehre entsprechenden Hauskirchenbestattung von Priestern, hier in der zur Genehmigung gestellten Krypta. Zwar sei die Glaubensfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen müssten sich jedoch aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählten die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Zu den immanenten Schranken der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gehörten die Beschränkungen, die im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ihren Ausdruck fänden. Die Ausnahmeregelung des § 31 Abs. 1 BauGB und die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB seien allerdings im Einzelfall unter besonderer Berücksichtigung von Wirkkraft und Tragweite der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auszulegen und anzuwenden. Dabei könnten auch gegenläufige verfassungsrechtlich verankerte Schutzgüter in die Bewertung einzubeziehen sein. Bei auftretenden Spannungsverhältnissen müsse unter Berücksichtigung des Toleranzgebots im Wege praktischer Konkordanz ein Ausgleich gefunden werden. Dabei seien die kollidierenden verfassungsrechtlichen Positionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie möglichst weitgehend wirksam würden. Andernfalls sei unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten habe. Die Herstellung praktischer Konkordanz werde auch durch das baden-württembergische Bestattungsrecht nicht gehindert, da dieses etwa in den §§ 9, 2 ff. BestattG ebenfalls auslegungs- und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalte.
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Eine verfassungsimmanente Schranke der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ergebe sich vorliegend nicht aus dem postmortalen Achtungsanspruch im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG. Denn dieser sei nicht in eingriffserheblicher Weise tangiert. Die umgebungsgeschuldete gewerbliche Betriebsamkeit betreffe nicht den Kernbereich der Menschenwürde, so dass für die Frage des Vorliegens einer Beeinträchtigung dem ggfs. auch nur mutmaßlichen Willen des vermeintlich Betroffenen hinlängliches Gewicht beizumessen sei. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sei hier anzunehmen, dass Geistliche im Dienste der Klägerin ihre personale Würde gerade im untrennbaren Zusammenhang mit ihrer Berufung und den ihrem Glauben zu Grunde liegenden Regeln sähen. Im Übrigen verdiene Berücksichtigung, dass die glaubenssatzgetreue Beisetzung unter dem Altar in der beantragten Weise eine besonders würdevolle Form der Bestattung darstelle, die unter Umständen wahrnehmbare Immissionen bei der Entscheidung zu verdrängen vermöge. Nichts anderes gelte für die ebenfalls über Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Totenruhe. Ebenso wenig stehe das Pietätsempfinden der Hinterbliebenen oder der Allgemeinheit einer Verwirklichung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin im Wege. Mit Blick auf die Hinterbliebenen liege eine Betroffenheit des Kernbereichs des nach Art. 2 Abs. 1 GG und ggfs. durch Art. 4 GG verstärkt geschützten würdigen Totengedenkens infolge einer nur drohenden Lärmbelästigung eher fern, so dass Raum für eine individuelle Definition würdigen Totengedenkens verbleibe. Im Übrigen bestehe die Möglichkeit der Eingriffseinwilligung bzw. des Grundrechtsausübungsverzichts. Das Pietätsempfinden der Allgemeinheit und der Grundstücksnachbarn lasse sich den Grundrechten der Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, da es sich hierbei nicht um einen Gemeinschaftswert von Verfassungsrang handle. Als verfassungsimmanente Schranken seien vorliegend allein der Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG der Nachbarbetriebe berücksichtigungsfähig. Das Eigentumsgrundrecht der Nachbarn könne berührt werden, wenn künftig etwa durch die Klägerin initiierte oder eingeforderte Auflagen drohten, die den Betrieben abverlangen könnten, ihre Betriebsstätten nur unter bestimmten Maßgaben zu nutzen oder zu gewissen Zeiten gar nicht zu betreiben. Nicht geschützt seien hingegen etwaige künftige Betriebserweiterungen. Die Berufsausübungsfreiheit werde durch etwa zu besorgende Lärmschutzauflagen oder Einschränkungen der Betriebszeiten von Maschinen ebenfalls betroffen.
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Allerdings sei bislang nicht deutlich gemacht, inwieweit allein die Einrichtung der auf zehn Begräbnisplätze für Gemeindepfarrer beschränkten Krypta im Untergeschoss über die derzeitige Nutzung der Kirche hinaus mit Blick auf den Eigentumsschutz und die Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe konkrete weitere und zudem nennenswerte Auswirkungen auf den mit der ursprünglichen Planung verfolgten Interessenausgleich habe. Auch sei es nicht zulässig, der Klägerin den zwingenden Charakter der Hauskirchenbestattung abzusprechen. Ferner sei nicht erkennbar, dass bei Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Erlasses betriebseinschränkender Auflagen die industrielle Vorbelastung des Baugebiets aus Sicht der Klägerin beachtet worden sei. Ebenso wenig sei ersichtlich, worin konkret bei Ausklammerung der nicht berücksichtigungsfähigen Belange des Ruheschutzes von Begräbnisstätten der graduelle Unterschied im Ausmaß der nachbarlichen Rücksichtnahmepflichten zwischen einer Kirche mit und einer solchen ohne Krypta liegen solle. Nicht einbezogen seien eigene Abhilfemöglichkeiten der Klägerin durch - auch bauliche - Maßnahmen. Gleiches gelte für die Möglichkeit einer Auflage zur Baugenehmigung, mit der eine Duldungsbaulast abverlangt werden könne bzw. ein freiwilliger Verzicht der Klägerin auf immissionsrechtlichen Schutz.
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In seiner Sitzung vom 24.7.2016 hat der Gemeinderat der Beigeladenen Ziff. 1 für eine genauer bezeichnete und im Abgrenzungs- bzw. Lageplan vom 25.7.2016 dargestellte Mehrzahl von Grundstücken im Gebiet der Bebauungspläne „Industriegebiet", „Industriegebiet, 1. Änderung" und Industriegebiet, 5. Änderung", darunter auch das Grundstück der Klägerin, die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens „Industriegebiet, 6. Änderung" beschlossen. Ziel der Planung ist es nach der Sitzungsniederschrift, Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zukünftig nicht mehr zuzulassen, um die Möglichkeiten der freien Berufsausübung und der gewerblichen Freiheit nicht zu gefährden. Gleichfalls am 24.7.2016 hat der Gemeinderat für den Bereich des künftigen Bebauungsplans „Industriegebiet, 6. Änderung" den Erlass einer Veränderungssperre als Satzung beschlossen. Der Aufstellungsbeschluss und die am 24.7.2016 vom Bürgermeister der Beigeladenen Ziff. 1 ausgefertigte Satzung sind am 28.7.2016 im amtlichen Mitteilungsblatt der Beigeladenen Ziff. 1 öffentlich bekannt gemacht worden.
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Die Klägerin verweist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und trägt ergänzend vor, der Betrieb der Beigeladenen Ziff. 2 arbeite nach ihren Beobachtungen in einem Zweischichtbetrieb von ca. 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr, regelmäßig nicht am Wochenende. Der holzverarbeitende Betrieb arbeite ähnlich. Ein vom Bundesverfassungsgericht angesprochener weiterer Betrieb liege über einen Kilometer entfernt, so dass unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Immissionskonflikte mit der Krypta zu erwarten seien. Die Kirche selbst werde intensiv genutzt, ohne dass es jemals zu Konflikten zwischen der Kirchengemeinde und den umliegenden Nutzungen gekommen sei. Ein auch nur gradueller Unterschied hinsichtlich der erforderlichen Rücksichtnahme sei im Vergleich der Nutzung der Kirche ohne Krypta und der Nutzung der Kirche ohne Krypta nicht ersichtlich.
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Darüber hinaus habe sie gegenüber der Beklagten schriftliche Erklärungen abgegeben, nach denen sie sich zum einen verpflichte, in der Krypta eine Lüftungsanlage sowie Schallschutzfenster zu installieren und die Fenster während religiös motivierter Veranstaltungen in dem besagten Raum geschlossen zu halten. Zum anderen habe sie die dauerhafte Verpflichtung als Baulast auf das Baugrundstück übernommen, die Immissionen der nach dem Bebauungsplan „Industriegebiet, dritte Änderung und Erweiterung“ zulässigen Betriebe zu dulden und auf Abwehransprüche zu verzichten, soweit die Betriebe die Anforderungen an das zulässige Immissionsniveau im ausgewiesenen Industriegebiet einhielten. Schließlich habe sie alternativ, also ohne Rücknahme des bisherigen Nutzungsänderungsantrages, die Genehmigung eines weiteren Zugangs in die Krypta aus dem Kircheninneren beantragt und erklärt, der Zugang von außen dürfe für alle Anlässe des Totengedenkens oder sonstige religiös motivierte Nutzungen in der Krypta nicht genutzt werden. Hierzu hat die Klägerin dem Gericht die vorbereiteten und in der mündlichen Verhandlung die vom Vorstand unterschriebenen Erklärungen vorgelegt sowie erklärt, diese seien gemeinsam bei der Beklagten eingereicht worden.
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Die Veränderungssperre stehe der Erteilung der begehrten Baugenehmigung nicht entgegen. Denn sie sei unwirksam, da die Bauleitplanung nicht erforderlich sei und der beabsichtigte Bebauungsplan gegen das Gebot der gerechten Abwägung verstoße. Ferner bestehe ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre. Denn überwiegende öffentliche Belange stünden einer solchen Ausnahme nicht entgegen, da es keinen graduellen Unterschied im Ausmaß der nachbarlichen Rücksichtnahmepflichten zwischen einer Kirche ohne und einer Kirche mit Krypta gebe. Angesichts der in Rede stehenden Religionsausübungsfreiheit sei das Ermessen der Baurechtsbehörde zu ihren Gunsten auf Null reduziert.
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Sie habe danach einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung unter Erteilung einer Ausnahme bzw. einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Denn Grundrechte der Nachbarn würden durch die zusätzliche Einrichtung der Krypta nicht beeinträchtigt. Dies gelte nicht nur für das Eigentumsgrundrecht und die Berufsausübungsfreiheit, sondern auch für die Religionsausübungsfreiheit der Nachbarn. Soweit ein Grundstücksnachbar vortrage, seine christliche Wertvorstellung verbiete es ihm, seinen Industriebetrieb mit den einhergehenden Lärm- und Abgasimmissionen direkt neben der Krypta zu betreiben, sei dessen Pietätsempfinden angesprochen, das vom Bundesverfassungsgericht als nicht kollisionsfähig mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin beurteilt worden sei. Einer Beweiserhebung bedürfe es daher nicht.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15.4.2008 - 5 K 2146/06 - zu ändern, den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 6.3.2006 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 6.6.2011 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.5.2006 aufzuheben sowie
die Beklagte zu verpflichten, ihr entsprechend ihrem Antrag vom 7.7.2005 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des im Untergeschoss der Kirche gelegenen Lagerraums in eine Krypta zu erteilen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihr entsprechend ihrem Antrag vom 7.7.2005 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des im Untergeschoss der Kirche gelegenen Lagerraums in eine Krypta in der Fassung des alternativ gestellten Antrags mit Zugang zur Krypta über den Kircheninnenraum zu erteilen
und die Berufungen der Beklagten sowie der Beigeladenen Ziff. 1 zurückzuweisen.
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Die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15.4.2008 - 5 K 2146/06 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
26 
Die Beklagte hält die erlassene Veränderungssperre für wirksam. Insbesondere werde das Planungsziel, die Berufsausübungsfreiheit und die Eigentumsrechte im Geltungsbereich des fraglichen Industriegebiets nicht weiter einzuschränken, durch den Ausschluss der nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen gefördert. Ein Anspruch auf Ausnahmeerteilung bestehe nicht. Denn die Zulassung der Krypta stehe dem Planungsziel der Beigeladenen Ziff. 1 entgegen. Hieran ändere auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts. Diese betreffe nämlich die Frage der Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht.
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Unabhängig von der Veränderungssperre müsse geklärt werden, welcher Stellenwert dem religiösen Empfinden der Betriebsinhaber, der Grundstückseigentümer sowie der Beschäftigten im Industriegebiet zukomme und inwieweit dieses Empfinden einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB entgegenstehe. Es zähle zum Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der evangelischen und katholischen Kirche, die Totenruhe zu achten und sie nicht durch lärmende oder andere die Totenruhe beeinträchtigende Emissionen zu stören. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt.
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Der hilfsweise gestellte Klageantrag sei unzulässig. Im Gegensatz zu den weiteren Verpflichtungs- und Duldungserklärungen der Klägerin, die ihr nicht vorlägen, sei der alternativ gestellte Bauantrag zwar bei ihr eingegangen. Jedoch handle es sich bei diesem um ein aliud zu dem bisherigen Bauantrag, so dass zunächst ein baubehördliches Genehmigungs- und ggfs. Widerspruchsverfahren durchzuführen sei.
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Die Beigeladene Ziff. 1 trägt ergänzend vor, das Gebot, die Totenruhe zu achten zähle zur Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aller christlichen Kirchen. Gleiches gelte für Angehörige des jüdischen oder muslimischen Glaubens. Beschäftigte, die in unmittelbarer Nähe der Krypta mit lauten Maschinen arbeiteten, würden damit in erhebliche Gewissens- und Glaubensnöte geraten. Zur Bestätigung legen sie ein Schreiben des Geschäftsführers des der Kirche benachbarten holzverarbeitenden Betriebes vom 12.8.2016 sowie weitere Schreiben dieser Firma vor. Ein der Würde des Friedhofs entsprechendes Verhalten werde im Übrigen auch von den in nahezu allen baden-württembergischen Kommunen geltenden Friedhofssatzungen gefordert.
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Die Beigeladene Ziff. 2 stellt keinen Antrag. In der Sache hat sie - noch im Verfahren 3 S 465/11 - ihre Besorgnis geäußert, die in einem Industriegebiet zulässigen und notwendigen Nutzungsmöglichkeiten könnten bei Genehmigung der Krypta beschränkt und die im Vertrauen auf den Fortbestand Industriegebiets angesiedelten Unternehmen als Störer betrachtet würden. Dies sei nicht akzeptabel.
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Die im parallelen Verfahren auf Erteilung einer bestattungsrechtlichen Genehmigung für die vorgesehene Begräbnisstätte vom 1. Senat des erkennenden Verwaltungsgerichtshofs nach für die Klägerin negativem Ausgang des Verwaltungs-, Widerspruchs- und erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtsverfahrens zugelassene Berufung - 1 S 1594/13 - ruht derzeit mit Rücksicht auf den vorliegenden Rechtsstreit.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Verwaltungsgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen einschlägigen Baugenehmigungsakten, Widerspruchsakten und Bebauungsplanakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
33 
Die zulässige Berufung der Klägerin ist mit ihrem Hauptantrag begründet. Die gleichfalls zulässigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 1 bleiben hingegen ohne Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Genehmigung einer Umnutzung des im Untergeschoss ihrer Kirche gelegenen Abstellraums in eine Krypta mit zehn Bestattungsplätzen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 6.3.2006 und vom 6.6.2011 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.5.2006 sind daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beklagte ist dementsprechend unter Änderung des erstinstanzlichen Bescheidungsurteils und Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 7.7.2005 eine Baugenehmigung für die geplante Nutzungsänderung zu erteilen.
34 
Bei der vorgesehenen Nutzungsänderung handelt es sich um ein nach § 49 i. V. mit § 2 Abs. 13 Nr. 1 LBO genehmigungspflichtiges Vorhaben; Ausnahmen von der Genehmigungspflicht i. S. der §§ 50, 51, 49 und 70 LBO liegen nicht vor. Die mithin erforderliche Baugenehmigung ist nach § 58 LBO (zwingend) zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (Satz 1). Soweit § 52 LBO - wie hier - keine Anwendung findet, sind dabei alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten und über deren Einhaltung nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet (Satz 2).
35 
Danach ist der Klägerin die im vorliegenden Verfahren unbedingt begehrte Baugenehmigung zu erteilen. Denn dieser Genehmigung stehen keine dem materiellen Entscheidungsprogramm der Baurechtsbehörde unterfallende Vorschriften des öffentlichen Rechts entgegen.
36 
1. Das Vorhaben der Klägerin ist bauplanungsrechtlich zulässig. Die beabsichtigte Nutzungsänderung verstößt zwar gegen den für den fraglichen Bereich bislang geltenden Bebauungsplan „Industriegebiet“ aus dem Jahre 1970. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans (1.1.). Nicht anders verhält es sich bei Berücksichtigung der von der Beigeladenen Ziff. 1 mit dem Bebauungsplanverfahren „Industriegebiet, 6. Änderung" vorgesehenen Änderungen (1.2.), weshalb eine Ausnahme von der am 24.7.2016 beschlossenen Veränderungssperre zuzulassen ist (1.3.).
37 
1.1. Die vorgesehene Nutzungsänderung ist mit Blick auf den geltenden, am 7.8.1971 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Industriegebiet“ vom 06.11.1970 zwar nicht allgemein oder ausnahmsweise zulässig. Jedoch ist der Klägerin für die besagte Nutzungsänderung eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erteilen.
38 
1.1.1. Dieser Beurteilung hat der Senat sowohl den ihn bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2016 (ZfBR 2016, 582 ff.) als auch das gleichfalls Bindungswirkung entfaltende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 (BVerwGE 138, 166 ff.) zu Grunde zu legen.
39 
1.1.1.1. Nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 - BVerfGG - (BGBl. I S. 1473) binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Zu diesen Entscheidungen gehören auch Beschlüsse einer Kammer des Bundesverfassungsgerichts, durch die einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird, weil ein solcher Beschluss nach § 93 c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG einer Entscheidung des Senats gleichsteht. Die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG soll eine verbindliche einheitliche Auslegung des Grundgesetzes sicherstellen. Daher beansprucht sie über den entschiedenen Fall hinaus Geltung in allen künftigen Fällen. Sie umfasst den Tenor der Entscheidung, d. h. die nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zu treffende Feststellung, welche Vorschrift des Grundgesetzes durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde. Darüber hinaus erstreckt sich die Bindungswirkung auf die den Feststellungsausspruch tragenden Gründe, soweit diese Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes betreffen. Rechtssätze dieses Inhalts geben auch Maßstäbe und Grenzen für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts vor (stRspr; vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.6.1975 - 2 BvR 1018/74 - BVerfGE 40, 88 ff. u. v. 16.3.2005 - 2 BvL 7/00 - BVerfGE 112, 268 ff.; vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 21.9.2016 - 6 C 2.15 - juris).
40 
1.1.1.2. Nichts anderes gilt im Ergebnis für das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010.
41 
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.5.2016 ausgeführt, das in der Berufungsinstanz ergangene Urteil des erkennenden Senats (vom 20.7.2011) habe die vorangegangenen angegriffenen Entscheidungen prozessual überholt (RdNr. 80, Umdruck S. 29) und zählt zu diesen vorangegangenen angegriffenen Entscheidungen auch das in Rede stehende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010. Indes nimmt die damit vertretene Rechtsansicht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 habe sich erledigt, nach den oben gemachten Ausführungen nicht an der Bindungswirkung des verfassungsgerichtlichen Beschlusses teil. Denn sie ist kein tragender Grund für die Feststellung des ausgesprochenen Grundrechtsverstoßes und trägt im Übrigen - da das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zurückgewiesen hat - auch keinen sonstigen Entscheidungsausspruch. Darüber hinaus betrifft sie auch nicht die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes, sondern allein die Auslegung und Anwendung einfachen Prozessrechts.
42 
In der Sache ist eine Erledigung des Urteils vom 18.11.2010, mit dem das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats vom 9.11.2009 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den erkennenden Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen hat, nicht eingetreten. Denn von ihm gehen auch nach Erlass des Urteils des Senats vom 20.7.2011 Rechtswirkungen aus.
43 
So kann nämlich die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerade auf eine durch die erneute Entscheidung des Vordergerichts hervorgerufene Verletzung der Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gestützt werden (vgl. Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, RdNr. 116 zu § 144; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, RdNr. 12 zu § 144).
44 
Diese Bindungswirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 ist ihrerseits nicht entfallen. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.5.2016 keine Rechtsauffassung zu entscheidungserheblichen Rechtsfragen vertreten, die von derjenigen in dem zurückverweisenden Revisionsurteil grundsätzlich abweicht (vgl. zur Befreiung der Vorinstanz von der Bindungswirkung in derartigen Fällen wiederum Eichberger/Bier, a. a. O., RdNr. 126 zu § 144).
45 
Gebunden ist der Senat danach an die der Aufhebung und Zurückverweisung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung des Falles durch das Bundesverwaltungsgericht. Die Bindung umfasst die der Entscheidung unmittelbar zu Grunde liegende rechtliche Würdigung und auch die dem vorausliegenden Gründe, soweit diese notwendige Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren (vgl. auch hierzu W.-R. Schenke, a. a. O., RdNr. 12 zu § 144).
46 
1.1.2. Die vorgesehene Erweiterung der genehmigten und von der Klägerin auch entsprechend genutzten Kirche um eine Krypta im Untergeschoss der Gebäudeostseite ist nach den §§ 30, 31 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans „Industriegebiet“ vom 6.11.1970 weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. An dieser vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.5.2016 ausdrücklich verfassungsrechtlich nicht beanstandeten Beurteilung (RdNr. 65, Umdruck S. 23) ist festzuhalten.
47 
Der am 7.8.1971 in Kraft getretene Bebauungsplan setzt für das Baugrundstück und das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet nach § 9 BauNVO 1968 fest. Danach sind dort Gewerbebetriebe aller Art mit Ausnahme von Einkaufszentren und Verbrauchermärkten im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 sowie Lagerplätze und öffentliche Betriebe allgemein zulässig. Hierzu zählt eine Kirche mit Krypta indes nicht (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 16, Umdruck S. 8).
48 
Als Ausnahmen werden nach Ziff. 1 der Bebauungsvorschriften die in § 9 Abs. 3 BauNVO 1968 aufgeführten Nutzungsarten - mithin Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 1) sowie betriebsbezogene Wohnungen (Nr. 2) - zugelassen. Bei der mit der Kirche verbundenen Krypta handelt es sich um eine Anlage für kirchliche Zwecke. Die ausnahmsweise Zulässigkeit der geplanten Nutzungsänderung scheitert jedoch am ungeschriebenen, sich typisierend aus der allgemeinen Zweckbestimmung eines Industriegebiets ergebenden Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit. Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 17 ff., Umdruck S. 8 ff.).
49 
1.1.3. Der Klägerin steht aber bei der gebotenen Auslegung und Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB unter besonderer Berücksichtigung von Wirkkraft und Tragweite ihrer von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 53, Umdruck S. 18, RdNr. 48, Umdruck S. 16) ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu. Denn zu der grundrechtlich geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin zählt auch die hier in Rede stehende Bestattung kirchlicher Würdenträger nach bestimmten glaubensgeleiteten Riten und die dementsprechende Totensorge einschließlich der alter syrisch-orthodoxer Kirchenlehre entsprechenden Hauskirchenbestattung von Priestern, hier in der zur Genehmigung gestellten Krypta (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 51, Umdruck S. 17 f.). Im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind durch die Abweichung von dem geltenden Bebauungsplan die Grundzüge der Planung nicht berührt (1.1.3.1.), erfordern Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung (1.1.3.2.) und ist die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar (1.1.3.3.). Schließlich ist das danach auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Befreiungsermessen der Beklagten zu Gunsten der Klägerin „auf Null“ reduziert (1.1.3.4.).
50 
1.1.3.1. Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 37, Umdruck S. 16 f.).
51 
Bei den genannten Prüfungsschritten ist auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen. Was Inhalt und Bestandteil der Planungsgrundsätze ist, ist durch eine auf den Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bezogene Auslegung des Bebauungsplans anhand der damaligen Sach- und Rechtslage und der damaligen Vorstellungen des Gemeinderats zu ermitteln (§ 10 und § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2007 - 3 S 881/06 - VBlBW 2007, 385 ff., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.5.2004 a. a. O.). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob die (ursprüngliche) planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt wird, auch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung im Plangebiet bis zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung in den Blick zu nehmen. Es kommt darauf an, ob der mit der ursprünglichen Planung verfolgte Interessenausgleich durch die tatsächliche Entwicklung seit Inkrafttreten des Bebauungsplans bereits so nachhaltig gestört ist, dass die Planungsgrundzüge nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 39, Umdruck S. 18; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.9.2016 - 3 S 864/16 - juris).
52 
1.1.3.1.1. Ursprüngliche planerische Grundkonzeption der Beigeladenen Ziff. 1 war es, mit dem Bebauungsplan „Industriegebiet“ für die Gewanne „Kurzer See“ und „Beim Fürfelder Zollstock“ von 1970 ein klassisches, den Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers entsprechendes Industriegebiet zu schaffen. Dies ergibt sich aus der Planbegründung, wonach das Plangebiet als erster Abschnitt eines größeren Industriegebiets vorgesehen war und darauf hingewiesen wurde, dass der überwiegend flache südliche Gebietsteil sich topografisch „gut für schwere Industrie“ eigne. Auch der damalige Bürgermeister der Beigeladenen Ziff. 1 hat das genannte Ziel in der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2011 (im Verfahren 3 S 465/11) bestätigt. Eröffnet werden sollte - dem gesetzlichen Leitbild entsprechend - die gesamte, uneingeschränkte Nutzungsbreite aller nach § 9 Abs. 2 BauNVO 1968 zulässigen gewerblichen Nutzungen dieses - störintensivsten - Gebietstyps.
53 
Dem Umstand, dass die Beigeladene Ziff. 1 die in § 9 Abs. 3 BauNVO 1968 aufgeführten - und danach ohnehin ausnahmsweise zulässigen - Nutzungsarten ausdrücklich als Ausnahmenutzungen zugelassen hat, kommt keine erhebliche Bedeutung zu.
54 
Hauptzweck eines klassischen, den Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers entsprechenden Industriegebiets ist die Unterbringung erheblich störender Betriebe (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 20, Umdruck S. 9). Zu einem solchen Industriegebiet gehört aber auch die potenzielle Existenz der in § 9 Abs. 3 BauNVO genannten Anlagen, soweit diese gegenüber den allgemein zulässigen industriellen Anlagen räumlich wie funktionell untergeordnet sowie darüber hinaus - wie unter 1.1.2. ausgeführt - typischerweise gebietsverträglich, also nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Gebiets nicht in Konflikt geraten können.
55 
Angesichts dessen spricht nichts dafür, dass mit der Festsetzung „Ausnahmen nach § 9 (3) BNutzVO werden zugelassen“ in Ziff. 1 der Bebauungsvorschriften eine Abweichung von dem oben beschriebenen Planungsziel beabsichtigt war, insbesondere dass ein „konfliktträchtiges“ Industriegebiet geplant und dabei den ausnahmsweise zulässigen (kirchlichen, kulturellen, gesundheitlichen oder sportlichen) Anlagen eine über die gesetzlichen Vorgaben (Regel-Ausnahme-verhältnis) hinausgehende Bedeutung für das Plankonzept beigemessen werden sollte. Im Gegenteil hat die Beigeladene Ziff. 1 mit Schriftsatz vom 23.3.2011 (im Verfahren 3 S 465/11) schlüssig dargelegt, dass mit der genannten Festsetzung neben der Ausnahmemöglichkeit besonders die Erfordernisse für die Zulassung einer solchen Ausnahme - also auch der Gesichtspunkt der Gebietsverträglichkeit - hervorgehoben werden sollten.
56 
1.1.3.1.2. Dieses planerische Grundkonzept, im festgesetzten Gebiet die Unterbringung erheblich störender Betriebe zu ermöglichen und deshalb daneben nur typischerweise störunempfindliche Ausnahmenutzungen im Sinne des § 9 Abs. 3 BauNVO zuzulassen, wird unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die in Frage stehende Befreiung im Ergebnis nicht berührt.
57 
Auszugehen ist dabei von der nach Inkrafttreten des Bebauungsplans eingetretenen tatsächlichen Entwicklung, hier der erfolgten Genehmigung, Errichtung und Nutzung der - wie oben unter 1.1.2. ausgeführt typischerweise gebietsunverträglichen - Kirche der Klägerin und deren Auswirkungen auf den mit der Planung verfolgten Interessenausgleich. Auf dieser Grundlage ist dann die Frage zu beantworten, ob die Grundzüge der Planung durch das Hinzutreten der Krypta noch in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 39, Umdruck S. 18).
58 
Maßgeblich sind mithin allein die über die derzeitige Nutzung der Kirche hinausgehenden Auswirkungen der Einrichtung der auf zehn Begräbnisplätze für Gemeindepfarrer beschränkten Krypta. Allerdings sind diese Auswirkungen auf den mit der ursprünglichen planerischen Grundkonzeption verfolgten Interessenausgleich nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2016 nur insoweit zu berücksichtigen, als es sich um konkrete weitere und zudem nennenswerte Wirkungen auf das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Nachbarbetriebe handelt (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 69, Umdruck S. 24). Denn bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB und bei der Auslegung der in dieser Vorschrift als Voraussetzung für eine Befreiung normierten unbestimmten Rechtsbegriffe ist der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 68, Umdruck S. 24), und als verfassungsimmanente Schranken der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sind vorliegend allein die besagten Grundrechte der angrenzenden Betriebsinhaber berücksichtigungsfähig (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNrn. 67, 77, Umdruck S. 24, 27).
59 
1.1.3.1.2.1. Eine Berücksichtigung von Auswirkungen der Krypta auf weitergehende Planungsgrundzüge, insbesondere auf das von der Beigeladenen Ziff. 1 mehrmals geäußerte Planungsziel, im fraglichen Industriegebiet keine potenziell konfliktträchtige Begräbnisstätte zuzulassen, ist dem Senat danach verwehrt. Gleiches gilt für neben dem Eigentumsgrundrecht und der Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe als verfassungsimmanente Schranken der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin in Betracht kommende weitere Grundrechte, beispielsweise die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der angrenzenden Betriebsinhaber und der in der Nachbarschaft Beschäftigten. Denn die Beschränkung der hier beachtlichen Rechtspositionen auf den Schutz des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der benachbarten Betriebe ist als tragender Grund des Beschlusses vom 9.5.2016 gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindend. Einer Beweiserhebung zu der Frage, ob es das Religionsverständnis verschiedener monotheistischer Religionen verbietet, in einem Industriegebiet zulässige, erheblich belästigende Tätigkeiten in der Nähe einer Begräbnisstätte durchzuführen, bedarf es daher nicht. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht das von der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 1 insoweit in Anspruch genommene Gebot, die Totenruhe zu achten, nicht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zugeordnet, sondern als Pietätsempfinden ohne Verfassungsrang eingestuft und ausgeführt, das Pietätsempfinden der Grundstücksnachbarn könne der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin nicht mit Erfolg entgegengehalten werden (Beschluss vom 9.5.2016, RdNr. 61 f., Umdruck Seite 21 f.).
60 
1.1.3.1.2.2. Als Auswirkungen der geplanten Krypta auf das Eigentum und die Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe kommen insbesondere behördliche Auflagen in Betracht, mit denen die Betriebsinhaber verpflichtet werden, ihre Maschinen wegen der vorgesehenen zusätzlichen Andachten nur unter bestimmten Lärmschutzvorkehrungen oder gar nur zu bestimmten Zeiten zu betreiben (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNrn. 65 f., Umdruck S. 22 f.). Derartige Auswirkungen der Krypta auf die Nachbarbetriebe sind aber nicht konkret (vgl. zur konkreten Betroffenheit durch Nutzungseinschränkungen auch BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 39, Umdruck S. 18) feststellbar:
61 
Die mit ca. 300 Sitzplätzen und einer Empore für rund 50 weitere Personen ausgestattete Kirche wird nach dem Vorbringen der Klägerin täglich, zum Teil mehrmals und auch während der Arbeitszeit der im Schichtbetrieb tätigen umliegenden Betriebe, zu Gottesdiensten und feierlichen Anlässen wie Taufen, Hochzeiten, Verlobungen, sonstigen Segnungen und Beerdigungsfeiern von einer variierenden Personenzahl bis hin zu ihrer Kapazitätsgrenze genutzt. Das Nutzungskonzept der Krypta umfasst - wiederum den Angaben der Klägerin zufolge - das regelmäßige samstägliche Andachtsgebet nach der Abendmesse, an dem neben dem Gemeindepfarrer wenige einzelne Gemeindemitglieder teilnehmen, für die Dauer von 15 Minuten, eine traditionelle Andacht mit einer Zeitdauer von 20 Minuten am Ostermontag, an der wiederum wenige Personen teilnehmen, sowie eine Einzelnutzung nur bei besonderen Anlässen des Gedenkens an den verstorbenen Gemeindepfarrer, etwa an dessen Todestag. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen nicht und haben die Beklagte sowie die Beigeladenen auch nicht geltend gemacht.
62 
Die mit der Einrichtung der Krypta einhergehende Erweiterung des Nutzungsumfangs des Kirchengebäudes ist danach in zeitlicher Hinsicht vergleichsweise geringfügig. Auch findet ein möglicherweise störempfindliches Totengedenken nicht erst infolge der geplanten Andachten in der Krypta, sondern bereits derzeit im Rahmen der in der Kirche durchgeführten Beerdigungsfeiern statt.
63 
Auf dieser Grundlage ist bei Ausklammerung der hier nicht berücksichtigungsfähigen Belange des Ruheschutzes von Begräbnisstätten (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 27 f.) eine wesentliche zusätzliche Störempfindlichkeit wegen der vorgesehenen zusätzlichen Andachten im Ergebnis nicht erkennbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Krypta nicht um eine allgemeine Begräbnisstätte auf einem Friedhof, sondern ausschließlich um eine Begräbnisstätte für die Priester der Kirchengemeinde (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 70, Umdruck S. 2) innerhalb des Kirchengebäudes handelt. Angesichts der mithin bestehenden eigenen Abhilfemöglichkeiten durch - auch bauliche - Maßnahmen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 78, Umdruck S. 28) bzw. die bloße Schließung der Fenster für die eher kurze Dauer der Feierlichkeiten in der Krypta, zu der die Klägerin nach eigenem Bekunden auch bereit ist, sowie der industriellen Vorbelastung des Baugebiets (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 27) sind danach Auflagen, die den Betriebsinhabern allein wegen der Nutzung der Krypta aufgeben, ihre Maschinen nur unter bestimmten Lärmschutzvorkehrungen oder gar nur zu bestimmten Zeiten zu betreiben (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNrn. 65 f., Umdruck S. 22 f.), nicht konkret zu besorgen. Vielmehr sind mögliche Nutzungskonflikte weitgehend bereits mit der Errichtung und der intensiven Nutzung der Kirche - auch zu Beerdigungs- und Trauergottesdiensten - entstanden (wohl ebenso BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 35, Umdruck S. 16).
64 
Sonstige hier erhebliche Beeinträchtigungen des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe durch die Krypta sind ebenfalls nicht konkret feststellbar. Das gilt insbesondere für die vom benachbarten Produktionsbetrieb für Holzverpackungen und Holzkisten bereits im Jahre 2011 angeführten Erweiterungsabsichten. Denn ökonomisch sinnvolle und rentable Eigentumsnutzungen sowie hierfür bedeutsame unternehmerische Dispositionsbefugnisse sind durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 65, Umdruck S. 22 f.). Für eine darüber hinausgehende, hinreichend konkrete Verfestigung einer eigentumsrechtlichen Position (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 28) besteht kein Anhalt. Nach den oben gemachten Ausführungen wäre im Übrigen angesichts der Vorbelastung durch die bestehende Kirche einerseits und die industrielle Nutzung des Baugebiets andererseits auch insoweit durch die Einrichtung der Krypta keine nennenswerte zusätzliche Beeinträchtigung konkret zu erwarten.
65 
1.1.3.2. Gründe des Wohls der Allgemeinheit i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind. Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang. Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 25, Umdruck S. 11).
66 
Angesichts der erheblichen Zahl von mittlerweile etwa 600 Mitglieder und der im Nomokanon des Bar Hebraeus wurzelnden Glaubensvorstellungen der Klägerin, wonach im syrisch-orthodoxen Glauben in der kultischen Handlung der Hauskirchenbestattung von Priestern, hier in der zur Genehmigung gestellten Krypta, der Glaube seinen Ausdruck findet (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 51, Umdruck S. 17 f.), handelt es sich bei der besagten Hauskirchenbestattung um einen vorliegend zu berücksichtigenden öffentlichen Gemeinwohlbelang.
67 
Allgemeinwohlgründe erfordern eine Befreiung i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses „vernünftigerweise geboten“ ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 26, Umdruck S. 12).
68 
Vernünftigerweise geboten ist die Zulassung der Krypta danach dann, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass sie theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Auch kann eine Befreiung nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 28, Umdruck S. 12 f.).
69 
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Befreiung zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses „vernünftigerweise geboten“.
70 
1.1.3.2.1. Der Klägerin stand kein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta zur Verfügung.
71 
Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund die unstreitigen Verhandlungen über ein Grundstück im Ortsinneren der Beigeladenen Ziff. 1 beendet wurden. Denn bei diesem Grundstück bestanden unstreitig Probleme mit der Ost-West-Ausrichtung der Kirche. Selbst wenn diese - entsprechend der Einschätzung der Vertreter der Beigeladenen Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2011 (im Verfahren 3 S 465/11) - mit einem verkleinerten Kirchenbau (möglicherweise) hätten gelöst werden können, wäre das Grundstück angesichts der erforderlichen Verkleinerung der Kirche (auch mit Krypta) jedenfalls nicht besser geeignet gewesen als das dann gewählte Grundstück.
72 
1.1.3.2.2. Ferner hat sich die Klägerin nicht bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen.
73 
Der Bauantrag von April 1994 war ursprünglich sowohl auf die Kirche als auch auf ein im Untergeschoss an der heutigen Stelle und der heutigen Größe vorgesehenes „Mausoleum“ gerichtet. Nach zweimaliger Ablehnung des gemeindlichen Einvernehmens mit der Zulassung dieses Vorhabens durch die Beigeladene Ziff. 1 nahm der Architekt und Planverfasser die Klägerin mit Blaueintrag vom 30.09.1994 die Krypta ausdrücklich aus dem Baugesuch heraus und beantragte stattdessen einen Abstellraum (vgl. Einträge in der Betriebsbeschreibung sowie im Untergeschoss- und im Schnittplan A-A, Bl. 7, 9 und 15 d. A.). Trotz dieser Antragsänderung lehnte die Beklagte in Ziff. 2 des Bescheides vom 4.11.1994 „den Antrag zur gleichzeitigen Errichtung eines Mausoleums“ ab. Im Widerspruchsverfahren bat das Regierungspräsidium mit Schreiben vom 27.1.1995 die Klägerin dann um Mitteilung, ob die Änderung des Antrages mit ihrer Zustimmung erfolgt sei. Zugleich wies es darauf hin, dass in diesem Falle zwar nicht die Krypta genehmigt sei, die Kirche und das Gemeindezentrum aber errichtet werden könnten; für die Krypta müsse ein Nachtragsbaugesuch eingereicht werden, über das die Baurechtsbehörde erneut entscheiden müsse. Mit Schreiben vom 4.2.1995 bestätigte die Klägerin daraufhin die mit ihrem Einvernehmen erfolgte Antragsänderung. Darüber hinaus führte sie aus: „Wir wären ihnen sehr zum Dank verbunden, wenn ihre Entscheidungen uns weiter bringen könnten, diese Krypta-Einrichtung, wenigstens durch ein nachträgliches Genehmigungsverfahren zu ermöglichen“. Mit Schreiben vom 7.3.1995 forderte das Regierungspräsidium die Beklagte danach auf, Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides zurückzunehmen und hierdurch dem Widerspruch der Klägerin abzuhelfen. Dem kam die Beklagte sodann mit Bescheid vom 14.3.1995 nach.
74 
Insbesondere der Inhalt des Schreibens vom 4.2.1995 und die darin zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf eine nachträgliche Genehmigung zeigen ohne Weiteres, dass die Klägerin weiterhin an der Errichtung der Krypta festhalten wollte, also eine Errichtung nur der Kirche lediglich als vorläufig ansah. Auf eine Errichtung der Kirche ohne Krypta hat sie sich deutlich erkennbar nicht bewusst auf Dauer eingelassen. Eine dauerhafte Beschränkung des Baugenehmigungsantrages auf die Errichtung allein der Kirche ergab sich auch aus dem Schreiben des Regierungspräsidiums vom 27.1.1995 nicht. Vielmehr wurde in diesem gerade die Möglichkeit eines Nachtragsbaugenehmigungsverfahrens aufgezeigt.
75 
Auch aus dem nachträglichen Verhalten der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Allein aus dem Umstand, dass sie sich in der Folgezeit zunächst rund zehn Jahre nicht weiter um eine Krypta bemüht hat, lässt sich nicht auf eine bewusste Aufgabe der Absicht zur Errichtung einer Krypta schließen. Dies gilt umso mehr, als keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einrichtung einer Krypta seinerzeit bereits so dringlich war, wie nach dem Ableben des Gemeindepriesters (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 75, Umdruck S. 27).
76 
1.1.3.2.3. Aber auch im Übrigen ist es unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten vernünftigerweise geboten, das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen.
77 
Insbesondere lässt sich dem nicht mit dem Einwand begegnen, die Hauskirchenbestattung sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNrn. 27 f, Umdruck S. 12 f.). Dabei ist es weder zulässig, der Klägerin den zwingenden Charakter der von ihr aus dem Nomokanon des Bar Hebraeus abgeleiteten Glaubensregel der Hauskirchenbestattung für Priester unter Hinweis auf die Praxis anderer syrisch-orthodoxer Gemeinden in Deutschland sowie auf ihr eigenes Verhalten im Zusammenhang mit der Errichtung des Kirchengebäudes abzusprechen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 74, Umdruck S. 26), noch lässt sich dem zwingenden Charakter der Hauskirchenbestattung mit Erfolg entgegenhalten, die Klägerin habe sich in der Zeit nach der Genehmigung der Kirche nicht weiter um eine Krypta bemüht und sei inzwischen schon seit vielen Jahren ohne eine eigene Krypta ausgekommen. Denn wie oben ausgeführt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einrichtung einer Krypta für die Klägerin seinerzeit bereits so dringlich war, wie nach dem Ableben des Gemeindepriesters; auch kann ihr ihre Rechtstreue dahin, sich an die seinerzeitige Versagung der Errichtung einer Kirche mit Krypta gehalten zu haben, nicht zum Nachteil gereichen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 75, Umdruck S. 27).
78 
Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 30, Umdruck S. 13 f.).
79 
1.1.3.3. Für die Beantwortung der Frage, ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, bedarf es einer Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange i. S. von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange, auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben. Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen. Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 33, Umdruck S. 14 f.).
80 
Allerdings ist vorliegend auch im Rahmen der öffentlichen Belange und der nachbarlichen Interessen nur der als verfassungsimmanente Schranke der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit allein berücksichtigungsfähige Schutz des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe maßgeblich (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 27). In diesem Sinn erhebliche Wirkungen der zusätzlichen Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss der genehmigten und genutzten Kirche sind indes - wie unter 1.1.3.1.2.2. dargelegt - nicht konkret feststellbar.
81 
1.1.3.4. Liegen nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB vor, so hat die Klägerin auch einen Rechtsanspruch auf die begehrte Befreiung. Das der Baurechtsbehörde bei der Erteilung einer Befreiung auf der Rechtsfolgenseite ansonsten zustehende Ermessen ist vorliegend auf Null reduziert.
82 
Sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben, besteht für die Ausübung des Ermessens wenig Raum. Daraus folgt jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder dass das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen. Erforderlich für eine negative Ermessensentscheidung ist nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50; Urt. v. 4.7.1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315). Kommen dagegen bei einem Bauvorhaben, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht, bei dem aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind, für die Gemeinde Nachteile durch eine Zulassung des Vorhabens nicht in Betracht, so kann sich das der Baugenehmigungsbehörde zustehende Ermessen dahin verdichten, dass sie zur Erteilung einer Befreiung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1993 - 3 ZR 54.92 - DVBl. 1994, 278; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.3.2004 - 3 S 1745/02 -). Denn in diesen Fällen ist wegen des Umfangs der Anwendungsvoraussetzungen für die Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB der Spielraum für zusätzliche Erwägungen bei Ausübung des Ermessens tendenziell gering, so dass sich die Ermessensausübung im Einzelfall auf Null reduzieren kann (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.3.2007 - 8 S 1921/06 - VBlBW 2008, 348; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.6.2003 - 3 S 2324/02 - VBlBW 2003, 438).
83 
So verhält es sich hier. Denn angesichts der unter 1.1.3.1.2. gemachten Ausführungen kommen rechtlich erhebliche Nachteile der Beigeladenen Ziff. 1 durch eine Zulassung der Krypta nicht in Betracht; dies gilt insbesondere für das von ihr mehrmals geäußerte Planungsziel, im fraglichen Industriegebiet keine potenziell konfliktträchtige Begräbnisstätte zuzulassen. Auch sonstige gewichtige öffentliche Belange, die der Erteilung der Befreiung im Ermessenswege entgegenstehen könnten, liegen nicht vor, zumal sich die vorliegende Entscheidung aufgrund der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls nicht als Berufungsfall für andere Vorhaben eignet. Demgegenüber streitet mit der grundrechtlich geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ein gewichtiger Belang für die von der Klägerin begehrte Befreiung, so dass sich jede andere Entscheidung als die Erteilung derselben letztlich als rechtswidrig erwiese.
84 
1.2. Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf die von der Beigeladenen Ziff. 1 mit dem Bebauungsplanverfahren „Industriegebiet, 6. Änderung“ vorgesehenen Änderungen von Festsetzungen des Bebauungsplans.
85 
Die Planung der Beigeladenen Ziff. 1 zielt nach der Sitzungsniederschrift darauf ab, Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, also Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke zukünftig im durch die Änderungsplanung erfassten Bereich ihres Industriegebiets nicht mehr als Ausnahmen zuzulassen, um die Möglichkeiten der freien Berufsausübung und der gewerblichen Freiheit nicht zu gefährden.
86 
1.2.1. Anders als die Klägerin meint, dürfte zwar der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2016 dem Planungsziel der Beigeladenen Ziff. 1, die ausnahmsweise Zulassung von Anlagen für kirchliche Zwecke im Plangebiet auszuschließen, nicht entgegenstehen. Denn die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft - wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt - nicht die Genehmigung der geplanten Nutzungsänderung unter Zulassung einer im Bebauungsplan vorgesehenen Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, sondern die Genehmigung unter Erteilung einer Befreiung von den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Das beruht darauf, dass die Krypta bereits bislang nicht ausnahmsweise, sondern nur im Befreiungswege zugelassen werden konnte (vgl. hierzu oben 1.1.2. und 1.1.3.).
87 
Angesichts des Ziels der Beigeladenen Ziff. 1, ihr Industriegebiet als solches zu erhalten und den dort ansässigen bzw. ansiedlungswilligen Betrieben eine größtmögliche unternehmerische Freiheit zu ermöglichen, dürfte es sich auch nicht um eine unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit unzulässige Negativplanung handeln. Ein im Entwurf der Beschlussvorlage noch enthaltenes Ziel, die Erstellung von Begräbnisstätten, Krypten und allen vergleichbaren Einrichtungen aller Art zu untersagen, wird in der Gemeinderatsvorlage Nr. 59/216 nicht mehr aufgeführt und ist auch nicht Gegenstand des Gemeinderatsbeschlusses geworden.
88 
1.2.2. Indes kann die Zulässigkeit der von der Beigeladenen Ziff. 1 vorgesehenen Planänderung im Ergebnis offenbleiben. Denn der beabsichtigte Ausschluss der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO vermag sich auf die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug auf die streitige Krypta nicht auszuwirken.
89 
Insbesondere würde das planerische Grundkonzept der Beigeladenen Ziff. 1 durch die beabsichtigte Planänderung nicht in einer hier erheblichen Weise verändert. Vielmehr verbliebe es bei dem unter 1.1.3.1.1. beschriebenen Planungsgrundzug, im fraglichen Industriegebiet die Unterbringung erheblich störender Betriebe zu ermöglichen und deshalb daneben nur typischerweise störunempfindliche Ausnahmenutzungen im Sinne des § 9 Abs. 3 BauNVO zuzulassen. Auch nach Ausschluss der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO wäre dieser Grundzug der Planung nach den Ausführungen unter 1.1.3.1.2. durch die Zulassung der Krypta nicht in rechtserheblicher Weise berührt.
90 
Damit ergäbe sich auch keine die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 nach § 144 Abs. 6 VwGO in Frage stellende, weil entscheidungserhebliche, nachträgliche Änderung der Rechtslage (vgl. hierzu Eichberger/Bier, a. a. O., RdNr. 126 zu § 144; W.-R. Schenke, a. a. O., RdNr. 13 zu § 144). Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung dem Umstand, dass die Beigeladene Ziff. 1 nach den bislang geltenden textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sämtliche Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat, selbst keine Bedeutung zugemessen. Vielmehr hat es dem Senat die Prüfung überlassen, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde zu einer solchen ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist (RdNr. 38, Umdruck S. 17 f.).
91 
Sonstige, für die Zulassung der Krypta in der Kirche der Klägerin erhebliche Änderungen der Rechtslage gehen mit der beabsichtigten Beschränkung der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben nach § 9 Abs. 3 BauNVO nicht einher.
92 
1.3. Steht der Klägerin nach alledem sowohl unter Zugrundelegung des bisherigen Bebauungsplans als auch unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen Ziff. 1 vorgesehenen Planänderung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB ein Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für die geplante Krypta zur Seite, so ist zu ihren Gunsten eine Ausnahme von der am 24.7.2016 durch den Gemeinderat der Beigeladenen Ziff. 1 beschlossenen Veränderungssperre zuzulassen und ihr eine Befreiung von den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans „Industriegebiet“ zu erteilen. Auf die Gültigkeit der Veränderungssperre kommt es daher nicht an.
93 
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann von einer Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Die Norm bietet ein Mittel, um im Wege der Einzelfallprüfung auf der Grundlage der sich konkretisierenden Planungen zu Gunsten des Bauherrn Ausnahmen zulassen zu können. Der praktisch wichtigste öffentliche Belang ist die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung. Diese und nicht lediglich die abstrakte Planungshoheit der Gemeinde wird von der Veränderungssperre geschützt. Maßgeblich ist damit der konkrete Sicherungszweck der Veränderungssperre. Ein Vorhaben das mit diesem nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspricht oder sie wesentlich erschweren würde, darf im Wege der Ausnahme nicht zugelassen werden. Andernfalls würde die Veränderungssperre ihre Aufgabe nicht erfüllen können (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. vom 9.8.2016 - 4 C 5.15 - juris). Steht allerdings nach der Planungskonzeption von Anfang an oder aber im weiteren Aufstellungsverfahren nach förmlichem Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans fest, dass die bisherige planungsrechtliche Rechtslage für ein bestimmtes Grundstück nicht geändert werden soll, kann das Vorhaben die Bebauungsplanung nicht stören. Die Ausnahme kann erteilt werden und ist auch zu erteilen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, RdNr. 96 zu § 14).
94 
Vergleichbar verhält es sich hier. Zwar ist mit der vorgesehenen Beschränkung der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 3 BauNVO eine Änderung der bisherigen planungsrechtlichen Rechtslage auch für das Grundstück der Klägerin beabsichtigt. Indes betrifft diese Änderung das streitige Vorhaben gerade nicht. Denn die Krypta ist sowohl derzeit als auch nach den mit dem Bebauungsplanverfahren „Industriegebiet, 6. Änderung“ verfolgten Planungsabsichten der Beigeladenen Ziff. 1 weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Auch bleibt der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen für die Umnutzung des derzeitigen Abstellraums in eine Krypta - wie unter 1.2.2. dargelegt - von der beabsichtigten Bebauungsplanänderung unberührt.
95 
Angesichts dessen ist der konkrete Sicherungszweck der Veränderungssperre durch die Zulassung einer Ausnahme für die zur Genehmigung gestellte Krypta nicht betroffen. Steht nämlich die beabsichtigte Planung der Zulässigkeit eines Vorhabens nicht entgegen, so bedarf sie in Bezug auf dieses Vorhaben der Sicherung durch eine Veränderungssperre nicht. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein bestehender Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans durch die beabsichtigte Bebauungsplanänderung nicht berührt wird. Denn andernfalls sicherte die Veränderungssperre die zukünftige Planung auch gegen Vorhaben, die nach den feststehenden Planungsabsichten der Gemeinde auch zukünftig bauplanungsrechtlich zulässig wären.
96 
Mit Blick auf das Gewicht der für die Einrichtung der Krypta streitenden Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG ist das der Beklagten grundsätzlich zustehende, allerdings nach den oben gemachten Ausführungen bereits zu Gunsten der Klägerin eingeschränkte Ermessen auf Null reduziert und mithin eine Ausnahme von der Veränderungssperre zuzulassen.
97 
2. Der mithin bauplanungsrechtlich zulässigen Nutzungsänderung lassen sich auch keine sonstigen, dem materiellen Entscheidungsprogramm der Baurechtsbehörde unterfallenden Vorschriften des öffentlichen Rechts mit Erfolg entgegenhalten.
98 
2.1. Zu den im Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung zu beachtenden Vorschriften gehören auch die für - wie hier - private Bestattungsplätze geltenden (vgl. § 9 Abs. 3 BestattG) Abstandsregelungen nach den §§ 3 und 8 BestattG (vgl. Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl. 2016, RdNr. 162 zu § 58). Danach muss bei Anlegung oder Erweiterung von Friedhöfen ein ausreichender Abstand zu störenden Betrieben, Gewerbe- und Industriegebieten, Gebäuden und überbaubaren Grundstücksflächen eingehalten werden (§ 3 BestattG). Bei der Errichtung von Gebäuden, die nicht Friedhofszwecken dienen, ist von Friedhöfen ein Abstand von mindestens 10 m einzuhalten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BestattG). Allerdings kann die Baurechtsbehörde hiervon Ausnahmen zulassen, wenn Ruhe und Würde des Friedhofs nicht wesentlich beeinträchtigt werden und polizeiliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BestattG). Schließlich ist bei der Errichtung von störenden Betrieben von Friedhöfen ein zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Würde des Friedhofs ausreichender Abstand einzuhalten (§ 8 Abs. 2 BestattG).
99 
Diese der Ruhe und Würde des Friedhofs dienenden Abstandsvorschriften führen ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der beabsichtigten Krypta. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in Rede stehenden Regelungen auslegungs- und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalten, so dass sie die Herstellung praktischer Konkordanz mit Blick auf die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin nicht hindern (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 70, Umdruck S. 25). Ferner ist wiederum zu berücksichtigen, dass es sich bei der Krypta nicht um eine allgemeine Begräbnisstätte auf einem Friedhof, sondern ausschließlich um eine Begräbnisstätte für die Priester der Kirchengemeinde (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 70, Umdruck S. 2) innerhalb des Kirchengebäudes handelt und dass mithin eigene Abhilfemöglichkeiten gegen dennoch spürbare Beeinträchtigungen durch die umliegenden Betriebe mittels - auch baulicher - Maßnahmen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 78, Umdruck S. 28) bestehen. Angesichts der Entfernung der Krypta zur Grenze von etwa 7 m und zum Rolltor des benachbarten holzverarbeitenden Betriebes von rund 17 m sowie des Umstandes, dass die glaubenssatzgetreue Beisetzung unter dem Altar in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 35, Umdruck S. 16; BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 59, Umdruck S. 20) ist eine hier erhebliche Beeinträchtigung von Ruhe und Würde der Begräbnisstätte durch die umliegenden Betriebe nicht zu besorgen und diese mithin auch unter Zugrundelegung der bestattungsrechtlichen Abstandsvorschriften zuzulassen.
100 
2.2. Die Prüfung der weitergehenden bestattungsrechtlichen Regelungen, insbesondere zu Fragen der Gesundheit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BestattG) und zur Ruhezeit (§ 6 BestattG) ist demgegenüber dem gesonderten bestattungsrechtlichen Genehmigungsverfahren (§ 5 BestattG) vorbehalten (vgl. insbesondere § 9 BestattG), zählt also nicht zum materiellen Entscheidungsprogramm der Baurechtsbehörde. Damit sind die vom Landratsamt Heilbronn - Gesundheitsamt - mit Stellungnahme vom 25.8.2005 angeregten Auflagen zur Belegung der Grabstätten sowie zur Abwehr von durch die Verwesung drohender Gefahren für die Gesundheit einschließlich der Hygiene nicht im vorliegenden Rechtsstreit, sondern im anhängigen bestattungsrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen.
101 
Sonstige der Baugenehmigung entgegenstehende öffentlich-rechtliche Vorschriften liegen nicht vor.
102 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 bis 3, 162 Abs. 3, 159 VwGO i. V. mit § 100 Abs. 1 ZPO. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 scheidet aus, da diese keine Anträge gestellt und sich daher auch nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
103 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
104 
Beschluss vom 23. November 2016
105 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf gem. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt.
106 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
33 
Die zulässige Berufung der Klägerin ist mit ihrem Hauptantrag begründet. Die gleichfalls zulässigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 1 bleiben hingegen ohne Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Genehmigung einer Umnutzung des im Untergeschoss ihrer Kirche gelegenen Abstellraums in eine Krypta mit zehn Bestattungsplätzen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 6.3.2006 und vom 6.6.2011 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.5.2006 sind daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beklagte ist dementsprechend unter Änderung des erstinstanzlichen Bescheidungsurteils und Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 7.7.2005 eine Baugenehmigung für die geplante Nutzungsänderung zu erteilen.
34 
Bei der vorgesehenen Nutzungsänderung handelt es sich um ein nach § 49 i. V. mit § 2 Abs. 13 Nr. 1 LBO genehmigungspflichtiges Vorhaben; Ausnahmen von der Genehmigungspflicht i. S. der §§ 50, 51, 49 und 70 LBO liegen nicht vor. Die mithin erforderliche Baugenehmigung ist nach § 58 LBO (zwingend) zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (Satz 1). Soweit § 52 LBO - wie hier - keine Anwendung findet, sind dabei alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten und über deren Einhaltung nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet (Satz 2).
35 
Danach ist der Klägerin die im vorliegenden Verfahren unbedingt begehrte Baugenehmigung zu erteilen. Denn dieser Genehmigung stehen keine dem materiellen Entscheidungsprogramm der Baurechtsbehörde unterfallende Vorschriften des öffentlichen Rechts entgegen.
36 
1. Das Vorhaben der Klägerin ist bauplanungsrechtlich zulässig. Die beabsichtigte Nutzungsänderung verstößt zwar gegen den für den fraglichen Bereich bislang geltenden Bebauungsplan „Industriegebiet“ aus dem Jahre 1970. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans (1.1.). Nicht anders verhält es sich bei Berücksichtigung der von der Beigeladenen Ziff. 1 mit dem Bebauungsplanverfahren „Industriegebiet, 6. Änderung" vorgesehenen Änderungen (1.2.), weshalb eine Ausnahme von der am 24.7.2016 beschlossenen Veränderungssperre zuzulassen ist (1.3.).
37 
1.1. Die vorgesehene Nutzungsänderung ist mit Blick auf den geltenden, am 7.8.1971 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Industriegebiet“ vom 06.11.1970 zwar nicht allgemein oder ausnahmsweise zulässig. Jedoch ist der Klägerin für die besagte Nutzungsänderung eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erteilen.
38 
1.1.1. Dieser Beurteilung hat der Senat sowohl den ihn bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2016 (ZfBR 2016, 582 ff.) als auch das gleichfalls Bindungswirkung entfaltende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 (BVerwGE 138, 166 ff.) zu Grunde zu legen.
39 
1.1.1.1. Nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 - BVerfGG - (BGBl. I S. 1473) binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Zu diesen Entscheidungen gehören auch Beschlüsse einer Kammer des Bundesverfassungsgerichts, durch die einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird, weil ein solcher Beschluss nach § 93 c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG einer Entscheidung des Senats gleichsteht. Die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG soll eine verbindliche einheitliche Auslegung des Grundgesetzes sicherstellen. Daher beansprucht sie über den entschiedenen Fall hinaus Geltung in allen künftigen Fällen. Sie umfasst den Tenor der Entscheidung, d. h. die nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zu treffende Feststellung, welche Vorschrift des Grundgesetzes durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde. Darüber hinaus erstreckt sich die Bindungswirkung auf die den Feststellungsausspruch tragenden Gründe, soweit diese Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes betreffen. Rechtssätze dieses Inhalts geben auch Maßstäbe und Grenzen für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts vor (stRspr; vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.6.1975 - 2 BvR 1018/74 - BVerfGE 40, 88 ff. u. v. 16.3.2005 - 2 BvL 7/00 - BVerfGE 112, 268 ff.; vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 21.9.2016 - 6 C 2.15 - juris).
40 
1.1.1.2. Nichts anderes gilt im Ergebnis für das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010.
41 
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.5.2016 ausgeführt, das in der Berufungsinstanz ergangene Urteil des erkennenden Senats (vom 20.7.2011) habe die vorangegangenen angegriffenen Entscheidungen prozessual überholt (RdNr. 80, Umdruck S. 29) und zählt zu diesen vorangegangenen angegriffenen Entscheidungen auch das in Rede stehende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010. Indes nimmt die damit vertretene Rechtsansicht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 habe sich erledigt, nach den oben gemachten Ausführungen nicht an der Bindungswirkung des verfassungsgerichtlichen Beschlusses teil. Denn sie ist kein tragender Grund für die Feststellung des ausgesprochenen Grundrechtsverstoßes und trägt im Übrigen - da das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zurückgewiesen hat - auch keinen sonstigen Entscheidungsausspruch. Darüber hinaus betrifft sie auch nicht die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes, sondern allein die Auslegung und Anwendung einfachen Prozessrechts.
42 
In der Sache ist eine Erledigung des Urteils vom 18.11.2010, mit dem das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats vom 9.11.2009 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den erkennenden Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen hat, nicht eingetreten. Denn von ihm gehen auch nach Erlass des Urteils des Senats vom 20.7.2011 Rechtswirkungen aus.
43 
So kann nämlich die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerade auf eine durch die erneute Entscheidung des Vordergerichts hervorgerufene Verletzung der Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gestützt werden (vgl. Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, RdNr. 116 zu § 144; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, RdNr. 12 zu § 144).
44 
Diese Bindungswirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 ist ihrerseits nicht entfallen. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.5.2016 keine Rechtsauffassung zu entscheidungserheblichen Rechtsfragen vertreten, die von derjenigen in dem zurückverweisenden Revisionsurteil grundsätzlich abweicht (vgl. zur Befreiung der Vorinstanz von der Bindungswirkung in derartigen Fällen wiederum Eichberger/Bier, a. a. O., RdNr. 126 zu § 144).
45 
Gebunden ist der Senat danach an die der Aufhebung und Zurückverweisung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung des Falles durch das Bundesverwaltungsgericht. Die Bindung umfasst die der Entscheidung unmittelbar zu Grunde liegende rechtliche Würdigung und auch die dem vorausliegenden Gründe, soweit diese notwendige Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren (vgl. auch hierzu W.-R. Schenke, a. a. O., RdNr. 12 zu § 144).
46 
1.1.2. Die vorgesehene Erweiterung der genehmigten und von der Klägerin auch entsprechend genutzten Kirche um eine Krypta im Untergeschoss der Gebäudeostseite ist nach den §§ 30, 31 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans „Industriegebiet“ vom 6.11.1970 weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. An dieser vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.5.2016 ausdrücklich verfassungsrechtlich nicht beanstandeten Beurteilung (RdNr. 65, Umdruck S. 23) ist festzuhalten.
47 
Der am 7.8.1971 in Kraft getretene Bebauungsplan setzt für das Baugrundstück und das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet nach § 9 BauNVO 1968 fest. Danach sind dort Gewerbebetriebe aller Art mit Ausnahme von Einkaufszentren und Verbrauchermärkten im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 sowie Lagerplätze und öffentliche Betriebe allgemein zulässig. Hierzu zählt eine Kirche mit Krypta indes nicht (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 16, Umdruck S. 8).
48 
Als Ausnahmen werden nach Ziff. 1 der Bebauungsvorschriften die in § 9 Abs. 3 BauNVO 1968 aufgeführten Nutzungsarten - mithin Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 1) sowie betriebsbezogene Wohnungen (Nr. 2) - zugelassen. Bei der mit der Kirche verbundenen Krypta handelt es sich um eine Anlage für kirchliche Zwecke. Die ausnahmsweise Zulässigkeit der geplanten Nutzungsänderung scheitert jedoch am ungeschriebenen, sich typisierend aus der allgemeinen Zweckbestimmung eines Industriegebiets ergebenden Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit. Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 17 ff., Umdruck S. 8 ff.).
49 
1.1.3. Der Klägerin steht aber bei der gebotenen Auslegung und Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB unter besonderer Berücksichtigung von Wirkkraft und Tragweite ihrer von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 53, Umdruck S. 18, RdNr. 48, Umdruck S. 16) ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu. Denn zu der grundrechtlich geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin zählt auch die hier in Rede stehende Bestattung kirchlicher Würdenträger nach bestimmten glaubensgeleiteten Riten und die dementsprechende Totensorge einschließlich der alter syrisch-orthodoxer Kirchenlehre entsprechenden Hauskirchenbestattung von Priestern, hier in der zur Genehmigung gestellten Krypta (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 51, Umdruck S. 17 f.). Im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind durch die Abweichung von dem geltenden Bebauungsplan die Grundzüge der Planung nicht berührt (1.1.3.1.), erfordern Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung (1.1.3.2.) und ist die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar (1.1.3.3.). Schließlich ist das danach auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Befreiungsermessen der Beklagten zu Gunsten der Klägerin „auf Null“ reduziert (1.1.3.4.).
50 
1.1.3.1. Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 37, Umdruck S. 16 f.).
51 
Bei den genannten Prüfungsschritten ist auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen. Was Inhalt und Bestandteil der Planungsgrundsätze ist, ist durch eine auf den Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bezogene Auslegung des Bebauungsplans anhand der damaligen Sach- und Rechtslage und der damaligen Vorstellungen des Gemeinderats zu ermitteln (§ 10 und § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2007 - 3 S 881/06 - VBlBW 2007, 385 ff., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.5.2004 a. a. O.). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob die (ursprüngliche) planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt wird, auch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung im Plangebiet bis zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung in den Blick zu nehmen. Es kommt darauf an, ob der mit der ursprünglichen Planung verfolgte Interessenausgleich durch die tatsächliche Entwicklung seit Inkrafttreten des Bebauungsplans bereits so nachhaltig gestört ist, dass die Planungsgrundzüge nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 39, Umdruck S. 18; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.9.2016 - 3 S 864/16 - juris).
52 
1.1.3.1.1. Ursprüngliche planerische Grundkonzeption der Beigeladenen Ziff. 1 war es, mit dem Bebauungsplan „Industriegebiet“ für die Gewanne „Kurzer See“ und „Beim Fürfelder Zollstock“ von 1970 ein klassisches, den Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers entsprechendes Industriegebiet zu schaffen. Dies ergibt sich aus der Planbegründung, wonach das Plangebiet als erster Abschnitt eines größeren Industriegebiets vorgesehen war und darauf hingewiesen wurde, dass der überwiegend flache südliche Gebietsteil sich topografisch „gut für schwere Industrie“ eigne. Auch der damalige Bürgermeister der Beigeladenen Ziff. 1 hat das genannte Ziel in der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2011 (im Verfahren 3 S 465/11) bestätigt. Eröffnet werden sollte - dem gesetzlichen Leitbild entsprechend - die gesamte, uneingeschränkte Nutzungsbreite aller nach § 9 Abs. 2 BauNVO 1968 zulässigen gewerblichen Nutzungen dieses - störintensivsten - Gebietstyps.
53 
Dem Umstand, dass die Beigeladene Ziff. 1 die in § 9 Abs. 3 BauNVO 1968 aufgeführten - und danach ohnehin ausnahmsweise zulässigen - Nutzungsarten ausdrücklich als Ausnahmenutzungen zugelassen hat, kommt keine erhebliche Bedeutung zu.
54 
Hauptzweck eines klassischen, den Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers entsprechenden Industriegebiets ist die Unterbringung erheblich störender Betriebe (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 20, Umdruck S. 9). Zu einem solchen Industriegebiet gehört aber auch die potenzielle Existenz der in § 9 Abs. 3 BauNVO genannten Anlagen, soweit diese gegenüber den allgemein zulässigen industriellen Anlagen räumlich wie funktionell untergeordnet sowie darüber hinaus - wie unter 1.1.2. ausgeführt - typischerweise gebietsverträglich, also nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Gebiets nicht in Konflikt geraten können.
55 
Angesichts dessen spricht nichts dafür, dass mit der Festsetzung „Ausnahmen nach § 9 (3) BNutzVO werden zugelassen“ in Ziff. 1 der Bebauungsvorschriften eine Abweichung von dem oben beschriebenen Planungsziel beabsichtigt war, insbesondere dass ein „konfliktträchtiges“ Industriegebiet geplant und dabei den ausnahmsweise zulässigen (kirchlichen, kulturellen, gesundheitlichen oder sportlichen) Anlagen eine über die gesetzlichen Vorgaben (Regel-Ausnahme-verhältnis) hinausgehende Bedeutung für das Plankonzept beigemessen werden sollte. Im Gegenteil hat die Beigeladene Ziff. 1 mit Schriftsatz vom 23.3.2011 (im Verfahren 3 S 465/11) schlüssig dargelegt, dass mit der genannten Festsetzung neben der Ausnahmemöglichkeit besonders die Erfordernisse für die Zulassung einer solchen Ausnahme - also auch der Gesichtspunkt der Gebietsverträglichkeit - hervorgehoben werden sollten.
56 
1.1.3.1.2. Dieses planerische Grundkonzept, im festgesetzten Gebiet die Unterbringung erheblich störender Betriebe zu ermöglichen und deshalb daneben nur typischerweise störunempfindliche Ausnahmenutzungen im Sinne des § 9 Abs. 3 BauNVO zuzulassen, wird unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die in Frage stehende Befreiung im Ergebnis nicht berührt.
57 
Auszugehen ist dabei von der nach Inkrafttreten des Bebauungsplans eingetretenen tatsächlichen Entwicklung, hier der erfolgten Genehmigung, Errichtung und Nutzung der - wie oben unter 1.1.2. ausgeführt typischerweise gebietsunverträglichen - Kirche der Klägerin und deren Auswirkungen auf den mit der Planung verfolgten Interessenausgleich. Auf dieser Grundlage ist dann die Frage zu beantworten, ob die Grundzüge der Planung durch das Hinzutreten der Krypta noch in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 39, Umdruck S. 18).
58 
Maßgeblich sind mithin allein die über die derzeitige Nutzung der Kirche hinausgehenden Auswirkungen der Einrichtung der auf zehn Begräbnisplätze für Gemeindepfarrer beschränkten Krypta. Allerdings sind diese Auswirkungen auf den mit der ursprünglichen planerischen Grundkonzeption verfolgten Interessenausgleich nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2016 nur insoweit zu berücksichtigen, als es sich um konkrete weitere und zudem nennenswerte Wirkungen auf das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Nachbarbetriebe handelt (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 69, Umdruck S. 24). Denn bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB und bei der Auslegung der in dieser Vorschrift als Voraussetzung für eine Befreiung normierten unbestimmten Rechtsbegriffe ist der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 68, Umdruck S. 24), und als verfassungsimmanente Schranken der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sind vorliegend allein die besagten Grundrechte der angrenzenden Betriebsinhaber berücksichtigungsfähig (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNrn. 67, 77, Umdruck S. 24, 27).
59 
1.1.3.1.2.1. Eine Berücksichtigung von Auswirkungen der Krypta auf weitergehende Planungsgrundzüge, insbesondere auf das von der Beigeladenen Ziff. 1 mehrmals geäußerte Planungsziel, im fraglichen Industriegebiet keine potenziell konfliktträchtige Begräbnisstätte zuzulassen, ist dem Senat danach verwehrt. Gleiches gilt für neben dem Eigentumsgrundrecht und der Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe als verfassungsimmanente Schranken der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin in Betracht kommende weitere Grundrechte, beispielsweise die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der angrenzenden Betriebsinhaber und der in der Nachbarschaft Beschäftigten. Denn die Beschränkung der hier beachtlichen Rechtspositionen auf den Schutz des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der benachbarten Betriebe ist als tragender Grund des Beschlusses vom 9.5.2016 gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindend. Einer Beweiserhebung zu der Frage, ob es das Religionsverständnis verschiedener monotheistischer Religionen verbietet, in einem Industriegebiet zulässige, erheblich belästigende Tätigkeiten in der Nähe einer Begräbnisstätte durchzuführen, bedarf es daher nicht. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht das von der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 1 insoweit in Anspruch genommene Gebot, die Totenruhe zu achten, nicht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zugeordnet, sondern als Pietätsempfinden ohne Verfassungsrang eingestuft und ausgeführt, das Pietätsempfinden der Grundstücksnachbarn könne der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin nicht mit Erfolg entgegengehalten werden (Beschluss vom 9.5.2016, RdNr. 61 f., Umdruck Seite 21 f.).
60 
1.1.3.1.2.2. Als Auswirkungen der geplanten Krypta auf das Eigentum und die Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe kommen insbesondere behördliche Auflagen in Betracht, mit denen die Betriebsinhaber verpflichtet werden, ihre Maschinen wegen der vorgesehenen zusätzlichen Andachten nur unter bestimmten Lärmschutzvorkehrungen oder gar nur zu bestimmten Zeiten zu betreiben (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNrn. 65 f., Umdruck S. 22 f.). Derartige Auswirkungen der Krypta auf die Nachbarbetriebe sind aber nicht konkret (vgl. zur konkreten Betroffenheit durch Nutzungseinschränkungen auch BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 39, Umdruck S. 18) feststellbar:
61 
Die mit ca. 300 Sitzplätzen und einer Empore für rund 50 weitere Personen ausgestattete Kirche wird nach dem Vorbringen der Klägerin täglich, zum Teil mehrmals und auch während der Arbeitszeit der im Schichtbetrieb tätigen umliegenden Betriebe, zu Gottesdiensten und feierlichen Anlässen wie Taufen, Hochzeiten, Verlobungen, sonstigen Segnungen und Beerdigungsfeiern von einer variierenden Personenzahl bis hin zu ihrer Kapazitätsgrenze genutzt. Das Nutzungskonzept der Krypta umfasst - wiederum den Angaben der Klägerin zufolge - das regelmäßige samstägliche Andachtsgebet nach der Abendmesse, an dem neben dem Gemeindepfarrer wenige einzelne Gemeindemitglieder teilnehmen, für die Dauer von 15 Minuten, eine traditionelle Andacht mit einer Zeitdauer von 20 Minuten am Ostermontag, an der wiederum wenige Personen teilnehmen, sowie eine Einzelnutzung nur bei besonderen Anlässen des Gedenkens an den verstorbenen Gemeindepfarrer, etwa an dessen Todestag. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen nicht und haben die Beklagte sowie die Beigeladenen auch nicht geltend gemacht.
62 
Die mit der Einrichtung der Krypta einhergehende Erweiterung des Nutzungsumfangs des Kirchengebäudes ist danach in zeitlicher Hinsicht vergleichsweise geringfügig. Auch findet ein möglicherweise störempfindliches Totengedenken nicht erst infolge der geplanten Andachten in der Krypta, sondern bereits derzeit im Rahmen der in der Kirche durchgeführten Beerdigungsfeiern statt.
63 
Auf dieser Grundlage ist bei Ausklammerung der hier nicht berücksichtigungsfähigen Belange des Ruheschutzes von Begräbnisstätten (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 27 f.) eine wesentliche zusätzliche Störempfindlichkeit wegen der vorgesehenen zusätzlichen Andachten im Ergebnis nicht erkennbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Krypta nicht um eine allgemeine Begräbnisstätte auf einem Friedhof, sondern ausschließlich um eine Begräbnisstätte für die Priester der Kirchengemeinde (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 70, Umdruck S. 2) innerhalb des Kirchengebäudes handelt. Angesichts der mithin bestehenden eigenen Abhilfemöglichkeiten durch - auch bauliche - Maßnahmen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 78, Umdruck S. 28) bzw. die bloße Schließung der Fenster für die eher kurze Dauer der Feierlichkeiten in der Krypta, zu der die Klägerin nach eigenem Bekunden auch bereit ist, sowie der industriellen Vorbelastung des Baugebiets (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 27) sind danach Auflagen, die den Betriebsinhabern allein wegen der Nutzung der Krypta aufgeben, ihre Maschinen nur unter bestimmten Lärmschutzvorkehrungen oder gar nur zu bestimmten Zeiten zu betreiben (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNrn. 65 f., Umdruck S. 22 f.), nicht konkret zu besorgen. Vielmehr sind mögliche Nutzungskonflikte weitgehend bereits mit der Errichtung und der intensiven Nutzung der Kirche - auch zu Beerdigungs- und Trauergottesdiensten - entstanden (wohl ebenso BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 35, Umdruck S. 16).
64 
Sonstige hier erhebliche Beeinträchtigungen des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe durch die Krypta sind ebenfalls nicht konkret feststellbar. Das gilt insbesondere für die vom benachbarten Produktionsbetrieb für Holzverpackungen und Holzkisten bereits im Jahre 2011 angeführten Erweiterungsabsichten. Denn ökonomisch sinnvolle und rentable Eigentumsnutzungen sowie hierfür bedeutsame unternehmerische Dispositionsbefugnisse sind durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 65, Umdruck S. 22 f.). Für eine darüber hinausgehende, hinreichend konkrete Verfestigung einer eigentumsrechtlichen Position (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 28) besteht kein Anhalt. Nach den oben gemachten Ausführungen wäre im Übrigen angesichts der Vorbelastung durch die bestehende Kirche einerseits und die industrielle Nutzung des Baugebiets andererseits auch insoweit durch die Einrichtung der Krypta keine nennenswerte zusätzliche Beeinträchtigung konkret zu erwarten.
65 
1.1.3.2. Gründe des Wohls der Allgemeinheit i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind. Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang. Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 25, Umdruck S. 11).
66 
Angesichts der erheblichen Zahl von mittlerweile etwa 600 Mitglieder und der im Nomokanon des Bar Hebraeus wurzelnden Glaubensvorstellungen der Klägerin, wonach im syrisch-orthodoxen Glauben in der kultischen Handlung der Hauskirchenbestattung von Priestern, hier in der zur Genehmigung gestellten Krypta, der Glaube seinen Ausdruck findet (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 51, Umdruck S. 17 f.), handelt es sich bei der besagten Hauskirchenbestattung um einen vorliegend zu berücksichtigenden öffentlichen Gemeinwohlbelang.
67 
Allgemeinwohlgründe erfordern eine Befreiung i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses „vernünftigerweise geboten“ ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 26, Umdruck S. 12).
68 
Vernünftigerweise geboten ist die Zulassung der Krypta danach dann, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass sie theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Auch kann eine Befreiung nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 28, Umdruck S. 12 f.).
69 
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Befreiung zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses „vernünftigerweise geboten“.
70 
1.1.3.2.1. Der Klägerin stand kein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta zur Verfügung.
71 
Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund die unstreitigen Verhandlungen über ein Grundstück im Ortsinneren der Beigeladenen Ziff. 1 beendet wurden. Denn bei diesem Grundstück bestanden unstreitig Probleme mit der Ost-West-Ausrichtung der Kirche. Selbst wenn diese - entsprechend der Einschätzung der Vertreter der Beigeladenen Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2011 (im Verfahren 3 S 465/11) - mit einem verkleinerten Kirchenbau (möglicherweise) hätten gelöst werden können, wäre das Grundstück angesichts der erforderlichen Verkleinerung der Kirche (auch mit Krypta) jedenfalls nicht besser geeignet gewesen als das dann gewählte Grundstück.
72 
1.1.3.2.2. Ferner hat sich die Klägerin nicht bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen.
73 
Der Bauantrag von April 1994 war ursprünglich sowohl auf die Kirche als auch auf ein im Untergeschoss an der heutigen Stelle und der heutigen Größe vorgesehenes „Mausoleum“ gerichtet. Nach zweimaliger Ablehnung des gemeindlichen Einvernehmens mit der Zulassung dieses Vorhabens durch die Beigeladene Ziff. 1 nahm der Architekt und Planverfasser die Klägerin mit Blaueintrag vom 30.09.1994 die Krypta ausdrücklich aus dem Baugesuch heraus und beantragte stattdessen einen Abstellraum (vgl. Einträge in der Betriebsbeschreibung sowie im Untergeschoss- und im Schnittplan A-A, Bl. 7, 9 und 15 d. A.). Trotz dieser Antragsänderung lehnte die Beklagte in Ziff. 2 des Bescheides vom 4.11.1994 „den Antrag zur gleichzeitigen Errichtung eines Mausoleums“ ab. Im Widerspruchsverfahren bat das Regierungspräsidium mit Schreiben vom 27.1.1995 die Klägerin dann um Mitteilung, ob die Änderung des Antrages mit ihrer Zustimmung erfolgt sei. Zugleich wies es darauf hin, dass in diesem Falle zwar nicht die Krypta genehmigt sei, die Kirche und das Gemeindezentrum aber errichtet werden könnten; für die Krypta müsse ein Nachtragsbaugesuch eingereicht werden, über das die Baurechtsbehörde erneut entscheiden müsse. Mit Schreiben vom 4.2.1995 bestätigte die Klägerin daraufhin die mit ihrem Einvernehmen erfolgte Antragsänderung. Darüber hinaus führte sie aus: „Wir wären ihnen sehr zum Dank verbunden, wenn ihre Entscheidungen uns weiter bringen könnten, diese Krypta-Einrichtung, wenigstens durch ein nachträgliches Genehmigungsverfahren zu ermöglichen“. Mit Schreiben vom 7.3.1995 forderte das Regierungspräsidium die Beklagte danach auf, Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides zurückzunehmen und hierdurch dem Widerspruch der Klägerin abzuhelfen. Dem kam die Beklagte sodann mit Bescheid vom 14.3.1995 nach.
74 
Insbesondere der Inhalt des Schreibens vom 4.2.1995 und die darin zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf eine nachträgliche Genehmigung zeigen ohne Weiteres, dass die Klägerin weiterhin an der Errichtung der Krypta festhalten wollte, also eine Errichtung nur der Kirche lediglich als vorläufig ansah. Auf eine Errichtung der Kirche ohne Krypta hat sie sich deutlich erkennbar nicht bewusst auf Dauer eingelassen. Eine dauerhafte Beschränkung des Baugenehmigungsantrages auf die Errichtung allein der Kirche ergab sich auch aus dem Schreiben des Regierungspräsidiums vom 27.1.1995 nicht. Vielmehr wurde in diesem gerade die Möglichkeit eines Nachtragsbaugenehmigungsverfahrens aufgezeigt.
75 
Auch aus dem nachträglichen Verhalten der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Allein aus dem Umstand, dass sie sich in der Folgezeit zunächst rund zehn Jahre nicht weiter um eine Krypta bemüht hat, lässt sich nicht auf eine bewusste Aufgabe der Absicht zur Errichtung einer Krypta schließen. Dies gilt umso mehr, als keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einrichtung einer Krypta seinerzeit bereits so dringlich war, wie nach dem Ableben des Gemeindepriesters (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 75, Umdruck S. 27).
76 
1.1.3.2.3. Aber auch im Übrigen ist es unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten vernünftigerweise geboten, das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen.
77 
Insbesondere lässt sich dem nicht mit dem Einwand begegnen, die Hauskirchenbestattung sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNrn. 27 f, Umdruck S. 12 f.). Dabei ist es weder zulässig, der Klägerin den zwingenden Charakter der von ihr aus dem Nomokanon des Bar Hebraeus abgeleiteten Glaubensregel der Hauskirchenbestattung für Priester unter Hinweis auf die Praxis anderer syrisch-orthodoxer Gemeinden in Deutschland sowie auf ihr eigenes Verhalten im Zusammenhang mit der Errichtung des Kirchengebäudes abzusprechen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 74, Umdruck S. 26), noch lässt sich dem zwingenden Charakter der Hauskirchenbestattung mit Erfolg entgegenhalten, die Klägerin habe sich in der Zeit nach der Genehmigung der Kirche nicht weiter um eine Krypta bemüht und sei inzwischen schon seit vielen Jahren ohne eine eigene Krypta ausgekommen. Denn wie oben ausgeführt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einrichtung einer Krypta für die Klägerin seinerzeit bereits so dringlich war, wie nach dem Ableben des Gemeindepriesters; auch kann ihr ihre Rechtstreue dahin, sich an die seinerzeitige Versagung der Errichtung einer Kirche mit Krypta gehalten zu haben, nicht zum Nachteil gereichen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016 RdNr. 75, Umdruck S. 27).
78 
Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 30, Umdruck S. 13 f.).
79 
1.1.3.3. Für die Beantwortung der Frage, ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, bedarf es einer Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange i. S. von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange, auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben. Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen. Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 33, Umdruck S. 14 f.).
80 
Allerdings ist vorliegend auch im Rahmen der öffentlichen Belange und der nachbarlichen Interessen nur der als verfassungsimmanente Schranke der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit allein berücksichtigungsfähige Schutz des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe maßgeblich (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 77, Umdruck S. 27). In diesem Sinn erhebliche Wirkungen der zusätzlichen Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss der genehmigten und genutzten Kirche sind indes - wie unter 1.1.3.1.2.2. dargelegt - nicht konkret feststellbar.
81 
1.1.3.4. Liegen nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB vor, so hat die Klägerin auch einen Rechtsanspruch auf die begehrte Befreiung. Das der Baurechtsbehörde bei der Erteilung einer Befreiung auf der Rechtsfolgenseite ansonsten zustehende Ermessen ist vorliegend auf Null reduziert.
82 
Sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben, besteht für die Ausübung des Ermessens wenig Raum. Daraus folgt jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder dass das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen. Erforderlich für eine negative Ermessensentscheidung ist nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50; Urt. v. 4.7.1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315). Kommen dagegen bei einem Bauvorhaben, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht, bei dem aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind, für die Gemeinde Nachteile durch eine Zulassung des Vorhabens nicht in Betracht, so kann sich das der Baugenehmigungsbehörde zustehende Ermessen dahin verdichten, dass sie zur Erteilung einer Befreiung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1993 - 3 ZR 54.92 - DVBl. 1994, 278; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.3.2004 - 3 S 1745/02 -). Denn in diesen Fällen ist wegen des Umfangs der Anwendungsvoraussetzungen für die Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB der Spielraum für zusätzliche Erwägungen bei Ausübung des Ermessens tendenziell gering, so dass sich die Ermessensausübung im Einzelfall auf Null reduzieren kann (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.3.2007 - 8 S 1921/06 - VBlBW 2008, 348; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.6.2003 - 3 S 2324/02 - VBlBW 2003, 438).
83 
So verhält es sich hier. Denn angesichts der unter 1.1.3.1.2. gemachten Ausführungen kommen rechtlich erhebliche Nachteile der Beigeladenen Ziff. 1 durch eine Zulassung der Krypta nicht in Betracht; dies gilt insbesondere für das von ihr mehrmals geäußerte Planungsziel, im fraglichen Industriegebiet keine potenziell konfliktträchtige Begräbnisstätte zuzulassen. Auch sonstige gewichtige öffentliche Belange, die der Erteilung der Befreiung im Ermessenswege entgegenstehen könnten, liegen nicht vor, zumal sich die vorliegende Entscheidung aufgrund der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls nicht als Berufungsfall für andere Vorhaben eignet. Demgegenüber streitet mit der grundrechtlich geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ein gewichtiger Belang für die von der Klägerin begehrte Befreiung, so dass sich jede andere Entscheidung als die Erteilung derselben letztlich als rechtswidrig erwiese.
84 
1.2. Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf die von der Beigeladenen Ziff. 1 mit dem Bebauungsplanverfahren „Industriegebiet, 6. Änderung“ vorgesehenen Änderungen von Festsetzungen des Bebauungsplans.
85 
Die Planung der Beigeladenen Ziff. 1 zielt nach der Sitzungsniederschrift darauf ab, Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, also Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke zukünftig im durch die Änderungsplanung erfassten Bereich ihres Industriegebiets nicht mehr als Ausnahmen zuzulassen, um die Möglichkeiten der freien Berufsausübung und der gewerblichen Freiheit nicht zu gefährden.
86 
1.2.1. Anders als die Klägerin meint, dürfte zwar der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2016 dem Planungsziel der Beigeladenen Ziff. 1, die ausnahmsweise Zulassung von Anlagen für kirchliche Zwecke im Plangebiet auszuschließen, nicht entgegenstehen. Denn die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft - wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt - nicht die Genehmigung der geplanten Nutzungsänderung unter Zulassung einer im Bebauungsplan vorgesehenen Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, sondern die Genehmigung unter Erteilung einer Befreiung von den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Das beruht darauf, dass die Krypta bereits bislang nicht ausnahmsweise, sondern nur im Befreiungswege zugelassen werden konnte (vgl. hierzu oben 1.1.2. und 1.1.3.).
87 
Angesichts des Ziels der Beigeladenen Ziff. 1, ihr Industriegebiet als solches zu erhalten und den dort ansässigen bzw. ansiedlungswilligen Betrieben eine größtmögliche unternehmerische Freiheit zu ermöglichen, dürfte es sich auch nicht um eine unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit unzulässige Negativplanung handeln. Ein im Entwurf der Beschlussvorlage noch enthaltenes Ziel, die Erstellung von Begräbnisstätten, Krypten und allen vergleichbaren Einrichtungen aller Art zu untersagen, wird in der Gemeinderatsvorlage Nr. 59/216 nicht mehr aufgeführt und ist auch nicht Gegenstand des Gemeinderatsbeschlusses geworden.
88 
1.2.2. Indes kann die Zulässigkeit der von der Beigeladenen Ziff. 1 vorgesehenen Planänderung im Ergebnis offenbleiben. Denn der beabsichtigte Ausschluss der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO vermag sich auf die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug auf die streitige Krypta nicht auszuwirken.
89 
Insbesondere würde das planerische Grundkonzept der Beigeladenen Ziff. 1 durch die beabsichtigte Planänderung nicht in einer hier erheblichen Weise verändert. Vielmehr verbliebe es bei dem unter 1.1.3.1.1. beschriebenen Planungsgrundzug, im fraglichen Industriegebiet die Unterbringung erheblich störender Betriebe zu ermöglichen und deshalb daneben nur typischerweise störunempfindliche Ausnahmenutzungen im Sinne des § 9 Abs. 3 BauNVO zuzulassen. Auch nach Ausschluss der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO wäre dieser Grundzug der Planung nach den Ausführungen unter 1.1.3.1.2. durch die Zulassung der Krypta nicht in rechtserheblicher Weise berührt.
90 
Damit ergäbe sich auch keine die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 nach § 144 Abs. 6 VwGO in Frage stellende, weil entscheidungserhebliche, nachträgliche Änderung der Rechtslage (vgl. hierzu Eichberger/Bier, a. a. O., RdNr. 126 zu § 144; W.-R. Schenke, a. a. O., RdNr. 13 zu § 144). Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung dem Umstand, dass die Beigeladene Ziff. 1 nach den bislang geltenden textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sämtliche Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat, selbst keine Bedeutung zugemessen. Vielmehr hat es dem Senat die Prüfung überlassen, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde zu einer solchen ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist (RdNr. 38, Umdruck S. 17 f.).
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Sonstige, für die Zulassung der Krypta in der Kirche der Klägerin erhebliche Änderungen der Rechtslage gehen mit der beabsichtigten Beschränkung der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben nach § 9 Abs. 3 BauNVO nicht einher.
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1.3. Steht der Klägerin nach alledem sowohl unter Zugrundelegung des bisherigen Bebauungsplans als auch unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen Ziff. 1 vorgesehenen Planänderung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB ein Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für die geplante Krypta zur Seite, so ist zu ihren Gunsten eine Ausnahme von der am 24.7.2016 durch den Gemeinderat der Beigeladenen Ziff. 1 beschlossenen Veränderungssperre zuzulassen und ihr eine Befreiung von den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans „Industriegebiet“ zu erteilen. Auf die Gültigkeit der Veränderungssperre kommt es daher nicht an.
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Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann von einer Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Die Norm bietet ein Mittel, um im Wege der Einzelfallprüfung auf der Grundlage der sich konkretisierenden Planungen zu Gunsten des Bauherrn Ausnahmen zulassen zu können. Der praktisch wichtigste öffentliche Belang ist die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung. Diese und nicht lediglich die abstrakte Planungshoheit der Gemeinde wird von der Veränderungssperre geschützt. Maßgeblich ist damit der konkrete Sicherungszweck der Veränderungssperre. Ein Vorhaben das mit diesem nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspricht oder sie wesentlich erschweren würde, darf im Wege der Ausnahme nicht zugelassen werden. Andernfalls würde die Veränderungssperre ihre Aufgabe nicht erfüllen können (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. vom 9.8.2016 - 4 C 5.15 - juris). Steht allerdings nach der Planungskonzeption von Anfang an oder aber im weiteren Aufstellungsverfahren nach förmlichem Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans fest, dass die bisherige planungsrechtliche Rechtslage für ein bestimmtes Grundstück nicht geändert werden soll, kann das Vorhaben die Bebauungsplanung nicht stören. Die Ausnahme kann erteilt werden und ist auch zu erteilen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, RdNr. 96 zu § 14).
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Vergleichbar verhält es sich hier. Zwar ist mit der vorgesehenen Beschränkung der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 3 BauNVO eine Änderung der bisherigen planungsrechtlichen Rechtslage auch für das Grundstück der Klägerin beabsichtigt. Indes betrifft diese Änderung das streitige Vorhaben gerade nicht. Denn die Krypta ist sowohl derzeit als auch nach den mit dem Bebauungsplanverfahren „Industriegebiet, 6. Änderung“ verfolgten Planungsabsichten der Beigeladenen Ziff. 1 weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Auch bleibt der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen für die Umnutzung des derzeitigen Abstellraums in eine Krypta - wie unter 1.2.2. dargelegt - von der beabsichtigten Bebauungsplanänderung unberührt.
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Angesichts dessen ist der konkrete Sicherungszweck der Veränderungssperre durch die Zulassung einer Ausnahme für die zur Genehmigung gestellte Krypta nicht betroffen. Steht nämlich die beabsichtigte Planung der Zulässigkeit eines Vorhabens nicht entgegen, so bedarf sie in Bezug auf dieses Vorhaben der Sicherung durch eine Veränderungssperre nicht. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein bestehender Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans durch die beabsichtigte Bebauungsplanänderung nicht berührt wird. Denn andernfalls sicherte die Veränderungssperre die zukünftige Planung auch gegen Vorhaben, die nach den feststehenden Planungsabsichten der Gemeinde auch zukünftig bauplanungsrechtlich zulässig wären.
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Mit Blick auf das Gewicht der für die Einrichtung der Krypta streitenden Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG ist das der Beklagten grundsätzlich zustehende, allerdings nach den oben gemachten Ausführungen bereits zu Gunsten der Klägerin eingeschränkte Ermessen auf Null reduziert und mithin eine Ausnahme von der Veränderungssperre zuzulassen.
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2. Der mithin bauplanungsrechtlich zulässigen Nutzungsänderung lassen sich auch keine sonstigen, dem materiellen Entscheidungsprogramm der Baurechtsbehörde unterfallenden Vorschriften des öffentlichen Rechts mit Erfolg entgegenhalten.
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2.1. Zu den im Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung zu beachtenden Vorschriften gehören auch die für - wie hier - private Bestattungsplätze geltenden (vgl. § 9 Abs. 3 BestattG) Abstandsregelungen nach den §§ 3 und 8 BestattG (vgl. Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl. 2016, RdNr. 162 zu § 58). Danach muss bei Anlegung oder Erweiterung von Friedhöfen ein ausreichender Abstand zu störenden Betrieben, Gewerbe- und Industriegebieten, Gebäuden und überbaubaren Grundstücksflächen eingehalten werden (§ 3 BestattG). Bei der Errichtung von Gebäuden, die nicht Friedhofszwecken dienen, ist von Friedhöfen ein Abstand von mindestens 10 m einzuhalten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BestattG). Allerdings kann die Baurechtsbehörde hiervon Ausnahmen zulassen, wenn Ruhe und Würde des Friedhofs nicht wesentlich beeinträchtigt werden und polizeiliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BestattG). Schließlich ist bei der Errichtung von störenden Betrieben von Friedhöfen ein zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Würde des Friedhofs ausreichender Abstand einzuhalten (§ 8 Abs. 2 BestattG).
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Diese der Ruhe und Würde des Friedhofs dienenden Abstandsvorschriften führen ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der beabsichtigten Krypta. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in Rede stehenden Regelungen auslegungs- und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalten, so dass sie die Herstellung praktischer Konkordanz mit Blick auf die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin nicht hindern (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 70, Umdruck S. 25). Ferner ist wiederum zu berücksichtigen, dass es sich bei der Krypta nicht um eine allgemeine Begräbnisstätte auf einem Friedhof, sondern ausschließlich um eine Begräbnisstätte für die Priester der Kirchengemeinde (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 70, Umdruck S. 2) innerhalb des Kirchengebäudes handelt und dass mithin eigene Abhilfemöglichkeiten gegen dennoch spürbare Beeinträchtigungen durch die umliegenden Betriebe mittels - auch baulicher - Maßnahmen (BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 78, Umdruck S. 28) bestehen. Angesichts der Entfernung der Krypta zur Grenze von etwa 7 m und zum Rolltor des benachbarten holzverarbeitenden Betriebes von rund 17 m sowie des Umstandes, dass die glaubenssatzgetreue Beisetzung unter dem Altar in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, RdNr. 35, Umdruck S. 16; BVerfG, Beschl. v. 9.5.2016, RdNr. 59, Umdruck S. 20) ist eine hier erhebliche Beeinträchtigung von Ruhe und Würde der Begräbnisstätte durch die umliegenden Betriebe nicht zu besorgen und diese mithin auch unter Zugrundelegung der bestattungsrechtlichen Abstandsvorschriften zuzulassen.
100 
2.2. Die Prüfung der weitergehenden bestattungsrechtlichen Regelungen, insbesondere zu Fragen der Gesundheit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BestattG) und zur Ruhezeit (§ 6 BestattG) ist demgegenüber dem gesonderten bestattungsrechtlichen Genehmigungsverfahren (§ 5 BestattG) vorbehalten (vgl. insbesondere § 9 BestattG), zählt also nicht zum materiellen Entscheidungsprogramm der Baurechtsbehörde. Damit sind die vom Landratsamt Heilbronn - Gesundheitsamt - mit Stellungnahme vom 25.8.2005 angeregten Auflagen zur Belegung der Grabstätten sowie zur Abwehr von durch die Verwesung drohender Gefahren für die Gesundheit einschließlich der Hygiene nicht im vorliegenden Rechtsstreit, sondern im anhängigen bestattungsrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen.
101 
Sonstige der Baugenehmigung entgegenstehende öffentlich-rechtliche Vorschriften liegen nicht vor.
102 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 bis 3, 162 Abs. 3, 159 VwGO i. V. mit § 100 Abs. 1 ZPO. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 scheidet aus, da diese keine Anträge gestellt und sich daher auch nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
103 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
104 
Beschluss vom 23. November 2016
105 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf gem. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt.
106 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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