Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 12 S 870/15

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. März 2015 - 8 K 1818/14 - geändert.

Der Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 18. Februar 2014 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 werden aufgehoben, soweit für den Monat März 2014 ein Kostenbeitrag von mehr als 112,77 Euro, für den Monat April 2014 von mehr als 85,87 Euro und für den Zeitraum vom 1. Mai bis 24. Mai 2014 von mehr als 94,97 Euro festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 57%, die Beklagte 43% der Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Kostenbeitrag in voller Höhe des Kindergeldes.
Auf Antrag der gemeinsam sorgeberechtigten, getrennt lebenden Eltern, der Klägerin und Herrn S... H..., gewährte die Beklagte dem am 01.12.2000 geborenen Kind T... S... mit Bescheid vom 18.02.2014 Eingliederungshilfe in Form der Heimerziehung mit Beschulung für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis 30.11.2018. Die Heimerziehung erfolgt in dem Internat Villa A... in B..., das an Wochenenden und in den Schulferien geschlossen ist.
Mit Bewilligungsbescheid vom 18.02.2014 unterrichtete die Beklagte die Klägerin von ihrer dem Grunde nach bestehenden Kostenbeitragspflicht für die Jugendhilfemaßnahme. Auf Grundlage der erteilten Auskünfte setzte die Beklagte mit - nicht streitgegenständlichem - Kostenbeitragsbescheid vom 05.06.2014 einen monatlichen Kostenbeitrag ab 01.07.2014 in Höhe von 50,-- Euro fest, den sie gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII um 40 % (20,-- Euro) kürzte, weil sich der Sohn der Klägerin an den Wochenenden und in den Schulferien mindestens 175 Tage im Jahr bei der Klägerin aufhalte.
Mit weiterem - streitgegenständlichem - Bescheid vom 18.02.2014 hatte die Beklagte bereits ab 01.03.2014 unter Hinweis auf § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen (weiteren) Kostenbeitrag in Höhe des für den Sohn der Klägerin gewährten Kindergeldes von 184,-- Euro monatlich festgesetzt.
Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Zur Begründung bezog sie sich auf die hessische Verwaltungspraxis zu § 94 SGB VIII, wonach von dem als Kostenbeitrag zu leistenden Kindergeld eine Anrechnung gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII vorgenommen werde, wenn sich das untergebrachte Kind regelmäßig zu Hause aufhalte. Da ihr Sohn im Zeitraum von Februar 2013 bis Februar 2014 jeweils am Wochenende und in den Schulferien zu Hause gewesen sei, hätte ein angemessener Betrag für Betreuungsleistungen von dem kindergeldbezogenen Kostenbeitrag in Abzug gebracht werden müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der gewährten Eingliederungshilfe stelle die Beklagte den gesamten Lebensunterhalt (inkl. Bekleidungsgeld, Taschengeld, Fahrtkosten, Schulbücher u.ä.) des Sohnes der Klägerin sicher. Es sei daher nicht gerechtfertigt, der Klägerin den Kindergeldvorteil zu belassen. Nach den Empfehlungen des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe erfolge für den in Höhe des Kindergeldes zu leistenden Kostenbeitrag keine Anrechnung von Betreuungsleistungen über Tag und Nacht gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII.
Auf den am 24.05.2014 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 20.06.2014 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 18.02.2014 und deren Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 aufzuheben. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, sie halte es für rechtswidrig, dass die Beklagte den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes nicht kürze. Durch die Unterbringung ihres Sohnes in einer Jugendhilfeeinrichtung ergebe sich keine finanzielle Entlastung, die einen vollständigen Entzug des Kindergeldes rechtfertige. Das Kindergeld diene der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes und, soweit es dafür nicht erforderlich sei, der Förderung der Familie. Daher seien die von der Klägerin für ihren Sohn erbrachten Unterhaltsleistungen bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe das Kindergeld als Kostenbeitrag eingefordert werden dürfe, zu berücksichtigen. Diese Auffassung werde durch den eindeutigen Wortlaut des § 94 Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB VIII gestützt. Um sowohl den Kostenbeitrag aus Einkommen als auch den Beitrag in Höhe des Kindergeldes erfassen zu können, sei das Wort „Kostenbeitrag“ in § 94 Abs. 4 SGB VIII vom Gesetzgeber nicht in den Plural zu setzen gewesen. Bestärkt werde diese Sichtweise dadurch, dass der Begriff des Kostenbeitrages nach der vorherigen Fassung der §§ 91 ff. SGB VIII sowohl die einkommensabhängige als auch die kindergeldbezogene Komponente in sich vereinigt habe und beide im Rahmen des § 94 Abs. 4 SGB VIII zu berücksichtigen gewesen seien. In systematischer Hinsicht wäre erforderlich gewesen, dass der Gesetzgeber in § 94 Abs. 4 SGB VIII eine Klarstellung vorgenommen hätte, wenn er abweichend von der bisherigen Gesetzeslage die kindergeldbezogene Komponente des Kostenbeitrages nicht mehr von § 94 Abs. 4 SGB VIII hätte erfassen wollen. Den von der Beklagten herangezogenen Empfehlungen zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg komme keine rechtliche Wirkung zu.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung ausgeführt, die bis zum Eintritt der Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (KJVVG) geltende Fassung des § 94 SGB VIII habe nur einen Kostenbeitrag aus Einkommen geregelt, der als Mindesthöhe die Höhe des Kindergeldes bei Unterbringung außerhalb des Elternhauses festgeschrieben habe. Auch bei diesem Mindestkostenbeitrag habe es sich um eine Kostenbeteiligung aus Einkommen gehandelt. § 94 Abs. 4 SGB VIII habe sich auf diesen einen zu erhebenden Kostenbeitrag bezogen. Durch die erfolgte Gesetzesänderung sei der Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes aus § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gestrichen worden. Die aktuelle Regelung verlange neben einem Kostenbeitrag aus Einkommen einen zweiten Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes. Der Gesetzgeber habe die bisherige Privilegierung des kindergeldbeziehenden Elternteiles aufheben wollen. Denn § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII a.F. habe zu einer ungleichen Belastung der kostenbeitragspflichtigen Elternteile geführt, da der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil den festgesetzten Kostenbeitrag ausschließlich aus seinem Einkommen habe entrichten müssen. Der das Kindergeld beziehende Elternteil habe demgegenüber das Kindergeld zur Begleichung des Kostenbeitrages verwenden können. Da § 94 SGB VIII nach der Gesetzesänderung zwei Kostenbeiträge zugrunde lege, hätte der Wortlaut des § 94 Abs. 4 SGB VIII angepasst werden müssen, wenn er sich auf beide Kostenbeiträge hätte beziehen sollen. Dass der Gesetzgeber nach der Gesetzesänderung am bisherigen Wortlaut festgehalten habe, zeige jedoch, dass der Kostenbeitrag aus Kindergeld nicht nach § 94 Abs. 4 SGB VIII in die Anrechnung einbezogen werden solle. Mit dem Begriff des Kostenbeitrages sei daher nur derjenige aus Einkommen und nicht auch der kindergeldbezogene Kostenbeitrag gemeint.
Mit Urteil vom 17.03.2015 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Seit Inkrafttreten des KJVVG sei, unabhängig von einem Kostenbeitrag aus Einkommen, bei Leistungen des Jugendhilfeträgers über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses der das Kindergeld beziehende Elternteil zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes heranzuziehen. Der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes sei nicht deshalb zu reduzieren, weil sich der Sohn der Klägerin an mindestens 175 Tagen im Jahr bei dieser aufhalte. Nach bisheriger Rechtslage habe der kindergeldbeziehende Elternteil mindestens einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen gehabt. Der Kindergeldvorteil sei also auch bisher abgeschöpft worden, wenn der das Kindergeld beziehende Elternteil über kein zu einem Kostenbeitrag führendes Einkommen verfügt habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 12.05.2011 - 5 C 10.10 - ausgeführt, das Kindergeld, welches der Kostenbeitragspflichtige für das im Rahmen der Jugendhilfe über Tag und Nacht untergebrachte Kind beziehe, sei als Einkommen im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII zu berücksichtigen. Diese Rechtsprechung habe teilweise zu einer finanziellen Besserstellung des das Kindergeld beziehenden Kostenbeitragspflichtigen geführt. Das Kindergeld habe nämlich zu einer Erhöhung des Einkommens geführt, in der Regel jedoch keinen höheren Kostenbeitrag begründet, da die Einkommenssteigerung um das Kindergeld meist nicht die Zuordnung zu einer zu einem höheren Kostenbeitrag führenden Einkommensgruppe der Anlage zur Kostenbeitragsverordnung bewirkt habe. Dieser Ungleichbehandlung sei der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII durch das KJVVG und des § 7 Kostenbeitragsverordnung mit Verordnung vom 05.12.2013 entgegengetreten.
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Das Verwaltungsgericht hat weiter ausgeführt, mit den aufgezeigten Gesetzes- bzw. Verordnungsänderungen sei das Ziel verfolgt worden, dem kostenbeitragspflichtigen Elternteil nicht das Kindergeld für das über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses untergebrachte Kind zu belassen, da der Träger der öffentlichen Jugendhilfe auch den Lebensunterhalt des Kindes gemäß § 39 SGB VIII sicherzustellen habe. Dieses gesetzgeberische Anliegen würde zumindest teilweise zunichte gemacht, wenn der in Höhe des Kindergeldes zu zahlende Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII reduziert würde, indem auch hierauf die tatsächlichen Betreuungsleistungen außerhalb von Umgangskontakten angerechnet würden. In diesem Fall würde wiederum der kindergeldbeziehende Elternteil gegenüber dem anderen Elternteil privilegiert. Die von § 94 Abs. 4 SGB VIII gemeinten Betreuungsleistungen führten nämlich bei beiden kostenbeitragspflichtigen Elternteilen, unabhängig davon, ob sie Kindergeld für das untergebrachte Kind bezögen, im Ergebnis zu einer Verringerung ihrer aus Einkommen resultierenden Kostenbeitragspflicht, wenn sich das Kind bei ihnen zu Hause nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten aufhalte. Die Anrechnung gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den geschuldeten Kostenbeitrag aus Einkommen sei bei beiden Elternteilen bei identischem Umfang ihrer Betreuungsleistungen gleich. Dies stellten die von der Beklagten angewendeten Empfehlungen des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg - KVJS - zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg, Stand 01.01.2014, Nr. 94.4 sicher. Hieran sei die Beklagte aufgrund des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung bis zu einer generellen Änderung ihrer Verwaltungspraxis gebunden. Wenn die von § 94 Abs. 4 SGB VIII vorgesehene anteilige Anrechnung der Betreuungsleistungen auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes erfolgte, hätte der kindergeldbeziehende Elternteil einen finanziellen Vorteil gegenüber dem anderen Elternteil in Höhe der Anrechnung auf den Kostenbeitrag.
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Wortlaut und Systematik des § 94 SGB VIII stünden der am Gesetzeszweck orientierten Auslegung nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe im Zusammenhang mit den kindergeldbezogenen Änderungen der §§ 93, 94 SGB VIII durch das KJVVG nur die diesbezüglichen unmittelbaren Vorschriften geändert, die übrigen Bestimmungen, insbesondere § 94 Abs. 4 SGB VIII, aber unverändert gelassen. Daraus sei zu schlussfolgern, dass es bei der bisherigen Rechtslage bleiben solle und das für das untergebrachte Kind gezahlte Kindergeld zur Vermeidung einer Doppelfinanzierung dessen Unterhaltes durch die staatliche Gemeinschaft nicht beim Kindergeldbezieher verbleiben solle. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf Urteile des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26.06.2008 - 4 K 1466/06 - und vom 26.01.2012 - 4 K 949/11 - Bezug genommen. Durch die in § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgeführten Leistungen der Jugendhilfe werde der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sichergestellt, weshalb die hierauf gerichteten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche erlöschen würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 10.09 -). Hierzu zähle auch die Gewährung eines angemessenen Barbetrages zur persönlichen Verfügung des Kindes („Taschengeld“, § 39 Abs. 2 SGB VIII). In diesem Umfang leiste die Beklagte auch Jugendhilfe, wenn der Sohn der Klägerin bei dieser zu Hause verweile. Daneben fielen, wenn sich der junge Mensch außerhalb von Umgangskontakten bei seinen Eltern bzw. bei einem Elternteil aufhalte, auch weiterhin Kosten bezüglich der vollstationären Unterbringung an, weil dessen Platz in der Einrichtung freigehalten werden müsse. Deshalb sei es gerechtfertigt, zur rudimentären Deckung der Kosten der stationären Jugendhilfe das vom Staat zur wirtschaftlichen Existenzsicherung des Kindes den Eltern treuhänderisch gezahlte Kindergeld (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.05.2011 - 5 C 10.10 -) in vollem Umfang heranzuziehen.
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Gegen das der Klägerin am 25.03.2015 zugestellte Urteil hat diese mit am 10.04.2015 eingegangenem Schriftsatz die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese mit am 12.05.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Zur Begründung hat die Klägerin zunächst ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Darüber hinaus hat sie ausgeführt, soweit sie für ihren Sohn an etwa 180 bis 190 Tagen jährlich die Betreuung übernehme, fielen bei der Beklagten keine Kosten für Betreuungsleistungen an. Eine Doppelfinanzierung des Kindesunterhaltes durch die staatliche Gemeinschaft erfolge daher durch das Belassen des Kindergeldes bei dem bezugsberechtigten Elternteil, der über bloße Umgangskontakte hinausgehende Betreuungsleistungen erbringe, nicht. Selbst wenn durch die Betreuungsleistungen der Klägerin die Unterbringungskosten der Beklagten während dieser Zeiträume nicht vollständig entfielen, rechtfertige dies im Hinblick auf Sinn und Zweck des Kindergeldes nicht dessen vollständigen Entzug. Mit dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung im Kinder- und Jugendhilferecht sei keine für das vorliegende Streitverfahren relevante Änderung in der Heranziehungssystematik einhergegangen. Die Heranziehung des Kostenpflichtigen in Höhe des Kindergeldes werde in § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII explizit als „Kostenbeitrag“ bezeichnet. Insoweit sei die systematische Änderung, dass Kindergeld nicht mehr Bestandteil des Einkommens sei, ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber habe nur die dargestellte Ungleichbehandlung beseitigen, nicht jedoch die bislang bestehende Möglichkeit einer Beitragsreduzierung wegen Betreuungsleistungen auch hinsichtlich des kindergeldbezogenen Kostenbeitrages abschaffen wollen. Die entscheidungstragende Behauptung des Gerichts auf S. 10 des Urteils, es sei Ziel des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers gewesen, den kostenbeitragspflichtigen Eltern nicht das Kindergeld für das über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses untergebrachte Kind zu belassen, sei der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Insoweit widerspreche das Gericht seiner auf S. 9 des Urteils getroffenen Feststellung, dass es dem Gesetzgeber lediglich um eine Beseitigung der Ungleichbehandlung zwischen den Kostenbeitragspflichtigen gegangen sei. Dies erfordere nämlich nicht, das Kindergeld in voller Höhe bei dem beziehenden Elternteil abzuschöpfen. Das Verwaltungsgericht lasse außer Acht, dass bspw. bei getrennt lebenden Elternteilen nur derjenige Elternteil Kindergeld erhalte, bei dem das Kind wohne bzw. gemeldet sei. Dieser Elternteil habe auch höhere Kosten für die Kinderbetreuung - bspw. in Gestalt der Vorhaltung eines Kinderzimmers - als der nichtbetreuende Elternteil. Ein ungerechtfertigte Privilegierung durch Belassen des Kindergeldes als Ausgleich für die nur einseitig bei diesem Elternteil anfallenden erhöhten Kosten der Kindesbetreuung entstehe nicht. Im vorliegenden Fall erbringe die Klägerin wesentlich höhere, nur bei ihr Kosten auslösende Betreuungsleistungen für ihren Sohn als der leibliche Vater. Für den Fall, dass beide Elternteile das Kind gleichermaßen betreuen würden, könne das Kindergeld gleichmäßig geteilt werden, so dass ebenfalls keine ungerechtfertigte Privilegierung durch Reduzierung des kindergeldbezogenen Kostenbeitrages entstehe.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. März 2015 - 8 K 1818/14 - zu ändern und den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 18. Februar 2014 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt zur Berufungserwiderung aus, zunächst sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch die erhobenen Kostenbeiträge im Vergleich zu der früheren Rechtslage nur geringfügig finanziell schlechter gestellt werde. Hingegen würde die von ihr vertretene Vorgehensweise eine erhebliche Besserstellung gegenüber der bisherigen Rechtslage bedeuten. Nach alter Rechtslage habe sich der Kostenbeitrag unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zuzüglich des Kindergeldes und einer Minderung um 40 % auf 204,-- Euro insgesamt belaufen. Unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts und der Beklagten ergäben sich Kostenbeiträge in Höhe von 30,-- Euro aus Einkommen sowie in Höhe von 184,-- Euro (Kindergeld), insgesamt 214,-- Euro. Unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der Klägerin ergäben sich hingegen Kostenbeiträge in Höhe von 30,-- Euro sowie in Höhe von 110,40 Euro (um 40 % gemindertes Kindergeld), insgesamt 140,40 Euro.
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Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Wortlaut des § 94 Abs. 4 SGB VIII hätte in Kenntnis der Tatsache, dass § 94 SGB VIII nach der Gesetzesänderung zwei Kostenbeiträge zugrunde legt, modifiziert werden müssen, wenn er sich auf beide Kostenbeiträge hätte beziehen sollen. Im Übrigen ergebe sich dies aus Sinn und Zweck der Gesetzesänderung, welche eine gleichberechtigte Ausgangssituation von Elternteilen, die Kindergeld beziehen und solchen, die kein Kindergeld erhalten, habe herstellen wollen. Werde die von der Klägerin begehrte Anrechnung tatsächlicher Betreuungsleistungen auf den Kostenbeitrag aus Kindergeld vorgenommen, so werde eine Anrechnung auf eine Leistung durchgeführt, die nicht einkommensrelevant, sondern eine zusätzliche staatliche Leistung sei. Der kindergeldbeziehende Elternteil wäre erneut gegenüber dem nicht kindergeldbezugsberechtigten Elternteil bevorteilt. Die Klägerin lasse im Übrigen außer Acht, dass es hinsichtlich des Kindergeldes zwar mehrere Anspruchsberechtigte, aber nur einen Bezugsberechtigten geben könne, wie sich aus §§ 62 - 64 EStG ergebe. Wenn sich also die Elternteile die tatsächlichen Betreuungsleistungen teilten, wie es vorliegend ausweislich der Hilfepläne der Fall sei, so könne gegenüber der Familienkasse nicht bestimmt werden, dass beide Eltern jeweils einen Teil des Kindergeldes beziehen sollen. Wie die Eltern intern die Verteilung vornähmen, sei für die gesetzgeberische Entscheidung, den Kindergeldbezugsberechtigten mit dem Kostenbeitrag aus Kindergeld zu belasten, irrelevant. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der öffentliche Jugendhilfeträger nicht unerhebliche Teile des Lebensunterhalts auch bei einer nur fünftägigen Internatsunterbringung über § 39 SGB VIII decke; diese Leistungen unterschieden sich nicht von einer vollstationären Unterbringung. Es blieben nur wenige Kosten übrig (bspw. Verköstigung und Unterbringung während des Aufenthaltes zu Hause), die vom Jugendhilfeträger nicht gedeckt seien. Da auch während des Aufenthaltes bei den Eltern die Kosten für die stationäre Unterbringung anfielen, habe das Verwaltungsgericht auf S. 12 seines Urteils zutreffend ausgeführt, dass es zur anteiligen Deckung dieser Kosten gerechtfertigt sei, das vom Staat zur wirtschaftlichen Existenzsicherung des Kindes den Bezugsberechtigten treuhänderisch ausgezahlte Kindergeld in vollem Umfang heranzuziehen.
20 
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass - wie sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebe - nach alter Rechtslage zusätzlich zu der Anrechnung tatsächlicher Betreuungsleistungen eine Pauschale i.H.v. 25 % in Abzug gebracht worden sei. Im Übrigen sei die Beitragserleichterung ausschließlich auf die erhebliche Absenkung des einkommensbezogenen Kostenbeitrages in den unteren Beitragsgruppen zurückzuführen. Diese gesetzgeberische Entscheidung könne jedoch nicht als Argument für die hier streitgegenständliche Frage herangezogen werden, da der einkommensbezogene Kostenbeitrag in den unteren Beitragsgruppen in keinem rechtlichen Kontext zu dem kindergeldbezogenen Beitrag und der Anrechenbarkeit tatsächlicher Betreuungsleistungen stehe. In den oberen Beitragsgruppen ergebe sich eine deutliche Mehrbelastung gerade bezüglich der kindergeldbezogenen Beitragskomponente. Soweit die Beklagte auf die nicht unerheblichen Teile des Lebensunterhaltes auch bei einer fünftägigen Internatsunterbringung verweise, sei zu entgegnen, dass diese Kosten auch nach altem Recht angefallen seien, ohne dass dies einer Reduzierung des kindergeldbezogenen Kostenanteiles entgegengestanden hätte. Zum anderen sei darauf hinzuweisen, dass der kindergeldberechtigte Elternteil trotz Internatsunterbringung erhebliche monatliche Kosten für das Kind unabhängig von dessen konkretem Aufenthaltsort zu bestreiten habe.
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Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin am 15.11.2016 mitgeteilt, an welchen Tagen sich ihr Sohn im streitgegenständlichen Zeitraum ganz oder teilweise bei ihr aufgehalten hat.
22 
Dem Senat liegen die Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 3 Sätze 1 u. 3 VwGO begründete Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
24 
Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.02.2014 und deren Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit in ihnen für den streitigen Zeitraum vom 01.03.2014 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 22.05.2014, zugestellt am 24.05.2014, (vgl. UA, S. 6 mit zutreffendem Hinweis auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.10.1991 - 12 A 11505/91 - juris m.w.N.; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.08.2012 - 12 C 12.1627 - juris) ein Kostenbeitrag für den Monat März 2014 von mehr als 112,77 Euro, für den Monat April 2014 von mehr als 85,87 Euro und für den Zeitraum vom 01.05. bis 24.05.2014 von mehr als 94,97 Euro festgesetzt ist.
25 
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, sind Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin als unterhaltspflichtige Mutter ihres Sohnes zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes §§ 10 Abs. 2 Satz 1, 91 Abs. 1 Nr. 6, 92 Abs. 1 Nr. 5, 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII.
26 
§ 94 Abs. 3 Satz 1 Satz 1 SGB VIII in der seit 03.12.2013 geltenden Fassung vom 29.08.2013 (BGBl. I, 1163) lautet: Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser unabhängig von einer Heranziehung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 und nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 3 und 4 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen.
27 
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin dem Grunde nach gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kostenbeitragspflichtig ist, weil die Beklagte für den Sohn der Klägerin Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbringt und die Klägerin für ihren Sohn im streitigen Zeitraum Kindergeld in Höhe von 184,-- Euro monatlich bezogen hat.
28 
Werden Leistungen über Tag und Nacht erbracht und hält sich der junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen auf, so ist gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen.
29 
Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten darüber, dass der Sohn der Klägerin sich nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten an Wochenenden und in den Schulferien bei der Klägerin aufgehalten hat mit der Folge, dass die Beklagte den aus dem Einkommen der Klägerin erhobenen Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII um 40 Prozent gekürzt hat (Bescheid vom 05.06.2014).
30 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gilt § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht nur im Hinblick auf den aus dem Einkommen der Kostenbeitragspflichtigen erhobenen Kostenbeitrag (§ 94 Abs. 1 und 2 SGB VIII), sondern auch bezüglich des Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, was sich aus einer Anwendung der anerkannten Methoden der Normauslegung ergibt.
31 
(1) Das Gesetzesverständnis, wonach § 94 Abs. 4 SGB VIII auch hinsichtlich des Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII Gültigkeit hat, wird zunächst durch den Wortlaut des § 94 Abs. 3 u. 4 SGB VIII in der seit 03.12.2013 geltenden Fassung nahegelegt (so auch VG Freiburg, Urteil vom 12.01.2016 - 4 K 1932/15 - juris). Mit dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe vom 29.08.2013 - KJVVG - (BGBl I 2013, 3464) wurde in § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die bisher geltende Erhebung des Kindergeldes als Mindestkostenbeitrag aus Einkommen abgeschafft und stattdessen der Einsatz des Kindergeldes als von der Heranziehung aus dem Einkommen unabhängiger Kostenbeitrag eingeführt (vgl. Stähr in: Hauck/Noftz, SGB, 08/15, § 94 SGB VIII Rn. 11). Dies hat zur Konsequenz, dass in § 94 SGB VIII nunmehr zwei Kostenbeiträge geregelt sind, nämlich der Kostenbeitrag aus Einkommen (§ 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII) und der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (§ 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII).
32 
§ 94 Abs. 4 SGB VIII normiert die Anrechnung der tatsächlichen Betreuungsleistung eines Kostenbeitragspflichtigen und nimmt dabei allgemein auf „den Kostenbeitrag“ Bezug. Eine Differenzierung zwischen dem Kostenbeitrag aus Einkommen (§ 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII) einerseits und dem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (§ 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII) erfolgt nicht. Daraus, dass § 94 Abs. 4 SGB VIII „den Kostenbeitrag“ im Singular und nicht im Plural nennt, kann nicht gefolgert werden, dass nur der Kostenbeitrag aus Einkommen von der Anrechnungsregelung erfasst sein soll. Wäre ein solches Verständnis gewollt, hätte dies durch eine nähere Konkretisierung bspw. unter Bezugnahme auf den jeweils gemeinten Absatz des § 94 SGB VIII erfolgen müssen. Da eine entsprechende Präzisierung nicht erfolgt ist, muss die Verwendung des Singulars als bloße Gesetzestechnik verstanden werden, der keine entscheidende Bedeutung zukommt.
33 
(2) Die Gesetzessystematik unterstützt das anhand des Gesetzeswortlautes gefundene Auslegungsergebnis. § 94 SGB VIII regelt in § 94 Abs. 1 und 2 SGB VIII und in § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die beiden unterschiedlichen Kostenbeiträge aus Einkommen einerseits und in Höhe des Kindergeldes andererseits. Daran schließt sich mit Absatz 4 die Anrechnungsvorschrift bei der Erbringung tatsächlicher Betreuungsleistungen mit Ausnahme von Umgangskontakten an. Die Stellung der Anrechnungsvorschrift in Absatz 4 nach den Regelungen über die unterschiedlichen Kostenbeiträge in Absätzen 1 und 2 einerseits sowie in Absatz 3 andererseits kann in systematischer Hinsicht nur bedeuten, dass die Anrechnungsvorschrift auf beide Kostenbeiträge anzuwenden ist. Anderenfalls wäre sie nach den Regelungen betreffend den Kostenbeitrag aus Einkommen, also nach Absätzen 1 und 2, einzufügen gewesen.
34 
(3) Für die Anwendbarkeit des § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII spricht des Weiteren die Entstehungsgeschichte der Norm, soweit sie vorliegend relevant ist. § 94 Abs. 2 SGB VIII in der bis 30.09.2005 geltenden Fassung vom 08.12.1998 regelte die Heranziehung der Elternteile, die vor Beginn der Hilfe mit dem Kind zusammenlebten, in Höhe der durch die auswärtige Unterbringung ersparten Aufwendungen. Die seit 01.10.2005 geltenden Fassungen des § 94 SGB VIII vom 08.09.2005, 14.12.2006, 10.12.2008 und vom 11.09.2012 regelten jeweils in § 94 Abs. 1 und 2 SGB VIII die Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen zu einem Kostenbeitrag aus ihrem Einkommen. § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bestimmte in den genannten Fassungen diesbezüglich, dass bei Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses der Kostenbeitrag von dem Elternteil, der Kindergeld für den jungen Menschen bezog, „mindestens in Höhe des Kindergeldes“ zu zahlen war. Hintergrund der Einführung eines Mindestkostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.12.1998 (- 5 C 25.97 - BVerwGE 108, 222), wonach Kindergeld nicht als mit Leistungen zum Lebensunterhalt bei Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform zweckgleiche Leistung angesehen worden war. Daraus folgte, dass keine Pflicht des kindergeldberechtigten Elternteils zum Einsatz von Mitteln in Höhe des Kindergeldes gemäß § 93 Abs. 5 SGB VIII a.F. neben dem einkommensabhängigen Kostenbeitrag bestand. Da dies nicht als ein angemessenes Ergebnis angesehen wurde, schuf der Gesetzgeber die Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII a.F. - den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (vgl. hierzu BT-Drs. 15/3676, S. 42 zu § 94 zu Absatz 3; Stähr in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 94 Rn. 11). Es gab mithin nur einen Kostenbeitrag aus Einkommen, wobei dieser - bei Nicht-Vorhandensein sonstigen einzusetzenden Einkommens - von dem Kindergeld beziehenden Elternteil „mindestens in Höhe des Kindergeldes“ zu leisten war.
35 
§ 94 Abs. 4 SGB VIII regelte bereits bisher, dass die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht außerhalb von Umgangskontakten auf den Kostenbeitrag anzurechnen war. Sinn und Zweck des § 94 Abs. 4 SGB VIII ist, die Kostenpflichtigen nicht in doppelter Weise durch einen Kostenbeitrag in voller Höhe und die im Haushalt entstehenden zusätzlichen Kosten während eines Aufenthaltes des Kindes außerhalb von reinen Umgangskontakten im Sinne von § 94 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 1684 Abs. 1 BGB zu belasten (vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.08.2008 - 7 A 10443/08 - FamRZ 2009, 1442; Stähr in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 94 Rn. 17; Juris Praxiskommentar SGB VIII, Stand 01/2015, § 94 Rn. 18). Dabei war anerkannt, dass es zu einer solchen nicht gewollten doppelten Belastung unabhängig davon kommt, ob Grundlage des Kostenbeitrages das Einkommen des Kostenbeitragspflichtigen war oder das für das Kind erhaltene Kindergeld in Form des Mindestkostenbeitrages, wenn das Kind sich außerhalb von reinen Umgangskontakten bei einem kostenbeitragspflichtigen Elternteil aufhielt. Aus diesem Grund war unstreitig, dass die Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII - den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes - anzuwenden war (vgl. VG Berlin, Urteil vom 07.12.2011 - 18 K 204.09 - juris; VG München, Urteil vom 27.07.2011 - M 18 K 10.4797 - juris), obwohl der Wortlaut des früheren § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII („mindestens in Höhe des Kindergeldes“) noch eher als der jetzige Wortlaut („Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes“) eine Interpretation dahingehend zugelassen hätte, der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes stelle eine nicht der Kürzung unterliegende Mindestverpflichtung dar (VG Freiburg, Urteil vom 12.01.2016 - 4 K 1932/15 - juris). Dennoch sahen sogar die „Empfehlungen zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg (Stand: 01.07.2011)“ vor, die Abzüge gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII auch im Hinblick auf den Mindestkostenbeitrag vorzunehmen (so ausdrücklich Ziff. 94.4. der Empfehlungen vom 01.07.2011).
36 
Mit dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (KJVVG) vom 29.08.2013 änderte der Gesetzgeber § 94 SGB VIII dahingehend, dass die bisher geltende Erhebung des Kindergeldes als Mindestbeitrag aufgehoben und stattdessen der Einsatz des Kindergeldes als von der Heranziehung aus dem Einkommen unabhängiger Kostenbeitrag eingeführt wurde. In der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzesentwurfes (BT-Drs. 17/13023, S. 15 zu Nummer 8, zu Buchstabe a; BR-Drs. 93/13, S. 14 zu Nummer 8, zu Buchstabe a) ist diesbezüglich ausgeführt:
37 
„Wie bisher soll bei vollstationären Leistungen das Kindergeld bei der Kostenheranziehung eingezogen werden. Bisher wurde in Höhe des Kindergeldes ein Mindestbeitrag erhoben. Diese Regelung führte zu einer ungerechtfertigten ungleichen Belastung der kostenbeitragspflichtigen Elternteile. Der Elternteil, der kein Kindergeld bezogen hat, musste den Kostenbeitrag in voller Höhe aus seinem Einkommen bestreiten. Der Elternteil, der das Kindergeld bezogen hat, konnte das Kindergeld zur Erfüllung des Kostenbeitrags verwenden. Nur die verbliebene Differenz zwischen Kindergeld und Kostenbeitrag musste er aus seinem Einkommen bestreiten. Kindergeldbezieher waren somit gegenüber den Nichtkindergeldbeziehern privilegiert, da sie aus ihrem Einkommen insgesamt weniger bezahlen mussten. Mit der neuen Regelung soll der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes neben dem Kostenbeitrag aus Einkommen erhoben werden. Der Kostenbeitrag aus Einkommen wird entsprechend verringert. Dadurch ist der Kostenbeitrag aus Einkommen für jeden Elternteil gleich. (…)“
38 
Fast gleichlautend ist die Begründung des Verordnungsgebers zur Änderung des § 7 KostenbeitragsV (BR-Drs. 119/13, S. 9, B, zu Nummer 6), in der es einleitend heißt:
39 
„Wie nach bisheriger Rechtslage soll bei vollstationären Leistungen das Kindergeld bei der Kostenheranziehung berücksichtigt werden.“
40 
Grund für die Neuregelung war folglich der Wille des Gesetzgebers, die in der Gesetzesbegründung dargelegte Ungerechtigkeit zu beseitigen, die darin bestand, dass der Elternteil, der Kindergeld bezieht, im Rahmen der bisher einheitlichen Ermittlung des Kostenbeitrages unter Einbeziehung des Kindergeldes das Kindergeld zur Erfüllung seiner Verpflichtung, einen einkommensabhängigen Kostenbeitrag zu leisten, verwenden konnte. Sinn und Zweck der Neuregelung war - wie der Gesetzgeber betonte -, dass der Kostenbeitrag aus Einkommen für jeden Elternteil „gleich“ sein soll; gemeint ist, dass bei der Berechnung des einkommensabhängigen Kostenbeitrages nunmehr bei keinem der beiden Elternteile mehr das Kindergeld einfließen kann.
41 
Die von dem Verwaltungsgericht hieraus gezogene Schlussfolgerung, der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe dem mit § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII a.F. verfolgten Ziel, den kostenbeitragspflichtigen Eltern nicht das Kindergeld für das über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses untergebrachte Kind zu belassen, da der Träger der Jugendhilfe auch den Lebensunterhalt des Kindes sicherzustellen habe, wieder in vollem Umfang zur Geltung verhelfen wollen (UA, S. 10), lässt sich indes den Gesetzes- und Verordnungsmaterialien nicht entnehmen. Vielmehr betonen sämtliche Begründungen, das Kindergeld solle „wie bisher“ „eingezogen“ bzw. „berücksichtigt“ werden. Die Änderung hin zu einer gesonderten Erhebung eines Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes erfolgte jedoch ersichtlich, um eine ungerechtfertigte „ungleiche Belastung der kostenbeitragspflichtigen Elternteile“ hinsichtlich des einkommensabhängigen Kostenbeitrages künftig zu verhindern. Hieraus ergibt sich, dass hinsichtlich der Heranziehung bzw. Berücksichtigung des Kindergeldes als solcher keine Änderungen erfolgen sollten. Wie dargelegt, war nach der bisherigen Fassung des § 94 Abs. 3 Satz 1 u. 4 SGB VIII jedoch allgemein anerkannt, dass § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes anwendbar war. Dass diesbezüglich eine Änderung vorgenommen werden sollte, lässt sich den Gesetzes- und Verordnungsmaterialien nicht entnehmen.
42 
Hierfür spricht auch, dass § 94 SGB VIII mit Ausnahme der Änderung der Absätze 3 und 6 (letzterer ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da er die Kostenheranziehung junger Menschen betrifft) unverändert blieb. Insbesondere nahm der Gesetzgeber keine Modifizierung der Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII vor. Wird aber eine bereits bisher vorhandene Regelung innerhalb einer Vorschrift im Rahmen der teilweisen Neufassung dieser Vorschrift nicht geändert, so kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der hierin enthaltenen Regelung nicht beabsichtigt ist.
43 
(4) Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 94 Abs. 3 Satz 1 u. 4 SGB VIII unter Berücksichtigung der Funktion des Kindergeldes (vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 12.01.2016, a.a.O.). Sinn und Zweck der Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII war bereits vor der Gesetzesänderung mit Wirkung vom 03.12.2013, in Fällen, in denen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses gewährt und in diesem Rahmen auch den Lebensunterhalt des Kindes (§ 39 SGB VIII) sicherstellt, den Eltern nicht den Kindergeldvorteil zu belassen. Sinn und Zweck des § 94 Abs. 4 SGB VIII war ebenfalls bereits bisher, die Kostenpflichtigen nicht in doppelter Weise durch einen Kostenbeitrag in voller Höhe und die im Haushalt entstehenden zusätzlichen Kosten während eines Aufenthaltes des Kindes außerhalb von reinen Umgangskontakten im Sinne von § 94 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 1684 Abs. 1 BGB zu belasten.
44 
Hält sich jedoch das Kind - wie in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit - außerhalb von reinen Umgangskontakten bei dem Elternteil auf, der das Kindergeld bezieht, so ist aufgrund der Funktion des Kindergeldes die Anwendung der Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auch nach dessen Neufassung weiterhin geboten.
45 
Bei dem Kindergeld handelt es sich um eine staatliche Leistung für das Kind an die Eltern (§ 62 Abs. 1 EStG, § 1 BKGG). Es steht wirtschaftlich dem Kind zu und ist kein unterhaltsrechtliches Einkommen der Eltern (BVerfG, Beschluss vom 14.07.2011 - 1 BvR 932/10 - NJW 2011, 3215; BVerwG, Urteil vom 12.05.2011 - 5 C 10.10 - BVerwGE 139, 386; BT-Drs. 16/1830, S. 28 ff. zu Nummer 19; Reinken in: BeckOK-BGB, Stand 01.08.2016, BGB § 1612b Rn. 4). Mit dem Kindergeld wird der Mindestunterhalt des Kindes teilweise sichergestellt (BT-Drs. 16/1830, a.a.O., S. 29; MüKoBGB/Born, 6. Aufl., BGB § 1612b Rn. 29). Auch im Rahmen der Gewährung staatlicher Grundsicherungsleistungen wird das Kindergeld dem minderjährigen Kind als Einkommen zugeordnet, weshalb der individuelle Hilfebedarf entsprechend gemindert ist (§§ 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II, 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Anspruchsberechtigt bezüglich der Auszahlung des Kindergeldes sind im Regelfall beide Elternteile. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird das Kindergeld für jedes Kind nach dem Vorrangprinzip des § 64 EStG jedoch nur an einen Elternteil gezahlt (Reinken in: BeckOK-BGB, a.a.O., Rn. 5b). Bei mehreren Kindergeldberechtigten wird es demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
46 
Dient das Kindergeld mithin der Sicherstellung des Mindestunterhaltes des Kindes und wird der Unterhalt über § 39 SGB VIII zwar weitgehend, jedoch während des Aufenthaltes des Kindes bei einem Elternteil außerhalb von reinen Umgangskontakten nicht vollständig von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe gedeckt, so entspricht es dem Sinn und Zweck des Kindergeldes, den Anwendungsbereich des § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu erstrecken. Für die von der öffentlichen Jugendhilfe bei Unterbringung eines Kindes über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses nicht erfassten Posten wie der Verköstigung und Unterbringung des Kindes während des Aufenthaltes bei einem Elternteil außerhalb von Umgangskontakten gebietet es die Funktion des Kindergeldes, dem bezugsberechtigten Elternteil einen Teil des Kindergeldes zur Deckung der dargestellten Bedarfe zu belassen.
47 
Ist der Bedarf des Kindes - wie vorliegend - aufgrund eines zeitweiligen Aufenthaltes bei dem kindergeldbezugsberechtigten Elternteil außerhalb reiner Umgangskontakte nicht vollständig durch den Jugendhilfeträger sichergestellt, liegt eine andere Ausgangssituation als diejenige vor, die den vom VG Freiburg entschiedenen Fragen zugrunde lag (vgl. dazu UA, S. 11 mit Bezugnahme auf VG Freiburg, Urteile vom 26.06.2008 - 4 K 1466/06 - juris und vom 26.01.2012 - 4 K 949/11 - juris). Die diesbezüglich relevanten Fallgestaltungen waren jeweils dadurch gekennzeichnet, dass die Eltern keinerlei tatsächliche Betreuungsleistungen, die über die Wahrnehmung des Umgangsrechtes hinausgegangen wären, erbrachten. Die im Zusammenhang mit § 92 Abs. 5 SGB VIII erfolgte Argumentation, hinsichtlich der Mindestbeitragsverpflichtung in Höhe des Kindergeldes sei ein Rückgriff auf die ansonsten geltenden Bestimmungen über die Kostenbeitragspflicht bzw. -bemessung ausgeschlossen, ist mithin auf § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht übertragbar.
48 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht das gesetzgeberische Anliegen, die bisher bestehende Ungleichbehandlung zwischen dem das Kindergeld beziehenden und dem anderen Elternteil beseitigen zu wollen, dem dargelegten Verständnis, § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes anzuwenden, nicht entgegen. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht zwar davon aus, dass die von § 94 Abs. 4 SGB VIII gemeinten Betreuungsleistungen bei beiden kostenbeitragspflichtigen Elternteilen, unabhängig davon, ob sie Kindergeld für das untergebrachte Kind beziehen oder nicht, zu einer Verringerung ihrer aus ihrem Einkommen resultierenden Kostenbeitragspflicht führen, wenn sich das Kind bei ihnen nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten aufhält (UA, S. 10). Zutreffend ist des Weiteren, dass die Anrechnung gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den geschuldeten Kostenbeitrag aus Einkommen bei beiden Elternteilen bei identischem Umfang ihrer Betreuungsleistungen gleich ist. Soweit das Verwaltungsgericht jedoch hinsichtlich einer anteiligen Anrechnung von Betreuungsleistungen gemäß § 94 abs. 4 SGB VIII auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes einen finanziellen Vorteil des das Kindergeld beziehenden Elternteils gegenüber dem anderen, kein Kindergeld erhaltenden Elternteil in Höhe dieser Anrechnung auf den Kostenbeitrag sieht (UA, S. 11), kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Zwar kommt es wegen der überwiegenden Deckung des Unterhaltes des Kindes durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 39 SGB VIII und der Heranziehung der Eltern zu einkommensabhängigen Kostenbeiträgen nicht zu der in § 1612 b Abs. 1 BGB geregelten bedarfsmindernden Anrechnung des Kindergelds auf den Unterhalt in Kombination mit dem anteiligen Ausgleich des verbleibenden Restbedarfs des Kindes entsprechend der jeweiligen Leistungsfähigkeit des betreffenden Elternteiles gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Auch ist wegen der Regelung des § 64 Abs. 1 EStG eine Auszahlung des Kindergeldes stets nur an einen Bezugsberechtigten möglich, auch wenn sich die Elternteile die tatsächlichen Betreuungsleistungen teilen.
49 
Dennoch steht die seitens des Verwaltungsgerichts angenommene Privilegierung des das Kindergeld beziehenden Elternteils nicht der sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ergebenden Auslegung des § 94 Abs. 4 SGB VIII entgegen. Ausweislich der oben zitierten Gesetzesbegründung sollte nur die Ungleichbehandlung beseitigt werden, die sich daraus ergab, dass der einkommensabhängige Kostenbeitrag nach früherer Rechtslage seitens des das Kindergeld beziehenden Elternteils teilweise durch das einkommenserhöhende Kindergeld bestritten werden konnte. Die Belastung aus Einkommen ist nach Inkrafttreten der Neuregelung zum 03.12.2013 nun gemäß § 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII für jeden Elternteil einkommensabhängig gleich. Der Zweck der Gesetzesänderung, den einkommensabhängigen Kostenbeitrag - entsprechend der Höhe des eigenen Einkommens - bei jedem Elternteil nach denselben Maßstäben zu erheben, also ohne die Hinzurechnung und ohne den möglichen Einsatz von Kindergeld zur Deckung des einkommensabhängigen Kostenbeitrages, wurde erreicht, gerade im Hinblick auf Fallgestaltungen, in denen das Kindergeld zwar das Einkommen erhöhte, aufgrund der nach Einkommensgruppen gestaffelten Kostenbeiträge jedoch nicht zu einem höheren Kostenbeitrag führte. Eine solche Konstellation ist aufgrund der Neuregelung ausgeschlossen, da das Kindergeld nicht mehr zu einer Erhöhung des Einkommens führen kann, ohne sich in einem höheren Kostenbeitrag niederzuschlagen. Mit der Erhebung eines gesonderten Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes wird eine solche Fallgestaltung gerade verhindert und somit die Intention des Gesetzgebers realisiert.
50 
Aus der bereits zitierten Gesetzesbegründung lässt sich jedoch keine Positionierung zu der Frage entnehmen, ob das Kindergeld auch dann in voller Höhe als selbständiger Kostenbeitrag abzuführen ist, wenn Betreuungsleistungen des das Kindergeld beziehenden Elternteiles über den Umfang reiner Umgangskontakte erbracht werden. Ein solches Verständnis widerspräche - wie dargelegt - dem aufgrund Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnis.
51 
Die Frage, ob die Klägerin trotz der in den Hilfeplänen niedergeschriebenen Aufteilung des Aufenthaltes ihres Sohnes an Wochenenden und in den Ferien zwischen der Klägerin und dem von ihr getrennt lebenden Vater des Kindes tatsächlich höhere Kosten für den Unterhalt ihres Sohnes als der Vater hat, ist nicht entscheidungserheblich. Hierbei handelt es sich um eine familienrechtliche Folgefrage, die nicht Gegenstand des hier anhängigen Rechtsstreites ist. Die hierdurch möglicherweise erneut entstehende Ungleichbehandlung ist nicht mit derjenigen, von dem Gesetzgeber in den Blick genommenen Fallgestaltung vergleichbar und rechtfertigt eine insbesondere Wortlaut und Systematik widersprechende Auslegung des § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht. Im Übrigen besteht zivilrechtlich die Möglichkeit des nicht kindergeldbezugsberechtigten Elternteils, einen Anspruch auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten Kindergeldes als Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruches geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 20.04.2016 - XII ZB 45/15 - NJW 2016, 1956).
52 
(5) Der in den Empfehlungen zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg vom 01.01.2014 bzw. in der aktuellen Fassung mit Stand 01.07.2015 geäußerten gegenteiligen Rechtsauffassung kommt keine Bindungswirkung für das Gericht zu. Die hierin niedergelegte Auffassung vermag im Übrigen nicht zu überzeugen und weicht darüber hinaus von den Gemeinsamen Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII der Jugendämter der Länder Niedersachsen und Bremen, Schleswig-Holstein sowie der Landesjugendämter Berlin, Hamburg, Rheinland, Rheinland-Pfalz, des Saarlandes, des Freistaates Sachsen, des Freistaates Thüringen und Westfalen-Lippe (Stand: 17.11.2014) ab. In den für Baden-Württemberg erteilten Empfehlungen (Stand 01.07.2015 und - inhaltlich identisch - Stand 01.01.2014) ist unter Punkt 94.4 ausgeführt, die Regelung über die Berücksichtigung tatsächlicher Betreuungsleistungen gelte nicht für den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes. In Fußnote 66 wird diesbezüglich auf die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII verwiesen. Aus welchen Gründen hieraus allerdings nicht abgeleitet werden kann, der Anwendungsbereich des § 94 Abs. 4 SGB VIII erstrecke sich nur auf den Kostenbeitrag nach § 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII, wurde unter (3) bereits dargelegt. In den o.g. Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII der Jugendämter der Länder Niedersachsen und Bremen u.a. wird hingegen ohne weitere Begründung unter Punkt 17 ausgeführt, § 94 Abs. 4 SGB VIII gelte auch für den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (so wohl auch VG Augsburg, Urteil vom 26.10.2015 - Au 3 K 15.341 - juris).
53 
(6) Das dargestellte Auslegungsergebnis wird auch durch die von der Beklagten und in der erstinstanzlichen Entscheidung angesprochene Tatsache, es fielen auch in Zeiten, in denen der junge Mensch sich außerhalb reiner Umgangskontakte bei seinen Eltern bzw. einem Elternteil aufhalte, weiterhin Kosten der Jugendhilfe an, weil dessen Platz in der Einrichtung freigehalten werden müsse (UA, S. 11/12), nicht in Frage gestellt. Entsprechende Vorhaltekosten fielen auch in Fallgestaltungen an, in denen der frühere Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes erhoben wurde, ohne dass dies an der einhelligen Auffassung, die Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII sei auch auf den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes anzuwenden, etwas geändert hätte. Im Übrigen liegt die Besonderheit der hier zu entscheidenden Fallgestaltung darin, dass das Internat, in welchem die Heimunterbringung des Sohnes der Klägerin erfolgt, an Wochenenden und in den Ferien geschlossen ist, so dass eine Bedarfsdeckung aller anfallenden Bedarfe des Kindes in diesen Zeiträumen unstreitig nicht durch die Unterbringung in der entsprechenden Einrichtung gewährleistet werden kann.
54 
Auch die von der Beklagten vorgenommene Vergleichsberechnung zu der Beitragshöhe nach alter Rechtslage ist nicht geeignet, das anhand der anerkannten Methoden der Normauslegung gefundene Ergebnis in Zweifel zu ziehen. Zu Recht hat die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die insgesamt niedrigeren Beiträge in vorliegender Konstellation maßgeblich aufgrund eines niedrigeren einkommensabhängigen Beitrages ergeben. In diesem Zusammenhang lässt sich der Gesetzesbegründung zu dem KJVVG entnehmen, dass „neben einer gerechteren Verteilung finanzieller Belastungen (…) „der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt“ durch „eine Entlastung niedrigerer Einkommensgruppen“ gewährleistet werden soll (BT-Drs. 17/13023, S. 1 u. 2, B. 1.). Der im Vergleich zu der nach alter Rechtslage niedrigere einkommensabhängige Kostenbeitrag entspringt mithin einer im Verhältnis zu der Erhebung zweier gesonderter Kostenbeiträge unabhängigen Intention des Gesetzgebers. Dass der Gesetzgeber die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch niedrigere Kostenbeiträge aus Einkommen „im Zusammenhang“ mit der zusätzlichen Erhebung eines Kostenbeitrags in Höhe des Kindergeldes sah (BT-Drs. 17/13023, S. 4, F.), reicht nicht hin, um die aufgrund der Kriterien der Normauslegung gewonnene Überzeugung des Senats zu erschüttern.
55 
(7) Ausgehend von den seitens des Privatinternats V... A... mitgeteilten Abwesenheitstagen des Sohnes der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (01.03.2014 bis Zustellung des Widerspruchsbescheids am 24.05.2014), die dieser nach Auskunft der Klägerin sämtlich in ihrem Haushalt verbrachte, sowie unter Berücksichtigung jeweils eines weiteren Tages für An- und Abreise pro Aufenthalt ergibt sich, dass tatsächliche Betreuungsleistungen der Klägerin im Monat März 2014 für zwölf von 31 Tagen, im Monat April 2014 für 16 von 30 Tagen und im Monat Mai 2014 für acht von 24 Tagen zu berücksichtigen sind. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Sohn der Klägerin nach deren Angaben in der mündlichen Verhandlung jeweils freitags um etwa 16:30 Uhr die Wohnung der Klägerin erreicht und sonntags den Zug um 18:36 Uhr ab H... zurück nach B... nimmt. Die Zugrundelegung der Samstage und zur Abgeltung jeweils des Freitagabends und des Sonntags bis zur Abreise die Hinzurechnung insgesamt je eines weiteren Tages erscheint sachgerecht, da sich der Sohn der Klägerin - wie diese in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat - teilweise an den Wochenenden auch bei seinem Vater aufhält. Daraus ergibt sich, dass der Klägerin für den Monat März 2014 Kindergeld in Höhe von 71,23 Euro (von 184 Euro), für den Monat April 2014 in Höhe von 98,13 Euro (von 184 Euro) und für den Monat Mai 2014 in Höhe von 47,48 Euro (von 142,45 Euro entsprechend dem anteiligen Kindergeld für den Zeitraum vom 01.05. bis 24.05.2014) zu belassen gewesen wäre. Dementsprechend wäre der Kostenbeitrag aus Kindergeld für den Monat März 2014 auf 112,77 Euro, für den Monat April 2014 auf 85,87 Euro und für den Zeitraum vom 01.05. bis 24.05.2014 auf 94,97 Euro festzusetzen gewesen.
56 
(8) Die Berufung hat daher insoweit Erfolg, als ein Kostenbeitrag aus Kindergeld im streitgegenständlichen Zeitraum (01.03.2014 bis 24.05.2014) nur in Höhe von 216,84 Euro statt in Höhe von 510,45 Euro von der Klägerin hätte gefordert werden können (Erfolgsquote von 43 %). Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Klägerin die Kosten daher in Höhe von 57%, die Beklagte in Höhe von 43 % zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2 VwGO).
57 
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gründe

 
23 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 3 Sätze 1 u. 3 VwGO begründete Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
24 
Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.02.2014 und deren Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit in ihnen für den streitigen Zeitraum vom 01.03.2014 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 22.05.2014, zugestellt am 24.05.2014, (vgl. UA, S. 6 mit zutreffendem Hinweis auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.10.1991 - 12 A 11505/91 - juris m.w.N.; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.08.2012 - 12 C 12.1627 - juris) ein Kostenbeitrag für den Monat März 2014 von mehr als 112,77 Euro, für den Monat April 2014 von mehr als 85,87 Euro und für den Zeitraum vom 01.05. bis 24.05.2014 von mehr als 94,97 Euro festgesetzt ist.
25 
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, sind Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin als unterhaltspflichtige Mutter ihres Sohnes zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes §§ 10 Abs. 2 Satz 1, 91 Abs. 1 Nr. 6, 92 Abs. 1 Nr. 5, 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII.
26 
§ 94 Abs. 3 Satz 1 Satz 1 SGB VIII in der seit 03.12.2013 geltenden Fassung vom 29.08.2013 (BGBl. I, 1163) lautet: Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser unabhängig von einer Heranziehung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 und nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 3 und 4 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen.
27 
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin dem Grunde nach gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kostenbeitragspflichtig ist, weil die Beklagte für den Sohn der Klägerin Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbringt und die Klägerin für ihren Sohn im streitigen Zeitraum Kindergeld in Höhe von 184,-- Euro monatlich bezogen hat.
28 
Werden Leistungen über Tag und Nacht erbracht und hält sich der junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen auf, so ist gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen.
29 
Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten darüber, dass der Sohn der Klägerin sich nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten an Wochenenden und in den Schulferien bei der Klägerin aufgehalten hat mit der Folge, dass die Beklagte den aus dem Einkommen der Klägerin erhobenen Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII um 40 Prozent gekürzt hat (Bescheid vom 05.06.2014).
30 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gilt § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht nur im Hinblick auf den aus dem Einkommen der Kostenbeitragspflichtigen erhobenen Kostenbeitrag (§ 94 Abs. 1 und 2 SGB VIII), sondern auch bezüglich des Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, was sich aus einer Anwendung der anerkannten Methoden der Normauslegung ergibt.
31 
(1) Das Gesetzesverständnis, wonach § 94 Abs. 4 SGB VIII auch hinsichtlich des Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII Gültigkeit hat, wird zunächst durch den Wortlaut des § 94 Abs. 3 u. 4 SGB VIII in der seit 03.12.2013 geltenden Fassung nahegelegt (so auch VG Freiburg, Urteil vom 12.01.2016 - 4 K 1932/15 - juris). Mit dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe vom 29.08.2013 - KJVVG - (BGBl I 2013, 3464) wurde in § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die bisher geltende Erhebung des Kindergeldes als Mindestkostenbeitrag aus Einkommen abgeschafft und stattdessen der Einsatz des Kindergeldes als von der Heranziehung aus dem Einkommen unabhängiger Kostenbeitrag eingeführt (vgl. Stähr in: Hauck/Noftz, SGB, 08/15, § 94 SGB VIII Rn. 11). Dies hat zur Konsequenz, dass in § 94 SGB VIII nunmehr zwei Kostenbeiträge geregelt sind, nämlich der Kostenbeitrag aus Einkommen (§ 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII) und der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (§ 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII).
32 
§ 94 Abs. 4 SGB VIII normiert die Anrechnung der tatsächlichen Betreuungsleistung eines Kostenbeitragspflichtigen und nimmt dabei allgemein auf „den Kostenbeitrag“ Bezug. Eine Differenzierung zwischen dem Kostenbeitrag aus Einkommen (§ 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII) einerseits und dem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (§ 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII) erfolgt nicht. Daraus, dass § 94 Abs. 4 SGB VIII „den Kostenbeitrag“ im Singular und nicht im Plural nennt, kann nicht gefolgert werden, dass nur der Kostenbeitrag aus Einkommen von der Anrechnungsregelung erfasst sein soll. Wäre ein solches Verständnis gewollt, hätte dies durch eine nähere Konkretisierung bspw. unter Bezugnahme auf den jeweils gemeinten Absatz des § 94 SGB VIII erfolgen müssen. Da eine entsprechende Präzisierung nicht erfolgt ist, muss die Verwendung des Singulars als bloße Gesetzestechnik verstanden werden, der keine entscheidende Bedeutung zukommt.
33 
(2) Die Gesetzessystematik unterstützt das anhand des Gesetzeswortlautes gefundene Auslegungsergebnis. § 94 SGB VIII regelt in § 94 Abs. 1 und 2 SGB VIII und in § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die beiden unterschiedlichen Kostenbeiträge aus Einkommen einerseits und in Höhe des Kindergeldes andererseits. Daran schließt sich mit Absatz 4 die Anrechnungsvorschrift bei der Erbringung tatsächlicher Betreuungsleistungen mit Ausnahme von Umgangskontakten an. Die Stellung der Anrechnungsvorschrift in Absatz 4 nach den Regelungen über die unterschiedlichen Kostenbeiträge in Absätzen 1 und 2 einerseits sowie in Absatz 3 andererseits kann in systematischer Hinsicht nur bedeuten, dass die Anrechnungsvorschrift auf beide Kostenbeiträge anzuwenden ist. Anderenfalls wäre sie nach den Regelungen betreffend den Kostenbeitrag aus Einkommen, also nach Absätzen 1 und 2, einzufügen gewesen.
34 
(3) Für die Anwendbarkeit des § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII spricht des Weiteren die Entstehungsgeschichte der Norm, soweit sie vorliegend relevant ist. § 94 Abs. 2 SGB VIII in der bis 30.09.2005 geltenden Fassung vom 08.12.1998 regelte die Heranziehung der Elternteile, die vor Beginn der Hilfe mit dem Kind zusammenlebten, in Höhe der durch die auswärtige Unterbringung ersparten Aufwendungen. Die seit 01.10.2005 geltenden Fassungen des § 94 SGB VIII vom 08.09.2005, 14.12.2006, 10.12.2008 und vom 11.09.2012 regelten jeweils in § 94 Abs. 1 und 2 SGB VIII die Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen zu einem Kostenbeitrag aus ihrem Einkommen. § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bestimmte in den genannten Fassungen diesbezüglich, dass bei Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses der Kostenbeitrag von dem Elternteil, der Kindergeld für den jungen Menschen bezog, „mindestens in Höhe des Kindergeldes“ zu zahlen war. Hintergrund der Einführung eines Mindestkostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.12.1998 (- 5 C 25.97 - BVerwGE 108, 222), wonach Kindergeld nicht als mit Leistungen zum Lebensunterhalt bei Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform zweckgleiche Leistung angesehen worden war. Daraus folgte, dass keine Pflicht des kindergeldberechtigten Elternteils zum Einsatz von Mitteln in Höhe des Kindergeldes gemäß § 93 Abs. 5 SGB VIII a.F. neben dem einkommensabhängigen Kostenbeitrag bestand. Da dies nicht als ein angemessenes Ergebnis angesehen wurde, schuf der Gesetzgeber die Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII a.F. - den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (vgl. hierzu BT-Drs. 15/3676, S. 42 zu § 94 zu Absatz 3; Stähr in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 94 Rn. 11). Es gab mithin nur einen Kostenbeitrag aus Einkommen, wobei dieser - bei Nicht-Vorhandensein sonstigen einzusetzenden Einkommens - von dem Kindergeld beziehenden Elternteil „mindestens in Höhe des Kindergeldes“ zu leisten war.
35 
§ 94 Abs. 4 SGB VIII regelte bereits bisher, dass die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht außerhalb von Umgangskontakten auf den Kostenbeitrag anzurechnen war. Sinn und Zweck des § 94 Abs. 4 SGB VIII ist, die Kostenpflichtigen nicht in doppelter Weise durch einen Kostenbeitrag in voller Höhe und die im Haushalt entstehenden zusätzlichen Kosten während eines Aufenthaltes des Kindes außerhalb von reinen Umgangskontakten im Sinne von § 94 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 1684 Abs. 1 BGB zu belasten (vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.08.2008 - 7 A 10443/08 - FamRZ 2009, 1442; Stähr in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 94 Rn. 17; Juris Praxiskommentar SGB VIII, Stand 01/2015, § 94 Rn. 18). Dabei war anerkannt, dass es zu einer solchen nicht gewollten doppelten Belastung unabhängig davon kommt, ob Grundlage des Kostenbeitrages das Einkommen des Kostenbeitragspflichtigen war oder das für das Kind erhaltene Kindergeld in Form des Mindestkostenbeitrages, wenn das Kind sich außerhalb von reinen Umgangskontakten bei einem kostenbeitragspflichtigen Elternteil aufhielt. Aus diesem Grund war unstreitig, dass die Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII - den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes - anzuwenden war (vgl. VG Berlin, Urteil vom 07.12.2011 - 18 K 204.09 - juris; VG München, Urteil vom 27.07.2011 - M 18 K 10.4797 - juris), obwohl der Wortlaut des früheren § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII („mindestens in Höhe des Kindergeldes“) noch eher als der jetzige Wortlaut („Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes“) eine Interpretation dahingehend zugelassen hätte, der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes stelle eine nicht der Kürzung unterliegende Mindestverpflichtung dar (VG Freiburg, Urteil vom 12.01.2016 - 4 K 1932/15 - juris). Dennoch sahen sogar die „Empfehlungen zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg (Stand: 01.07.2011)“ vor, die Abzüge gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII auch im Hinblick auf den Mindestkostenbeitrag vorzunehmen (so ausdrücklich Ziff. 94.4. der Empfehlungen vom 01.07.2011).
36 
Mit dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (KJVVG) vom 29.08.2013 änderte der Gesetzgeber § 94 SGB VIII dahingehend, dass die bisher geltende Erhebung des Kindergeldes als Mindestbeitrag aufgehoben und stattdessen der Einsatz des Kindergeldes als von der Heranziehung aus dem Einkommen unabhängiger Kostenbeitrag eingeführt wurde. In der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzesentwurfes (BT-Drs. 17/13023, S. 15 zu Nummer 8, zu Buchstabe a; BR-Drs. 93/13, S. 14 zu Nummer 8, zu Buchstabe a) ist diesbezüglich ausgeführt:
37 
„Wie bisher soll bei vollstationären Leistungen das Kindergeld bei der Kostenheranziehung eingezogen werden. Bisher wurde in Höhe des Kindergeldes ein Mindestbeitrag erhoben. Diese Regelung führte zu einer ungerechtfertigten ungleichen Belastung der kostenbeitragspflichtigen Elternteile. Der Elternteil, der kein Kindergeld bezogen hat, musste den Kostenbeitrag in voller Höhe aus seinem Einkommen bestreiten. Der Elternteil, der das Kindergeld bezogen hat, konnte das Kindergeld zur Erfüllung des Kostenbeitrags verwenden. Nur die verbliebene Differenz zwischen Kindergeld und Kostenbeitrag musste er aus seinem Einkommen bestreiten. Kindergeldbezieher waren somit gegenüber den Nichtkindergeldbeziehern privilegiert, da sie aus ihrem Einkommen insgesamt weniger bezahlen mussten. Mit der neuen Regelung soll der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes neben dem Kostenbeitrag aus Einkommen erhoben werden. Der Kostenbeitrag aus Einkommen wird entsprechend verringert. Dadurch ist der Kostenbeitrag aus Einkommen für jeden Elternteil gleich. (…)“
38 
Fast gleichlautend ist die Begründung des Verordnungsgebers zur Änderung des § 7 KostenbeitragsV (BR-Drs. 119/13, S. 9, B, zu Nummer 6), in der es einleitend heißt:
39 
„Wie nach bisheriger Rechtslage soll bei vollstationären Leistungen das Kindergeld bei der Kostenheranziehung berücksichtigt werden.“
40 
Grund für die Neuregelung war folglich der Wille des Gesetzgebers, die in der Gesetzesbegründung dargelegte Ungerechtigkeit zu beseitigen, die darin bestand, dass der Elternteil, der Kindergeld bezieht, im Rahmen der bisher einheitlichen Ermittlung des Kostenbeitrages unter Einbeziehung des Kindergeldes das Kindergeld zur Erfüllung seiner Verpflichtung, einen einkommensabhängigen Kostenbeitrag zu leisten, verwenden konnte. Sinn und Zweck der Neuregelung war - wie der Gesetzgeber betonte -, dass der Kostenbeitrag aus Einkommen für jeden Elternteil „gleich“ sein soll; gemeint ist, dass bei der Berechnung des einkommensabhängigen Kostenbeitrages nunmehr bei keinem der beiden Elternteile mehr das Kindergeld einfließen kann.
41 
Die von dem Verwaltungsgericht hieraus gezogene Schlussfolgerung, der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe dem mit § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII a.F. verfolgten Ziel, den kostenbeitragspflichtigen Eltern nicht das Kindergeld für das über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses untergebrachte Kind zu belassen, da der Träger der Jugendhilfe auch den Lebensunterhalt des Kindes sicherzustellen habe, wieder in vollem Umfang zur Geltung verhelfen wollen (UA, S. 10), lässt sich indes den Gesetzes- und Verordnungsmaterialien nicht entnehmen. Vielmehr betonen sämtliche Begründungen, das Kindergeld solle „wie bisher“ „eingezogen“ bzw. „berücksichtigt“ werden. Die Änderung hin zu einer gesonderten Erhebung eines Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes erfolgte jedoch ersichtlich, um eine ungerechtfertigte „ungleiche Belastung der kostenbeitragspflichtigen Elternteile“ hinsichtlich des einkommensabhängigen Kostenbeitrages künftig zu verhindern. Hieraus ergibt sich, dass hinsichtlich der Heranziehung bzw. Berücksichtigung des Kindergeldes als solcher keine Änderungen erfolgen sollten. Wie dargelegt, war nach der bisherigen Fassung des § 94 Abs. 3 Satz 1 u. 4 SGB VIII jedoch allgemein anerkannt, dass § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes anwendbar war. Dass diesbezüglich eine Änderung vorgenommen werden sollte, lässt sich den Gesetzes- und Verordnungsmaterialien nicht entnehmen.
42 
Hierfür spricht auch, dass § 94 SGB VIII mit Ausnahme der Änderung der Absätze 3 und 6 (letzterer ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da er die Kostenheranziehung junger Menschen betrifft) unverändert blieb. Insbesondere nahm der Gesetzgeber keine Modifizierung der Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII vor. Wird aber eine bereits bisher vorhandene Regelung innerhalb einer Vorschrift im Rahmen der teilweisen Neufassung dieser Vorschrift nicht geändert, so kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der hierin enthaltenen Regelung nicht beabsichtigt ist.
43 
(4) Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 94 Abs. 3 Satz 1 u. 4 SGB VIII unter Berücksichtigung der Funktion des Kindergeldes (vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 12.01.2016, a.a.O.). Sinn und Zweck der Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII war bereits vor der Gesetzesänderung mit Wirkung vom 03.12.2013, in Fällen, in denen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses gewährt und in diesem Rahmen auch den Lebensunterhalt des Kindes (§ 39 SGB VIII) sicherstellt, den Eltern nicht den Kindergeldvorteil zu belassen. Sinn und Zweck des § 94 Abs. 4 SGB VIII war ebenfalls bereits bisher, die Kostenpflichtigen nicht in doppelter Weise durch einen Kostenbeitrag in voller Höhe und die im Haushalt entstehenden zusätzlichen Kosten während eines Aufenthaltes des Kindes außerhalb von reinen Umgangskontakten im Sinne von § 94 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 1684 Abs. 1 BGB zu belasten.
44 
Hält sich jedoch das Kind - wie in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit - außerhalb von reinen Umgangskontakten bei dem Elternteil auf, der das Kindergeld bezieht, so ist aufgrund der Funktion des Kindergeldes die Anwendung der Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auch nach dessen Neufassung weiterhin geboten.
45 
Bei dem Kindergeld handelt es sich um eine staatliche Leistung für das Kind an die Eltern (§ 62 Abs. 1 EStG, § 1 BKGG). Es steht wirtschaftlich dem Kind zu und ist kein unterhaltsrechtliches Einkommen der Eltern (BVerfG, Beschluss vom 14.07.2011 - 1 BvR 932/10 - NJW 2011, 3215; BVerwG, Urteil vom 12.05.2011 - 5 C 10.10 - BVerwGE 139, 386; BT-Drs. 16/1830, S. 28 ff. zu Nummer 19; Reinken in: BeckOK-BGB, Stand 01.08.2016, BGB § 1612b Rn. 4). Mit dem Kindergeld wird der Mindestunterhalt des Kindes teilweise sichergestellt (BT-Drs. 16/1830, a.a.O., S. 29; MüKoBGB/Born, 6. Aufl., BGB § 1612b Rn. 29). Auch im Rahmen der Gewährung staatlicher Grundsicherungsleistungen wird das Kindergeld dem minderjährigen Kind als Einkommen zugeordnet, weshalb der individuelle Hilfebedarf entsprechend gemindert ist (§§ 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II, 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Anspruchsberechtigt bezüglich der Auszahlung des Kindergeldes sind im Regelfall beide Elternteile. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird das Kindergeld für jedes Kind nach dem Vorrangprinzip des § 64 EStG jedoch nur an einen Elternteil gezahlt (Reinken in: BeckOK-BGB, a.a.O., Rn. 5b). Bei mehreren Kindergeldberechtigten wird es demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
46 
Dient das Kindergeld mithin der Sicherstellung des Mindestunterhaltes des Kindes und wird der Unterhalt über § 39 SGB VIII zwar weitgehend, jedoch während des Aufenthaltes des Kindes bei einem Elternteil außerhalb von reinen Umgangskontakten nicht vollständig von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe gedeckt, so entspricht es dem Sinn und Zweck des Kindergeldes, den Anwendungsbereich des § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu erstrecken. Für die von der öffentlichen Jugendhilfe bei Unterbringung eines Kindes über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses nicht erfassten Posten wie der Verköstigung und Unterbringung des Kindes während des Aufenthaltes bei einem Elternteil außerhalb von Umgangskontakten gebietet es die Funktion des Kindergeldes, dem bezugsberechtigten Elternteil einen Teil des Kindergeldes zur Deckung der dargestellten Bedarfe zu belassen.
47 
Ist der Bedarf des Kindes - wie vorliegend - aufgrund eines zeitweiligen Aufenthaltes bei dem kindergeldbezugsberechtigten Elternteil außerhalb reiner Umgangskontakte nicht vollständig durch den Jugendhilfeträger sichergestellt, liegt eine andere Ausgangssituation als diejenige vor, die den vom VG Freiburg entschiedenen Fragen zugrunde lag (vgl. dazu UA, S. 11 mit Bezugnahme auf VG Freiburg, Urteile vom 26.06.2008 - 4 K 1466/06 - juris und vom 26.01.2012 - 4 K 949/11 - juris). Die diesbezüglich relevanten Fallgestaltungen waren jeweils dadurch gekennzeichnet, dass die Eltern keinerlei tatsächliche Betreuungsleistungen, die über die Wahrnehmung des Umgangsrechtes hinausgegangen wären, erbrachten. Die im Zusammenhang mit § 92 Abs. 5 SGB VIII erfolgte Argumentation, hinsichtlich der Mindestbeitragsverpflichtung in Höhe des Kindergeldes sei ein Rückgriff auf die ansonsten geltenden Bestimmungen über die Kostenbeitragspflicht bzw. -bemessung ausgeschlossen, ist mithin auf § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht übertragbar.
48 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht das gesetzgeberische Anliegen, die bisher bestehende Ungleichbehandlung zwischen dem das Kindergeld beziehenden und dem anderen Elternteil beseitigen zu wollen, dem dargelegten Verständnis, § 94 Abs. 4 SGB VIII auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes anzuwenden, nicht entgegen. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht zwar davon aus, dass die von § 94 Abs. 4 SGB VIII gemeinten Betreuungsleistungen bei beiden kostenbeitragspflichtigen Elternteilen, unabhängig davon, ob sie Kindergeld für das untergebrachte Kind beziehen oder nicht, zu einer Verringerung ihrer aus ihrem Einkommen resultierenden Kostenbeitragspflicht führen, wenn sich das Kind bei ihnen nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten aufhält (UA, S. 10). Zutreffend ist des Weiteren, dass die Anrechnung gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII auf den geschuldeten Kostenbeitrag aus Einkommen bei beiden Elternteilen bei identischem Umfang ihrer Betreuungsleistungen gleich ist. Soweit das Verwaltungsgericht jedoch hinsichtlich einer anteiligen Anrechnung von Betreuungsleistungen gemäß § 94 abs. 4 SGB VIII auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes einen finanziellen Vorteil des das Kindergeld beziehenden Elternteils gegenüber dem anderen, kein Kindergeld erhaltenden Elternteil in Höhe dieser Anrechnung auf den Kostenbeitrag sieht (UA, S. 11), kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Zwar kommt es wegen der überwiegenden Deckung des Unterhaltes des Kindes durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 39 SGB VIII und der Heranziehung der Eltern zu einkommensabhängigen Kostenbeiträgen nicht zu der in § 1612 b Abs. 1 BGB geregelten bedarfsmindernden Anrechnung des Kindergelds auf den Unterhalt in Kombination mit dem anteiligen Ausgleich des verbleibenden Restbedarfs des Kindes entsprechend der jeweiligen Leistungsfähigkeit des betreffenden Elternteiles gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Auch ist wegen der Regelung des § 64 Abs. 1 EStG eine Auszahlung des Kindergeldes stets nur an einen Bezugsberechtigten möglich, auch wenn sich die Elternteile die tatsächlichen Betreuungsleistungen teilen.
49 
Dennoch steht die seitens des Verwaltungsgerichts angenommene Privilegierung des das Kindergeld beziehenden Elternteils nicht der sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ergebenden Auslegung des § 94 Abs. 4 SGB VIII entgegen. Ausweislich der oben zitierten Gesetzesbegründung sollte nur die Ungleichbehandlung beseitigt werden, die sich daraus ergab, dass der einkommensabhängige Kostenbeitrag nach früherer Rechtslage seitens des das Kindergeld beziehenden Elternteils teilweise durch das einkommenserhöhende Kindergeld bestritten werden konnte. Die Belastung aus Einkommen ist nach Inkrafttreten der Neuregelung zum 03.12.2013 nun gemäß § 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII für jeden Elternteil einkommensabhängig gleich. Der Zweck der Gesetzesänderung, den einkommensabhängigen Kostenbeitrag - entsprechend der Höhe des eigenen Einkommens - bei jedem Elternteil nach denselben Maßstäben zu erheben, also ohne die Hinzurechnung und ohne den möglichen Einsatz von Kindergeld zur Deckung des einkommensabhängigen Kostenbeitrages, wurde erreicht, gerade im Hinblick auf Fallgestaltungen, in denen das Kindergeld zwar das Einkommen erhöhte, aufgrund der nach Einkommensgruppen gestaffelten Kostenbeiträge jedoch nicht zu einem höheren Kostenbeitrag führte. Eine solche Konstellation ist aufgrund der Neuregelung ausgeschlossen, da das Kindergeld nicht mehr zu einer Erhöhung des Einkommens führen kann, ohne sich in einem höheren Kostenbeitrag niederzuschlagen. Mit der Erhebung eines gesonderten Kostenbeitrages in Höhe des Kindergeldes wird eine solche Fallgestaltung gerade verhindert und somit die Intention des Gesetzgebers realisiert.
50 
Aus der bereits zitierten Gesetzesbegründung lässt sich jedoch keine Positionierung zu der Frage entnehmen, ob das Kindergeld auch dann in voller Höhe als selbständiger Kostenbeitrag abzuführen ist, wenn Betreuungsleistungen des das Kindergeld beziehenden Elternteiles über den Umfang reiner Umgangskontakte erbracht werden. Ein solches Verständnis widerspräche - wie dargelegt - dem aufgrund Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnis.
51 
Die Frage, ob die Klägerin trotz der in den Hilfeplänen niedergeschriebenen Aufteilung des Aufenthaltes ihres Sohnes an Wochenenden und in den Ferien zwischen der Klägerin und dem von ihr getrennt lebenden Vater des Kindes tatsächlich höhere Kosten für den Unterhalt ihres Sohnes als der Vater hat, ist nicht entscheidungserheblich. Hierbei handelt es sich um eine familienrechtliche Folgefrage, die nicht Gegenstand des hier anhängigen Rechtsstreites ist. Die hierdurch möglicherweise erneut entstehende Ungleichbehandlung ist nicht mit derjenigen, von dem Gesetzgeber in den Blick genommenen Fallgestaltung vergleichbar und rechtfertigt eine insbesondere Wortlaut und Systematik widersprechende Auslegung des § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht. Im Übrigen besteht zivilrechtlich die Möglichkeit des nicht kindergeldbezugsberechtigten Elternteils, einen Anspruch auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten Kindergeldes als Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruches geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 20.04.2016 - XII ZB 45/15 - NJW 2016, 1956).
52 
(5) Der in den Empfehlungen zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg vom 01.01.2014 bzw. in der aktuellen Fassung mit Stand 01.07.2015 geäußerten gegenteiligen Rechtsauffassung kommt keine Bindungswirkung für das Gericht zu. Die hierin niedergelegte Auffassung vermag im Übrigen nicht zu überzeugen und weicht darüber hinaus von den Gemeinsamen Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII der Jugendämter der Länder Niedersachsen und Bremen, Schleswig-Holstein sowie der Landesjugendämter Berlin, Hamburg, Rheinland, Rheinland-Pfalz, des Saarlandes, des Freistaates Sachsen, des Freistaates Thüringen und Westfalen-Lippe (Stand: 17.11.2014) ab. In den für Baden-Württemberg erteilten Empfehlungen (Stand 01.07.2015 und - inhaltlich identisch - Stand 01.01.2014) ist unter Punkt 94.4 ausgeführt, die Regelung über die Berücksichtigung tatsächlicher Betreuungsleistungen gelte nicht für den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes. In Fußnote 66 wird diesbezüglich auf die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII verwiesen. Aus welchen Gründen hieraus allerdings nicht abgeleitet werden kann, der Anwendungsbereich des § 94 Abs. 4 SGB VIII erstrecke sich nur auf den Kostenbeitrag nach § 94 Abs. 1 u. 2 SGB VIII, wurde unter (3) bereits dargelegt. In den o.g. Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII der Jugendämter der Länder Niedersachsen und Bremen u.a. wird hingegen ohne weitere Begründung unter Punkt 17 ausgeführt, § 94 Abs. 4 SGB VIII gelte auch für den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes (so wohl auch VG Augsburg, Urteil vom 26.10.2015 - Au 3 K 15.341 - juris).
53 
(6) Das dargestellte Auslegungsergebnis wird auch durch die von der Beklagten und in der erstinstanzlichen Entscheidung angesprochene Tatsache, es fielen auch in Zeiten, in denen der junge Mensch sich außerhalb reiner Umgangskontakte bei seinen Eltern bzw. einem Elternteil aufhalte, weiterhin Kosten der Jugendhilfe an, weil dessen Platz in der Einrichtung freigehalten werden müsse (UA, S. 11/12), nicht in Frage gestellt. Entsprechende Vorhaltekosten fielen auch in Fallgestaltungen an, in denen der frühere Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes erhoben wurde, ohne dass dies an der einhelligen Auffassung, die Anrechnungsvorschrift des § 94 Abs. 4 SGB VIII sei auch auf den Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes anzuwenden, etwas geändert hätte. Im Übrigen liegt die Besonderheit der hier zu entscheidenden Fallgestaltung darin, dass das Internat, in welchem die Heimunterbringung des Sohnes der Klägerin erfolgt, an Wochenenden und in den Ferien geschlossen ist, so dass eine Bedarfsdeckung aller anfallenden Bedarfe des Kindes in diesen Zeiträumen unstreitig nicht durch die Unterbringung in der entsprechenden Einrichtung gewährleistet werden kann.
54 
Auch die von der Beklagten vorgenommene Vergleichsberechnung zu der Beitragshöhe nach alter Rechtslage ist nicht geeignet, das anhand der anerkannten Methoden der Normauslegung gefundene Ergebnis in Zweifel zu ziehen. Zu Recht hat die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die insgesamt niedrigeren Beiträge in vorliegender Konstellation maßgeblich aufgrund eines niedrigeren einkommensabhängigen Beitrages ergeben. In diesem Zusammenhang lässt sich der Gesetzesbegründung zu dem KJVVG entnehmen, dass „neben einer gerechteren Verteilung finanzieller Belastungen (…) „der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt“ durch „eine Entlastung niedrigerer Einkommensgruppen“ gewährleistet werden soll (BT-Drs. 17/13023, S. 1 u. 2, B. 1.). Der im Vergleich zu der nach alter Rechtslage niedrigere einkommensabhängige Kostenbeitrag entspringt mithin einer im Verhältnis zu der Erhebung zweier gesonderter Kostenbeiträge unabhängigen Intention des Gesetzgebers. Dass der Gesetzgeber die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch niedrigere Kostenbeiträge aus Einkommen „im Zusammenhang“ mit der zusätzlichen Erhebung eines Kostenbeitrags in Höhe des Kindergeldes sah (BT-Drs. 17/13023, S. 4, F.), reicht nicht hin, um die aufgrund der Kriterien der Normauslegung gewonnene Überzeugung des Senats zu erschüttern.
55 
(7) Ausgehend von den seitens des Privatinternats V... A... mitgeteilten Abwesenheitstagen des Sohnes der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (01.03.2014 bis Zustellung des Widerspruchsbescheids am 24.05.2014), die dieser nach Auskunft der Klägerin sämtlich in ihrem Haushalt verbrachte, sowie unter Berücksichtigung jeweils eines weiteren Tages für An- und Abreise pro Aufenthalt ergibt sich, dass tatsächliche Betreuungsleistungen der Klägerin im Monat März 2014 für zwölf von 31 Tagen, im Monat April 2014 für 16 von 30 Tagen und im Monat Mai 2014 für acht von 24 Tagen zu berücksichtigen sind. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Sohn der Klägerin nach deren Angaben in der mündlichen Verhandlung jeweils freitags um etwa 16:30 Uhr die Wohnung der Klägerin erreicht und sonntags den Zug um 18:36 Uhr ab H... zurück nach B... nimmt. Die Zugrundelegung der Samstage und zur Abgeltung jeweils des Freitagabends und des Sonntags bis zur Abreise die Hinzurechnung insgesamt je eines weiteren Tages erscheint sachgerecht, da sich der Sohn der Klägerin - wie diese in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat - teilweise an den Wochenenden auch bei seinem Vater aufhält. Daraus ergibt sich, dass der Klägerin für den Monat März 2014 Kindergeld in Höhe von 71,23 Euro (von 184 Euro), für den Monat April 2014 in Höhe von 98,13 Euro (von 184 Euro) und für den Monat Mai 2014 in Höhe von 47,48 Euro (von 142,45 Euro entsprechend dem anteiligen Kindergeld für den Zeitraum vom 01.05. bis 24.05.2014) zu belassen gewesen wäre. Dementsprechend wäre der Kostenbeitrag aus Kindergeld für den Monat März 2014 auf 112,77 Euro, für den Monat April 2014 auf 85,87 Euro und für den Zeitraum vom 01.05. bis 24.05.2014 auf 94,97 Euro festzusetzen gewesen.
56 
(8) Die Berufung hat daher insoweit Erfolg, als ein Kostenbeitrag aus Kindergeld im streitgegenständlichen Zeitraum (01.03.2014 bis 24.05.2014) nur in Höhe von 216,84 Euro statt in Höhe von 510,45 Euro von der Klägerin hätte gefordert werden können (Erfolgsquote von 43 %). Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Klägerin die Kosten daher in Höhe von 57%, die Beklagte in Höhe von 43 % zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2 VwGO).
57 
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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