Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 4 S 1403/19

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2019 - 14 K 2539/17 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.507,29 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den von ihm genannten und nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein maßgeblichen Gründen ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, beziehungsweise wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 25.02.1997 - 4 S 496/97 -, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392, und Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77, 83), wobei jedoch alle tragenden Begründungsteile angegriffen werden müssen, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf mehrere jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt ist (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26, und Beschluss vom 11.09.2002 - 9 B 61.02 -, Juris). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert dabei eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Dies kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass konkret auf die angegriffene Entscheidung bezogen aufgezeigt wird, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird. Eine Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt dabei regelmäßig nicht (vgl. schon Senatsbeschluss vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, Juris).
Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils mit dem Zulassungsvorbringen nicht hervorgerufen. Der Senat ist vielmehr der Überzeugung, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die Entlassungsverfügung vom 10.11.2016 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 24.01.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
I.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Entlassung sei auf Grundlage des § 55 Abs. 5 SG formell und materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG seien erfüllt. Denn es stehe fest, dass der Kläger, ein beim Transporthubschrauberregiment 30 in N. (rund 315 km vom Heimatwohnort K. entfernt) stationierter Soldat auf Zeit, seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt habe, indem er vom 03.-05.08.2016, am 08. und 09.08.2016, vom 10.-12.08.2016 sowie am 15. und 16.08.2016 vom Dienst ferngeblieben sei. Entgegen seines Vorbringens sei die - als solche unstreitige - Abwesenheit des Klägers unerlaubt und schuldhaft gewesen.
Der Kläger sei seit einem Dienstunfall 2014 krank zu Hause an seinem Heimatwohnort K. (nahe Leipzig) gewesen und habe regelmäßig (im rund 40 km entfernten) SanVersZ W. entsprechende Krankschreibungen erhalten. Bei einem Termin im SanVersZ W. am 15.07.2016 habe Oberfeldarzt A. Termine am 03.08.2016 im (rund 425 km entfernten) Bundeswehrkrankenhaus U. und am 04.08.2016 im (rund 315 km entfernten) SanVersZ N. angeordnet. Von dem Termin am 03.08.2016 im Bundeswehrkrankenhaus U. habe der Kläger gewusst, weil er am 15.07.2016 von Oberfeldarzt A darüber belehrt geworden sei. Seine Behauptung, er habe sich in Absprache mit dem Bundeswehrkrankenhaus dort nicht persönlich vorstellen müssen, weil es nur um eine Auswertung der Reha gehe und diese auch telefonisch möglich sei, sei unerheblich. Es sei allein die Anordnung des zuständigen Arztes maßgeblich. Daher könne dahinstehen, ob der Kläger sich tatsächlich wie behauptet mit dem Bundeswehrkrankenhaus abgesprochen habe. Der Einwand des Klägers, er habe die Reise nach U. von seinem Wohnort wegen verletzungsbedingter Schmerzen nicht antreten können, sei eine Schutzbehauptung. Nach der Feststellung des behandelnden Oberfeldarztes A. vom 15.07.2016 sei der Kläger reisefähig gewesen; er habe lediglich nicht selbst über 50 km Kraftfahrzeuge führen dürfen. Wenn der Kläger sich für reiseunfähig halte, hätte er sich dies bescheinigen lassen müssen. Der Kläger sei im Übrigen bereit gewesen, sich mit einem Fahrzeug der Bundeswehr zu Hause abholen zu lassen. Er habe daher auch eine Reise mit der Bahn oder einer Mitfahrgelegenheit auf sich nehmen können. Auch die Fahrt mit einem Auto bedeute längeres Sitzen. Im Gegensatz hierzu habe der Kläger im Zug sogar aufstehen und umherlaufen können. Seine Einlassung, er habe keine finanziellen Mittel für eine Reise mit der Bahn gehabt, sei unerheblich, weil er sich um eine Vorfinanzierung durch seine Einheit hätte kümmern können und müssen. Zudem habe der Kläger selbst in seiner Vernehmung am 18.08.2016 angegeben, ihm sei alles zu viel geworden, und später im Gespräch mit seiner Vertrauensperson auf psychische Schwierigkeiten verwiesen. Unerheblich sei auch, dass Hauptmann R., der Vorgesetzte des Klägers, eine individuelle Abholung des Klägers durch ein Fahrzeug der Bundeswehr abgelehnt habe. Eine andere Handlungsmöglichkeit habe der Hauptmann aufgrund des Beschlusses vom 15.12.2015, wonach der Kraftfahrdienst seines Regiments aus Kapazitätsgründen lediglich Fahrten von N. nach U. durchführt, im Übrigen nicht gehabt. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, dem Kläger eine Begleitperson zu stellen. Der Hinweis in der Bescheinigung des Truppenarztes vom 15.07.2016, dass eine Begleitperson erforderlich sei, diene nur der Erstattung der Fahrtkosten für eine Begleitperson, die der Kläger sich aber selbst hätte organisieren müssen. Hierzu wären Freunde, Familienmitglieder oder der Mobilitätsservice der Bahn in Frage gekommen. Zur Stellung einer Begleitperson sei die Bundeswehr jedenfalls nicht verpflichtet gewesen. Daher liege auch insoweit keine Verletzung der Fürsorgepflicht vor.
Der Kläger habe entgegen seiner Behauptung auch von dem Termin beim Truppenarzt in N. am 04.08.2016 gewusst. Er habe in seiner Vernehmung am 18.08.2016 angegeben, am 02.08.2016 von Oberfeldarzt A. von dem Termin erfahren zu haben. Dies decke sich mit den Angaben von Oberfeldarzt A. zu dem Gespräch am 02.08.2016. Es komme daher nicht darauf an, ob eine Belehrung über diesen Termin schon am 15.07.2016 erfolgt sei.
Der Kläger sei auch am 05. und 08.08.2016 schuldhaft vom Dienst abwesend gewesen. Seine Krankschreibung sei am 03.08.2016 abgelaufen, worauf er von Stabsfeldwebel L. und Hauptmann R. telefonisch hingewiesen worden sei. Hauptmann R. habe ihm sogar den Befehl erteilt, am 08.08.2016 zum Dienst zu erscheinen. Auch die Anreise zum Dienstort N. sei möglich und zumutbar gewesen.
Weiter sei die Abwesenheit am Nachmittag des 09.08.2016 sowie am 10.08.2016 schuldhaft gewesen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass er am 09.08.2016 in W. von Oberstabsarzt E. für den Innendienst dienstfähig erachtet worden sei. Ihm sei zwar die in der Personalakte befindliche Diagnose nicht ausgehändigt worden, weil diese immer nur der Einheit mitgeteilt werde. Er habe aber anders als bei seinen sonstigen regelmäßigen Terminen nicht die gesonderte Krankschreibung im A5-Format erhalten, die stets an krankgeschriebene Soldaten ausgegeben werde. Gerade wegen dieses Unterschieds zu sonstigen Terminen habe ihm klar sein müssen, dass er keine Krankschreibung mehr habe.
Vom 11.08. bis 16.08.2016 (mit Ausnahme des Wochenendes) sei der Kläger wiederum unerlaubt dem Dienst ferngeblieben, obwohl ihm Hauptmann R. am 10.08.2016 einen ausdrücklichen telefonischen Befehl erteilt habe, am 11.08.2016 um 16:30 Uhr zum Dienst zu erscheinen. Dieser Befehl habe ihm hinreichend Zeit zur Planung und Durchführung der Anreise gelassen. Hauptmann R. habe sogar angeboten, den Kläger vom Bahnhof W. abholen zu lassen.
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In diesen festgestellten Dienstpflichtverletzungen liege ein schuldhafter Verstoß gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 1 S. 1 SG sowie jedenfalls gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG und die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 SG, weshalb die Entlassung rechtmäßig sei. Ein weiteres Verbleiben des Klägers im Dienst hätte die militärische Ordnung der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Die Pflichtverletzungen des Klägers hätten den Kernbereich der militärischen Ordnung berührt, sodass es auf eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr nicht ankomme. Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibe, versage im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Der Dienstherr müsse sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten nachkommt. Die Bundeswehr könne ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn ihre Soldaten anwesend seien. Eine Disziplinarmaßnahme sei nicht als milderes Mittel in Betracht gekommen, nachdem der Kläger mehrmals direkte Befehle missachtet habe. Es liege daher kein nur einmaliges Versagen vor. Auch ein Ermessensfehler sei nicht gegeben. Bei § 55 Abs. 5 SG handle es sich um einen Fall des intendierten Ermessens. Besondere Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen von der Entlassung rechtfertigen könnten, hätten nicht vorgelegen.
II.
11 
Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.
12 
Ein Soldat auf Zeit kann nach § 55 Abs. 5 SG während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die Einwände des Klägers bezüglich seiner Verletzung der Dienstpflichten (hierzu 1.) und einer Gefährdung der militärischen Ordnung durch sein Verbleiben im Dienst (hierzu 2.) sind nicht stichhaltig, d.h. der Senat hegt keine ernsthaften Richtigkeitszweifel an der überzeugenden und sorgfältig begründeten Kammerentscheidung des Verwaltungsgerichts.
13 
1. Das Verwaltungsgericht nimmt zu Recht an, dass der Kläger durch mehrmaliges unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst seine Dienstpflichten, namentlich die Pflicht zur Befolgung von Befehlen (§ 11 Abs. 1 SG) und zum treuen Dienen (§ 7 SG), schuldhaft verletzt hat.
14 
a) Soweit der Kläger die Annahme angreift, dass ihm im gesamten relevanten Zeitraum Fahrten nach U. bzw. N. möglich und zumutbar gewesen seien, setzt er sich nicht hinreichend substantiiert mit den detaillierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu auseinander. Insbesondere verweist das Verwaltungsgericht auf mögliche Hilfestellungen durch den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn sowie die Möglichkeit, im Zug aufzustehen und hin und her zu gehen. Darauf geht der Kläger nicht ein. Ergänzend trägt er im Berufungszulassungsverfahren lediglich vor, nur bei einer persönlichen Abholung durch die Bundeswehr seien Pausen möglich gewesen. Dies überzeugt nicht. Abgesehen von der Möglichkeit, im Zug aufzustehen und umherzugehen, können auch auf einer Bahnreise bei entsprechender Planung Pausen auf Umsteigebahnhöfen gemacht werden. Notfalls hätte der Kläger sogar an einem Unterwegsbahnhof aussteigen und die Reise nach einer Erholungspause mit einem späteren Zug fortsetzen können. Nach seinem Vorbringen fuhr der Kläger am 02.08.2016 von seinem Heimatort bis zum (rund 200 km entfernten) B., stieg dort schmerzbedingt aus und ließ sich von seinem Vater abholen sowie nach Hause zurückfahren, anstatt wie geplant weiter zum (von B. rund 150 km entfernten) N. zu fahren. Damit widerlegt er sich selbst. Denn konnte er nach der durch die Anreise des Vaters nötigen Pause die Strecke von B. zurück bis zum Heimatort K. überstehen, hätte er nach einer entsprechenden Pause ebenso die Strecke von B. nach N. bewältigen können.
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Im Übrigen bleibt der Hinweis des Verwaltungsgerichts zutreffend, dass der Kläger nach ärztlicher Einschätzung mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisefähig war. Es wäre ihm möglich und zumutbar gewesen, Bedenken hiergegen bei einem der regelmäßig von ihm wahrgenommenen Arzttermine vorzubringen. Konkrete Anhaltspunkte, warum die ärztliche Einschätzung unzutreffend gewesen sein soll, hat der Kläger nicht vorgebracht. Das Verwaltungsgericht brauchte auch deshalb dem Beweisangebot des Klägers in seiner Klageschrift vom 27.02.2017, hierzu Oberfeldarzt A. als Zeugen zu vernehmen, im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nicht nachzugehen. Oberfeldarzt A. hatte den Kläger laut Behördenakte am 15.07.2016 für reisefähig erklärt. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen, warum Oberfeldarzt A. dies entgegen seiner tatsächlichen Einschätzung erklärt oder warum er seine Ansicht im Nachhinein geändert haben könnte. Zudem wurde der Kläger auch bei folgenden Arztterminen sowie von anderen Ärzten als reisefähig bewertet. An das Beweisangebot des Klägers war das Verwaltungsgericht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO ohnehin nicht gebunden und eine Beweiserhebung drängte sich hier auch nicht auf. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung auch keinen unbedingten Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO gestellt.
16 
b) Das Vorbringen des Klägers bezüglich des Termins in U. am 03.08.2016 lässt ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel am angegriffenen Kammerurteil des Verwaltungsgerichts entstehen.
17 
Der Kläger ist zunächst der Auffassung, dass er durch eine Absprache mit dem Bundeswehrkrankenhaus U. von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen am 03.08.2016, die ihm der Arzt in W. auferlegt hatte, befreit worden sei. Er habe in U. angerufen und von der Terminvergabe die Auskunft erhalten, dass der Termin nur die Auswertung der Reha betreffe und daher auch telefonisch erfolgen könne. Dadurch habe die Anweisung von Oberfeldarzt A., der Kläger habe sich persönlich in U. vorzustellen, ihre Bindungswirkung verloren. Soweit das Verwaltungsgericht anzweifle, ob eine solche Vereinbarung wirklich stattgefunden habe, sei es verpflichtet gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Außerdem habe der Kläger noch mit Dr. E. im SanVersZ W. telefoniert, der ihm gesagt habe, dass der Kläger selbst wissen müsse, wie er weiter vorgeht. Dies habe den Kläger in seiner Überzeugung bestärkt, er müsse nicht persönlich in U. erscheinen. Hierauf gehe das Verwaltungsgericht nicht ein.
18 
Indes geht aus der truppenärztlichen Mitteilung des Oberfeldarztes A. an den Disziplinarvorgesetzten des Klägers vom 10.08.2016 hervor, dass der Kläger am 02.08.2016 persönlich im SanVersZ W. vorsprach und nochmals vom Truppenarzt gegen Unterschrift belehrt wurde, dass der Termin im Bundeswehrkrankenhaus U. aus Sicht des Truppenarztes notwendig sei. Der Kläger greift die Richtigkeit dieser Auskunft nicht an, sondern behauptet lediglich, der Truppenarzt habe ihm nur gesagt habe, er müsse selbst wissen, wie er vorgehe. Spätestens aufgrund dieser Belehrung wusste der Kläger, dass er den Termin in U. persönlich wahrzunehmen hatte. Im Übrigen spricht das Verhalten des Klägers dagegen, dass er annahm, mit dem Bundeswehrkrankenhaus U. schon eine bindende Absprache getroffen zu haben. Denn er versuchte weiter, bei seiner Einheit bzw. im SanVersZ W. eine Freistellung von dem Termin zu erreichen, und unternahm am 02.08.2016 den Versuch, mit dem Zug nach N. zu gelangen, um am Folgetag nach U. weiterzufahren. Schon daher brauchte das Verwaltungsgericht nicht aufzuklären, ob der Kläger tatsächlich in U. angerufen hat.
19 
Weiter macht der Kläger geltend, Hauptfeldwebel R. habe ihm kurz nach dem 15.07.2016 eine Abholung und einen Transport nach U. durch die Bundeswehr zugesagt. Dadurch sei eine Selbstbindung der Bundeswehr eingetreten, sodass Hauptmann R. nicht kurz vor dem 03.08.2016 die Abholung des Klägers habe ablehnen dürfen. Dieses Vorbringen ist unbeachtlich. Selbst wenn ein Verstoß gegen eine Zusage bzw. gegen die Selbstbindung der Verwaltung vorliegen sollte, musste der Kläger den Anordnungen des ihm im Rahmen seiner Behandlung vorgesetzten Truppenarztes Folge leisten (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG). Ein Soldat hat einem Befehl Folge zu leisten, selbst wenn er ihn für rechtswidrig hält. Denn die Ausnahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 SG - Verletzung der Menschenwürde oder Begehung einer Straftat - werden weder geltend gemacht noch liegen irgendwelche Ansatzpunkte hierfür vor. Bei der Anordnung des Truppenarztes, der Kläger habe einen Termin im Bundeswehrkrankenhaus U. wahrzunehmen, handelte es sich mithin um einen Befehl. Ein Befehl ist eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt (Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 10 Rn. 42).
20 
Auch die Befehlsvoraussetzungen lagen vor. Insbesondere war der Truppenarzt Vorgesetzter innerhalb seines Aufgabenbereichs gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 SG i.V.m. § 3 Satz 1 VorgV. Anders als eine Behandlung durch einen zivilen Arzt dient die truppenärztliche Behandlung auch zur Einhaltung der gesteigerten soldatischen Pflicht zur Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Gesundheit (§ 17 Abs. 4 SG a.F., jetzt § 17a SG). In diesem Rahmen ist das Behandlungsverhältnis von dem wehrdiensteigentümlichen Über-/Unterordnungsverhältnis durch Befehl und Gehorsam geprägt (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 3/13 R -, Juris Rn. 20).
21 
Wegen der grundsätzlichen Verbindlichkeit selbst eines rechtswidrigen Befehls ist auch die vom Kläger gerügte Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im vorliegenden Kontext unbeachtlich. Ohnehin spricht alles dafür, dass der Befehl rechtmäßig war.
22 
c) Entgegen der Darlegung des Klägers geht das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend davon aus, dass der Kläger spätestens am 02.08.2016 von dem Termin am 04.08.2016 in N. erfuhr. Aus der Niederschrift über die Vernehmung des Klägers am 18.08.2016 ergibt sich, anders als der Kläger offenbar meint, nichts anderes. In der Vernehmung gab der Kläger laut dieser Niederschrift lediglich an, er habe nach dem Arzttermin vom 15.07.2016 zunächst nichts von dem Termin in N. gewusst. Er äußerte dann jedoch wörtlich: „Am 02.08.2016 habe ich erst erfahren, dass ich den Termin am 04.08.2016 in N. habe”.
23 
d) Soweit der Kläger die Feststellung des Verwaltungsgerichts angreift, wonach er nach dem Arzttermin am 09.08.2016 gewusst habe, dass er wieder dienstfähig geschrieben war, wiederholt er nur sein erstinstanzliches Vorbringen. Mit diesem hat sich das Verwaltungsgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO auseinandergesetzt und ist überzeugend zu dem Schluss gekommen, dass die Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers von seiner Dienstfähigkeit überwiegen. Der Kläger habe nämlich anders als sonst keine Krankschreibung ausgehändigt bekommen. Ein Fehler dieser Beweiswürdigung ist für den Senat auch nicht ansatzweise ersichtlich.
24 
e) Soweit der Kläger geltend macht, er habe vom 11.-16.08.2016 nicht zum Dienst anreisen können, kann auf die obigen Ausführungen zur Reisefähigkeit verwiesen werden. Hier kommt zusätzlich hinzu, dass Hauptmann R. dem Kläger eine Abholung vom Bahnhof W. anbot, sodass sich die nötige Fahrtzeit verkürzte.
25 
2. Das Verbleiben des Klägers in der Bundeswehr hätte die militärische Ordnung ernstlich gefährdet. Unzutreffend ist das Vorbringen des Klägers, wonach sein Fernbleiben die militärische Ordnung nicht oder nur wenig beeinträchtigt habe, weil er schon zwei Jahre krankheitsbedingt gefehlt habe und ohnehin eine langwierige Wiedereingliederung bevorgestanden habe.
26 
Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, müssen Dienstpflichtverletzungen die personelle oder materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unmittelbar beeinträchtigen, sodass hierunter begrifflich schon nur - schwere - innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich fallen können, oder außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist. Bei sonstigem außerdienstlichem Verhalten muss es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handeln oder eine Wiederholungs- oder eine Nachahmungsgefahr bestehen (BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 - 2 B 114/11 -, Juris Rn. 10 ff.).
27 
Anwesenheit und Dienstleistung gehören zum fundamentalen Pflichtenkreis eines Soldaten innerhalb des Dienstes und damit zum militärischen Kernbereich. Unerlaubte Abwesenheit von einigem Gewicht stellt daher in aller Regel einen Entlassungsgrund im Sinne von § 55 Abs. 5 SG dar. Der betriebsbezogene Schutz der Funktion der Bundeswehr im Sinne des Erhalts der Verteidigungsbereitschaft erfordert, dass sich Soldaten auf die strikte Erfüllung der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht eines jeden Kameraden verlassen können. Wegen des Schutzzweckes des § 55 Abs. 5 SG, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erhalten, kommt es hier für die Annahme einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung nicht auf die im Einzelfall möglicherweise nicht besonders gravierenden Folgen einer Befehlsverweigerung an bzw. einen dadurch entstandenen Schaden, sondern vielmehr auf die generelle Gefahr, die der Verteidigungsbereitschaft jeder einzelnen Einheit und der Bundeswehr im Ganzen droht, sollten zahlreiche derartige Verstöße vorkommen. Der Erhalt der Verteidigungsbereitschaft erfordert es, dass sich die Bundeswehr auf die strikte Erfüllung der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht eines jeden Soldaten verlassen kann. Das gilt auch für die Erfüllung der Verhaltenspflichten eines erkrankten Soldaten. Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erfordert, dass kranke und verletzte Soldaten an ihrer Behandlung und Wiedereingliederung mitwirken, damit sie baldmöglichst wieder vollumfänglich eingesetzt werden können. Dies gilt auch deshalb, weil die Tätigkeit bei den Streitkräften ein höheres Verletzungsrisiko mit sich bringt als andere Tätigkeiten im öffentlichen Dienst. Verzögerungen bei der Behandlung von Verletzungen können sich hier besonders schwerwiegend auswirken. Daher können auch bei kranken und verletzten Soldaten keine Abstriche hinsichtlich der Gehorsamspflicht gemacht werden. Dies drückt auch der - zum damaligen Zeitpunkt anwendbare - § 17 Abs. 4 S. 1 SG a.F. (jetzt: § 17a Abs. 1 S. 1 SG) aus, wonach der Soldat alles in seinen Kräften Stehende zu tun hat, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Im Übrigen war der Kläger ab dem 09.08.2016 wieder teilweise dienstfähig und konnte eine konkrete Funktion innerhalb der Bundeswehr erfüllen.
28 
Damit steht auch für den Senat fest, dass der Kläger verschiedene Male unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben war, einmal sogar entgegen eines ausdrücklichen Befehls. Dadurch liegen Dienstpflichtverletzungen von erheblichem Gewicht vor. Selbst wenn man die Abwesenheit bei den Terminen am 03.08.2016 in U. und am 04.08.2016 in N. aufgrund der vorgetragenen Umstände (kurzfristiges Verbot der Abholung des Klägers durch den Kraftfahrdienst, anfängliche Unkenntnis des Klägers vom Termin am 04.08.2016) als weniger gravierend einordnen wollte, bleiben doch die Dienstpflichtverletzungen der Folgezeit in unveränderter Schwere bestehen, weshalb sich die Entlassung in jeder Hinsicht als rechtmäßig erweist.
III.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
30 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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