Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 3300/19

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Dezember 2019 - 4 K 6107/19 - wird verworfen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 26.400,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der erstinstanzlich unterlegene Antragsgegner begehrt in einem Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass seine ursprüngliche Weigerung, einen von der Antragstellerin angemeldeten Tiertransport abzufertigen, der inzwischen durchgeführt wurde, rechtmäßig war.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Kälbern handelt und diese in Mitgliedstaaten der Europäischen Union exportiert.
Am 08.11.2019 schloss die Antragstellerin mit einer in Spanien ansässigen Aktiengesellschaft einen Vertrag über die Lieferung von 200 nicht abgesetzten, d.h. noch saugenden Kälbern für die Verwendung in der Kälbermast zu einem Preis von durchschnittlich 132 EUR pro Tier. Die Vertragsparteien kamen überein, dass die Tiere am 11.12.2019 bei dem Unternehmen in der Provinz Barcelona ankommen sollten.
Am 11.11.2019 zeigte die Antragstellerin den beabsichtigten Transport bei dem Landratsamt Ravensburg mit der Bitte um Abfertigung und unter Vorlage von ergänzenden Unterlagen an. Sie erläuterte, dass der Transport am 10.12.2019 in Deutschland beginnen und am 11.12.2019 am Zielort enden sollte.
Mit Schreiben vom 28.11.2019 teilte das Landratsamt der Antragstellerin mit, der Transport könne nicht abgefertigt werden. Zur Begründung führte es aus, Tiertransporte dürften nur abgefertigt werden, wenn die tierschutzrechtlichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 (Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22.12.2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97, ABl. L 3 v. 05.01.2005, S. 1) eingehalten würden. Diese Verordnung definiere in Nr. 1.4 des Kapitels V des Anhangs I die Zeitintervalle für die Versorgung von noch nicht abgesetzten Kälbern. In Nr. 2.1 f. des Kapitels VI des Anhangs I werde ferner bestimmt, dass Transportmittel „mit einem Wasserversorgungssystem ausgestattet sein (müssen), das es dem Betreuer ermöglicht, während der Beförderung jederzeit sofort Wasser nachzufüllen, damit jedes Tier ständig Frischwasser zur Verfügung hat“, und dass die „Tränkevorrichtungen (...) stets voll funktionsfähig und so konstruiert und positioniert sein (müssen), dass sie für alle an Bord des Fahrzeugs zu tränkenden Kategorien von Tieren zugänglich sind“. Im „Handbuch für Tiertransporte“ (gemeint: dem von der Arbeitsgemeinschaft Tierschutz [AGT] der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz erarbeiteten „Handbuch für Tiertransporte - Vollzugshinweise zur Verordnung (EG) Nr. 1/2005 (...)“, Stand Mai 2019, abrufbar unter www.fli.de) heiße es ferner: „Sofern Kälber transportiert werden sollen, die nur an das Tränken aus Eimern mit Gummisaugern gewöhnt sind, müssen geeignete Vorrichtungen zur Versorgung eingebaut sein oder mitgeführt werden. Für Kälber steht ein der Physiologie und den Verhaltensansprüchen genügendes, den zweiphasigen Saugakt ermöglichendes ‚automatisches‘ Versorgungssystem, wie in der Verordnung gefordert, bisher weder für Elektrolyt- noch für Milchaustauschertränke noch für ihre Temperierung zur Verfügung. Eine reine Wassertränke wird den Ansprüchen von Kälbern auf langen Transporten nicht gerecht, auch droht hier die Gefahr der Wasserintoxikation“ (Handbuch, a.a.O., S. 45). Ferner werde in dem Handbuch ausgeführt: „Derzeit vorhandene Versorgungseinrichtungen ermöglichen keine arteigene und verhaltensgerechte Versorgung von nicht abgesetzten Kälbern mit Tränke beziehungsweise Futter (...). Insofern können Transportmittel derzeit nicht für die lange Beförderung von nicht abgesetzten Kälbern zugelassen werden“ (Handbuch, a.a.O., S. 17). Das bedeute, dass derzeit keine zulassungsfähigen Transportfahrzeuge mit einem geeigneten automatischen Versorgungssystem für nicht abgesetzte Kälber am Markt verfügbar seien. Auch das von der Antragstellerin vorgesehene Fahrzeug erfülle die genannten Bedingungen nicht. Daher sei der Antrag abzulehnen. Nach einer dem Landratsamt vorliegenden, noch nicht veröffentlichen Stellungnahme des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI - Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit) werde zudem nicht nur die Tränkung, sondern auch die Fütterung von nicht abgesetzten Kälbern auf einem Langstreckentransport als erforderlich angesehen. Auch die Fütterung könne nicht auf dem LKW, sondern nur in einer zugelassenen Kontrollstelle erfolgen. Nach Aufnahme einer Milchmahlzeit benötigten die Kälber eine dreistündige Ruhezeit, was den Aufenthalt in der Versorgungsstelle verlängere. Davon ausgehend erscheine auch die Planung der Antragstellerin hinsichtlich der Versorgungsmethode und des Zeitablaufs nicht plausibel. Es bestünden unabhängig davon erhebliche Zweifel, ob die in der Planung angegebenen Zeitintervalle (d.h. im Kern die Fahrzeiten für die Streckenabschnitte) wirklichkeitsnah seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 02.12.2019 Widerspruch.
Auf ihren am 04.12.2019 bei dem Verwaltungsgericht gestellten Eilrechtsantrag hat das Verwaltungsgericht den Antragsgegner mit Beschluss vom 09.12.2019 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Fahrtenbuch der Antragstellerin für den Transport von 200 nicht abgesetzten Kälbern für den 10.12.2019 unter Berücksichtigung einer weiteren Fahrtdauer von zwei Stunden entsprechend Nr. 1.8. des Kapitels V des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 zu stempeln. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, die Antragstellerin habe sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die sich aus Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ergebenden Voraussetzungen für einen Tiertransport seien bei dem von der Antragstellerin beabsichtigten Transport erfüllt, wenn man die im Tenor des Beschlusses ausgesprochene Fahrzeitverlängerung einkalkuliere. Das von der Antragstellerin eingeplante Transportmittel erfülle insbesondere die Voraussetzungen aus Kapitel VI des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1/2005. Dass die sich aus Nr. 2.1 und 2.2 ergebenden Voraussetzungen erfüllt würden, werde vom Landratsamt nicht bestritten und sei zudem durch die Zulassung des Transportmittels nach Art. 18 der Verordnung sichergestellt. Das von dem Landratsamt darüber hinaus geforderte, einen zweiphasigen Saugakt ermöglichende automatische Versorgungssystem sei ausweislich des Kapitels VI nicht vorzuhalten. Das von dem Landratsamt für diese Anforderung in Bezug genommene „Handbuch Tiertransporte“, das ein solches Versorgungssystem als Voraussetzung anführe, habe keinen für das Gericht verbindlichen Charakter und gehe zudem in der Annahme fehl, dass die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ein solches System voraussetze. Auch die vom Landratsamt geforderte längere Pause zur Fütterung der Kälber lasse sich der Transportverordnung nicht entnehmen und sei nur auf die nicht verbindliche Stellungnahme des FLI zurückzuführen.
Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 09.12.2019 den Beteiligten am selben Tag vorab per Fax übermittelt.
Am 10.12.2019 hat der Antragsgegner gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt, diese zunächst nicht begründet und beantragt, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts abzulehnen.
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Am selben Tag hat das Landratsamt den von der Antragstellerin angemeldeten Transport gleichwohl abgefertigt und das Fahrtenbuch der einstweiligen Anordnung entsprechend gestempelt. Die Antragstellerin hat den Transport daraufhin am 10. und 11.12.2019 durchgeführt und „das Verfahren“ für erledigt erklärt.
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Der Antragsgegner hat erwidert, er halte seine Beschwerde aufrecht. Insbesondere bestehe, auch nachdem sich die Sache zwischenzeitlich erledigt habe, weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung, ob der Beschluss des Verwaltungsgerichts bzw. die ursprüngliche Ablehnung des Landratsamts rechtmäßig gewesen sei. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass in Verfahren, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung beträfen, ein Fortsetzungsfeststellungantrag analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO unzulässig sei, weil die aufgrund summarischer Prüfung ergehende einstweilige Anordnung nicht zu einer rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versagung eines Verwaltungsakts führen könne (BVerwG, Beschl. v. 27.01.1995 - 7 VR 16.94 - NVwZ 1995, 586). Der vorliegende Fall unterscheide sich jedoch von dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall in wesentlichen Punkten. Durch den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts sei die Hauptsache vorweggenommen worden und dadurch, dass der Transport inzwischen erfolgt sei, seien vollendete Tatsachen geschaffen worden. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren könne somit vom Antragsgegner nicht erreicht werden. Die Vorwegnahme der Hauptsache setze darüber hinaus voraus, dass aus Sicht des Gerichts ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet sei. Damit einhergehend sei eine tiefergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage notwendig, als dies in der Regel in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Fall sei. Das Verwaltungsgericht habe das Bestehen eines Anspruchs der Antragstellerin auf Abfertigung des geplanten Kälbertransports dementsprechend vertieft geprüft und in den Gründen der angefochtenen Entscheidung vorbehaltlos bejaht. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache habe es in dem vom Bundesverwaltungsgericht 1995 entschiedenen Fall nicht gegeben. Die Verwerfung seiner (des Antragsgegners) Beschwerde als unzulässig würde seinen Rechtsschutz gleich doppelt verkürzen: einerseits durch die bereits in der Vorwegnahme der Hauptsache liegende Verkürzung des Rechtsschutzes und andererseits dadurch, dass dem Antragsgegner darüber hinaus auch noch verwehrt würde, das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Anspruchs auf die Transportabfertigung wenigstens für die Zukunft rechtsverbindlich klären zu lassen. Auch die Rechtsprechung sehe Fallkonstellationen, in denen nach Erledigung in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde weiterhin gegeben sein könne. In einer Entscheidung des erkennenden Senats (Beschluss vom 07.12.2009 - 1 S 1342/09 - NVwZ-RR 2010, 416) sei klargestellt worden, dass zwar im Regelfall kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben sein dürfte, dass aber durchaus Ausnahmefälle denkbar seien, in denen ein schutzwürdiges Interesse an der Klarstellung der Rechtslage bestehen könne. Vorliegend bestehe ein solches Forstsetzungsfeststellungsinteresse. Es bestehe nicht nur eine Wiederholungsgefahr. Es stehe vielmehr mit Sicherheit fest, dass weitere vergleichbare Fälle anstünden. Bereits am 17.12.2019 habe ein weiterer Kälbertransport durch die Antragstellerin stattgefunden, den das Landratsamt unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts abgefertigt habe. Neben den vom Landratsamt durchgeführten Transporten werde regelmäßig eine Vielzahl von vergleichbaren Transporten durchgeführt. In der Vergangenheit seien durchschnittlich zwei Transporte in der Woche abgefertigt worden. Die zum Anordnungsgrund gegebene Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach die Antragstellerin durch eine Nicht-Abstempelung des Fahrtenbuchs erheblich in ihrer Berufsausübung eingeschränkt werde, insbesondere weil nicht abgesetzte Kälber nach Überschreiten einer gewissen Altersgrenze für die Mastzucht nicht mehr zu verwenden seien und die übliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens deswegen nicht abgewartet werden könne, sei geradezu eine Einladung an alle Transportunternehmer, bei nicht abgesetzten Kälbern ebenso den Weg der einstweiligen gerichtlichen Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache zu gehen. Da nicht abgesetzte Kälber bereits nach zwei Lebensmonaten zu abgesetzten würden, könnten Transportunternehmer immer sagen, dass ihnen ein Abwarten auf ein zumindest mehrere Monate dauerndes Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden könne. Darüber hinaus seien die aufgeworfenen Rechtsfragen auch von grundsätzlicher Bedeutung und bundesweitem Interesse. Insbesondere zu den speziellen Transportbedingungen für nicht abgesetzte Kälber bei langer Beförderung und zur Überschreitung der regulären Transportzeiten liege bislang keine Rechtsprechung vor. Die Beschwerde sei auch begründet. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien - was näher ausgeführt wird - in wesentlichen Punkten unzutreffend.
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Der Antragsgegner beantragt zuletzt,
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„der Beschwerde stattzugeben und festzustellen, dass die Ablehnung durch den [Antragsgegner], das Fahrtenbuch der [Antragstellerin] für den Transport von 200 nicht abgesetzten Kälbern für den 10.12.2019 abzustempeln, rechtmäßig war“.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Beschwerde zu verwerfen.
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Sie meint, die Beschwerde sei unzulässig. Dem Antragsgegner fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil das von ihm geltend gemachte Feststellungsinteresse, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 27.01.1995 (a.a.O.) klargestellt habe, in einem Eilverfahren nicht befriedigt werden könne, weil eine einstweilige Anordnung nicht zur rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versagung des begehrten Verwaltungsakts (oder der sonstigen Leistung) führe. Zwar habe der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 07.12.2009 (a.a.O.) ausgeführt, dass ein schutzwürdiges Interesse an der Klarstellung der Unwirksamkeit einer angefochtenen Entscheidung nicht von vornherein vereint werden könne. Es sei aber nicht erkennbar, weshalb im vorliegenden Fall eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit im Eilverfahren erforderlich sein solle. Der Antragsgegner gehe unzutreffend davon aus, dass die Verwerfung der Beschwerde zu einer unzulässigen Verkürzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten führe. Ihm stünden verschiedene Handlungsmöglichkeiten offen, von denen er bislang keinen Gebrauch gemacht habe. Er habe seit Erlass des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 09.12.2019 bereits mehrere Transportanträge beanstandungslos genehmigt und keine Maßnahmen ergriffen, um die Anforderungen an die Planung und Abfertigung von Kälbertransporten zu konkretisieren. Er habe auch ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.11.2019 noch nicht beschieden. Es bleibe ihm zudem unbenommen, seine Rechtsauffassung in einem ähnlich gelagerten Fall im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens rechtsverbindlich überprüfen zu lassen. Die Beschwerde sei zudem - was näher ausgeführt wird - unbegründet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
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Die Beschwerde ist unzulässig.
19 
1. Dem Antragsgegner fehlt für die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren das Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Rechtsstreit hat sich zwischen den Instanzen erledigt, nachdem der Antragsgegner dem von der Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgten Begehren vollumfänglich entsprochen hat, indem er den von ihr für den 10.12.2019 angemeldeten Tiertransport abgefertigt, d.h. das Fahrtenbuch gestempelt hat.
20 
a) Das für jeden Rechtsbehelf erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem dann, wenn das prozessuale Vorgehen die Rechtsstellung des Beteiligten nicht verbessern kann und daher nutzlos ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urt. v. 21.12.2016 - 1 S 1843/16 - StAZ 2017, 213; Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 42 Rn. 350, W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., Vorb § 40 Rn. 30 ff, 38 ff. m.w.N.). Ausgehend hiervon besteht bei einer - wie hier - Erledigung des Rechtsstreits „zwischen den Instanzen“ nach der Rechtsprechung des Senats ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO in der Regel nicht mehr (vgl. Senat, Beschl. v. 09.01.2018 - 1 S 1899/17 - und v. 07.12.2009, a.a.O.). Insbesondere vermag der Wunsch nach einer günstigeren Kostenentscheidung als im Verfahren erster Instanz ein schutzwürdiges Interesse nicht zu begründen, wie sich dem Rechtsgedanken der in § 158 VwGO getroffenen Regelung entnehmen lässt, wonach eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht zulässig ist (Senat, Beschl. v. 09.01.2018, a.a.O.; vgl. zur Sonderkonstellation einer Beschwerde des Antragstellers im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, wenn der Antragsgegner den für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt zwischen den Instanzen aufhebt, Senat, Beschl. v. 19.03.2013 - 1 S 382/13 - m.w.N.)
21 
Aus dem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Beschluss des Senats vom 07.12.2009 (a.a.O.) folgt für den vorliegenden Fall nichts anderes. Der Senat hat in dieser Entscheidung sinngemäß klargestellt, dass bei einer Erledigung der Hauptsache zwischen den Instanzen im Klageverfahren der unterlegene Beteiligte grundsätzlich einen Rechtsbehelf gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit dem Ziel einlegen kann, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Daran kann ein berechtigtes Interesse bestehen, weil das angefochtene Urteil bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten im zweitinstanzlichen Verfahren für unwirksam zu erklären ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend) und der erstinstanzlich unterlegene Beteiligte auf diese Weise verhindern kann, dass die Entscheidung in Rechtskraft erwächst (s. näher zu mit diesem Ziel eingelegten Rechtsbehelfen W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, a.a.O., § 146 Rn. 42; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 146 Rn. 42; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124a Rn. 337; jeweils m.w.N.).
22 
Der Senat hat in dem genannten Beschluss vom 07.12.2009 (a.a.O.) weiter klargestellt, dass diese für die Anfechtung eines Urteils, also für Hauptsacheverfahren, geltenden Erwägungen allerdings nicht ohne Weiteres auf einen Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes übertragen werden können. Denn ein Urteil nimmt - jedenfalls in aller Regel - für sich in Anspruch, die Rechtslage abschließend zu klären, sodass aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine gerichtliche Klarstellung der Unwirksamkeit der Entscheidung geboten sein kann. Ein Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erhebt einen solchen Anspruch hingegen nicht und beruht in der Regel auf einer nur summarischen Bewertung der Rechtslage (vgl. Senat, Beschluss vom 07.12.2009, a.a.O.). Die Einlegung einer Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Beschluss, der in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen ist, mit dem Ziel, diesen Beschluss für unwirksam erklären zu lassen, kommt daher grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn ungeachtet der geringeren Tragweite eines solchen Eilrechtsbeschlusses ausnahmsweise ein - abgesehen von der insoweit unbeachtlichen Kostenfolge (arg. e § 158 VwGO) - schutzwürdiges Interesse an der gewünschten Klarstellung der Unwirksamkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 07.12.2009, a.a.O.).
23 
Diese Erwägungen aus dem Senatsbeschluss vom 07.12.2009 (a.a.O.) vermögen dem Antragsgegner im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil er mit seiner Beschwerde nicht das in dem Senatsbeschluss allein erwogene Ziel verfolgt, den Rechtsstreit im Beschwerdeverfahren für erledigt zu erklären, um auf diese Weise eine Unwirksamkeitserklärung des angefochtenen Beschlusses zu erreichen. Das von dem Antragsgegner mit seiner Beschwerde verfolgte Ziel geht darüber vielmehr weit hinaus. Er möchte den Rechtsstreit nicht im Beschwerdeverfahren für erledigt erklären, sondern ist der Erledigungserklärung der Antragstellerin ausdrücklich entgegengetreten und hat sinngemäß beantragt, festzustellen, dass seine mit Bescheid vom 28.11.2019 erfolgte Ablehnung des Antrags der Antragstellerin, den fraglichen Tiertransport abzufertigen, rechtmäßig war. Der Antragsgegner möchte die Beschwerde mithin nicht mit dem Ziel der bloßen Unwirksamkeitserklärung der erstinstanzlichen Entscheidung, sondern mit dem Ziel einer gerichtlichen Feststellung fortführen (vgl. zu dieser Unterscheidung auch BayVGH, Beschl. v. 18.07.2016 - 11 ZB 16.299 - juris und v. 03.09.2015 - 11 ZB 15.1104 - juris; OVG NRW, Beschl. v. 02.01.2012 - 13 B 1508/11 - juris; SächsOVG, Beschl. v. 06.01.2011 - 4 B 79/10 - juris). Dafür ist in einem - wie hier - Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch kein Raum.
24 
Bereits in einem Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) kommt es nur in Ausnahmefällen in Betracht, dass der vor Eintritt der Erledigung die Klageabweisung beantragt habende Beklagte auf den Eintritt der Erledigung und eine Erledigungserklärung des Klägers mit einem Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines vom Kläger angefochtenen Verwaltungsaktes reagieren kann. Eine solche Vorgehensweise setzt ein analog § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO zu bestimmendes „Beklagten-Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ im Erledigungsstreit voraus (s. näher dazu BVerwG, Urt. v. 18.04.1986 - 8 C 84.84 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69, und v. 25.03.1981 - 8 C 85.80 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 104; HessVGH, Urt. v. 27.11.2012 - 9 C 491/11.T - juris; R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, a.a.O., § 161 Rn. 26 ff.; Neumann, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 161 Rdnrn. 162 ff.). In einem - wie hier - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO ist ein solcher Fortsetzungsfeststellungsantrag jedoch nicht statthaft. Eine entsprechende Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kommt in diesem Fall schon deswegen nicht in Betracht, weil das Feststellungsinteresse, das einen solchen Antrag allein rechtfertigt, in einem Eilverfahren nicht befriedigt werden kann. Die aufgrund summarischer Prüfung ergehende einstweilige Anordnung dient der Sicherung eines Rechts oder der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Sie führt jedoch nicht zu einer rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versagung des begehrten Verwaltungsakts. Eine verbindliche Entscheidung über diese Frage trotz zwischenzeitlicher Erledigung der Hauptsache herbeizuführen ist aber gerade Sinn der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Sie ist daher nur in einem Hauptsacheverfahren möglich (BVerwG, Beschl. v. 27.01.1995, a.a.O.; ebenso Senat, Beschl. v. 20.03.2018 - 1 S 493/18 -; OVG NRW, Beschl. v. 11.11.2019 - 6 B 1349/19 - juris, und v. 19.02.2013 - 12 B 1259/12 - juris; HambOVG, Beschl. v. 02.08.2019 - 4 Bs 219/18 - AuAS 2019, 209; BayVGH, Beschl. v. 08.04.2019 - 10 CE 19.444 - juris; SächsOVG, Beschl. v. 07.12.2018 - 2 B 183/17 - juris; OVG Rh.-Pf.-, Beschl. v. 11.07.2017 - 7 B 11079/17 - juris; OVG Bln.-Brbg., Beschl. v. 26.08.2016 - OVG 12 S 37.16 u.a. - juris; Schoch, in: dems./Schneider/Bier, VwGO, 37. Erg.-Lfg., § 123 Rn. 36 m.w.N.).
25 
b) Ohne Erfolg wendet der Antragsgegner ein, im vorliegenden Einzelfall müsse deshalb etwas anderes gelten, weil das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Hauptsache vorweggenommen und den von der Antragstellerin geltend gemachten, mit der einsteiligen Anordnung zu sichernden materiellen Anspruch (auf Abfertigung des Tiertransports, d.h. auf Stempelung des Fahrtenbuchs) auch nicht lediglich summarisch, sondern voll geprüft und bejaht habe.
26 
Dieser Umstand ändert nichts daran, dass eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - hier auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - nicht dazu geeignet ist, verbindlich darüber zu entscheiden, ob die Ablehnung eines Antrags rechtmäßig war und ob spiegelbildlich der mit dem abgelehnten Antrag verfolgte materielle Anspruch besteht. Rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen binden die Beteiligten nur, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (vgl. § 121 VwGO). Streitgegenstand in einem Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung und von der materiellen Rechtskraft eines in einem solchen Verfahren ergangenen Beschlusses ist aber nicht der materielle - im Hauptsacheverfahren zu verfolgende - Hauptanspruch, sondern nur der im Eilverfahren geltend gemachte prozessuale Anspruch auf vorläufige Sicherung oder Regelung dieses Hauptanspruchs (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.04.1992 - 6 S 435/92 - NVwZ-RR 1992, 442; Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 123 Rn. 2 m.w.N.; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 7. Aufl., § 123 Rn. 12; Schoch, a.a.O., § 123 Rn. 59 f.; jeweils m.w.N.; zum Umfang der Rechtskraft Senat, Beschl. v. 06.11.2019 - 1 S 1987/19 -; Puttler, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 123 Rn. 131; zu § 322 ZPO Gottwald, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 322 Rn. 34; jeweils m.w.N.). Auch wenn das Verwaltungsgericht in einem Verfahren nach § 123 VwGO die Hauptsache vorwegnimmt und deshalb prüft, ob der zu sichernde Hauptanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. zu diesem Maßstab etwa Senat, Beschl. v. 25.03.2014 - 1 S 169/14 - NJW 2014, 2667), ändert das nichts daran, dass seine dahingehenden Ausführungen nur einen mittelbaren Prüfungsgegenstand (Funke-Kaiser, a.a.O., § 123 Rn. 12) betreffen und nicht in Rechtskraft erwachsen. Ein Antragsteller kann deshalb in einem Verfahren nach § 123 Abs. 1 VWGO keine - in den Worten des Antragsgegners - „verbindliche“ Entscheidung darüber erlangen, ob der von ihm geltend gemachte Anspruch besteht. Erst recht nicht kann ein Antragsgegner in einem solchen Verfahren nach Eintritt der Erledigung eine „verbindliche“ Entscheidung darüber erlangen, ob seine Entscheidung, den Antrag auf Erfüllung des vom Antragsteller geltenden gemachten materiellen Anspruchs abzulehnen, rechtmäßig war.
27 
c) Der Antragsgegner kann dem auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Verwerfung seiner Beschwerde als unzulässig würde seinen Rechtsschutz „gleich doppelt verkürzen“, einerseits durch die bereits in der Vorwegnahme der Hauptsache liegende Verkürzung des Rechtsschutzes und andererseits dadurch, dass ihm darüber hinaus auch noch verwehrt werde, das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Anspruchs auf die Transportabfertigung wenigstens für die Zukunft rechtsverbindlich klären zu lassen.
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Unabhängig von der Frage, ob sich der Antragsgegner als juristische Person des öffentlichen Rechts überhaupt auf Art. 19 Abs. 4 GG oder den im Wesentlichen inhaltsgleichen allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch berufen kann (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 22.02.2019 - 2 BvR 2203/18 - NVwZ 2019, 642, v. 06.09.2016 - 1 BvR 1305/13 - NVwZ 2017, 53, und v. 29.05.2007 - 2 BvR 695/07 - NVwZ 2007, 509), geht seine Annahme fehl, dass im vorliegenden Verfahren eine „Rechtsschutzverkürzung“ erfolgt. Die oben dargelegte Ausgestaltung des Prozessrechts steht mit den aus der Rechtsschutzgarantie folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang.
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Keine „Rechtsschutzverkürzung“ stellt es dar, dass die Verwaltungsgerichte in bestimmten Fällen, namentlich bei andernfalls drohenden erheblichen, über Randbereiche hinausgehenden, nicht wiedergutzumachenden Verletzungen von Grundrechten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Hauptsache vorwegnehmen können. Dies ist im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG nicht bedenklich, sondern wird im Gegenteil von dem dort normierten Gebot des effektiven Rechtschutzes - hier des Schutzes der Rechte der Antragstellerin - gefordert (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 12.03.1999 - 1 BvR 355/99 - NVwZ, 866; BVerwG, Beschl. v. 09.12.1999 - 6 B 35.99 - juris m.w.N.). Den Interessen der jeweiligen Antragsgegner wird auch in diesen Sonderfällen hinreichend Rechnung getragen. Das geschieht dadurch, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Hauptsache vorweggenommen wird, grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn der im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch über den Grad einer „normalen“ Glaubhaftmachung hinaus (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) tatsächlich und rechtlich eingehend geprüft wird, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.03.1999, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.12.1999, a.a.O., m.w.N.).
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Soweit der Antragsgegner darüber hinaus bemängelt, ihm werde es bei einer Verwerfung seiner Beschwerde als unzulässig verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf die Transportabfertigung wenigstens für die Zukunft rechtsverbindlich klären zu lassen, ist auch dieser Einwand nicht begründet und auch damit keine „Rechtsschutzverkürzung“ aufgezeigt. Der Antragsgegner übersieht auch in diesem Zusammenhang, dass eine „rechtsverbindliche“ Beantwortung der Frage, ob der von der Antragstellerin geltend gemachte materielle Hauptanspruch besteht, in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des Streitgegenstands eines solchen Verfahrens und wegen des auf diesen Streitgegenstand beschränkten Umfangs der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung nicht zu erreichen ist (vgl. oben unter b)). Unabhängig davon hat der Antragsgegner mit seinem insoweit pauschalen Vortrag nicht dargelegt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), weshalb es keine anderen Möglichkeiten geben soll, die zwischen den Beteiligten umstrittenen Rechtsfragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 in einem Hauptsacheverfahren, etwa im Rahmen einer Feststellungsklage (vgl. zu einer solchen im Anwendungsbereich der genannten Verordnung BVerwG, Urt. v. 07.07.2016 - 3 C 23.15 - BVerwGE 155, 381) oder einer Anfechtungsklage gegen konkretisierende Verwaltungsakte des Antragsgegners, zu klären.
31 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG und folgt in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
32 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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