Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 9 S 2943/19

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. September 2019 - 6 K 2728/19 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Veröffentli-chung eines lebensmittelrechtlichen Verstoßes, der in der Folge einer am 19.02.2019 in ihrer Filiale in R. durchgeführten Betriebskontrolle festgestellt wurde. Bei dieser Kontrolle wurden eine Probe des Frittierfettes sowie eine Probe von damit hergestellten Berlinern entnommen. Die Proben wurden im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg (CVUA) untersucht und mit Gutachten vom 09.04.2019 beanstandet. Aufgrund der sensorischen und analytischen Ergebnisse sei die Probe „Frittierfett aus Fettbackgerät“ unter Berücksichtigung der Kriterien nach Art. 14 Abs. 3 und Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 als zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der VO (EG) Nr. 178/2002 zu beurteilen. Sofern die vorliegende Probe Berliner mit dem vorliegenden Frittierfett hergestellt worden sei, wovon anhand der hohen Gehalte an polymeren Triglyceriden in dem aus dem „Berliner“ extrahierten Fett ausgegangen werden könne, so sei auch die vorliegende Probe Berliner unter Berücksichtigung der Kriterien nach Art. 14 Abs. 3 und Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 als zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der VO (EG) Nr. 178/2002 zu beurteilen.
Mit Anhörungsschreiben vom 14.06.2019 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin über die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und teilte mit, er beabsichtige, den Verstoß gemäß § 40 Abs. 1a LFGB auf der Internetseite des Landratsamtes Konstanz zu veröffentlichen, in der Spalte Sachverhalt/Grund der Beanstandung mit dem Text: „Frittierfett war unbrauchbar und verdorben und damit hergestellte Berliner nicht zum Verzehr geeignet.“
Der Antragsteller hat am 24.06.2019 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel gestellt, dem Antragsgegner die Veröffentlichung einstweilen zu untersagen. Mit Beschluss vom 26.09.2019 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.
II.
Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte sowie fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO) Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern sein soll und auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner aufzugeben, die geplante Information der Öffentlichkeit zu unterlassen, zu Unrecht entsprochen hat (grundsätzlich zum vorläufigen Rechtsschutz in diesen Fällen vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.05.2019 - 9 S 584/19 - und vom 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, jeweils juris).
1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Antragstellerin (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9.11 -, BVerwGE 141, 329; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.11.2006 - 1 S 2321/05 -, VBlBW 2007, 340; Senatsbeschlüsse vom 12.02.2020 - 9 S 2637/19 -, juris, vom 21.05.2019 und vom 28.01.2013, jeweils a. a. O.). Der Anspruch setzt voraus, dass sich die Veröffentlichung als rechtswidriger Eingriff in dieses Grundrecht darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012, a. a. O.).
Als den Eingriff rechtfertigende Befugnisnorm kommt allein § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs vom 23.04.2019 (BGBl. I S. 498) in Betracht, der in dem hier gegenständlichen Anwendungsbereich nicht wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28.11.2019 - 9 S 2662/19 -, juris).
In dieser Fassung ist die Vorschrift am 30.04.2019 in Kraft getreten. Da für die gerichtliche Prüfung des Begehrens der Antragstellerin in materieller Hinsicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgeblich ist, ist die geänderte Fassung mangels besonderer Übergangsregelungen im vorliegenden Verfahren anzuwenden (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 20.10.2014 - 9 S 1996/13 -).
Ob die Gesetzesänderung in verfahrensrechtlicher Hinsicht Änderungen gebracht hat, wie die Antragstellerin meint, kann dahinstehen. Denn es ist ein allgemeiner Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts, dass bereits begonnene Verfahren - wie hier - im Fall einer Rechtsänderung nach dem neuen Verfahrensrecht zu Ende zu führen sind und (nur) abgeschlossene Verwaltungsverfahren abgeschlossen bleiben und nicht nach neuem Verfahrensrecht wiederholt werden müssen (vgl. § 96 Abs. 1 VwVfG; Senatsbeschluss vom 20.12.2014, a. a. O.; Kallerhoff/Keller, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 96 Rn. 1). Bis zur Veröffentlichung im Internet aber ist das Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen.
Im Übrigen erfassen auch nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts Rechtsänderungen grundsätzlich alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Fälle, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (BVerwG, Urteil vom 25.10.2017 - 1 C 21.16 -, BVerwGE 160, 128).
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Nach dem sonach in der aktuellen Fassung anwendbaren § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.
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Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht entschieden, die geplante Veröffentlichung erfülle nicht alle hierfür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm. Hinsichtlich des vom Antragsgegner gerügten Verstoßes liege kein hinreichend begründeter Verdacht im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB vor, weil durch das CVUA nur eine Untersuchung stattgefunden habe, aber zwei erforderlich gewesen wären. Das Erfordernis zweier Untersuchungen bestehe nach dem Wortlaut der Vorschrift dabei nicht nur in den Fällen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB, wie dies vom Antragsgegner angedeutet werde, sondern auch im Falle der übrigen Tatbestandsvarianten. Nicht erforderlich sei dabei die Untersuchung durch zwei unabhängige Stellen nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, da der Gesetzgeber im Vergleich zu der vor dem 30.04.2019 geltenden Rechtslage nunmehr klargestellt habe, dass die erforderlichen zwei Untersuchungen durch eine einzige Stelle vorgenommen werden könnten. Das Gutachten des CVUA Freiburg habe die Mangelhaftigkeit des am 19.02.2019 entnommenen Frittierfettes und die Ungeeignetheit der Berliner zum Verzehr zwar nachgewiesen. Es dokumentiere jedoch nur, dass eine einzige Untersuchung stattgefunden habe.
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Dem Vorbringen des Antragsgegners, von zwei Untersuchungen sei deshalb auszugehen, weil sowohl eine sensorische Untersuchung durch Geruchs- und Geschmacksbeurteilung als auch eine analytische Untersuchung des Gehalts an polymeren Triglyceriden durchgeführt worden sei, könne nicht gefolgt werden. Denn der sensorische Befund stehe zwar im Vordergrund, der analytische Befund diene daneben aber der Verobjektivierung und Bestätigung des sensorischen Befunds (ALS Stellungnahme 2006/14, Beurteilung von Frittierfett). Nur im Falle von nach der Verkehrsauffassung erheblichen Fehlern (z. B. schwarzbraunes Frittierfett mit verbranntem rauchigen Geruch) sei eine chemische Analyse möglicherweise verzichtbar (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.03.1987 - 5 Ss 8/87 - 4/87 H -, juris). Dieser Fall liege aber nicht vor. Die chemische Analyse sei deshalb als ein notwendiger Bestandteil ein und derselben Untersuchung anzusehen. Deshalb sei auch nicht ausreichend, dass insgesamt drei Prüfpersonen die sensorische Beurteilung vorgenommen hätten. Um dem Erfordernis zweier Untersuchungen gerecht zu werden, wäre daher zumindest eine zweite Messung des Gehalts an polymeren Triglyceriden im Frittierfett notwendig gewesen. Bei Untersuchungen durch ein und dieselbe Stelle werde insoweit von einer sogenannten Bestätigungsanalyse gesprochen (vgl. Nomos-BR/Boch LFGB/Thomas Boch, 7. Aufl. 2018, LFGB, § 40 Rn. 38 ff.). Diese sei notwendig, um - auch angesichts der Tragweite eines positiven Untersuchungsbefundes für die Antragstellerin - Messfehler auszuschließen. Die zusätzliche Untersuchung der Berliner-Proben stelle keine solche Bestätigungsanalyse dar. Zum einen überschreite der Gehalt an polymeren Triglyceriden des an den Berlinern anhaftenden Frittierfetts nicht den Grenzwert von 12 %, zum anderen wiesen die Berliner-Proben laut dem vorliegenden Gutachten keinen auffallenden Geruch oder Geschmack auf. Schließlich seien auch die Berliner-Proben selbst nur einmalig untersucht worden.
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Dem Erfordernis einer zweiten Untersuchung stehe nicht ein möglicherweise wirksam erklärter Verzicht auf eine Gegenprobe entgegen. Auch im Falle eines wirksam erklärten Verzichts seien zwei Untersuchungen erforderlich. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 1. HS LFGB bestehe grundsätzlich die Verpflichtung, eine gleichartige Probe zurückzulassen. § 43 Abs. 1 Satz 2 2. HS LFGB bestimme dabei, dass der Hersteller auf die Zurücklassung einer Gegenprobe verzichten könne. Das Verhältnis zwischen dem in § 40 Abs. 1a LFGB normierten Gebot von zwei Untersuchungen als Grundlage des hinreichend begründeten Verdachts und der Verpflichtung der Lebensmittelbehörde gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 LFGB, einen Teil der Probe zurückzulassen, sei unklar. Nicht abschließend geklärt sei nämlich, ob mit dem Erfordernis zweier Untersuchungen die Pflicht normiert werde, die zurückgelassene Probe ebenfalls zu untersuchen, oder ob von vornherein genügend Probematerial für eine zweite Untersuchung entnommen werden müsse. Im ersten Fall wäre denkbar, dass im Falle eines Verzichts auf die sogenannte Rückstellprobe im Ergebnis auch keine zweite Untersuchung erforderlich sei. Hiervon sei jedoch nicht auszugehen. Nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1a LFGB sei die Vornahme von zwei Untersuchungen in jedem Falle zwingend erforderlich, ohne dass die Möglichkeit eines Verzichts bestehe. Die Vorschrift sei gegenüber § 43 Abs. 1 LFGB als die speziellere Norm anzusehen, da sie die Information der Öffentlichkeit regele, in besonderem Maße in Rechtspositionen des Betroffenen eingreife und deshalb die tatbestandlichen Voraussetzungen ersichtlich nicht durch § 43 Abs. 1 LFGB überlagert werden sollten. § 40 Abs. 1a LFGB sei zudem auch die zeitlich später erlassene Norm. Die Unumgänglichkeit zweier Untersuchungen ergebe sich schließlich auch aus dem Gebot der verfassungskonformen Anwendung der Norm.
14 
Dem hält der Antragsgegner entgegen, durch den Gesetzgeber sei bei der Novellierung des § 40 Abs. 1a LFGB klargestellt worden, dass die in den akkreditierten amtlichen Laboren übliche Absicherung von festgestellten Grenzwert-, Höchstgehalts- oder Höchstmengenüberschreitungen bzw. von Nachweisen nicht zugelassener oder verbotener Stoffe durch eine weitere Untersuchung ausreiche. Aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 1a LFGB ergebe sich nicht, dass beide Untersuchungen mit derselben Untersuchungsmethode durchgeführt werden müssten. Vielmehr könnten je nach angewandter Analysemethode zur Verifizierung des ersten Untersuchungsergebnisses außer Doppelbestimmungen auch andere untersuchungstechnische Möglichkeiten genutzt werden wie z. B. mehrfache Aufarbeitungen oder die Anwendung verschiedener Analysemethoden (s. BR-Drs. 5/1/12 vom 27.01.2012).
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Den Begründungsansatz des Verwaltungsgerichts, dass das Gutachten des CVUA Freiburg nur dokumentiere, dass eine einzige Untersuchung stattgefunden habe, halte er deswegen für nicht zutreffend. Vielmehr zeigten die im Gutachten aufgeführten unterschiedlichen Methoden gerade auf, dass zwei Untersuchungen erfolgt seien. Einmal sei eine sensorische Untersuchung nach der Methode Sensorik ASU L 00.90-16 2006-12 erfolgt. Hierbei handele es sich um Untersuchungen, die nach DIN 10975 (Sensorische Prüfverfahren - Expertengutachten zur lebensmittelrechtlichen Beurteilung) gemäß § 64 LFGB u. a. hinsichtlich Aussehen, Geruch und Geschmack etc. erfolgten. Die sensorische Untersuchung sei durch drei Sachverständige, die hierzu einer gesonderten Qualifikation bedürften, durchgeführt worden. Bei der weiteren - zweiten - Untersuchung handele sich um die Feststellung von messbaren Werten an polymeren Triglyceriden mit der HPLC-RI DGF-Einheitsmethode C-III 3c (10). Bei den Untersuchungen handele es sich somit um Mehrfachuntersuchungen an der gleichen Probe mit zwei verschiedenen Verfahren, die unabhängig voneinander zur gleichen Aussage zur Verzehrfähigkeit führten. Dies sei mit der im Gutachten aufgeführten Wortwahl der „Objektivierung“ des sensorischen Untersuchungsbefundes durch die chemisch-analytische Untersuchung des Gehalts an polymeren Triglyceriden ausgedrückt worden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
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Das CVUA hat in seinem Gutachten vom 09.04.2019 auf die ALS-Stellungnahme 2006/14 „Beurteilung von Frittierfett (veröffentlicht im Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 1[2006]) verwiesen und diese zugrunde gelegt. Danach steht bei der Beurteilung der Verzehrsfähigkeit von Frittierfetten nach Art. 14 Abs. 2b in Verbindung mit Art. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 der sensorische Befund (Aussehen, Geruch, Geschmack) im Vordergrund. Bei danach nicht zum Verzehr geeigneten Frittierfetten dienen unabhängig voneinander folgende analytisch ermittelten Werte zur Objektvierung dieser Feststellung, wobei jedoch die Rauchpunktdifferenz durch andere Merkmale zu ergänzen ist: Petrolether-unlöslich oxidierte Fettsäuren, Polare Anteile, Rauchpunkt, Rauchpunktdifferenz, Säurezahl, Di- und oligomere Triglyceride. Das CVUA hat hier neben der sensorischen Beurteilung den Gehalt an polymeren Triglyceriden nach der DGF-Einheitsmethode C-III 3c (10) ermittelt. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass damit die nach dem Gesetz erforderlichen zwei Untersuchungen nicht vorliegen. Der Umstand, dass der sensorische Befund zwar im Vordergrund steht, der analytische Befund daneben aber der Verobjektivierung und Bestätigung des sensorischen Befunds dient, belegt, dass von zwei eigenständigen Untersuchungen nicht die Rede sein kann. Das gewonnene Ergebnis beruht gerade auf der Kombination beider Methoden, es handelt sich um zwei Untersuchungsschritte einer Untersuchung. Dies erhellt auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts darauf, dass nur im Falle von nach der Verkehrsauffassung erheblichen Fehlern (z. B. schwarzbraunes Frittierfett mit verbranntem rauchigen Geruch) eine chemische Analyse möglicherweise verzichtbar sei (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.03.1987 - 5 Ss 8/87 - 4/87 H, juris). Dieser Fall liegt hier nicht vor. Nach alledem ist die hier vorgenommene chemische Analyse als ein notwendiger Bestandteil ein und derselben Untersuchung anzusehen.
17 
Gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass auf eine zweite Untersuchung im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB auch nicht verzichtet werden könne, hat der Antragsgegner nichts erinnert. Der Senat teilt diese Auffassung unabhängig von der Frage, wer auf die Zurücklassung einer Gegenprobe nach § 43 Abs. 1 LFGB wirksam verzichten kann (vgl. dazu Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2019, § 43 LFGB Rn. 41a). Dies gilt insbesondere mit Blick auf Entstehungsgeschichte und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die normative Forderung nach mindestens zwei Untersuchungen soll gewährleisten, dass der Untersuchungsbefund vor seiner Veröffentlichung hinreichend abgesichert ist. Nach der insoweit eindeutig zum Ausdruck gekommenen Auffassung des Gesetzgebers reicht hierzu eine einzige Untersuchung nicht aus.
18 
§ 40 Abs. 1a LFGB wurde durch das Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation vom 15.03.2012 (BGBl. I S. 476) eingefügt. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf des § 40 Abs. 1a LFGB nannte als Voraussetzung für eine Veröffentlichung lediglich das Bestehen eines durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdachts eines näher bezeichneten Gesetzesverstoßes (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 10). Nach einer Sachverständigenanhörung empfahl der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Änderung des Gesetzestextes dahingehend, nach dem Wort „Tatsachen“ die Wörter „im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004“ einzufügen (BT-Drs. 17/7993 S. 5). Zur Begründung wurde ausgeführt, diese Änderung konkretisiere den für eine Veröffentlichung nach dem geplanten neuen § 40 Absatz 1a LFGB erforderlichen „durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdacht“ dahingehend, dass die Tatsachenbasis aus mindestens zwei unabhängigen Analyseergebnissen akkreditierter Laboratorien bestehen müsse (BT-Drs. 17/7993 S. 18). Diese Fassung ist sodann Gesetz geworden.
19 
Im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des LFGB in Folge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2018 (a. a. O.) hat der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft in seiner Beschlussempfehlung angeregt (BT-Drs. 19/8349 S. 6), § 40 Abs. 1a LFGB dahingehend zu ändern, dass nach den Wörtern „Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit“ das Wort „unverzüglich“ eingefügt wird und die Wörter „mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen“ durch die Wörter „von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle“ ersetzt werden. Dies ist so beschlossen worden. Dazu heißt es in der Begründung (BT-Drs. 19/8349 S. 19), dass mit der Änderung klargestellt werde, dass die zweite Untersuchung nicht in einem gesonderten Labor zu erfolgen habe. Eine solche Anforderung sei bereits dem jetzigen Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig zu entnehmen, weshalb klargestellt werden solle, dass die geforderte Doppeluntersuchung durch das gleiche Labor durchgeführt werden könne. Ein gesetzliches Erfordernis, die Proben jeweils durch zwei unterschiedliche amtliche Labore untersuchen zu lassen, wäre für viele Länder kaum vollziehbar, da sie in der Regel nur über ein akkreditiertes amtliches Labor verfügten. Die Klarstellung diene damit der Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs. Dennoch sei die Durchführung von Untersuchungen in Laboren weiterhin an hohe Anforderungen geknüpft. Sofern die zweite Untersuchung durch die gleiche Stelle erfolge, seien systematische Fehler insbesondere über die Einhaltung des Laborstandards zu vermeiden.
20 
Anhaltspunkte dafür, wie die letztgenannte Anforderung umgesetzt werden könnte, lassen sich dem Beschluss des OVG Lüneburg vom 14.06.2013 (13 ME 18/13, NVwZ-RR 2013, 831) entnehmen. Darin wird unter Hinweis auf die Niedersächsischen Vollzugshinweise zu § 40 Abs. 1a LFGB (a. F.) die übliche Bestätigungspraxis in den dortigen Untersuchungseinrichtungen dahingehend beschrieben, dies werde - soweit es möglich sei - durch zwei analysetechnisch vollständig unabhängige Untersuchungen an zwei Teilen der Probe mit getrennten Aufarbeitungsschritten und Messungen gewährleistet. Die zweite Untersuchung solle, soweit dies realisierbar sei, durch anderes technisches Personal als bei der ersten Untersuchung durchgeführt werden.
21 
Die besondere Bedeutung von zwei Untersuchungen kommt auch in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2018 zum Ausdruck. Dort hat das Bundesverfassungsgericht - zu der Vorgängerfassung des § 40 Abs. 1a LFGB - ausgeführt (juris Rn. 44):
22 
„Damit aber auch vor der bestandskräftigen Feststellung eines Verstoßes möglichst nur solche Informationen veröffentlicht werden, die sich auch nachträglich noch als richtig erweisen, sind an die Tatsachengrundlage des Verdachts von Verfassungs wegen hohe Anforderungen zu stellen. Dem wird § 40 Abs. 1a LFGB bei entsprechender Anwendung gerecht. § 40 Abs. 1a LFGB verlangt einen hinreichend begründeten Verdacht. Ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht der Behörde genügt nicht (vgl. BTDrucks 17/7374, S. 20). Vielmehr muss der Verdacht nach dem Wortlaut der Vorschrift durch Tatsachen hinreichend begründet sein. Für den Fall von Proben ist dies im Gesetz dahingehend konkretisiert, dass sich der Verdacht auf mindestens zwei unabhängige Untersuchungen gründen muss. Der Gesetzgeber hat die Behörde insoweit praktisch zu einer abschließenden Ermittlung der Tatsachen verpflichtet.“
23 
Aus alldem folgt jedenfalls auch, dass auf das Erfordernis von zwei Untersuchungen im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB nicht verzichtet werden kann.
24 
Da die erforderlichen zwei Untersuchungen im vorliegenden Fall nicht durchgeführt wurden, kann offen bleiben, wie der Umstand zu bewerten ist, dass bei der Gesetzesbegründung offenbar übersehen wurde, dass sich in der ursprünglichen Fassung das Wort „unabhängig“ sprachlich auf die Untersuchungen und nicht auf die Stellen bezog. Ein gewichtiger Unterschied zwischen der ursprünglichen Fassung und der geänderten Fassung besteht danach auch darin, dass die Untersuchungen nach der ursprünglichen Fassung voneinander unabhängig sein mussten, nach der neuen Fassung jedoch nicht (zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einen Verzicht auf dieses Erfordernis vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., § 40 LFGB Rn. 96 f.).
25 
Bleibt die Beschwerde schon danach erfolglos, bedarf keiner Vertiefung, dass durchaus zweifelhaft ist, ob hier das Merkmal der Unverzüglichkeit im Sinne § 40 Abs. 1a LFGB im Hinblick auf die Zeitdauer zwischen Probennahme bzw. Untersuchung und geplanter Veröffentlichung erfüllt ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 58; VG Frankfurt, Beschluss vom 12.12.2019 - 5 L 3285/19.F -, juris).
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
27 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. In Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 25.2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 hat der Senat den Auffangwert angesetzt und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abgesehen.
28 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

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