Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
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| Der Antragsteller wendet sich im vorliegenden Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO - nach mit Senatsbeschluss vom 11.05.2020 (1 S 1216/20) erfolgter Abtrennung eines weiteren Streitgegenstandes und sachdienlich ausgelegt - gegen § 1a Var. 3 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 09.05.2020, wonach der Betrieb von Kindertageseinrichtungen sowie die Kindertagespflege außerhalb des Haushalts des Erziehungsberechtigten bis zum Ablauf des 15.06.2020 untersagt ist, soweit nicht nach § 1b CoronaVO eine Notbetreuung betrieben wird. |
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| Der in Baden-Württemberg wohnhafte Antragsteller ist Geschäftsführer eines ..., Prokurist eines ... und in einer ... Verwaltung tätig. Seine Ehefrau ist Lehrerin in Elternzeit und derzeit aufgrund ... ... arbeitsunfähig erkrankt. Die Eheleute haben zwei gemeinsame Kinder, einen im ... geborenen Sohn und eine im ...-... ... geborene Tochter. Beide Kinder besuchen üblicherweise eine private Kindertageseinrichtung. Ihnen war der Besuch derselben nach der zum 17.03.2020 durch die Corona-Verordnung erfolgten Schließung von Kindertagesstätten zunächst nicht mehr möglich. Seit dem 27.04.2020 können sie an einer Notbetreuung teilnehmen, die allerdings nicht die zuvor üblichen Betreuungszeiten abdeckt, sondern täglich um 2,5 Stunden kürzer ausfällt. |
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| Der Antragsteller macht geltend, die Verordnungsbestimmungen zur Schließung von Kindestagesstätten seien mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und deshalb unwirksam. Sie stellten einen verfassungswidrigen Eingriff in seine allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), sein Grundrecht auf Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) und in sein Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG dar. Die Schließung der Kindertageseinrichtungen führe im Familien- und Arbeitsleben zu erheblichen Schwierigkeiten. Da er beide Kinder derzeit von zuhause aus oder im Büro betreuen müsse, seien insbesondere seine allgemeine Handlungsfreiheit und seine Berufsausübung beeinträchtigt und deren Ausübung teils unmöglich. Für die Eingriffe fehle es bereits an einer gesetzlichen Grundlage, weil § 28 IfSG mangels einschränkender Tatbestandsvoraussetzungen zu unbestimmt sei und das Infektionsschutzgesetz jedenfalls nur Generalklauseln für sehr kurzfristige Maßnahmen, nicht aber für mittel- bis langfristige Maßnahmen gegen gesunde Menschen enthalte. Die Schließung von Kindertageseinrichtungen sei zudem unverhältnismäßig. Deren Betrieb könne unter Einhaltung von Hygieneregeln und bei Verkleinerungen der Gruppen wieder erlaubt sein. Nach neueren Untersuchungen gehörten Kinder zudem kaum zu den Risikoträgern und „Treibern“ der Corona-Pandemie. Auch sei die Ansteckungsrate nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) inzwischen unter 1,0 gesunken. In seinem Wohnort liege sie bei 0,6. Es seien ferner die erheblichen negativen Auswirkungen der Isolation auf die Familien und Kinder in den Blick zu nehmen, darunter entwicklungspsychologische Schäden und das hohe Belastungs- und Konfliktpotential in Familien durch das gleichzeitige Arbeiten und Erziehen. Familien würden durch die momentane Situation erheblich belastet und der Antragsteller vor diesem Hintergrund auch in seinem Grundrecht auf Schutz seiner Familie aus Art. 6 GG verletzt. Durch die Verordnung würden zudem Kinderrechte verletzt, die zurzeit auch Gegenstand von Beratungen zu einem Gesetzentwurf für einen neuen Absatz 4a in Art. 6 GG seien. Er (der Antragsteller) sei dadurch auch selbst betroffen, die erhöhte psychische Belastung und die negativen Konsequenzen für die Arbeitssituation seien für ihn täglich spürbar. |
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| Der Antragsgegner ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 08.05.2020 entgegengetreten. Er macht unter anderem geltend, die angefochtene Regelung begründe keine Eingriffe in die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers (Art. 2 Abs. 1 GG) sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Der Antragsteller übersehe bei seinen Einwänden gegen die Erforderlichkeit der Maßnahme, dass in Kindertagesstätten allein mit Hygienevorschriften und einer Verkleinerung von Betreuungsgruppen den Gefahren einer Ausbreitung des Coronavirus nicht hinreichend vorgebeugt werden könne. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. |
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| Der sachdienlich ausgelegte Antrag (1.) ist zulässig (2.), aber nicht begründet (3.). |
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| 1. Der wörtlich darauf gerichtete Antrag des Antragstellers, § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 17.03.2020 in der ab 27.04.2020 gültigen Fassung (der Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 23.04.2020) bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen, ist bei sachdienlicher Auslegung (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) darauf gerichtet, den am 11.05.2020 in Kraft getretenen § 1a Var. 3 CoronaVO der am 09.05.2020 neu erlassenen Corona-Verordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Denn die von dem Antragsteller angegriffene und ursprünglich in § 1 Abs. 1 Nr. 3 CoronaVO a.F. enthaltene Bestimmung, wonach der Betrieb von Kindertageseinrichtungen sowie die Kindertagespflege (außerhalb des Haushalts des Erziehungsberechtigten und vorbehaltlich der Regelungen über die Notbetreuung) untersagt ist, wurde durch die Corona-Verordnung vom 09.05.2020, welche die Verordnung vom 17.03.2020 in der Fassung der Siebten Änderungsverordnung vom 02.05.2020 ersetzt und der Sache nach deren achte Änderung begründet, als neu gefasster § 1a Var. 3 CoronaVO übernommen. |
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| Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. zu dieser Voraussetzung Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 47 Rn. 387) und die gesonderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sind. Beides ist hier der Fall. |
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| a) Die Statthaftigkeit des Antrags in der Hauptsache folgt aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen der Landesregierung. |
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| c) Der Antragsteller ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische Person, die geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (ausf. dazu Senat, Urt. v. 29.04.2014 - 1 S 1458/12 - VBlBW 2014, 462, mit zahlreichen Nachweisen). Nach diesem Maßstab besteht die Antragsbefugnis. Der Antragsteller beruft sich zwar ohne Erfolg auf die Rechte anderer - hier die Rechte seiner Kinder - und auf Gesetzentwürfe für mögliche künftige, derzeit aber noch nicht existente Bestimmungen des Grundgesetzes. Es ist aber möglich, dass der Antragsteller auch in eigenen Grundrechten, jedenfalls in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), verletzt ist. |
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| d) Für den Antrag in der Hauptsache und den nach § 47 Abs. 6 VwGO liegt ein Rechtsschutzinteresse jeweils vor. Denn mit einem Erfolg seines Antrags könnte der Antragsteller seine Rechtsstellung verbessern. |
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| Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381; Beschl. v. 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N.; Beschl. v. 13.03.2017 - 6 S 309/17 - juris). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.1998 - 4 VR 2/98 - NVwZ 1998, 1065). |
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| An diesen Maßstäben gemessen bleibt der Antrag des Antragstellers ohne Erfolg. Ein gegen § 1a Var. 3 CoronaVO gerichteter Normenkontrollantrag hätte voraussichtlich keinen Erfolg (a)). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht im vorstehenden Sinn geboten (b)). |
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| a) Ein gegen § 1a Var. 3 CoronaVO gerichteter Normenkontrollantrag bliebe aller Voraussicht nach ohne Erfolg. |
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| aa) Für die Regelungen in § 1a Var. 3 CoronaVO besteht voraussichtlich eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG. Wenn - wie im Fall des Coronavirus unstreitig der Fall - eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Durchgreifende Bedenken gegen die Bestimmtheit dieser Norm bestehen nicht. |
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| bb) Die Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG dürfte für das in § 1a Var. 3 CoronaVO geregelte grundsätzliche Verbot auch dem Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt genügen (zu den Anforderungen vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.03.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. - BVerfGE 80, 1, 20; Beschl. v. 21.04.2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19; ausf. ebenfalls Senat, Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - m.w.N.). Denn der Gesetzgeber selbst hat in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG vorgesehen, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 die in § 33 IfSG genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon - darunter Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte (§ 33 Nr. 1 IfSG) - schließen kann (vgl. zu einem verordnungsrechtlichen Verbot von Ansammlungen und allen Zusammenkünften von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, ausf. Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O.). |
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| cc) Voraussichtlich ohne Erfolg bringt der Antragsteller vor, das Infektionsschutzgesetz enthalte lediglich Generalklauseln, die keine mittel- bis langfristigen Maßnahmen gegen - wie in seinem Fall - gesunde Menschen deckten. Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschl. v. 23.04.2020 - 1 S 1046/20 - und ausf. Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O.), ermächtigt § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern. Davon geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 3 C 16/11 - BVerwGE 142, 205, 213). Dass es überhaupt am Coronavirus Erkrankte gibt und insofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG erfüllt sind, steht außer Frage. Im Übrigen ist zu beachten, dass eine Vielzahl von Übertragungen des SARS-CoV-2-Viruses bereits in der präsymptomatischen Phase oder gar durch vollkommen symptomlose Überträger stattfinden können. Es stellt sich daher schon die Frage, ob eine Differenzierung von Störern und Nichtstörern im Falle von SARS-CoV-2 überhaupt sachgerecht ist (vgl. Senat, Beschl. v. 23.04.2020, a.a.O., unter Hinweis auf https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText20 [Ziff. 20]). Auch eine Beschränkung auf lediglich „kurzfristige“ Maßnahmen enthält § 28 Abs.1 IfSG nicht. Eine dahingehende Auslegung wäre weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dem auf die Bekämpfung von - häufig gerade nicht kurzfristigen - Infektionsgeschehen zu vereinbaren. |
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| dd) Die in § 1a Var. 3 CoronaVO angeordnete grundsätzliche Schließung von Kindertageseinrichtungen steht voraussichtlich auch mit Verfassungsrecht in Einklang und genügt insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. |
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| (1) Ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) liegt voraussichtlich nicht vor. |
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| (a) Es fehlt aller Voraussicht nach bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts. |
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| Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG richtet sich nicht gegen jedwede auch nur mittelbar wirkende Beeinträchtigung des Berufs. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung vielmehr nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.09.2010 - 1 BvR 1504/10 - GRUR-RR 2011, 217; Urt. v. 17.12.2002 - 1 BvL 28/95 u.a. -, BVerfGE 106, 175 und v. 20.04.2002 - 1 BvR 905/00 - BVerfGE 110, 274). Ein solcher Fall liegt hier voraussichtlich nicht vor. § 1a Var. 3 CoronaVO enthält eine Schließungsanordnung und bezieht sich damit nicht unmittelbar auf die Berufsausübung der Eltern, die ihre Kinder in der Einrichtung betreuen lassen möchten. Die Vorschrift weist aller Voraussicht nach auch keine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn Schließungen treffen alle Eltern von betreuungsbedürftigen Kindern ungeachtet ihrer beruflichen Betätigung (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium BVerfG, Urt. v. 20.04.2002, a.a.O.). |
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| (b) Jedenfalls wäre ein - unterstellter - Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Bei der Schließung von Kindertageseinrichtungen handelt es sich bei Annahme eines Eingriffs nicht um eine subjektive oder gar objektive Berufswahlregelung, sondern allenfalls um eine Berufsausübungsregelung. Solche Regelungen sind zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.09.2010 - 1 BvR 2005/10 - SozR 4-5562 § 8 Nr. 3 m.w.N.) und das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1994 - 4 C 11.94 - NVwZ 1995, 484). Diese Voraussetzungen sind aller Voraussicht nach erfüllt. |
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| (aa) § 1a Var. 3 CoronaVO dient einem legitimen Zweck. Der Verordnungsgeber verfolgt damit das Ziel, das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen und damit den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden staatlichen Schutzauftrag zu erfüllen, indem Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst verhindert werden und die Verbreitung des Virus zumindest verlangsamt wird (vgl. Senat, Beschl. v. 23.04.2020, a.a.O., und v. 09.04.2020, a.a.O.). |
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| (bb) Zur Erreichung dieses Zieles ist das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel einer grundsätzlichen Schließung von Kindertageseinrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer so genannten erweiterten Notbetreuung (vgl. § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO) voraussichtlich geeignet. |
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| Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, wobei dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung ein Beurteilungsspielraum zusteht (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.06.1984 - 1 BvR 1494/78 - BVerfGE 67, 157, 173 ff.; Beschl. v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145, 172 f.; je m.w.N.). |
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| Diese Anforderung dürfte die angeordnete grundsätzliche Schließung von Kindertageseinrichtungen erfüllen. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ist von der WHO als Pandemie eingestuft worden. Die Erfahrungen in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht von Mensch zu Mensch, insbesondere durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der persönlichen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. Das Verbot in § 1a Var. 3 CoronaVO bezweckt, wie gezeigt, die Verbreitung des Coronavirus durch Unterbrechung der Infektionsketten zu verlangsamen. Die Schließung einer Gemeinschaftseinrichtung wie einer Kindertageseinrichtung kann - wovon auch der Bundesgesetzgeber ausdrücklich ausgeht (§ 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 IfSG) - dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Denn der Kontakt von Menschen wird damit in einem Bereich, in dem typischerweise viele Menschen über längere Zeiträume und teils auf kleinem Raum zusammenkommen und wo deshalb besonders große Infektionsrisiken bestehen, vollständig oder zu einem großen Teil verhindert. |
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| Voraussichtlich ohne Erfolg bleibt der näher erläuterte Einwand des Antragstellers, Kinder gehörten nach Untersuchungen von Wissenschaftlern kaum zu den Risikoträgern und seien kein wesentlicher „Treiber“ der Pandemie, insbesondere seien Kinder selbst nur selten von den Coronavirus betroffen, zeigten im Erkrankungsfall meist milde oder keine Symptome und gebe es zu der Übertragung des Coronavirus über Kinder auf Dritte nur wenige Daten. Der Verordnungsgeber hat den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum bei der Schaffung von § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO nicht verlassen, wenn er davon ausgeht, dass die Schließung von Kindertageseinrichtungen dazu beitragen kann, Neuinfektionen zu verhindern. Das RKI hat die vom Antragsteller hervorgehobenen Umstände in seinen Einschätzungen der derzeitigen epidemiologischen Lage berücksichtigt. Es hat bei seiner Beurteilung insbesondere berücksichtigt, dass zur Frage, „inwiefern Kinder und Jugendliche zur Verbreitung von SARS-CoV-2 in der Bevölkerung beitragen, (...) bislang nur wenige Daten vor(liegen)“, und dass sich in den „meisten Studien zeigte (...), dass Kinder durch Erwachsene infiziert wurden“ (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html: „Was ist über COVID-19 bei Kindern bekannt?“, Stand 27.04.2020, letzter Abruf 11.05.2020). Das RKI hat allerdings auch zu bedenken gegeben, dass diese Ergebnisse „wahrscheinlich nicht auf die Alltagssituation übertragbar“ sind, da „die Bildungseinrichtungen während der meisten Untersuchungen geschlossen waren“. Es gelangt vor diesem Hintergrund zusammenschauend mit den übrigen derzeit vorhandenen Erkenntnissen zu der Einschätzung, dass es „[a]ufgrund der hohen Kontagiosität des Virus, dem engen Kontakt zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander und dem häufigeren symptomlosen bzw. milden Verlauf (...) plausibel (erscheint), dass Übertragungen stattfinden“ (RKI, a.a.O.). Bei diesem Erkenntnisstand kann der Verordnungsgeber die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen, die überwiegend von Kindern besucht werden, derzeit ohne Rechtsfehler als geeignetes Mittel zur Unterbindung von Infektionsketten ansehen. Das gilt umso mehr, als der Betrieb dieser Einrichtungen notwendigerweise auch die Anwesenheit von Erwachsenen - Beschäftigten und zeitweise Eltern - zur Folge hat. |
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| Die Eignung der Maßnahme kann der Antragsteller auch nicht mit Erfolg mit seinem Einwand in Zweifel ziehen, erste Modellstudien ließen „vermuten“, dass Schul- und Kitaschließungen weniger ausrichteten als das konsequente Aufspüren von Infizierten und die Veranlassung von Quarantänemaßnahmen. Die Eignung der von dem Verordnungsgeber ergriffenen Maßnahmen zur Erreichung des genannten Zieles wird nicht dadurch infrage gestellt, dass andere Maßnahmen auch und möglicherweise sogar noch mehr zur Zielerreichung beitragen können. Es bedarf daher keiner weiteren Ausführung dazu, dass der Antragsteller die angeführten „Modellstudien“ nicht konkret benannt hat. |
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| Ebenfalls ohne Erfolg bleiben in diesem Zusammenhang aller Voraussicht nach die Einwände des Antragstellers, es seien die erheblichen negativen Auswirkungen auf die Familien und Kinder in den Blick zu nehmen, darunter entwicklungspsychologische Schäden und das hohe Belastungs- und Konfliktpotential in Familien. Der Antragsteller verliert bei dieser Argumentation das von dem Verordnungsgeber verfolgte legitime Ziel aus dem Blick. Dieses besteht, wie gezeigt, darin, das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen und damit den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden staatlichen Schutzauftrag zu erfüllen, indem Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst verhindert werden sollen. Die Eignung einer Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen, dieses Ziel zu erreichen, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Maßnahme in anderen Lebensbereichen gravierende Nachteile mit sich bringen kann. |
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| (cc) Zur Erreichung des genannten Zieles ist das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel einer grundsätzlichen Schließung von Kindertageseinrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer so genannten erweiterten Notbetreuung (vgl. § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO) voraussichtlich auch erforderlich. |
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| Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber auch insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.06.1984, a.a.O., und v. 09.03.1994, a.a.O., jeweils m.w.N.). Solche gleich wirksamen, aber weniger einschränkenden Mittel hat der Antragsteller nicht aufgezeigt und sind voraussichtlich auch sonst nicht erkennbar. |
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| Insbesondere vermag die von dem Antragsteller in den Vordergrund gerückte Möglichkeit, dass Kindertageseinrichtungen generell wieder geöffnet werden und dabei Maßnahmen zur Einhaltung von Abstands- und Hygienevorgaben treffen, die Ansteckungsrisiken ersichtlich nicht in gleichem Maße wie ein vollständiger Verzicht auf die Zusammenkunft in der Gemeinschaftseinrichtung zu vermeiden. Denn bei solchen Zusammenkünften verbleiben Restrisiken, die angesichts des potenziell tödlichen Verlaufs der Krankheit zudem von erheblichem Gewicht sind. Das gilt bei einer Gemeinschaftseinrichtung zur Betreuung von jüngeren Kindern - auch bei einer Einteilung in kleinere Gruppen - in besonderem Maße. Bei lebensnaher Betrachtung dürfte es für Kindertagesstätten bereits vielfach eine „kaum zu bewältigende Aufgabe darstellen, bei der Betreuung der Kinder ein aus Gründen des Infektionsschutzes noch erforderliches Abstandsgebot sicherzustellen“ (so zutreffend Schl.-Holst. VG, Beschl. v. 30.04.2020 - 1 B 66/20 - juris). |
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| (dd) Das von dem Verordnungsgeber zur Erreichung des genannten Zieles gewählte Mittel einer grundsätzlichen Schließung von Kindertageseinrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer so genannten erweiterten Notbetreuung (vgl. § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO) stellt sich im Zeitpunkt der vorliegenden Senatsentscheidung auch noch als verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen) dar. |
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| Der - unterstellte - Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG ist von erheblichem Gewicht. Der Antragsteller hat zwar keine existenziellen Beeinträchtigungen, aber immerhin nachvollziehbar dargelegt, dass er derzeit auf keine anderen Betreuungsmöglichkeiten ausweichen kann und deshalb durch die Notwendigkeit, seine Kinder zuhause oder am jeweiligen Arbeitsplatz selbst zu betreuen, bestimmte berufliche Tätigkeiten teils „wenig produktiv“ und teils zeitweise gar nicht ausüben kann. |
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| Dem stehen jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands gegenüber. Auch nach den seit Mitte März andauernden Beschränkungsmaßnahmen und einer merklichen Abnahme der Infektionsgeschwindigkeit besteht derzeit weiterhin die Gefahr, dass ohne Kontaktbeschränkungen die Infektionsgeschwindigkeit wieder sehr schnell zunimmt und es zu einer Überlastung des Gesundheitswesens kommt (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 -, v. 28.04.2020 - 1 S 1068/20, und v. 30.04.2020 - 1 S 1101/20 -, je m.w.N.). Angesichts dessen sind die angeordneten Schließungen von Kindertageseinrichtungen voraussichtlich verhältnismäßig im engeren Sinne, zumal die nachteiligen Folgen für die Betroffenen durch Regelungen über die Gewährleistung der so genannten erweiterten Notbetreuung - von denen auch der Antragsteller in ganz erheblichem Umfang profitiert - etwas abgefedert werden. Wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen werden zudem durch Hilfsprogramme der staatlichen Stellen etwas abgemildert. Die Schließungen von Betreuungseinrichtungen unterliegt zudem als dauerhaft eingreifende Maßnahmen der Verpflichtung der Landesregierung zur fortlaufenden Überprüfung, insbesondere wie wirksam die Maßnahmen im Hinblick auf eine Verlangsamung der Verbreitung des Coronavirus sind und wie sich die Schließungen für die betroffenen Betriebe auswirken. Dass die Landesregierung bisher dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wäre, ist in keiner Weise ersichtlich (ähnlich zu anderen betrieblichen Schließungsanordnungen OVG Bln.-Bdbg., Beschl. v. 23.03.2020 - 11 S 12/20 - juris; BayVGH, Beschl. v. 30.03.2020 - 20 CS 20.611 - juris). Mit Inkrafttreten der Fünften, Sechsten und Siebten Corona-Verordnung sowie dem im Wege einer faktischen achten Änderung erfolgten Neuerlass der Verordnung am 09.05.2020 hat die Landesregierung in Reaktion auf die gesunkenen Neuinfektionszahlen erste Lockerungen ermöglicht (vgl. bereits Senat, Beschl. v. 28.04.2020 - 1 S 1068/20 -) und auch die Regelungen zur Notbetreuung ausgeweitet. |
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| (2) Ein verfassungswidriger Eingriff in andere Grundrechte des Antragstellers liegt voraussichtlich ebenfalls nicht vor. |
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| (a) Insbesondere ist das Grundrecht des Antragstellers auf Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG aller Voraussicht nach nicht verletzt. |
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| Die von dem Antragsteller beanstandeten Verordnungsregelungen zur grundsätzlichen Schließung von Kindertageseinrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer so genannten erweiterten Notbetreuung aus § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO) greifen voraussichtlich bereits nicht in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Als Freiheitsrecht schützt Art. 6 Abs. 1 GG vor Eingriffen des Staates in die Familie. Das Grundrecht berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81 <92>). Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie als einen geschlossenen, gegen den Staat abgeschirmten Autonomie- und Lebensbereich (BVerwG, Urt. v. 29.10.1992 - 2 C 24.90 - BVerwGE 91, 130; v. Coelln, in: Sachs, GG, 8. Aufl., Art. 6 Rn. 22 m.w.N.) und insbesondere das Zusammenleben von Eltern und Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft (BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 - 1 BvR 37/85 - BVerfGE 79, 203 m.w.N.). Einen Eingriff in diesen Schutzbereich stellen alle staatlichen Maßnahmen dar, die die Ehe und Familie schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.10.1989 - 1 BvL 78/86 - 81, 1 <6>). Einen solchen Eingriffscharakter haben die angegriffenen Vorschriften voraussichtlich nicht. Sie bewirken, dass sich die Kinder des Antragstellers überwiegend bei diesem selbst aufhalten und von ihm zu betreuen sind. Damit wird insbesondere die familiäre häusliche Gemeinschaft nicht gestört. Die Maßnahme beeinträchtigt auch im Übrigen weder gezielt noch typischerweise das Zusammenleben in der Familie (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG, Beschl. v. 17.02.2010 - 1 BvR 529/09 - NVwZ 2010, 1022). Unabhängig davon würde sich ein - unterstellter - Eingriff in das Grundrecht als gerechtfertigt, insbesondere aus den oben genannten, und insoweit entsprechend geltenden Gründen (1) als verhältnismäßig erweisen. |
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| (b) Auch das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 6 Abs. 2 GG wird durch die angegriffenen Verordnungsbestimmungen aller Voraussicht nach nicht verletzt. |
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| Nach Art. 6 Abs. 2 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (Satz 1), wobei über ihre Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht (Satz 2). Jenes Recht umfasst zwar die Befugnis der Eltern, in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll. Die Eltern sind daher berechtigt, vorbehaltlich des Art. 7 GG in eigener Verantwortung insbesondere zu bestimmen, ob und inwieweit sie andere zur Erfüllung ihres Erziehungsauftrags heranziehen wollen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91 u.a. - BVerfGE 99, 216; Uhle, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 42. Ed., Art. 6 Rn. 27a; jeweils m.w.N.). In dieses Recht greift der Verordnungsgeber jedoch durch eine grundsätzliche und vorübergehende Schließung von Kindertageseinrichtungen allein aller Voraussicht nach nicht ein. Denn die Ausübung des genannten Entscheidungsrechts wird durch die bloße Herausnahme einer Betreuungsmöglichkeit aus dem Kreis der potenziellen betreuungswilligen Dritten nicht beeinträchtigt. Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistet die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit unter den vorhandenen, zur Kinderbetreuung bereiten Personen, schützt aber nicht vor Veränderungen des Marktes für Betreuungseinrichtungen. Jedenfalls würde sich ein - unterstellter - Eingriff in das Grundrecht als gerechtfertigt, insbesondere aus den oben genannten, und insoweit entsprechend geltenden Gründen (1) als verhältnismäßig erweisen. |
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| (c) Die vom Antragsteller angefochtene Regelung verletzt aller Voraussicht nach auch keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. |
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| Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (BVerfG, Beschl. v. 07.02.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auch auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich auch die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.02.2012, a.a.O., und v. 08.06.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 <445>; jeweils m.w.N.). |
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| (d) Die von dem Antragsteller beanstandete Verordnungsregelung zur grundsätzlichen Schließung von Kindertageseinrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer so genannten erweiterten Notbetreuung aus § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO) verletzt ihn aller Voraussicht nach auch nicht in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. |
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| Dieses Grundrecht schützt die körperliche Bewegungsfreiheit. Es bedarf im vorliegenden Eilrechtsverfahren keiner Entscheidung der im Einzelnen - wegen des Hintergrunds der Norm im Habeas-Corpus-Recht und des Normzusammenhangs mit Art. 104 Abs. 2 GG - umstrittenen Fragen, ob damit ohne weitere Voraussetzungen die Freiheit erfasst ist, sich an beliebige Orte zu bewegen (vgl. zum Meinungsstand, Murswiek/Rixen, in: Sachs, a.a.O., Art. 2 Rn. 228 ff.; Lang, in: Epping/Hillgruber, a.a.O., Art. 2 Rn. 84; jeweils m.w.N.), und unter welchen Voraussetzungen Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit als Eingriffe anzusehen sind (vgl. dazu Lang, a.a.O., Art. 2 Rn. 86 ff.). Selbst wenn das durch § 1a Var. 3 CoronaVO geschaffene Hindernis, Kindertageseinrichtungen zu betreten, als Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG einzuordnen wäre, würde sich dieser Eingriff aller Voraussicht nach als gerechtfertigt, insbesondere aus den oben genannten, und auch hier entsprechend geltenden Gründen (1) als verhältnismäßig erweisen. |
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| (e) Der durch § 1a Var. 3 CoronaVO bewirkte Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers (Art. 2 Abs. 1 GG) ist verfassungsrechtlich ebenfalls gerechtfertigt, insbesondere aus den genannten Gründen verhältnismäßig. |
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| b) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO geboten. |
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| Dies folgt bereits daraus, dass ein Normenkontrollantrag, wie gezeigt (a)), voraussichtlich unbegründet ist. In einem solchen Fall ist - wie oben dargelegt - der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Unbeschadet dessen ist eine erhebliche, die von dem Antragsgegner vorgebrachten Interessen des Schutzes von Leib und Leben überwiegende Beeinträchtigung seiner Belange dadurch, dass die Verordnungsregelungen zur grundsätzlichen Schließung von Kindertageseinrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer so genannten erweiterten Notbetreuung aus § 1a Var. 3 i.V.m. § 1b CoronaVO) gelten, nicht ersichtlich. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller von der genannten Notbetreuung in zeitlich beschränktem, aber gleichwohl nicht unerheblichem Maße profitiert. Verbleibende Einschränkungen, die sich durch die Notwendigkeit der Betreuung der eigenen Kinder ergeben, sind ihm im Rahmen der gebotenen Abwägung zumutbar. |
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| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. |
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