Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 8 S 702/19

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2019 - 11 K 7631/16 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 18. Juni 2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Oktober 2016 werden aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Aufhebung der seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, erteilten Baugenehmigung zur Errichtung einer Grenzgarage mit Dachstellplätzen.
Der Kläger ist Teil einer Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren gemeinschaftlichem Eigentum das Grundstück Flurstück-Nr. ..., ... Straße ..., in ..., steht. Auf diesem Grundstück befindet sich ein Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen. Die Wohnungen im Erdgeschoss und im Obergeschoss auf der Nordseite des Gebäudes stehen im Sondereigentum des KIägers. Das Grundstück grenzt im Norden an das Baugrundstück des Beigeladenen, Flurstück-Nr. ..., ... Straße ..., und im Westen an die ... Straße. Von der ... Straße fällt das Gelände auf dem Baugrundstück angeböscht von Westen nach Osten ab. Die Böschung wird durch eine mehrere Meter hohe, L-förmig ausgeführte Stützmauer nach Osten und Süden hin abgefangen. Auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft befindet sich ebenfalls eine Stützmauer, die parallel zur ... Straße verläuft.
Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Nördliches Bürgfeld“ der Stadt ... vom 01.06.1966/12.05.1967 in einem als reines Wohngebiet (WR) ausgewiesenen Bereich. Der Bebauungsplan setzt straßenseitig auf Höhe der vorhandenen westlichen - versetzt ausgeführten - Gebäudeabschlüsse Baugrenzen fest. Zwischen den Gebäuden sieht der Bebauungsplan innerhalb der Baugrenzen Flächen für Garagen vor. Nebenanlagen in Form von Gebäuden lässt er außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen nicht zu.
Am 18.08.2014 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau einer auf Grundstücksniveau über einen rückwärtigen Weg anfahrbaren Doppelgarage mit zwei auf Straßenniveau von der ...-Straße aus anfahrbaren Dachstellplätzen. Diese soll außerhalb der nach dem Bebauungsplan überbaubaren Grundstücksfläche unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft errichtet werden. Geplant ist eine Gebäudelänge von 6 m bei einer Höhe von 4,315 m bis zur Oberkante eines auf dem Dach vorgesehenen, 25 cm hohen Geländers. In den Bauvorlagen ist die Höhe der südlichen Wand der Garage auf der Westseite - offensichtlich ausgehend von der in diesem Bereich zur ... Straße hin beibehaltenen Böschung - mit 1,875 m angegeben; die Wandfläche wird mit 24,4 m2 berechnet.
Die bisher auf dem Baugrundstück bestehende Stützmauer soll durch die Garage ersetzt werden. Deren südliche Außenwand soll unmittelbar an die im Grenzbereich (vom Baugrundstück gemessen) 2,35 m hohe und 0,4 m breite Stützmauer auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft anschließen; weitere 15 cm werden nach der Genehmigungsplanung von der dortigen Böschung überdeckt.
Im durchgeführten Angrenzerbenachrichtigungsverfahren erhob der Kläger mit Schreiben vom 30.09.2014 Einwendungen. Der Bebauungsplan sehe in dem für die Errichtung der Garage vorgesehenen Bereich unbebaute Flächen vor. Er habe seine Wohnungen im Vertrauen auf die freie Sicht auf die angrenzenden Flächen erworben. Die geplante Doppelgarage mit überliegenden Stellplätzen beeinträchtigte die Sicht aus dem Wohnbereich erheblich und sei deswegen in keinem Fall hinnehmbar. Seine Wohnungen verlören hierdurch erheblich an Wert. Auf dem Baugrundstück seien außerdem genügend ebene Flächen zur Errichtung von Garagen oder Stellplätzen vorhanden, welche die Nachbarschaft nicht beeinträchtigten.
Die Stadt ... erteilte mit Schreiben vom 15.10.2014 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben.
Mit dem angegriffenen Bescheid vom 18.06.2015 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur überbaubaren Grundstücksfläche.
Auf Antrag des Klägers ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23.03.2016 - 11 K 4760/15 - zunächst die aufschiebende Wirkung des von ihm am 06.07.2015 erhobenen Widerspruchs an, da die Wandfläche 25 m2 überschreite und daher die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO für eine Privilegierung des Vorhabens als Grenzgarage nicht erfüllt seien. Bei der Berechnung müsse die Ansichtsfläche des Handlaufs zu der reinen Wandfläche addiert werden.
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Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2016 zurück. Die Privilegierungsvoraussetzungen seien erfüllt, da die zulässige Wandfläche mit 24,39 m2 eingehalten werde. Der Unterschied zur Berechnung des Verwaltungsgerichts ergebe sich daraus, dass dieses zum einen den Luftraum zwischen dem Handlauf und dem Wandabschluss hinzugerechnet, aber die vorhandene, parallel zur ... Straße verlaufende Stützmauer nicht abgezogen habe. Die vorgesehenen Stellplätze auf dem Garagendach könnten auch nicht mit einer Dachterrasse gleichgesetzt werden, von der sie sich in ihrer Nutzungsintensität deutlich unterschieden. Da kein Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften gegeben sei, liege auch keine unzumutbare Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung oder der Aussichtsmöglichkeit vor. Die Befreiung von den Baugrenzenfestsetzungen des Bebauungsplans verletze den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten, da diese allein auf städtebaulichen Gründen beruhten und nicht nachbarschützend seien.
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Am 15.11.2016 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 22.01.2019 abgewiesen hat. Auf eine mögliche Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur überbaubaren Grundstücksfläche könne sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, da diese nicht seinem Schutz dienten. Einer vorderen, straßenseitigen Baugrenze komme regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung, sondern lediglich die Funktion zu, die Anordnung der Gebäude zur Straße aus städtebaulichen Gründen zu gestalten. Hinweise, die hier gleichwohl für einen Nachbarschutz sprechen könnten, ergäben sich weder aus den Planunterlagen noch aus der Verfahrensakte zur Aufstellung des Bebauungsplans. Die Grenzgarage erweise sich auch nicht dem Kläger gegenüber als rücksichtslos. Sie halte die Abstandsvorschriften ein. Die Errichtung der Garage sei nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO ohne eigene Abstandsfläche entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zulässig, da sie die dort genannten Höchstmaße einer Wandhöhe bis 3 m und einer Wandfläche bis 25 m2 nicht überschreite. Da der Ermittlung der Wandhöhe gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO der höchste Punkt der Geländeoberfläche zugrunde zu legen sei, betrage diese auch unter Einbeziehung der auf dem Dach vorgesehenen niedrigen Mauer samt Geländer nur 1,875 m. Den Bauunterlagen sei zu entnehmen, dass die dem Kläger zugewandte Wand der Garage 4,315 m hoch und 6 m breit sein werde, so dass sich rechnerisch eine Wandfläche von 25,89 m2 ergebe. Hiervon müsse allerdings die Ansichtsfläche der Stützmauer auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft von 0,94 m2 abgezogen werden, da diese einen Teil der diesem Grundstück zugewandten Wandfläche verdecken werde und sich somit die Wandansichtsfläche reduziere. Auch der Umstand, dass auf dem Dach der Garage zwei Stellplätze für Kraftfahrzeuge errichtet werden sollten, führe nicht dazu, dass die Grenzgarage ihre abstandsflächenrechtliche Privilegierung verliere. Insbesondere falle die Nutzung des Garagendachs als Stellplatzfläche für Kraftfahrzeuge - im Unterschied zur Nutzung eines Garagendachs als Dachterrasse - dem Garagenbegriff. Zwar sei die Nutzungsintensität der Garage durch die beiden Dachstellplätze im Vergleich zu einer Grenzgarage ohne Dachstellplätze höher. Unzulässige, vom Gesetzgeber nicht als hinnehmbar erachtete Störungen gingen mit der Nutzung der Dachstellplätze jedoch nicht einher. Es sei auch nicht gerechtfertigt, die Ausmaße eines auf dem Dach der Garage abgestellten Kraftfahrzeugs bei der Berechnung der Wandhöhe und der Wandansichtsfläche zu berücksichtigen, da dieses nicht Teil der Garage bzw. der Garagenwand sei. Besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots anzunehmen, lägen nicht vor. Insbesondere gehe von dem Vorhaben auch unter Berücksichtigung der beiden Dachstellplätze keine rücksichtlos erdrückende Wirkung auf das benachbarte Wohnhaus aus.
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Am 08.03.2019 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das ihm am 20.02.2019 zugestellte Urteil eingelegt. Zur Begründung führt er aus, nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könnten Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung bei alten Bebauungsplänen unter Umständen nachbarschützende Wirkung entfalten, auch wenn sich eine solche nicht direkt aus dem Bebauungsplan, seiner Begründung oder den sonstigen Planunterlagen ergebe. Dies lasse sich auf die Festsetzung nicht überbaubarer Grundstücksflächen übertragen. Auch diese könnten ein die Planbetroffenen verbindendes Austauschverhältnis beinhalten. Der hier maßgebliche Bebauungsplan aus dem Jahr 1967 enthalte zum Nachbarschutz zwar keine Regelungen. Die Festsetzung der Baugrenzen trage aber der schwierigen Topografie Rechnung. So liege die ... Straße deutlich höher als die Gebäude und sei die Baugrenze gestaffelt derart festgesetzt, dass zur Straße und zur steilen Böschung hin noch genügend Abstand vorhanden sei, um gesunde Belichtungs- und Beleuchtungsverhältnisse zu erreichen und auch ein angemessenes Wohnklima zu gewährleisten. Gerade im Hinblick auf die besondere Topografie sei auch eine besondere Rücksichtnahme der einzelnen Grundstücksnachbarn notwendig und erforderlich, die in der Festsetzung der Baugrenzen zum Ausdruck komme.
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Bei der Errichtung der geplanten Garage und der Dachstellplätze entstünde für den Kläger insbesondere im Bereich seiner Erdgeschosswohnung, die hieran unmittelbar angrenze, eine unzumutbare Beeinträchtigung. Es drohe eine nachhaltige Verschattung insbesondere seiner Erdgeschosswohnung. Abgesehen davon, dass sich regelmäßig Personen auf dem Garagendach aufhielten und eine nachhaltige Einsichtsmöglichkeit in die Wohnungen gegeben sei, entfalte das Vorhaben eine erdrückende Wirkung in Form eines Abriegelungseffekts. Zwischen den Wohnungen und dem geplanten Garagengebäude lägen gerade einmal 2,50 m Abstand, so dass - auch wenn die Besonnung aufgrund der Nordlage nicht beeinträchtigt werde - dieses als „massiver Block“ in Erscheinung träte, der die Belichtungs- und Beleuchtungsverhältnisse gerade in dem Eckbereich des Gebäudes unzumutbar beeinträchtige. Selbst dann, wenn die Abstandsflächen eingehalten wären, bestünde doch im vorliegenden Fall eine Sondersituation durch den nachhaltigen Höhenunterschied zwischen der ...-... Straße und dem Gebäude. Jede weitere Beeinträchtigung der Belichtungs- und Beleuchtungssituation ginge damit einher, dass eine ausreichende Belichtung und Beleuchtung in seiner Erdgeschosswohnung nicht mehr gewährleistet wäre. Demgegenüber könne der Beigeladene keine nachvollziehbaren Gründe anführen, weshalb er eine Doppelgarage mit Dachstellplätzen außerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplans benötige.
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Schließlich habe das Verwaltungsgericht die Wandfläche fehlerhaft berechnet und sei deswegen zu Unrecht von der abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ausgegangen. Der Berechnung müsse die gesamte Garagenwand zugrunde gelegt werden, d.h. auch diejenige, die hinter der vorhandenen Stützmauer verschwinde. Maßgeblich sei insoweit nicht die Wandfläche, die vom Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft aus sichtbar sei, sondern diejenige, die die Garage an der Grundstücksgrenze tatsächlich aufweise und die dort nicht durch Erdreich überdeckt sei. Unerheblich sei hingegen, ob an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf dem Nachbargrundstück bereits eine zulässige bauliche Anlage (mit einer bestimmten Wandfläche) vorhanden sei oder nicht. Auch die Stellplätze auf dem Garagendach seien ohne Abstandsflächen unzulässig. Diese müssten - wie Dachterrassen - getrennt von der abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit der Garage beurteilt werden. In beiden Fällen werde das Garagendach nicht als Dach, sondern als Fläche zu anderweitigen Zwecken genutzt. Eine Regelung, nach der diese Stellplätze auf dem Dach der geplanten Garage baurechtlich ohne Abstandsfläche zulässig sein könnten, sei nicht ersichtlich. Werde ein Fahrzeug auf dem Garagendach geparkt, so vergrößere sich außerdem die vom Nachbargrundstück aus zu sehende „Wandfläche“. Denn diese bestehe dann aus der Garagenwand und dem unmittelbar an der Grundstücksgrenze geparkten Fahrzeug, welches ebenfalls eine Höhe von ca. 1,5 - 1,8 m aufweise und die Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse damit deutlich verstärke.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2019 - 11 K 7631/16 - zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 18. Juni 2015 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Oktober 2016 aufzuheben.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen
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Das Vorhaben sei dem Kläger gegenüber nicht rücksichtslos. Die Größe der Wandfläche beurteile sich nach der Größe der Wandansichtsfläche, also unter Abzug der vorhandenen Stützmauer. Diese stelle eine grundstücksbezogene Besonderheit dar. Sie sei auf dem Grundstück des Klägers notwendig, um den Hang abzustützen, und kein bloßes gartengestalterisches Element, das leicht entfernt oder verändert werden könnte. Da die Stützmauer kein Bestandteil der geplanten Garage sei, könne sie der Wandansichtsfläche nicht „zum Nachteil gereichen“.
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Das Bauvorhaben der Beigeladenen vermittle für das Klägergrundstück auch nicht den Eindruck eines „Eingemauertseins“. Vielmehr liege die sich durch die Garage ergebende Verschlechterung auf dem Nachbargrundstück im zumutbaren Bereich. Durch die Erstellung der Garage ergebe sich eine rechtwinklige Ecke, bestehend aus Garage zur einen und Erdwall bzw. Stützmauer zur anderen Schenkelseite. Diese Ecke betreffe zum einen lediglich die nordwestliche Seite des Gebäudes und die Länge der Garage überschneide sich mit dem Wohnhaus des Klägers nur um ca. 2,20 m.
21 
In Bezug auf die Anordnung der Häuser und die daraus folgende Festsetzung der Baugrenzen könne dem Bebauungsplan ein nachbarschützender Grund nicht entnommen werden. Die Mehrfamilienhäuser seien mit einem seitlichen Mindestabstand geplant und gebaut worden. Möglicherweise gehe die Staffelung der Häuser darauf zurück, dass sich die jeweiligen Bewohner der Wohnungen nicht direkt von Angesicht zu Angesicht in die Fenster schauen sollten. Letztlich seien aber alle in Betracht kommenden Begründungen für die Anordnung der Mehrfamilienhäuser reine Spekulation.
22 
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst nicht zu der Berufung geäußert.
23 
Der Kläger und der Beklagte haben zur Verdeutlichung der Situation vor Ort jeweils Lichtbilder vom Vorhabengrundstück und vom Nachbargrundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgelegt.
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Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts zum Klageverfahren und zum Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, das Baugesuch des Beigeladenen, die Behörden- einschließlich der Vorverfahrensakten sowie die Akten zum Bebauungsplan „Nördliches Bürgfeld“ vor. Hierauf sowie auf den Inhalt der Senatsakte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
25 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen, da die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten als drittbetroffener Nachbar verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO) Berufung wurde fristgerecht eingelegt (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und begründet (§ 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO). Sie ist auch sonst zulässig.
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2. Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig und begründet.
28 
a) Die Sachurteilsvoraussetzungen sind weiterhin erfüllt. Insbesondere kann der Kläger aus einer möglichen Beeinträchtigung des Sondereigentums an seinen dem Vorhabengrundstück zugewandten und deswegen von der geplanten Garage unmittelbar betroffenen Wohnungen die notwendige Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) herleiten (vgl. zur Klagebefugnis des Sondereigentümers im Baunachbarstreit etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.07.2017 - 5 S 2602/15 -, BauR 2018, 77 = juris Rn. 34 m.w.N.).
29 
b) Die Baugenehmigung zur Errichtung einer Grenzgarage mit Dachstellplätzen auf dem Grundstück des Beigeladenen verletzt Nachbarrechte des Klägers. Sie verstößt zwar nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (aa), verletzt mit den bauordnungsordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften aber subjektive Rechte des Klägers (bb).
30 
aa) Eine Nachbarrechtsverletzung ergibt sich weder aus der dem Beigeladenen erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur überbaubaren Grundstücksfläche noch mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme.
31 
(1) Bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans hat der Nachbar keinen über den Anspruch auf „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinausgehenden Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409; Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; Senatsbeschluss vom 06.09.2016 - 8 S 1329/16 -, n.v.).
32 
Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass die straßenseitig festgesetzte Baugrenze, die mit dem Bauvorhaben überschritten werden soll, nicht zu Gunsten des Klägers nachbarschützend ist. Regelmäßig kommt vorderen straßenseitigen Baugrenzen kein Nachbarschutz zu. Nur dann, wenn dem Bebauungsplan im Einzelfall zu entnehmen ist, dass mit dieser Festsetzung - auch - ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis begründet und nach dem Willen des Ortsgesetzgebers ein gegenseitiges Verhältnis der Rücksichtnahme geschaffen werden sollte, kann einer vorderen, straßenseitigen Baugrenze nachbarschützende Wirkung beizumessen sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.10.1999 - 5 S 2014/99 -, VBlBW 2000, 112; Senatsbeschluss vom 17.12.2009 - 8 S 1669/09 -, VBlBW 2010, 160). Dass es sich vorliegend insofern faktisch auch um eine hintere Baugrenze handeln mag, als tatsächlich von dem „Privatweg“ Zugang zu den Grundstücken genommen wird, ändert nichts. Denn nach dem Bebauungsplan sollten die Grundstücke nicht von dem „Privatweg“, sondern von der ... Straße aus erschlossen werden.
33 
Weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung oder den Planakten ergibt sich ein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der straßenseitigen Baugrenze gerade die Interessen der Eigentümer der jeweiligen Nachbargrundstücke schützen sollte. Derartiges kann insbesondere nicht bereits aus den für die Errichtung von Garagen ausgewiesenen Flächen im überbaubaren Grundstücksbereich zwischen den Baukörpern der Wohngebäude abgeleitet werden.
34 
Soweit sich der Kläger auf die Hanglage der Grundstücke und daraus abzuleitende Rücksichtnahmepflichten bezieht, die der Plangeber aufgegriffen haben könnte, handelt es sich demgegenüber um eine reine Spekulation; denn dafür lässt sich den Planunterlagen auch durch Auslegung nichts entnehmen. Ob Festsetzungen in einem Bebauungsplan allein städtebaulichen Zielen dienen oder auch den Schutz des Nachbarn bezwecken, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab (vgl. in Bezug auf Maßfestsetzungen BVerwG, Beschluss vom 19.10.1995 - 4 B 215.95 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12). Allein das Alter des Bebauungsplans macht einen entsprechenden Planungswillen nicht verzichtbar. Zwar scheidet die Annahme eines nachbarlichen Drittschutzes auch bei Altplänen, bei deren Aufstellung der Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung nicht explizit in seinen Willen aufgenommen hat, nicht von vornherein aus. Vielmehr können auch Festsetzungen eines solchen Bebauungsplans gegebenenfalls nachträglich subjektiv-rechtlich „aufgeladen“ werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die betreffenden Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis zueinander stehen. Den betreffenden Festsetzungen muss zumindest nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an einem solchen Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zukommen. Durch eine entsprechende Auslegung darf dem planerischen Konzept nicht nachträglich ein Inhalt beigemessen werden, der mit dem Willen des Plangebers nicht mehr übereinstimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.08.2018 - 4 C 7.17 -, BVerwGE 162, 363, insbes. Rn. 15 f.). Für die Annahme eines nachbarschützenden Charakters der Baugrenzenfestsetzung bedarf es daher jedenfalls greifbarer Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass der Plangeber die Planbetroffenen mit diesen Festsetzungen in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis einbinden wollte. Sind die Planakten insoweit - wie hier - wenig aussagekräftig, kommt es einerseits auf den Zusammenhang an, in dem die Festsetzung nach dem Planungskonzept steht, und ist andererseits zu berücksichtigen, welche Bedeutung sie für den Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte hat (vgl. - ebenfalls in Bezug auf eine Baugrenzenfestsetzung - OVG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2019 - 2 Bs 100/19 -, BauR 2019, 1740).
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Auch danach fehlt es hier an hinreichenden Anhaltspunkten, aus denen sich ableiten ließe, dass der Plangeber mit der Baugrenzenfestsetzung der Grundstückstopographie Rechnung tragen und deswegen der Sache nach auch das Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander näher regeln wollte. Die Umstände, dass die Grundstücke im Plangebiet entsprechend der der Plangenehmigung zugrundeliegenden Vorgabe des Straßenbauamts Schorndorf vom 29.11.1965 (Planakte, S. 17) ausschließlich von der ... Straße her erschlossen werden sollten und dies auch Bestandteil der Genehmigung des Bebauungsplans durch das Landratsamts Waiblingen vom 13.10./24.11.1967 (Planakte, S. 30) war und der Plan zudem Garagen gerade im Bereich zwischen den Gebäuden vorsieht, legt mit Blick auf die sich hieraus ergebende Zufahrtsituation vielmehr nahe, dass der Grenzbereich nicht zum Schutz der Nachbarn freigehalten werden sollte.
36 
(2) Das Bauvorhaben verstößt aus planungsrechtlicher Sicht - über die bauordnungsrechtlich über das Abstandsflächenrecht geschützten Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung hinaus (vgl. insoweit u.a. Senatsurteil vom 04.06.2013 - 8 S 574/11 -, VBlBW 2014, 16 = juris Rn. 39; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2018 - 5 S 272/18 -, BauR 2018, 1997 = juris Rn. 77) - nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Es entfaltete bei seiner Verwirklichung auf die Wohnungen des Klägers insbesondere keine rücksichtslos erdrückende Wirkung. Dies wäre nur der Fall, wenn das Vorhaben wegen seiner Ausmaße, seiner Baumasse oder seiner massiven Gestaltung dem Nachbargrundstück förmlich „die Luft nähme“, für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entstünde oder das entstehende Gebäude von seiner Größe her „erdrückend“ und derart übermächtig in Erscheinung träte, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen würde (vgl. Senatsurteil vom 02.06.2015 - 8 S 1914/14 -, BauR 2015, 1805 = juris Rn. 64 m.w.N.). Davon kann hier ungeachtet des - insbesondere von der Erdgeschosswohnung des Klägers aus gesehen - zweifellos hoch aufragenden Baukörpers der geplanten Grenzgarage - einer bloßen Nebenanlage - und der Vorbelastung durch die Hanglage auch nicht annähernd die Rede sein. Hinzu kommt, dass ausgehend von der Genehmigungsplanung von der insgesamt 6 m langen Garagenwand nur rund 2,2 m unmittelbar gegenüber der nördlichen Hauswand des klägerischen Gebäudes verlaufen.
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bb) Das Bauvorhaben hält jedoch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nicht ein und hätte deswegen nicht genehmigt werden dürfen.
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(1) Das Bauvorhaben muss nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO Abstandsflächen einhalten, da nach dem Bebauungsplan an die Grenze weder gebaut werden muss (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO, § 22 Abs. 3 BauNVO) noch darf (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
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(2) Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 1 LBO liegt nicht vor.
40 
(a) Die Voraussetzungen für eine Privilegierung des Vorhabens als Grenzgarage sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht erfüllt. Garagen sind in den Abstandsflächen baulicher Anlagen und ohne eigene Abstandsflächen zulässig, wenn sie eine Wandhöhe von 3 m und eine Wandfläche von 25 m2 nicht überschreiten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO).
41 
Da § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO nur insoweit für die Berechnung der Wandhöhe in Hanglagen eine Sonderregelung trifft, als - abweichend von der Grundregel der Mittelwertberechnung § 5 Abs. 4 Satz 3 LBO (vgl. ausdrücklich die Gesetzesbegründung, LT-Drucks. 14/5013 vom 19.08.2009, S. 39) - der höchste Punkt der Geländeoberfläche maßgeblich ist, sind im Übrigen die allgemeinen Regelungen des § 5 Abs. 4 LBO anzuwenden. Danach wird die Wandhöhe senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO), gilt als Wandhöhe das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder - wie hier - bis zum oberen Abschluss der Wand (§ 5 Abs. 4 Satz 2 LBO) und ist als unterer Bezugspunkt die tatsächliche Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens maßgebend, soweit sie nicht zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde (§ 5 Abs. 4 Satz 5 LBO). Das Gesetz lässt damit keinen Raum für eine (weitergehende) Berücksichtigung früherer Geländeverhältnisse auf dem Baugrundstück oder von die Wand verdeckenden Bauwerken - wie Stützmauern etc. - auf dem Nachbargrundstück. Schon gar nicht ist - abweichend von den gesetzlichen Vorgaben - die tatsächlich vorhandene Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück vor Aufnahme der Bauarbeiten der Berechnung zugrunde zu legen (anders wohl in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bzw. der Berufungszulassung - VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 30.06.2016 - 3 S 968/16 -, juris Rn. 34 ff.; vom 17.07.2017 - 3 S 1204/17 - und vom 28.01.2019 - 3 S 1555/18 -, n.v.). Vielmehr ist auch dann, wenn wie hier für die Errichtung einer Grenzgarage das Gelände auf dem Baugrundstück abgegraben wird, das durch die Abgrabung veränderte Geländeniveau als unterer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe zugrunde zu legen (vgl. zum saarl. Landesrecht ebenso Saarl. OVG, Urteil vom 23.04.2002 - 2 R 7/01 -, BauR 2003, 1865 = juris Rn. 44). Maßgebend ist daher hier die nicht mehr unterschiedlich hohe neue Geländeoberfläche.
42 
Dies zugrunde gelegt überschreitet das Bauvorhaben die für eine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO maximal zulässige Wandhöhe von drei Metern. Da für die Höhenberechnung allein die dem Nachbargrundstück zugewandte Wandseite, an der die Grenzgarage errichtet werden soll, maßgeblich ist, wird das Höchstmaß nicht dadurch eingehalten, dass die Wandhöhe an der straßenseitigen Westwand nur - wie in der Genehmigungsplanung ausgewiesen - 1,875 m beträgt. Da es allein auf die Verhältnisse auf dem Baugrundstück ankommt, ist es ferner unerheblich, dass der westliche Abschluss der südlichen (Grenz-)Wand der Garage auf dem Nachbargrundstück der WEG teilweise durch die bestehende Böschung und die an sie anschließende, parallel zur ... Straße verlaufende Stützwand überdeckt wird. Die Höhe von der Geländeoberfläche bis zum oberen Wandabschluss beträgt demnach - einheitlich - 4,065 m. Nicht hinzuzurechnen ist dieser Wandhöhe die Höhe des auf dem Garagendach vorgesehenen Geländers, da dieses auf 6 m Länge nur mit drei Holmen und Handlauf und damit bei natürlicher Betrachtungsweise nicht wandgleich bzw. wandähnlich in Erscheinung tritt (vgl. hierzu etwa BayVGH, Beschluss vom 08.08.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 5).
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Aus der Wandhöhe von 4,065 m und der Breite der Grenzwand von 6 m errechnet sich eine Wandfläche von 24,39 m, die ihrerseits das Höchstmaß gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO einhält. Nicht in Abzug zu bringen ist hiervon die vom Klägergrundstück aus gesehen die Wand überdeckende Böschung und Stützmauer, da es auch insoweit maßgeblich auf die Verhältnisse auf dem Baugrundstück nach Realisierung des Vorhabens und nicht auf das Ausmaß der tatsächlichen Sichtbarkeit der Wand für den Nachbarn ankommt.
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(b) Das Vorhaben ist darüber hinaus auch deswegen nicht genehmigungsfähig, weil die auf dem Dach vorgesehenen Stellplätze ebenfalls nicht ohne Abstandsflächen an die Grenze gebaut werden dürfen. Dies folgt allerdings nicht schon aus der Höhe der dort abgestellten Fahrzeuge, da diese keine baulichen Anlagen (§ 2 Abs. 1 LBO) und daher abstandsflächenrechtlich nicht relevant sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LBO). Inwieweit die zur abstandsflächenrechtlichen Bewertung von Dachterrassen ergangene Rechtsprechung (vgl. (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2016 - 11 S 2070/14 -, juris Rn. 45, 46 ff.) auf Dachstellplätze übertragen werden kann, mag hier dahinstehen. Wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, ist die Nutzung als Dachterrasse aufgrund dessen, dass eine solche - im Unterschied zu Stellplätzen - bestimmungsgemäß dem Aufenthalt von Menschen dient, mit Blick auf die Nutzungsqualität freilich nicht mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar.
45 
Allerdings gelten die Stellplätze ihrerseits als bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 LBO). Sie fallen - anders als das Verwaltungsgericht meint - mangels Gebäudequalität nicht unter den Begriff der Garage (§ 2 Abs. 8 Satz 2 LBO), sondern bilden als Abstellflächen für Kraftfahrzeuge und Fahrräder bauordnungsrechtlich eine eigene Kategorie (§ 2 Abs. 8 Satz 1 LBO). Dementsprechend sind sie auch nicht als Grenzgaragen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO, sondern als bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO privilegiert. Hierzu dürfen sie allerdings eine Höhe von 2,5 m und eine Wandfläche von 25 m2 nicht überschreiten. Die auch insoweit von der Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens zu messende Wandhöhe beträgt ebenfalls 4,065 m, so dass die mit zur Genehmigung gestellten Dachstellplätze abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sind. Ob die Nichterfüllung der Privilegierungsvoraussetzungen für die Errichtung grenzständiger Stellplätze insgesamt eine Entprivilegierung zur Folge hat (so für eine Garage mit Dachterrasse VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2016, a.a.O., Rn. 38 ff.; anders zum damaligen Regelungsstand noch Senatsurteil vom 24.07.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64), bedarf hier keiner Entscheidung, da die Voraussetzungen des Grenzgaragenprivilegs ohnehin nicht erfüllt sind. Dies würde mit Blick auf die Wandhöhe selbst dann gelten, wenn man den oberen (Brüstungs-)Teil der Garagenwand ausschließlich den Stellplätzen zuordnen wollte. Eine jeweils eigenständige Beurteilung dürfte hier freilich schon deshalb ausscheiden, weil der Beigeladene die Garage mit Dachstellplätzen als einheitliches Gesamtvorhaben zur Genehmigung gestellt hat.
46 
(3) Eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandflächen nach § 6 Abs. 3 LBO kommt nicht in Betracht. Die örtlichen Verhältnisse erfordern keinen Verzicht auf die Abstandsflächen bzw. die Einhaltung der Privilegierungsmaße (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO). Es kann auch keine Rede davon sein, dass nachbarliche Belange namentlich des Klägers nicht erheblich beeinträchtigt würden (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO). Dabei ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteile vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 -, VBlBW 2008, 483, und vom 13.06.2018 - 8 S 1500/16 -, n.v.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201, und vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190). Besondere Umstände oder eine Sondersituation, aufgrund derer das Nachbargrundstück im Hinblick auf das ihm im Regelfall zustehende Maß an Besonnung, Belüftung und Belichtung trotz Nichteinhaltung der Abstandsflächenvorschriften weniger schutzwürdig wäre, liegen nicht vor. Im Gegenteil soll die Garage gerade in dem sensiblen Bereich an der Nordwestseite des Grundstücks errichtet werden, der ohnehin bereits durch die vorhandenen Geländeniveauunterschiede belastet ist. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene auf die Errichtung eines Garagen-/Stellplatzgebäudes mit den die Privilegierungsmaße überschreitenden Ausmaßen an der beantragten Stelle angewiesen wäre.
47 
Das Bauvorhaben verstößt mithin zu Lasten des Klägers gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen. Ob es mit Blick auf seine Nutzung daneben § 37 Abs. 8 Satz 2 LBO verletzt, was mit Blick auf Ausmaß und Lage der Garage und der Stellplätze durchaus in Betracht käme, ist nicht zu prüfen, da der Kläger insoweit gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO materiell präkludiert ist. Denn er hat im ordnungsgemäß durchgeführten Angrenzerbenachrichtigungsverfahren auch sinngemäß nicht geltend gemacht, durch die Nutzung der Garage bzw. der Stellplätze, insbesondere durch Lärm, Abgase oder Gerüche, unzumutbar gestört zu werden. Vielmehr ging es ihm ersichtlich allein um die von dem Baukörper ausgehenden Beeinträchtigungen.
II.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe, die es rechtfertigen würden, die außergerichtlichen Kosten des ebenfalls in der Sache unterlegenen Beigeladenen aus Gründen der Billigkeit zu Lasten des Beklagten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, liegen nicht vor.
49 
Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
50 
Beschluss vom 21. Juli 2020
51 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 7.500,-- EUR festgesetzt. Mit Blick darauf, dass sich der Kläger mit der den Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung bildenden Grenzgarage nur gegen eine nicht zum Aufenthalt von Menschen dienende Nebenanlage wendet, weicht sein für die Streitwertfestsetzung in Drittanfechtungsfällen allein maßgebliches Abwehrinteresse von der durchschnittlichen Bedeutung des Nachbarinteresses an der Abwehr von einem Bauvorhaben möglicherweise ausgehender Beeinträchtigungen ab, das nach der ständigen Rechtsprechung der Bausenate des erkennenden Gerichtshofs im „Normalfall“ mit einem mittleren Streitwert von 10.000,-- EUR bewertet wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 06.06.2017 - 8 S 1041/17 -, juris Rn. 6, und vom 13.08.2014 - 8 S 979/14 -, juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 03.09.2014 - 5 S 804/14 -, BWGZ 2016, 175 = juris Rn. 10, und vom 12.12.2019 - 5 S 2431/19 -, juris Rn. 36 m.w.N.).
52 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
25 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen, da die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten als drittbetroffener Nachbar verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26 
1. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO) Berufung wurde fristgerecht eingelegt (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und begründet (§ 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO). Sie ist auch sonst zulässig.
27 
2. Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig und begründet.
28 
a) Die Sachurteilsvoraussetzungen sind weiterhin erfüllt. Insbesondere kann der Kläger aus einer möglichen Beeinträchtigung des Sondereigentums an seinen dem Vorhabengrundstück zugewandten und deswegen von der geplanten Garage unmittelbar betroffenen Wohnungen die notwendige Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) herleiten (vgl. zur Klagebefugnis des Sondereigentümers im Baunachbarstreit etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.07.2017 - 5 S 2602/15 -, BauR 2018, 77 = juris Rn. 34 m.w.N.).
29 
b) Die Baugenehmigung zur Errichtung einer Grenzgarage mit Dachstellplätzen auf dem Grundstück des Beigeladenen verletzt Nachbarrechte des Klägers. Sie verstößt zwar nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (aa), verletzt mit den bauordnungsordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften aber subjektive Rechte des Klägers (bb).
30 
aa) Eine Nachbarrechtsverletzung ergibt sich weder aus der dem Beigeladenen erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur überbaubaren Grundstücksfläche noch mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme.
31 
(1) Bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans hat der Nachbar keinen über den Anspruch auf „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinausgehenden Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409; Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; Senatsbeschluss vom 06.09.2016 - 8 S 1329/16 -, n.v.).
32 
Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass die straßenseitig festgesetzte Baugrenze, die mit dem Bauvorhaben überschritten werden soll, nicht zu Gunsten des Klägers nachbarschützend ist. Regelmäßig kommt vorderen straßenseitigen Baugrenzen kein Nachbarschutz zu. Nur dann, wenn dem Bebauungsplan im Einzelfall zu entnehmen ist, dass mit dieser Festsetzung - auch - ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis begründet und nach dem Willen des Ortsgesetzgebers ein gegenseitiges Verhältnis der Rücksichtnahme geschaffen werden sollte, kann einer vorderen, straßenseitigen Baugrenze nachbarschützende Wirkung beizumessen sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.10.1999 - 5 S 2014/99 -, VBlBW 2000, 112; Senatsbeschluss vom 17.12.2009 - 8 S 1669/09 -, VBlBW 2010, 160). Dass es sich vorliegend insofern faktisch auch um eine hintere Baugrenze handeln mag, als tatsächlich von dem „Privatweg“ Zugang zu den Grundstücken genommen wird, ändert nichts. Denn nach dem Bebauungsplan sollten die Grundstücke nicht von dem „Privatweg“, sondern von der ... Straße aus erschlossen werden.
33 
Weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung oder den Planakten ergibt sich ein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der straßenseitigen Baugrenze gerade die Interessen der Eigentümer der jeweiligen Nachbargrundstücke schützen sollte. Derartiges kann insbesondere nicht bereits aus den für die Errichtung von Garagen ausgewiesenen Flächen im überbaubaren Grundstücksbereich zwischen den Baukörpern der Wohngebäude abgeleitet werden.
34 
Soweit sich der Kläger auf die Hanglage der Grundstücke und daraus abzuleitende Rücksichtnahmepflichten bezieht, die der Plangeber aufgegriffen haben könnte, handelt es sich demgegenüber um eine reine Spekulation; denn dafür lässt sich den Planunterlagen auch durch Auslegung nichts entnehmen. Ob Festsetzungen in einem Bebauungsplan allein städtebaulichen Zielen dienen oder auch den Schutz des Nachbarn bezwecken, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab (vgl. in Bezug auf Maßfestsetzungen BVerwG, Beschluss vom 19.10.1995 - 4 B 215.95 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12). Allein das Alter des Bebauungsplans macht einen entsprechenden Planungswillen nicht verzichtbar. Zwar scheidet die Annahme eines nachbarlichen Drittschutzes auch bei Altplänen, bei deren Aufstellung der Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung nicht explizit in seinen Willen aufgenommen hat, nicht von vornherein aus. Vielmehr können auch Festsetzungen eines solchen Bebauungsplans gegebenenfalls nachträglich subjektiv-rechtlich „aufgeladen“ werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die betreffenden Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis zueinander stehen. Den betreffenden Festsetzungen muss zumindest nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an einem solchen Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zukommen. Durch eine entsprechende Auslegung darf dem planerischen Konzept nicht nachträglich ein Inhalt beigemessen werden, der mit dem Willen des Plangebers nicht mehr übereinstimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.08.2018 - 4 C 7.17 -, BVerwGE 162, 363, insbes. Rn. 15 f.). Für die Annahme eines nachbarschützenden Charakters der Baugrenzenfestsetzung bedarf es daher jedenfalls greifbarer Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass der Plangeber die Planbetroffenen mit diesen Festsetzungen in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis einbinden wollte. Sind die Planakten insoweit - wie hier - wenig aussagekräftig, kommt es einerseits auf den Zusammenhang an, in dem die Festsetzung nach dem Planungskonzept steht, und ist andererseits zu berücksichtigen, welche Bedeutung sie für den Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte hat (vgl. - ebenfalls in Bezug auf eine Baugrenzenfestsetzung - OVG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2019 - 2 Bs 100/19 -, BauR 2019, 1740).
35 
Auch danach fehlt es hier an hinreichenden Anhaltspunkten, aus denen sich ableiten ließe, dass der Plangeber mit der Baugrenzenfestsetzung der Grundstückstopographie Rechnung tragen und deswegen der Sache nach auch das Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander näher regeln wollte. Die Umstände, dass die Grundstücke im Plangebiet entsprechend der der Plangenehmigung zugrundeliegenden Vorgabe des Straßenbauamts Schorndorf vom 29.11.1965 (Planakte, S. 17) ausschließlich von der ... Straße her erschlossen werden sollten und dies auch Bestandteil der Genehmigung des Bebauungsplans durch das Landratsamts Waiblingen vom 13.10./24.11.1967 (Planakte, S. 30) war und der Plan zudem Garagen gerade im Bereich zwischen den Gebäuden vorsieht, legt mit Blick auf die sich hieraus ergebende Zufahrtsituation vielmehr nahe, dass der Grenzbereich nicht zum Schutz der Nachbarn freigehalten werden sollte.
36 
(2) Das Bauvorhaben verstößt aus planungsrechtlicher Sicht - über die bauordnungsrechtlich über das Abstandsflächenrecht geschützten Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung hinaus (vgl. insoweit u.a. Senatsurteil vom 04.06.2013 - 8 S 574/11 -, VBlBW 2014, 16 = juris Rn. 39; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2018 - 5 S 272/18 -, BauR 2018, 1997 = juris Rn. 77) - nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Es entfaltete bei seiner Verwirklichung auf die Wohnungen des Klägers insbesondere keine rücksichtslos erdrückende Wirkung. Dies wäre nur der Fall, wenn das Vorhaben wegen seiner Ausmaße, seiner Baumasse oder seiner massiven Gestaltung dem Nachbargrundstück förmlich „die Luft nähme“, für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entstünde oder das entstehende Gebäude von seiner Größe her „erdrückend“ und derart übermächtig in Erscheinung träte, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen würde (vgl. Senatsurteil vom 02.06.2015 - 8 S 1914/14 -, BauR 2015, 1805 = juris Rn. 64 m.w.N.). Davon kann hier ungeachtet des - insbesondere von der Erdgeschosswohnung des Klägers aus gesehen - zweifellos hoch aufragenden Baukörpers der geplanten Grenzgarage - einer bloßen Nebenanlage - und der Vorbelastung durch die Hanglage auch nicht annähernd die Rede sein. Hinzu kommt, dass ausgehend von der Genehmigungsplanung von der insgesamt 6 m langen Garagenwand nur rund 2,2 m unmittelbar gegenüber der nördlichen Hauswand des klägerischen Gebäudes verlaufen.
37 
bb) Das Bauvorhaben hält jedoch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nicht ein und hätte deswegen nicht genehmigt werden dürfen.
38 
(1) Das Bauvorhaben muss nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO Abstandsflächen einhalten, da nach dem Bebauungsplan an die Grenze weder gebaut werden muss (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO, § 22 Abs. 3 BauNVO) noch darf (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
39 
(2) Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 1 LBO liegt nicht vor.
40 
(a) Die Voraussetzungen für eine Privilegierung des Vorhabens als Grenzgarage sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht erfüllt. Garagen sind in den Abstandsflächen baulicher Anlagen und ohne eigene Abstandsflächen zulässig, wenn sie eine Wandhöhe von 3 m und eine Wandfläche von 25 m2 nicht überschreiten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO).
41 
Da § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO nur insoweit für die Berechnung der Wandhöhe in Hanglagen eine Sonderregelung trifft, als - abweichend von der Grundregel der Mittelwertberechnung § 5 Abs. 4 Satz 3 LBO (vgl. ausdrücklich die Gesetzesbegründung, LT-Drucks. 14/5013 vom 19.08.2009, S. 39) - der höchste Punkt der Geländeoberfläche maßgeblich ist, sind im Übrigen die allgemeinen Regelungen des § 5 Abs. 4 LBO anzuwenden. Danach wird die Wandhöhe senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO), gilt als Wandhöhe das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder - wie hier - bis zum oberen Abschluss der Wand (§ 5 Abs. 4 Satz 2 LBO) und ist als unterer Bezugspunkt die tatsächliche Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens maßgebend, soweit sie nicht zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde (§ 5 Abs. 4 Satz 5 LBO). Das Gesetz lässt damit keinen Raum für eine (weitergehende) Berücksichtigung früherer Geländeverhältnisse auf dem Baugrundstück oder von die Wand verdeckenden Bauwerken - wie Stützmauern etc. - auf dem Nachbargrundstück. Schon gar nicht ist - abweichend von den gesetzlichen Vorgaben - die tatsächlich vorhandene Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück vor Aufnahme der Bauarbeiten der Berechnung zugrunde zu legen (anders wohl in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bzw. der Berufungszulassung - VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 30.06.2016 - 3 S 968/16 -, juris Rn. 34 ff.; vom 17.07.2017 - 3 S 1204/17 - und vom 28.01.2019 - 3 S 1555/18 -, n.v.). Vielmehr ist auch dann, wenn wie hier für die Errichtung einer Grenzgarage das Gelände auf dem Baugrundstück abgegraben wird, das durch die Abgrabung veränderte Geländeniveau als unterer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe zugrunde zu legen (vgl. zum saarl. Landesrecht ebenso Saarl. OVG, Urteil vom 23.04.2002 - 2 R 7/01 -, BauR 2003, 1865 = juris Rn. 44). Maßgebend ist daher hier die nicht mehr unterschiedlich hohe neue Geländeoberfläche.
42 
Dies zugrunde gelegt überschreitet das Bauvorhaben die für eine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO maximal zulässige Wandhöhe von drei Metern. Da für die Höhenberechnung allein die dem Nachbargrundstück zugewandte Wandseite, an der die Grenzgarage errichtet werden soll, maßgeblich ist, wird das Höchstmaß nicht dadurch eingehalten, dass die Wandhöhe an der straßenseitigen Westwand nur - wie in der Genehmigungsplanung ausgewiesen - 1,875 m beträgt. Da es allein auf die Verhältnisse auf dem Baugrundstück ankommt, ist es ferner unerheblich, dass der westliche Abschluss der südlichen (Grenz-)Wand der Garage auf dem Nachbargrundstück der WEG teilweise durch die bestehende Böschung und die an sie anschließende, parallel zur ... Straße verlaufende Stützwand überdeckt wird. Die Höhe von der Geländeoberfläche bis zum oberen Wandabschluss beträgt demnach - einheitlich - 4,065 m. Nicht hinzuzurechnen ist dieser Wandhöhe die Höhe des auf dem Garagendach vorgesehenen Geländers, da dieses auf 6 m Länge nur mit drei Holmen und Handlauf und damit bei natürlicher Betrachtungsweise nicht wandgleich bzw. wandähnlich in Erscheinung tritt (vgl. hierzu etwa BayVGH, Beschluss vom 08.08.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 5).
43 
Aus der Wandhöhe von 4,065 m und der Breite der Grenzwand von 6 m errechnet sich eine Wandfläche von 24,39 m, die ihrerseits das Höchstmaß gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO einhält. Nicht in Abzug zu bringen ist hiervon die vom Klägergrundstück aus gesehen die Wand überdeckende Böschung und Stützmauer, da es auch insoweit maßgeblich auf die Verhältnisse auf dem Baugrundstück nach Realisierung des Vorhabens und nicht auf das Ausmaß der tatsächlichen Sichtbarkeit der Wand für den Nachbarn ankommt.
44 
(b) Das Vorhaben ist darüber hinaus auch deswegen nicht genehmigungsfähig, weil die auf dem Dach vorgesehenen Stellplätze ebenfalls nicht ohne Abstandsflächen an die Grenze gebaut werden dürfen. Dies folgt allerdings nicht schon aus der Höhe der dort abgestellten Fahrzeuge, da diese keine baulichen Anlagen (§ 2 Abs. 1 LBO) und daher abstandsflächenrechtlich nicht relevant sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LBO). Inwieweit die zur abstandsflächenrechtlichen Bewertung von Dachterrassen ergangene Rechtsprechung (vgl. (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2016 - 11 S 2070/14 -, juris Rn. 45, 46 ff.) auf Dachstellplätze übertragen werden kann, mag hier dahinstehen. Wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, ist die Nutzung als Dachterrasse aufgrund dessen, dass eine solche - im Unterschied zu Stellplätzen - bestimmungsgemäß dem Aufenthalt von Menschen dient, mit Blick auf die Nutzungsqualität freilich nicht mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar.
45 
Allerdings gelten die Stellplätze ihrerseits als bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 LBO). Sie fallen - anders als das Verwaltungsgericht meint - mangels Gebäudequalität nicht unter den Begriff der Garage (§ 2 Abs. 8 Satz 2 LBO), sondern bilden als Abstellflächen für Kraftfahrzeuge und Fahrräder bauordnungsrechtlich eine eigene Kategorie (§ 2 Abs. 8 Satz 1 LBO). Dementsprechend sind sie auch nicht als Grenzgaragen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO, sondern als bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO privilegiert. Hierzu dürfen sie allerdings eine Höhe von 2,5 m und eine Wandfläche von 25 m2 nicht überschreiten. Die auch insoweit von der Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens zu messende Wandhöhe beträgt ebenfalls 4,065 m, so dass die mit zur Genehmigung gestellten Dachstellplätze abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sind. Ob die Nichterfüllung der Privilegierungsvoraussetzungen für die Errichtung grenzständiger Stellplätze insgesamt eine Entprivilegierung zur Folge hat (so für eine Garage mit Dachterrasse VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2016, a.a.O., Rn. 38 ff.; anders zum damaligen Regelungsstand noch Senatsurteil vom 24.07.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64), bedarf hier keiner Entscheidung, da die Voraussetzungen des Grenzgaragenprivilegs ohnehin nicht erfüllt sind. Dies würde mit Blick auf die Wandhöhe selbst dann gelten, wenn man den oberen (Brüstungs-)Teil der Garagenwand ausschließlich den Stellplätzen zuordnen wollte. Eine jeweils eigenständige Beurteilung dürfte hier freilich schon deshalb ausscheiden, weil der Beigeladene die Garage mit Dachstellplätzen als einheitliches Gesamtvorhaben zur Genehmigung gestellt hat.
46 
(3) Eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandflächen nach § 6 Abs. 3 LBO kommt nicht in Betracht. Die örtlichen Verhältnisse erfordern keinen Verzicht auf die Abstandsflächen bzw. die Einhaltung der Privilegierungsmaße (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO). Es kann auch keine Rede davon sein, dass nachbarliche Belange namentlich des Klägers nicht erheblich beeinträchtigt würden (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO). Dabei ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteile vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 -, VBlBW 2008, 483, und vom 13.06.2018 - 8 S 1500/16 -, n.v.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201, und vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190). Besondere Umstände oder eine Sondersituation, aufgrund derer das Nachbargrundstück im Hinblick auf das ihm im Regelfall zustehende Maß an Besonnung, Belüftung und Belichtung trotz Nichteinhaltung der Abstandsflächenvorschriften weniger schutzwürdig wäre, liegen nicht vor. Im Gegenteil soll die Garage gerade in dem sensiblen Bereich an der Nordwestseite des Grundstücks errichtet werden, der ohnehin bereits durch die vorhandenen Geländeniveauunterschiede belastet ist. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene auf die Errichtung eines Garagen-/Stellplatzgebäudes mit den die Privilegierungsmaße überschreitenden Ausmaßen an der beantragten Stelle angewiesen wäre.
47 
Das Bauvorhaben verstößt mithin zu Lasten des Klägers gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen. Ob es mit Blick auf seine Nutzung daneben § 37 Abs. 8 Satz 2 LBO verletzt, was mit Blick auf Ausmaß und Lage der Garage und der Stellplätze durchaus in Betracht käme, ist nicht zu prüfen, da der Kläger insoweit gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO materiell präkludiert ist. Denn er hat im ordnungsgemäß durchgeführten Angrenzerbenachrichtigungsverfahren auch sinngemäß nicht geltend gemacht, durch die Nutzung der Garage bzw. der Stellplätze, insbesondere durch Lärm, Abgase oder Gerüche, unzumutbar gestört zu werden. Vielmehr ging es ihm ersichtlich allein um die von dem Baukörper ausgehenden Beeinträchtigungen.
II.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe, die es rechtfertigen würden, die außergerichtlichen Kosten des ebenfalls in der Sache unterlegenen Beigeladenen aus Gründen der Billigkeit zu Lasten des Beklagten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, liegen nicht vor.
49 
Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
50 
Beschluss vom 21. Juli 2020
51 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 7.500,-- EUR festgesetzt. Mit Blick darauf, dass sich der Kläger mit der den Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung bildenden Grenzgarage nur gegen eine nicht zum Aufenthalt von Menschen dienende Nebenanlage wendet, weicht sein für die Streitwertfestsetzung in Drittanfechtungsfällen allein maßgebliches Abwehrinteresse von der durchschnittlichen Bedeutung des Nachbarinteresses an der Abwehr von einem Bauvorhaben möglicherweise ausgehender Beeinträchtigungen ab, das nach der ständigen Rechtsprechung der Bausenate des erkennenden Gerichtshofs im „Normalfall“ mit einem mittleren Streitwert von 10.000,-- EUR bewertet wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 06.06.2017 - 8 S 1041/17 -, juris Rn. 6, und vom 13.08.2014 - 8 S 979/14 -, juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 03.09.2014 - 5 S 804/14 -, BWGZ 2016, 175 = juris Rn. 10, und vom 12.12.2019 - 5 S 2431/19 -, juris Rn. 36 m.w.N.).
52 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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