Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 6 S 1786/20

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. Mai 2020 - 3 K 1313/20 - geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Ziff. 1 für die Dauer eines Jahres, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit einer Entscheidung in der Hauptsache hinaus, die am 27.08.2019 beantragten Wiedererteilungen der Genehmigungen zum Taxiverkehr für das Taxi mit der Ordnungsnummer 60 sowie zum Mietwagenverkehr für zwei Fahrzeuge zu erteilen.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Ziff. 2 für die Dauer eines Jahres, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit einer Entscheidung in der Hauptsache hinaus, die am 20.08.2019 beantragte Wiedererteilung der Genehmigung zum Taxiverkehr für die Taxen mit den Ordnungsnummern 7, 32, 40, 45, 52, 73, 81, 88, 113, 115, 131 und 164 zu erteilen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 107.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig und begründet. Die von den Antragstellern in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern die von ihnen beantragten Genehmigungen zum Taxi- und Mietwagenverkehr zeitlich befristet auf ein Jahr, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, wiederzuerteilen.
Das Verwaltungsgericht hat die Anträge mit der Begründung abgelehnt, das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzung des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG könne nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, da hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Antragsteller Ziff. 1 schwere Verstöße gegen arbeits- und sozialrechtliche sowie abgabenrechtliche Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergäben, begangen habe und daher als unzuverlässig anzusehen sei. Hierfür sei nicht erforderlich, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei. Auch dürfe aus der Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens nach § 153a StPO nicht auf die Begehung der Tat geschlossen werden. Jedoch sei das Verhalten, das dem Strafverfahren zugrunde gelegen habe, eigenständig zu ermitteln und zu würdigen. Dies führe hier dazu, dass die Verstöße des Antragstellers Ziff. 1 gegen arbeits- und sozialrechtliche sowie abgabenrechtliche Pflichten mit der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen Sicherheit feststünden. Er habe von Juni 2010 bis März 2014 gegenüber den Sozialversicherungsträgern, Berufsgenossenschaften und dem Finanzamt regelmäßig falsche Angaben über Arbeitsentgelte seiner angestellten Taxifahrer ... und ... gemacht. Er habe dabei ein gleichbleibendes Entgelt aus einer Festlohnabrede angegeben, während er mit den Beschäftigten tatsächlich eine Aufteilung des jeweils konkret erwirtschafteten Umsatzes praktiziert habe. In der Konsequenz seien zu niedrige Sozialversicherungsbeiträge sowie verkürzte Steuern festgesetzt worden. Diese Feststellungen ergäben sich aus den Ermittlungsakten des Zolls und seien durch die Einlassung der Antragsteller nicht entkräftet worden. Die festgestellten Verstöße wögen schwer und ließen auf die Unzuverlässigkeit des Antragstellers Ziff. 1 schließen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehe dem nicht entgegen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO ist nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Auf der Grundlage der von ihnen im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geht der Senat davon aus, dass die Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben.
a) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen, dass ein Anordnungsgrund besteht, d.h. eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, und ein Anordnungsanspruch gegeben ist, also die tatsächlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt sind. Grundsätzlich ausgeschlossen – da mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht vereinbar – ist es, eine Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.03.2003 - 2 BvR 1779/02 -, NVwZ 2003, 1112). Ausnahmen von diesem Verbot kommen nur in Betracht, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist, d.h. wenn andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, und zugleich ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (st.Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69; BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - 10 C 9.12 -, BVerwGE 146, 189, und Beschluss vom 13.08.1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2019 - 9 S 44/19 -).
Nach der einschlägigen Rechtsprechung zum Personenbeförderungsrecht, der der Senat im Grundsatz folgt und die auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, schließt § 15 Abs. 4 PBefG, wonach die Genehmigung nicht vorläufig und nicht mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden darf, den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung nicht aus. Vielmehr wird die Bestimmung verfassungskonform dahin ausgelegt, dass das Gericht im Lichte der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 Abs. 1 GG im Wege der einstweiligen Anordnung die Hauptsache teilweise vorwegnehmen und die Antragsgegnerin verpflichten kann, eine zeitlich begrenzte endgültige Genehmigung zu erteilen. Mit Blick auf das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache sowie mit Rücksicht auf Sinn und Zweck des Verbots vorläufiger Genehmigungen aus § 15 Abs. 4 PBefG kommt eine solche einstweilige Anordnung allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. Sie setzt regelmäßig voraus, dass es um die „Verlängerung“ einer bestehenden Genehmigung geht, und das Gericht muss die Feststellung treffen, dass der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 1272/18 -, juris Rn. 7 und Beschluss vom 26.06.2019 - 9 S 44/19 -, jeweils m.w.N.; OVG Bremen, Beschluss vom 22.03.2018 - 1 B 26/18 -, juris Rn. 12; HambOVG, Beschluss vom 14.11.2013 - 3 Bs 255/13 -, juris Rn. 9).
b) Nach diesen Maßstäben erfüllen die Antragsteller nach derzeitigem Erkenntnisstand aller Voraussicht nach die Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Genehmigungen für den Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG bzw. mit Mietwagen nach § 49 PBefG.
Zwischen den Beteiligten ist insoweit allein streitig, ob die Antragsteller die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG erfüllen. Danach darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des jeweiligen Antragstellers als Unternehmer oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person dartun. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV gelten der Unternehmer und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen als zuverlässig im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit sind nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) und d) PBZugV insbesondere schwere Verstöße gegen arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten oder die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben. Als solche kommen vor allem Verstöße gegen Erklärungs-, Anmeldungs- und Zahlungspflichten gegenüber den Steuerbehörden und sozialversicherungsrechtlichen Einzugsstellen in Betracht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.2013 - 13 B 576/13 -, juris Rn. 3; Beschluss vom 21.08.2019 - 13 A 1681/18 -, juris Rn. 4). Dabei erfordert § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) und d) PBZugV, dass schwere Verstöße gegen die genannten Pflichten tatsächlich begangen wurden. Der bloße Verdacht, es könnte zu solchen Verstößen gekommen sein, reicht insoweit nicht aus (OVG Bremen, Beschluss vom 22.03.2018 - 1 B 26/18 -, juris Rn. 14; a.A. wohl HambOVG, Beschluss vom 23.05.2007 - 1 Bs 92/07 -, juris Rn. 6). Erst wenn schwere Verstöße festgestellt wurden, ergeben sich daraus Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der zur Führung der Geschäfte bestellten Personen. Zu einer strafrechtlichen Verurteilung muss es allerdings nicht gekommen sein. Gegebenenfalls haben die Verwaltungsbehörden und -gerichte Verstöße im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) und d) PBZugV eigenständig zu ermitteln und auf ihre Schwere hin zu beurteilen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.08.2019 - 13 A 1681/18 -, juris Rn. 6).
Bei derzeitigem Sachstand und unter Berücksichtigung der mit der Beschwerde geltend gemachten Gesichtspunkte sowie der vorliegenden Akten des Hauptzollamts sowie des Amtsgerichts ... zum Strafverfahren konnte der Senat aktuell nicht zu der hinreichenden Überzeugung gelangen, dass dem Antragsteller Ziff. 1 schwere Verstöße gegen arbeits-, sozial- oder abgabenrechtliche Pflichten zur Last gelegt werden können.
Zutreffend ist bereits das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass aus dem Umstand, dass das Strafverfahren nach Erfüllung von Auflagen gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt wurde, nicht auf die Begehung der durch den vorangegangenen Strafbefehl vorgeworfenen Taten geschlossen werden darf. Mit einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat begangen hat. Es gilt weiter die Unschuldsvermutung. Auch die Zustimmung des Betroffenen zu der Einstellung des Verfahrens und die Erfüllung von Auflagen kann nicht als Eingeständnis des Tatvorwurfs im Kern gewertet werden. Gleichwohl ist es den Verwaltungsbehörden und den Gerichten nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen einer Unzuverlässigkeit ergeben können (vgl. zum Ganzen für den Fall einer tierärztlichen Approbation BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.01.1991 - 1 BvR 1326/90 -, juris Rn. 19 ff.). Diese Befugnis geht jedoch auch mit der Pflicht einher, die vorliegenden Erkenntnisse eigenständig auf ihre Belastbarkeit zu überprüfen und eine selbständige Beweiswürdigung vorzunehmen.
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Nach der derzeitig vorliegenden Erkenntnislage erscheint es dem Senat nicht ausreichend durch belastbare Beweise belegt, dass dem Antragsteller Ziff. 1 die ihm vorgeworfenen Verstöße gegen seine arbeits-, sozial- und abgabenrechtlichen Pflichten zur Last gelegt werden können. Insbesondere stellt der Bericht des Hauptzollamts vom 23.12.2016 – entgegen der im Beschwerdeverfahren von der Antragsgegnerin geäußerten Auffassung – kein Beweis der darin aufgeführten Vorgänge dar. Hierbei handelt es sich um einen Abschlussbericht über die vom Hauptzollamt durchgeführten Ermittlungen und eine Zusammenfassung der sich nach Ansicht des Hauptzollamts daraus ergebenden Erkenntnisse zum Tatverdacht gegen den Antragsteller Ziff. 1. Ein solcher Bericht erbringt keinesfalls, wie die Antragsgegnerin meint, als öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO den vollen Beweis über die darin erhobenen Tatvorwürfe. Ähnlich einer Anklageschrift werden darin vielmehr die eigentlichen Beweismittel benannt und nicht durch Zusammenfassung der Ermittlungen eigene Beweismittel geschaffen.
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Auch aus den weiteren dem Senat vorliegenden Akten ergibt sich noch kein ausreichender Beweis für die dem Antragsteller Ziff. 1 vorgeworfene Abrechnungspraxis, nach der er seinen angestellten Taxifahrern neben dem den Sozialversicherungsträgern und Finanzbehörden gemeldeten Festlohn eine Umsatzbeteiligung von 40 % „schwarz“ gezahlt haben soll. Die Antragsteller weisen insoweit zu Recht darauf hin, dass sich aus dem das Verfahren in Gang setzenden anonymen telefonischen Hinweis vom 19.01.2012 und der Vernehmung des anonymen Zeugen vom 06.09.2012 hinsichtlich des Antragstellers Ziff. 1 lediglich der Verdacht ergab, dass er Herrn ... in größerem Umfang beschäftigt und entlohnt haben soll als nach der offiziellen Meldung als geringfügig Beschäftigter. Dieser Verdacht hat sich während der Ermittlungen des Hauptzollamts aber nicht bestätigt und wurde im Laufe des Verfahrens fallen gelassen. Auch der Hinweis, der Antragsteller Ziff. 1 habe einen Teil seiner Konzession „für viel Schwarzgeld verkauft“, hat sich nicht erhärtet und wurde nicht weiter verfolgt. Aber auch in Bezug auf die Entlohnung der Angestellten ... und ... ist die Tatsachenlage nicht hinreichend eindeutig zu Lasten des Antragstellers Ziff. 1. Die vom Verwaltungsgericht aufgeführten Teile der Ermittlungsakten des Zolls enthalten die beim Antragsteller Ziff. 1 sichergestellten Lohnunterlagen und Umsatzaufstellungen sowie zahlreiche Berechnungen des Rentenversicherungsträgers, der Berufsgenossenschaften und des Finanzsamts zur Höhe des vermeintlich entstandenen Schadens. Ein unmittelbarer Beleg, dass den Angestellten im Zeitraum von Juni 2010 bis März 2014 tatsächlich mehr Lohn ausgezahlt wurde als den genannten Stellen gemeldet wurde, ergibt sich hieraus nicht. Vielmehr setzen die Schadensberechnungen diesen Umstand voraus und gehen, ohne hierfür einen eigenen Beleg zu liefern, davon aus, dass 40 % des Umsatzes als Lohn gezahlt wurden. Entsprechendes geht auch nicht erkennbar aus den Umsatzaufstellungen und Lohnunterlagen hervor. Die Erkenntnis aus etwaigen Parallelverfahren, dass es unter den Taxiunternehmern in ... allgemeine Übung gewesen sein soll, die Fahrer „schwarz“ mit 40 % am Umsatz zu beteiligen, entbindet nicht von einer Prüfung des Einzelfalls sowie einer einzelfallbezogenen Beweisführung.
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Auch die sichergestellte E-Mail des Herrn ... vom 12.06.2010, die als Anhang eine Abrechnung als Excel-Tabelle enthielt, in der durchaus zwischen 40 % „Eigenerlös“ und 60 % „Barerlös Chef“ unterschieden wurde, stellt zwar ein Indiz, nicht jedoch einen ausreichenden Beweis für den Tatvorwurf dar. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller dazu im Einzelnen vorgetragen, diese E-Mail stamme aus der ersten Arbeitswoche des Herrn ... und verwende ein Tabellenformat seines früheren Arbeitgebers, was sich nicht zuletzt daraus ergebe, dass die Tabelle mit „Taxiabrechnung Januar 2010“ überschrieben sei, obwohl es sich um eine Abrechnung für die Zeit vom 07.06.2010 bis 11.06.2010 handelte. Nach Zusendung dieser Abrechnung habe der Antragsteller Ziff. 1 dem Herrn ... nochmals verdeutlicht, dass er ausschließlich den Festlohn erhalten werde. Diese Erklärung der Antragsteller erscheint dem Senat nicht gänzlich unplausibel und lässt sich nicht durch belastbare Erkenntnisse aus den vorliegenden Akten entkräften. Vielmehr passt sie zu den Angaben des Herrn ... in seiner Zeugenaussage, er habe zu Beginn seiner Beschäftigung mit dem Antragsteller Ziff. 1 über die Möglichkeit einer Umsatzbeteiligung von 40 % gesprochen, dies jedoch nicht weiterverfolgt, da die Relation zwischen seinem Umsatz und dem vereinbarten festen Bruttolohn von 1.000 EUR in etwa gepasst habe. Dass an ihn keine umsatzbezogenen Entgeltzahlungen in Höhe von 40 % des Umsatzes erfolgt seien, hat Herr ... nochmals in der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung bestätigt. Vor diesem Hintergrund kommt der aufgefundenen Excel-Tabelle, die überdies nur einen einwöchigen Zeitraum im Juni 2010 abdeckt, nicht der hohe Beweiswert zu, den die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht ihr zugesprochen haben, zumal diese dem Zeugen ... im Rahmen der Vernehmung nicht einmal vorgehalten wurde, um deren Hintergrund zu erfragen.
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Auch hinreichend belastbare Belege für eine den zuständigen Stellen nicht offengelegte Abrechnungspraxis mit dem angestellten Taxifahrer ... liegen derzeit nicht vor. Aus den bei der Durchsuchung sichergestellten Umsatzzetteln lässt sich eine dauerhafte Absprache dergestalt nicht ablesen. Die Antragsteller haben eingeräumt, dass in den Monaten März bis Mai 2014 eine Umsatzbeteiligung stattgefunden habe und Herrn ... ein höherer Lohn ausgezahlt worden sei, der in den jeweiligen Folgemonaten als Überstunden abgerechnet worden sei. Letzteres wird durch die sichergestellten Lohnabrechnungen der Folgemonate bestätigt. Zwar fällt durchaus auf, dass die erstmalige Abrechnung dieser Mehrarbeit im April 2014 zu einem Zeitpunkt erfolgte, nachdem der Antragsteller Ziff. 1 durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen erlangt hat. Gleichwohl ist sein Vortrag im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, es sei durchaus üblich, die Vergütung von Mehrarbeit erst im Folgemonat abzurechnen, nicht von vorneherein unplausibel. Überdies erscheint sein Vortrag, die Gehaltsabrechnung für April 2014 einschließlich der Mehrarbeitsvergütung sei zum Zeitpunkt der Durchsuchung bereits in Gang gesetzt gewesen, was dadurch belegt werde, dass ihm die nötigen Unterlagen nach der Durchsuchung nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten, durchaus stichhaltig. Auch Herr ... hat in der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung aus dem Jahr 2018 erklärt, er habe in den genannten Monaten auf persönlichen Wunsch mehr arbeiten wollen und sei deshalb – aber nur in diesen Monaten – nach Umsatz bezahlt worden. Dies sei ordnungsmäßig verbucht und Steuer- und Sozialabgaben abgeführt worden. Dass Herr ... in seiner späteren Zeugenvernehmung vom 28.01.2019 angab, sich nicht mehr an die genaueren Umstände der Umsatzbeteiligung erinnern zu können, lässt zwar gewisse Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner früheren Angaben aufkommen und bietet Anlass für weitere Ermittlungen im Rahmen des Hauptsacheverfahrens. Dies belegt nach den Erkenntnismöglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als solches jedoch nicht eine dauerhaft durchgeführte unrechtmäßige Abrechnungspraxis. Die von der Staatsanwältin in ihrer Verfügung vom 12.08.2019 geäußerte Ansicht, realistisch wäre der Vortrag nur, wenn Herrn ... ein Vorschuss auf das Gehalt des nächsten Monats gezahlt worden wäre, teilt der Senat nicht. Die Antragsteller haben insoweit nachvollziehbar vorgetragen, dass es Herrn ... darum gegangen sei, zu privaten Zwecken kurzfristig etwas mehr Geld zu verdienen. Wäre ein Vorschuss gezahlt worden, würde nicht mehr Geld verdient werden als sonst üblich, sondern lediglich ein Teil des Lohnes früher ausgezahlt.
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Da nach alledem derzeit ein Verstoß des Antragstellers Ziff. 1 im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) und d) PBZugV nicht ausreichend erwiesen ist und auch sonstige Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit fehlen, erfüllen die Antragsteller mit der nach obenstehenden Maßstäben erforderlichen sehr hohen Wahrscheinlichkeit die Genehmigungsvoraussetzungen.
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c) Die Antragsteller haben danach nicht nur einen Anordnungsanspruch, sondern auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Mit Ablauf ihrer Genehmigungen zum 31.07.2020 müssten sie ihren Taxi- und Mietwagenbetrieb einstellen. Ohne Erlass der einstweiligen Anordnung drohten daher erhebliche Nachteile existenziellen Ausmaßes, die durch das spätere Hauptsacheverfahren nicht aufgewogen werden könnten.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 39 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 47.4, Nr. 47.5 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der Senat folgt dabei der Sache nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach für eine Taxigenehmigung für jedes davon erfasste Fahrzeug ein Streitwert in Höhe von jeweils 15.000 EUR sowie für eine Mietwagengenehmigung ein Streitwert in Höhe von 10.000 EUR je Fahrzeug anzusetzen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.2016 - 12 S 2257/14 -, juris Rn. 47; Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 1272/18 -, juris Rn. 35). Der sich daraus ergebende Streitwert ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Blick auf die deutlich kürzere Geltungsdauer der Genehmigungen im Vergleich zu den im Hauptsacheverfahren zu erstreitenden Genehmigungen zu halbieren. Hieraus ergibt sich indes ein Betrag von insgesamt 107.500 EUR (15.000 EUR x 13 Taxis = 195.000 EUR; 10.000 EUR x 2 Mietwagen = 20.000 EUR; 195.000 EUR + 20.000 EUR = 215.000 EUR : 2 = 107.500 EUR). Da der hier berechnete Betrag von der Festsetzung des Verwaltungsgerichts abweicht, ist die Streitwertfestsetzung auch für den ersten Rechtszug von Amts wegen zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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