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| Die Antragstellerin wendet sich im vorliegenden Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 13 Nr. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 23.06.2020 in der seit dem 06.08.2020 geltenden Fassung der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 28.07.2020, soweit die Vorschrift mit dem dort geregelten Betriebsverbot Prostitutionsstätten erfasst, die ausschließlich sog. Domina-Leistungen ohne Geschlechtsverkehr erbringen. |
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| Die Antragstellerin betreibt ein sog. BDSM-/Domina-Studio (BDSM: „Bondage and Discipline, Dominance and Submission, Sadism and Masochism”). Dabei handelt es sich um einen ... in einem Gewerbegebiet mit ... sog. Behandlungsräumen. In dem Studio werden sexuelle Dienstleistungen in Form von sog. Domina-Tätigkeiten gegen Entgelt erbracht. Die Antragstellerin beschreibt diese Tätigkeiten auszugsweise wie folgt (Hervorhebung im Original): |
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| „BDSM-Studios sind Einrichtungen, in denen am und gegenüber dem Kunden Handlungen vorgenommen werden, die den Bereichen Bondage, Dominanz, Unterwerfung, Sadismus und Masochismus entstammen. |
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| In einem BDSM-Studio werden Leistungen aus dem Bizarr-Bereich und dem klassischen Domina-Bereich angeboten. Beide Leistungsfelder haben gemeinsam, dass sie keine enge körperliche Nähe zwischen den Beteiligten erfordern. Diese bleibt aus, weil Körperkontakt in diesem Bereich nicht notwendig ist, um dem Gast sexuelle Befriedigung und Lust zu verschaffen, Hierfür wenden die Dienstleisterinnen verbale Techniken an. Der Gast wünscht Demütigung, Erniedrigung oder Erziehung. Dabei werden Hilfsmittel eingesetzt, wie z.B. Peitsche, Paddle oder Rohrstock. |
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| Das Berufsfeld der klassischen Domina kennzeichnet sich dadurch, dass die Arbeit mit und am Gast ohne Körperkontakt erfolgt. Eine klassische Domina ist unberührbar. Diese Unberührbarkeit ist Teil des erotischen Erlebnisses. Die Tätigkeit der Prostituierten beschränkt sich auf sexuelle Handlungen ohne echten Körperkontakt. Es kommt, wenn überhaupt, zu Berührungen mit den Händen, z.B. beim Anlegen von BDSM-Utensilien am Kunden oder der ‚spielerischen‘ Abwehr des Kunden als Ausdruck der Unnahbarkeit der Domina. Soweit es zu kurzen Körperkontakten mit den Händen kommt, kann dies - ohne dass das allgemeine Setting der Situation gestört würde - mit Schutzhandschuhen ausgeführt werden. In einem BDSM-Studio kommt es insbesondere nicht zu Geschlechtsverkehr oder sonstigem Ganzkörperkontakt. |
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| Bei der Behandlung steht, sitzt, kniet oder liegt der Gast. Er gehorcht während des gesamten Besuchs seiner gebuchten Dienstleisterin. Diese legt - innerhalb der gebuchten Leistung - die Regeln fest. Die Gäste eines BDSM-Studios nehmen eine passive Rolle ein.“ |
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| Die Antragstellerin macht geltend, der Betrieb ihres Studios sei ihr seit dem 16.03.2020 aufgrund des zuletzt in § 13 Nr. 2 CoronaVO geregelten Verbots des Betriebs von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen sowie jeder sonstigen Ausübung des Prostitutionsgewerbes im Sinne von § 2 Abs. 3 ProstSchG nicht mehr möglich. Im Falle der erstrebten Betriebsöffnung werde sie ausschließlich Leistungen anbieten, bei denen kein Ganzkörperkontakt bestehe. Berührungen erfolgten ausschließlich mit den Händen oder mittels Gegenständen. Bei Berührungen mit den Händen würden Schutzhandschuhe getragen, was die sexuelle Dienstleistung nicht einschränken werde, weil die Verwendung von Handschuhen bereichstypisch sei. Auch könne während der gesamten sog. Behandlung sowohl vom Gast als auch von der Dienstleisterin eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Das Tragen von Masken sei während der Behandlungen nicht störend, vielmehr teilweise ohnehin Bestandteil des Programms, und könne der sexuellen Erregung dienen. Dadurch, dass die Dienstleisterinnen das Programm bestimmten, sei es in einem BDSM-Studio auch problemlos möglich, die angebotenen Leistungen zu beschränken und jederzeit epidemiologisch anzupassen. Die Gäste seien hiermit vertraut, ihnen sei bekannt, dass grundsätzlich ihre gebuchte Domina das „letzte Wort“ habe. Im Falle einer Öffnung werde sie das System vollständig auf eine vorherige telefonische Terminvereinbarung umstellen. Spontane Kundenansammlungen oder Warteschlangen würden damit vermieden. Schon vor der Pandemie habe es zu ihrem Konzept gehört, dass sich zeitgleich anwesende Kunden nicht begegneten. Dies sei typisch für ein Domina-Studio, da diese Art von sexueller Dienstleistung überproportional von Personen in Anspruch genommen werde, die in erfolgreichen und teils prominenten Positionen mit viel psychischem Druck und Verantwortung arbeiteten und keinesfalls beim Aufsuchen eines Domina-Studios gesehen werden wollten. Vor dem Betreten der Räume könnten die Gäste angehalten werden, sich die Hände gründlich zu desinfizieren. Arbeitsmittel, die innerhalb der Behandlungen zum Einsatz kämen, würden nach jedem Kunden ebenfalls gründlich gereinigt. Einweginstrumente würden gegebenenfalls nach der Benutzung desinfiziert und fachgerecht entsorgt. Die Räumlichkeiten würden nach jedem Kunden gereinigt und gelüftet. Ihr BDSM-Studio sei insgesamt genauso oder sogar besser in der Lage, diejenigen Schutzmaßnahmen einzuführen und einzuhalten, die für die vom Verordnungsgeber bereits wieder zugelassenen Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen wie Tattoo-, Massage-, Kosmetik-, Sonnen-, Nagel- oder Friseurstudios gälten. |
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| Vor diesem Hintergrund sei die derzeit geltende vollständige Betriebsuntersagung in § 13 Nr. 2 CoronaVO rechtswidrig. Es fehle bereits an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Insbesondere genüge § 28 Abs. 1 IfSG dafür mangels hinreichender Bestimmtheit nicht, wobei diese Rechtsfrage im vorliegenden Eilrechtsverfahren auch nicht offengelassen werden dürfe. Die Schließung ihres Betriebes sei außerdem mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Sie verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3a Abs. 2 LV. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung dafür, BDSM-Studios mit anderen Prostitutionsstätten gleich zu behandeln. Bordelle und Domina-Studios seien nach epidemiologischen Kriterien nicht ähnlich. Ein Domina-Studio sei vielmehr anderen körpernahen Dienstleistungen näher als einem Bordell oder Laufhaus. Bei der Erbringung von Domina-Leistungen komme es nicht zu einem engen oder dauerhaften Körperkontakt. Der Kontakt beschränke sich auf Berührungen mit den Händen, die auch mit Armlänge Abstand erfolgen könnten. Über lange Phasen während einer Behandlung erfolge gar kein Körperkontakt. Insbesondere komme es nicht zu Formen des Geschlechtsverkehrs, d.h. nicht zu Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr. Diese enge Form des Körperkontakts und die damit eröffnete Übertragungsgefahr gebe es in Domina-Studios somit nicht. Aus demselben Grund und angesichts der oben beschrieben Möglichkeiten zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen sei die Schließung von BDSM-Studios inzwischen auch nicht mehr erforderlich und deshalb unverhältnismäßig. Auch das aktuelle Infektionsgeschehen stehe einer Öffnung von Domina-Studios ebenso wie der bereits erfolgten Öffnung anderer Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen nicht entgegen. Insbesondere sei eine Überlastung des Gesundheitssystems mit den aktuellen Zahlen nicht begründbar. |
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| Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sei auch dringend geboten. Ein wesentliches Indiz dafür ergebe sich bereits aus der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Vorschrift. Sie (die Antragstellerin) erleide infolge der Betriebsschließung zudem gravierende Nachteile. Das Betriebsverbot gelte bereits seit dem 16.03.2020 und sei gerade bis zum 30.09.2020 verlängert worden. Ihr fehlten bereits seit vier Monaten die Einnahmen. Die Betriebsuntersagung sei für sie nicht mehr nur existenzbedrohend, sondern -vernichtend. Die wirtschaftlichen Nachteile seien irreparabel. |
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| Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. |
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| Er macht unter anderem geltend, Ziel sexueller Dienstleistungen sei stets die Herbeiführung der sexuellen Erregung des Kunden, die mit einem erhöhten Aerosolausstoß verbunden sei. Letzteres sei auch im vorliegenden Fall gegeben. Deshalb verbiete sich eine weitere Differenzierung innerhalb des Bereichs der sexuellen Dienstleistungen. Das gelte umso mehr, als die Antragstellerin auch Leistungen in dem von ihr nicht näher erläuterten „Bizarr-Bereich“ anbiete und eine ausreichende Belüftung der Räume zweifelhaft erscheine, da die angebotenen sexuellen Dienstleistungen nach dem Willen der Kunden typischerweise nicht von außen eingesehen werden sollten und aus Jugendschutzgründen auch nicht dürften. Hinzu komme, dass in Betrieben wie denen der Antragstellerin nicht gewährleistet sei, dass Infektionsketten gegebenenfalls nachvollzogen werden könnten, da Kunden dort besonderen Wert auf Diskretion und Anonymität legten. Die Regelung in der angefochtenen Vorschrift erweise sich außerdem auch unter Berücksichtigung der bisherigen Dauer und der zuletzt erfolgten Verlängerung als weiterhin verhältnismäßig. Die Landesregierung sei bemüht, das sich zurzeit wieder verstärkende Infektionsgeschehen einzudämmen. Sie werde die weitere Entwicklung regelmäßig prüfen und neu bewerten. Unabhängig davon falle selbst bei Annahme offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache die Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin und den Folgen für die Gesundheit der potentiell Betroffenen zu Lasten der Antragstellerin aus. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. |
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| 1. Der Antrag ist zulässig. |
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| Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. zu dieser Voraussetzung Ziekow, a.a.O., 5. Aufl., § 47 Rn. 387) und die gesonderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. |
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| a) Die Statthaftigkeit des Antrags in der Hauptsache folgt aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen - wie hier - der Landesregierung. |
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| c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische Person, die geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (ausf. dazu Senat, Urt. v. 29.04.2014 - 1 S 1458/12 - VBlBW 2014, 462, mit zahlreichen Nachweisen). Nach diesem Maßstab besteht die Antragsbefugnis. Es ist möglich, dass die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt ist. |
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| d) Für den Antrag in der Hauptsache und den nach § 47 Abs. 6 VwGO liegt auch ein Rechtsschutzinteresse vor. Denn mit einem Erfolg dieser Anträge kann die Antragstellerin ihre Rechtsstellung jeweils verbessern. |
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| Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381; Beschl. v. 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N.; Beschl. v. 13.03.2017 - 6 S 309/17 - juris). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.1998 - 4 VR 2/98 - NVwZ 1998, 1065). |
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| An diesen Maßstäben gemessen ist der Antrag der Antragstellerin nicht begründet. Der Erfolg eines gegen § 13 Nr. 2 CoronaVO, soweit das dort geregelten Betriebsverbot Prostitutionsstätten erfasst, die ausschließlich sog. Domina-Leistungen ohne Geschlechtsverkehr erbringen, gerichteten Normenkontrollantrags wäre offen (a). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (b). |
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| a) Die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache wären offen. |
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| „Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache sind offen. Zwar können infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus auf Ermächtigungsgrundlagen aus dem 5. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes gestützt und auch gegen sog. Nichtstörer gerichtet werden (aa). Eine Verletzung des Zitiergebots des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG durch die CoronaVO liegt voraussichtlich nicht vor (bb). Offen ist jedoch, ob § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die landesweite Schließung bestimmter Einrichtungen ist (cc). Hiervon abgesehen, dürfte die durch die CoronaVO angeordnete Schließung von Prostitutionsstätten einem legitimen Ziel dienen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (dd). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz dürfte nicht vorliegen (ee). |
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| aa) Für die Regelungen in [§ 13 Nr. 2] CoronaVO besteht eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG. Wenn - wie im Fall des Coronavirus unstreitig der Fall - eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Mit solchen repressiven Bekämpfungsmaßnahmen gehen zulässigerweise auch stets präventive Wirkungen einher, solche präventiven Folgen sind gerade bezweckt. Daher ist die Landesregierung insbesondere nicht auf Maßnahmen nach § 16 oder § 17 IfSG beschränkt. Dabei ermächtigt § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern (vgl. ausf. zum Ganzen Senat, Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - juris; Beschl. v. 23.04.2020 - 1 S 1003/20 -; je m.w.N.). |
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| bb) Die Verordnungsermächtigung des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG verstößt nicht gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Berufsregelnde Gesetze fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unter das Zitiergebot (vgl. auch hierzu bereits Senat, Beschl. v. 09.04.2020 und v. 23.04.2020, je a.a.O.). |
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| cc) Ob die Vorschrift des § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG im Hinblick auf die Anordnung der Schließung von Einrichtungen gegenüber Personen, die sich insoweit auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, dem Parlamentsvorbehalt genügt, ist offen (vgl. ebenfalls ausf. Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O.). |
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| dd) Von dieser offenen, im Hauptsacheverfahren zu klärenden Frage abgesehen, dürfte die durch die CoronaVO angeordnete Schließung von Prostitutionsstätten geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein. |
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| Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) noch gewahrt wird. Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Es ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. dazu ausf. Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O., und v. 30.04.2020 - 1 S 1101/20 -, je m.w.N.). |
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| Diesen Anforderungen dürfte die angeordnete Schließung von Prostitutionsstätten gemäß § 13 Nr. 2 CoronaVO derzeit noch genügen. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ist von der WHO als Pandemie eingestuft worden. Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. Die Schließung von Einrichtungen gemäß § 13 CoronaVO bezweckt vor allem eine Reduzierung der Sozialkontakte, um eine Verlangsamung der Ausbreitung des Virus zu erreichen. Ziel gerade der Schließung von Einrichtungen gem. § 13 Nr. 2 CoronaVO ist es, die erhöhten Infektionsgefahren, die aus der Art der Erbringung der sexuellen Dienstleistungen - die notwendigerweise auf engsten Körperkontakt mit wechselnden Partnern gerichtet sind - resultieren, zu unterbinden. Darin besteht ein legitimes Ziel. Auch stellt dies ein geeignetes Mittel dar, Infektionsketten zu unterbrechen und die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen. |
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| Die getroffenen Maßnahmen sind auch erforderlich. Ein anderes, gleich wirksames, aber weniger eingreifendes Mittel ist nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin geltend macht, Ansteckungsrisiken könnten durch ihr Schutz- und Hygienekonzept beherrscht werden, sind diese Maßnahmen nicht gleich wirksam. Das Ansteckungsrisiko im Falle der Untersagung der Betriebe liegt bei Null, während bei Öffnung und dem zwangsläufigen Aufeinandertreffen von Menschen mit einem engen körperlichen Kontakt ein deutlich höheres Risiko verbleibt. |
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| Die Betriebsuntersagung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit dieser Schließungen ist zu berücksichtigen, dass die davon betroffenen Einrichtungen dadurch spürbare wirtschaftliche Einbußen erleiden werden. Die betroffenen Belange der Prostitutionsbetriebe sind - auch wenn die Antragstellerin hierzu nichts konkret vorträgt - als erheblich einzuschätzen, da sie den einzelnen Inhaber des Betriebes und die dort Beschäftigten in ökonomischer Hinsicht gegebenenfalls existenziell betreffen. Demgegenüber stehen jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener, für die der Staat nach Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht hat, und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Denn nach sachverständiger Einschätzung konnte im März 2020 selbst nach den bundesweit vorgenommenen weitgehenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens nicht ausgeschlossen werden, dass die Kapazitäten zur Behandlung der mit dem Coronavirus infizierten Personen trotz ihrer Ausweitung nicht ausreichen werden, sondern wurde sogar als wahrscheinlich angesehen, dass eine medizinisch sachgerechte Behandlung aller Erkrankten nicht gewährleistet werden konnte (vgl. zur Stellungnahme von sieben medizinischen Fachgesellschaften nur FAZ v. 26.03.2020, S. 1 „Ärzte befürchten Mangel an Intensivbetten“; ähnlich das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung RWI, s. FAZ v. 27.03.2020, S. 17 „Testen, tracken, isolieren - und langsam starten“). |
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| Die Schließung von Betrieben unterliegt als dauerhaft eingreifende Maßnahme der Verpflichtung der Landesregierung zur fortlaufenden Überprüfung, insbesondere wie wirksam die Maßnahmen im Hinblick auf eine Verlangsamung der Verbreitung des Coronavirus sind und wie sich die Schließungen für die betroffenen Betriebe auswirken. Dass die Landesregierung bisher dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wäre, ist in keiner Weise ersichtlich (ähnlich zu anderen betrieblichen Schließungsanordnungen OVG Bln.-Bdbg., Beschl. v. 23.03.2020 - 11 S 12/20 - juris; BayVGH, Beschl. v. 30.03.2020 - 20 CS 20.611 - juris). Offenkundig werden neue medizinische und epidemiologische Erkenntnisse fortlaufend in den Entscheidungsprozess des Verordnungsgebers einbezogen. Auch nach den mittlerweile mehrwöchigen Beschränkungsmaßnahmen, einer merklichen Abnahme der Infektionsgeschwindigkeit und den vorgenommen „Lockerungen“ von Beschränkungen besteht weiterhin die Gefahr, dass ohne Kontaktbeschränkungen die Infektionsgeschwindigkeit wieder sehr schnell zunimmt. Es handelt sich nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts weiterhin weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Anzahl der neu übermittelten Fälle sei aktuell rückläufig. Es schätze die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-09-de.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 10.07.2020). |
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| Die Ausübung der Prostitution, auch wenn sie sich auf erotische Massagen beschränken sollte, zielt regelmäßig gerade auf das Herstellen eines engsten, nicht nur punktuellen Körperkontakts, der zu einer deutlich gesteigerten Atemaktivität führt. Hierdurch entstehen erhöhte Infektionsrisiken. Denn durch die gesteigerte sexuelle Erregung erhöht sich die Atemfrequenz, in der Folge ist der verstärkte Ausstoß von möglicherweise infektiösen Tröpfchen und Aerosolen in geschlossenen Räumen konkret zu befürchten (zur Aerosolübertragung vgl. u.a. Studie „Detection of Air and Surface Contamination by Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) in Hospital Rooms of Infected Patients“ https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.29.20046557v2; weitere Nachweise siehe RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) Stand: 10.07.2020, Fn. 3-18 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText1). Zwar sieht das Hygienekonzept der Antragstellerin vor, dass bei Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5m ein Mund-Nasen-Schutz von den beiden Beteiligten zu tragen ist, jedoch lässt sich die sachgerechte Handhabung aufgrund der intimen Situation weder überprüfen, noch bietet dieser einen absoluten Schutz vor einer Übertragung. Hinzu kommt, dass in denselben Räumlichkeiten von denselben Prostituierten regelmäßig täglich mehrfach wechselnde Kunden bedient werden, was der Verbreitung einer Infektion in hohem Maße Vorschub leisten kann. |
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| Das Infektionsgeschehen aus jüngster Zeit verdeutlicht zudem, dass es in verschiedenen Bundesländern in kurzer Zeit mehrere COVID-19-Ausbrüche unter anderem in Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, im Zusammenhang mit verschiedenen religiösen Veranstaltungen und in fleischverarbeitenden Betrieben gab. Diese Ereignisse belegen zum einen, dass sich das Coronavirus insbesondere ohne die Einhaltung der Mindestabstände in kürzester Zeit auf eine große Zahl von Menschen übertragen kann, denn ohne Gegenmaßnahmen steckt eine infizierte Person – in den ersten Tagen schon vor Symptombeginn unerkannt - durchschnittlich zwei bis drei weitere Menschen an (vgl. RKI, FAQ „Welchen Vorteil bringt Abstand halten bzw. die Beschränkung sozialer Kontakte?“, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html, Abruf vom 10.07.2020). Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die Rückverfolgung von Infektionsketten von hoher Bedeutung ist, um die Weiterverbreitung des Coronavirus einzudämmen. Eine solche Rückverfolgungsmöglichkeit im Falle eines Infektionsherdes in einer Prostitutionsstätte ist in dem von der Antragstellerin in Bezug genommenen Konzept des Unternehmerverbandes Erotikgewerbe Deutschland e.V. vom 18.05.2020 durch Erhebung von Kontaktdaten der Kunden zwar vorgesehen, im Hinblick auf die üblicherweise eingeforderte Diskretion im Prostitutionsgewerbe jedoch lebensfremd. Da zahlreiche Kunden von Prostitutionsbetrieben ihre Besuche dort verheimlichen wollen, erscheint es dem Senat nicht realistisch, dass immer korrekte Kontaktdaten angegeben werden, was eine zuverlässig und lückenlose Rückverfolgung erschweren dürfte (so schon Senat, Beschl. v. 04.06.2020 – 1 S 1629/20; Nds. OVG, Beschl. v. 09.06.2020 - 13 MN 211/20 -, juris, Rn. 41; Saarl. OVG, Beschl. v. 3.06.2020 - 2 B 201/20 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschl. v. 25.06.2020 - 13 B 800/20.NE - juris, Rn. 61). |
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| ee) Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende willkürliche Ungleichbehandlung von Prostitutionsbetrieben besteht voraussichtlich nicht. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.07.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. - BVerfGE 98, 365, 385; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68 f.; Urt. v. 19.02.2013 - 1 BvL 1/11 u.a. - BVerfGE 133, 59, 86). Die Regelungen der Landesregierung zu den Betriebsuntersagungen haben sich daher an den Zwecken der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG auszurichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.; Beschl. v. 20.05.2020 - 1 S 1442/20 -). |
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| Nach diesem Maßstab liegt voraussichtlich keine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Friseur-, Nagel-, Kosmetik-, (Thai-) Massagestudios und insbesondere zu Tattoo-, Piercing- sowie Wellnessstudios vor. Denn in Prostitutionsbetrieben dürften regelmäßig deutlich höhere Infektionsrisiken bestehen. Zwar handelt es sich bei den Dienstleistungen in den genannten Betrieben auch um körpernahe Dienstleistungen, die teilweise sogar schmerzhaft sind und die Atemfrequenz der Kunden erhöhen können. Wie bereits ausgeführt, gehen die sexuellen Dienstleistungen in einem Prostitutionsbetrieb jedoch regelmäßig über einen kurzzeitigen punktuellen körperlichen Kontakt hinaus und bestehen in einem sehr engen körperlichen Kontakt mit typischerweise erhöhter Atemfrequenz und erhöhtem Aerosolausstoß. Schließlich dürfte die Möglichkeit der Nachverfolgbarkeit von Infektionsgefahren bei Kunden von Prostitutionsbetrieben deutlich geringer ausfallen als in Tattoo-, Piercing-, Massage-, Kosmetik-, Sonnen-, Nagel- und Friseurstudios. |
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| Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Antragstellerin im Verhältnis zu Prostitution und Erbringung sonstiger sexueller Dienstleistungen, die außerhalb des Anwendungsbereichs von § 2 Abs. 3 ProstSchG stattfindet, vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Dass z.B. das Empfangen einer Prostituierten in der eigenen Wohnung oder in einem Hotel nicht verboten ist, rechtfertigt sich damit, dass der Staat aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in die Intimsphäre seiner Bürger eindringen möchte (so auch Nds. OVG, Beschl. v. 09.06.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 47). Im Übrigen dürfte von „Hausbesuchen“ grundsätzlich eine niedrigere Infektionsgefahr ausgehen, als von der Nutzung der selben Räumlichkeit von einer Vielzahl von wechselnden Kunden.“ |
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| An diesen Ausführungen aus seinem Beschluss vom 13.07.2020 (a.a.O.) hält der Senat auch unter Berücksichtigung der seither zu verzeichnenden Entwicklung des Infektionsgeschehens sowie des Vorbringens der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren fest. Insbesondere rechtfertigt das Vorbringen der Antragstellerin keine über die in dem Senatsbeschluss vom 13.07.2020 (a.a.O.) festgestellten offenen Erfolgsaussichten hinausgehende Prognose, dass ein Normenkontrollantrag gegen § 13 Nr. 2 CoronaVO mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg hätte, soweit das dort geregelte Betriebsverbot Prostitutionsstätten erfasst, die ausschließlich sog. Domina-Leistungen ohne Geschlechtsverkehr erbringen. Insbesondere liegt aller Voraussicht nach der von der Antragstellerin geltend gemachte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (aa)) und Art. 3a Abs. 2 LV (bb) nicht vor und erweist sich der Eingriff in ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG entgegen ihrer Auffassung als verhältnismäßig (cc)). |
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| aa) Mit der Einbeziehung von sog. Domina- und BDSM-Studios in den Anwendungsbereich von § 13 Nr. 2 CoronaVO hat der Verordnungsgeber den allgemeinen Gleichheitssatz aller Voraussicht nach nicht verletzt. Die in dieser Norm erfolgte Gleichbehandlung von solchen Betrieben mit anderen Prostitutionsstätten und die damit einhergehende Ungleichbehandlung jener Betriebe im Vergleich zu Einrichtungen wie Tattoo-, Massage-, Kosmetik-, Sonnen-, Nagel- oder Friseurstudios begegnet keinen durchgreifenden gleichheitsrechtlichen Bedenken. |
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| Der allgemeine Gleichheitssatz enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen für jeden Regelungsbereich in gleicher Weise geltenden Maßstab. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, Beschl. v. 21.07.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. - BVerfGE 126, 400, 416; Beschl. v. 18.07.2012 - 1 BvL 16/11 - BVerfGE 132, 179, 188). Der jeweils aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend. Jedoch ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger. Ein solcher besteht von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen (Art. 80 Abs. 1 GG). Der Verordnungsgeber soll das Gesetz konkretisieren und „zu Ende denken“, weiter gehen seine Befugnisse jedoch nicht. Er muss daher den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind. Gesetzlich vorgegebene Ziele darf er weder ignorieren noch korrigieren (vgl. ausf. und m.w.N. Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.). Die Regelungen der Landesregierung bei der Lockerung der Betriebsschließungen haben sich daher, wie im oben zitierten Senatsbeschluss vom 13.07.2020 (a.a.O.) ausgeführt, an den Zwecken der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG auszurichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornehmen. Hieraus folgt, dass Ungleichbehandlungen grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen dürfen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt ist. Denn § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG geben nur Befugnisse zu Schutzmaßnahmen aus Gründen des Infektionsschutzes, soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sind. Zu diesen infektionsschutzrechtlichen Gründen, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen können, treten überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls hinzu, die voraussichtlich Ungleichbehandlungen ebenfalls erlauben können (vgl. ausf. zu alledem Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.). |
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| Hiervon ausgehend, ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass der Verordnungsgeber sog. Domina- und BDSM-Studios mit dem in § 13 Nr. 2 CoronaVO geregelten Betriebsverbot anderen Regelungen unterwirft als die Betreiber von Einrichtungen wie Tattoo-, Massage-, Kosmetik-, Sonnen-, Nagel- oder Friseurstudios. Zwischen solchen Einrichtungen auf der einen Seite und sog. Domina- und BDSM-Studios auf der anderen Seite bestehen vor dem Hintergrund des Infektionsschutzes wesentliche Unterschiede, jedenfalls beruht deren unterschiedliche Behandlung auf sachlichen Gründen. |
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| Die Antragstellerin hat zwar nachvollziehbar dargelegt, dass die in ihrem Betrieb angebotenen sexuellen Dienstleistungen - anders als in anderen Prostitutionsstätten wie Bordellen - üblicherweise keinen Geschlechtsverkehr umfassen und dadurch geprägt sind, dass zwischen der sog. Domina und dem Kunden zumeist ein Abstand gewahrt bleibt. Es ist daher - jedenfalls jenseits des von der Antragstellerin nicht substantiiert erläuterten „Bizarr-Bereichs“ - glaubhaft, dass in solchen Betrieben typischerweise auf enge körperliche Kontakte verzichtet wird und Abstände eingehalten werden können. Auf diesem - einen - Feld bestehen daher infektionsschutzrechtlich relevante Unterschiede zu anderen Prostitutionsstätten und weisen sog. Domina- und BDSM-Studios punktuelle - den Verzicht auf Geschlechtsverkehr betreffende - Übereinstimmungen mit anderen Betrieben auf, die körpernahe Dienstleistungen außerhalb des Prostitutionsbereichs erbringen. |
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| Dessen ungeachtet unterscheidet sich ein sog. Domina- oder BDSM-Studio in anderen infektionsschutzrechtlich ebenfalls bedeutsamen Bereichen erheblich von sonstigen körpernahen Dienstleistungsbetrieben wie Friseuren oder Tattoo-Studios. Das betrifft die Schaffung von infektionsschutzrechtlichen Gefahren durch einen erhöhten Aerosolausstoß aufgrund sexueller Erregung der Kunden und die Möglichkeiten zur Nachverfolgung von Infektionsketten. In diesen infektionsschutzrechtlich besonders wichtigen Bereichen (1) weist ein sog. Domina- oder BDSM-Studio weitgehende Übereinstimmungen mit anderen Prostitutionsstätten und zugleich erhebliche Unterschiede zu anderen Betrieben mit körpernahen Dienstleistungen auf (2): |
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| (1) Der Verordnungsgeber hat sich bei seiner Entscheidung, in § 13 Nr. 2 CoronaVO den Betrieb von Prostitutionsstätten, Bordellen sowie jede sonstige Ausübung des Prostitutionsgewerbes im Sinne von § 2 Abs. 3 ProstSchG zu untersagen, maßgeblich von der Erwägung leiten lassen, dass die „aus Gründen des Infektionsschutzes erforderliche Untersagung jeglicher im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübter sexueller Dienstleistung, auch im Verhältnis zu anderen, körpernahen Dienstleistungen, (...) auf der dem Prostitutionsgewerbe immanenten körperlichen Aktivität, die zu erhöhter Atmung und stärkerer Bildung von Aerosolen führt, welche neben der Tröpfcheninfektion als Hauptübertragungsweg für die Sars-CoV-2-Viren gelten, (beruht)“ (Begründung der Corona-Verordnung, Einzelbegründung zu § 13, abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/200623_Corona-Verordnung_Begruendung.pdf). |
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| Diese Einschätzung des Verordnungsgebers, dass die verstärkte Bildung von Aerosolen infektionsschutzrechtlich beachtlich - und dem Grunde nach ein taugliches Differenzierungskriterium im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG - ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere bewegt sich der Verordnungsgeber bei dieser Einschätzung in tatsächlicher Hinsicht nach wie vor auf dem Boden des derzeitigen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis zu den Hauptübertragungswegen für SARS-CoV-2. Das Robert-Koch-Institut zählt die respiratorische Aufnahme von virushaltiger Flüssigkeit unter anderem über Aerosole aus der Atemluft, zumal die Aerosole unter Umständen über längere Zeit in der Luft schweben bleiben können, gegenwärtig zu den Hauptübertragungswegen (vgl. RKI, „SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus.Krankheit-2019 (COVID-1), Stand 07.08.2020, zuletzt abgerufen am 20.08.2020 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Anhaltspunkte dafür, dass diese auch der angefochtenen Bestimmung zugrundeliegende Einschätzung ausgehend vom derzeitigen Stand der Wissenschaft inhaltlichen Richtigkeitsbedenken begegnen könnte, sind nicht erkennbar und auch von der Antragstellerin nicht vorgetragen. |
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| Die demnach infektionsschutz- und gleichheitsrechtlich weiterhin relevante Frage, ob ein Betrieb Dienstleistungen erbringt, die zu einem verstärkten Aerosolausstoß führen, ist bei sog. Domina- und BDSM-Studios wie dem der Antragstellerin zu bejahen. Dem steht nicht entgegen, dass in diesen Betrieben typischerweise kein Geschlechtsverkehr vollzogen wird und kein enger Körperkontakt stattfindet. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass den Kunden im BDSM-Bereich dessen ungeachtet auf andere Weise - durch die von ihr näher erläuterten verbalen Techniken und die Verwendung von Hilfsmitteln wie Rohrstock und Peitsche - sexuelle Befriedigung und Lust verschafft wird. Diese Zustände bis hin zum Orgasmus sind in aller Regel das vom Kunden gewünschte Ziel der von ihm „gekauften“ Dienstleistungen. Bei lebensnaher Betrachtung wird das Erreichen dieser Zustände typischerweise auch mit einem erhöhten Aerosolausstoß während der sog. Behandlung verbunden sein. |
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| Dieser Befund ist infektionsschutz- und gleichheitsrechtlich umso bedeutsamer, als die sog. Behandlung der Kunden - ungeachtet der Möglichkeit einer vorherigen und anschließenden Lüftung der genutzten Zimmer - in aller Regel in geschlossenen Räumen stattfindet. Denn dadurch erhöhen sich nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse die Infektionsgefahren. Dementsprechend hebt auch das Robert-Koch-Institut hervor, dass insbesondere der „längere Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen (...) die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 2 m erhöhen (kann), insbesondere dann, wenn eine infektiöse Person besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt und exponierte Personen besonders tief einatmen“ (vgl. RKI, „SARS-CoV-2 Steckbrief [...]“, a.a.O.). |
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| (2) Der mithin infektionsschutzrechtlich bedeutsame Umstand, dass in sog. Domina- und BDSM-Studios Dienstleistungen erbracht werden, die, weil sie auf eine sexuelle Erregung und Befriedigung des Kunden ausgerichtet sind, mit erhöhten Infektionsgefahren einhergehen, unterscheidet sog. Domina- und BDSM-Studios in gleichheitsrechtlich relevanter Weise von anderen Betrieben mit körpernahen Dienstleistungen wie Frisören oder Nagelstudios. |
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| Entscheidend kommt hinzu, dass den in Frisör- und ähnlichen Betrieben verbleibenden infektionsschutzrechtlichen Gefahren für eine schnelle und bei asymptomatischen Verläufen zunächst unerkannte Weiterverbreitung des Virus dadurch teilweise begegnet werden kann, dass Kunden, wie gezeigt (vgl. Senat, Beschl. v. 13.07.2020, a.a.O.), dazu verpflichtet werden, ihre persönlichen Daten wie Vor- und Nachnamen, Anschrift, Datum und Zeitraum der Anwesenheit sowie eine Telefonnummer zum Zwecke der Auskunftserteilung gegenüber dem Gesundheitsamt oder der Ortspolizeibehörde zu hinterlassen, um es den Behörden zu erlauben, Infektionsketten nachzuvollziehen und möglichst frühzeitig zu unterbrechen (vgl. § 14 i.V.m. § 6 CoronaVO). Der Senat hält an seiner Einschätzung fest, dass eine solche Rückverfolgungsmöglichkeit im Falle eines Infektionsherdes in einer Prostitutionsstätte im Hinblick auf die üblicherweise eingeforderte Diskretion im Prostitutionsgewerbe in weiten Teilen lebensfremd ist, weil zahlreiche Kunden von Prostitutionsbetrieben ihre Besuche dort verheimlichen wollen (vgl. Beschl. v. 13.07.2020, a.a.O., m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass für sog. Domina- und BDSM-Studios insoweit etwas anderes gelten könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Das Bedürfnis der Kunden nach Anonymität und Diskretion dürfte in diesem Bereich sexueller Dienstleistungen besonders hoch sein. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass sie schon vor den Pandemie Terminvereinbarungen im Wesentlichen (nur) telefonisch abgewickelt hat, und dass ihre Kunden „in erfolgreichen - auch prominenten - Positionen mit viel psychischem Druck und Verantwortung arbeiten und keinesfalls beim Aufsuchen eines Domina Studios gesehen werden wollen“ (Antragsschriftsatz, S. 6). Die zuletzt genannte Einschätzung ist nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund ist es nicht glaubhaft, dass die Betreiber von sog. Domina- und BDSM-Studios - auch bei bestem, vom Senat im Falle der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenem - Willen gewährleisten können, von ihren Kunden durchgehend zutreffende und aktuelle Angaben zu ihren personenbezogenen Daten zu erhalten. Erst recht kann die Angabe solcher Daten, angesichts der gewünschten Geheimhaltung der Treffen und der sog. Behandlungen, von außenstehenden Dritten nicht effektiv kontrolliert werden. Aus diesen Gründen vermag sich der Senat auch nicht der anderen Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin zur Frage der Ungleichbehandlung von sog. Domina- und BDSM-Studios gegenüber sonstigen körpernahen Dienstleistern in dessen von der Antragstellerin ins Feld geführten Beschlüssen vom 22.07.2020 (- VG 14 L 163/20 - und - VG 14 L 173/20 -) anzuschließen. |
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| bb) Der von der Antragstellerin geltende gemacht Verstoß gegen Art. 3a Abs. 2 LV liegt aller Voraussicht nach nicht vor. |
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| Diese Vorschrift bestimmt, dass der Staat gleichwertige Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen im gesamten Land fördert. Diese Staatsziele (vgl. Strohs, in: Haug, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 3a Rn. 1, 30) werden durch § 13 Nr. 2 CoronaVO voraussichtlich bereits in objektiver Hinsicht nicht verletzt. Unabhängig davon vermittelt die Vorschrift, die sich nur objektiv-rechtlich an die Staatsorgane wendet, dem Einzelnen jedenfalls keine subjektiven Rechte (vgl. Strohs, a.a.O. Rn. 1 m.w.N.). |
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| cc) Der durch § 13 Nr. 2 CoronaVO bewirkte Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG erweist sich derzeit aller Voraussicht nach weiterhin als verhältnismäßig. |
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| Weder hat die Antragstellerin Umstände dargelegt noch sind Umstände ersichtlich, welche die hierzu oben dargelegte Auffassung des Senats aus seinem Beschluss vom 13.07.2020 (a.a.O.) in Frage stellen würden. |
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| Soweit die Antragstellerin sinngemäß geltend macht, das in § 13 Nr. 2 CoronaVO geregelten Verbot sei nicht erforderlich, weil mildere Mittel wie die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen im Sinne von § 14 i.V.m. §§ 4 bis 6 CoronaVO zur Verfügung stünden, teilt der Senat diese Auffassung auch in Bezug auf sog. Domina- und BDSM-Studios aus den oben (unter aa)) genannten Erwägungen nicht. Die Antragstellerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Eigenarten der dort angebotenen Dienstleistungen und Dienstleistungswünsche angenommen werden kann, dass Kunden während der sog. Behandlungen Anweisungen ihrer „Domina“ auch zu hygienischen Fragen befolgen werden. Gleichwohl wäre der Betrieb eines solchen Studios mit Maßnahmen der genannten Art offensichtlich weniger geeignet, die bei einem Betrieb entstehenden infektionsschutzbezogenen Gefahren zu vermeiden, wie ein vollständiges Verbot der Betriebe. Hinzu kommt, dass die Eigenart der Dienstleistungen in den Zeiträumen vor und nach den eigentlichen sog. Behandlungen keine Gewähr für eine ausreichende Akzeptanz von Infektionsschutzmaßnahmen seitens der Kunden bietet und insbesondere die Nachverfolgbarkeit von Infektionsschutzgeschehen aus den oben genannten Gründen bei lebensnaher Betrachtung vielfach nicht gegeben wäre. |
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| Das angefochtene Betriebsverbot erweist sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch weiterhin als angemessen (verhältnismäßig i.e.S.). Der durch das Betriebsverbot bewirkte Eingriff wiegt insoweit schwer, als der Antragstellerin die Ausübung ihres Gewerbes vollständig untersagt wird. Welche wirtschaftliche Bedeutung dem konkret zukommt, hat die Antragstellerin allerdings nicht substantiiert vorgetragen. Sie hat ihre Behauptung, das seit März des Jahres bestehende Betriebsverbot treffe sie „existenzvernichtend“, nicht weiter erläutert. Insbesondere ist weder wenigstens ansatzweise erkennbar, welche Umsätze und Gewinne ihr entgangen sind, ob Vermögen oder andere Einkünfte sowie Einnahmemöglichkeiten zur Verfügung stehen, mit denen die Umsatzeinbußen teilweise aufgefangen werden können, und in welchem Umfang sie von den staatlichen Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie profitiert hat oder noch profitieren könnte. Doch selbst wenn zu Gunsten der Antragstellerin davon ausgegangen wird, dass sie durch das bestehende Verbot und seine nochmalige Verlängerung bis zum 30.09.2020 auch wirtschaftlich und insgesamt in schwerwiegender Weise getroffen wird, stehen diese erheblichen Nachteile derzeit noch nicht außer Verhältnis zu dem mit § 13 Nr. 2 CoronaVO verfolgten Ziel, die körperliche Unversehrtheit einer potenziell sehr großen Zahl von Menschen und, damit verbunden, die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu schützen, das bei wieder steigenden Zahlen unter Umständen sehr schnell auf eine potentiell tödliche Krankheit reagieren können muss, für die es noch keine umfassenden Therapiemöglichkeiten und keinen in Deutschland zugelassenen Impfstoff gibt. |
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| Soweit die Antragstellerin dem entgegenhält, bei den aktuellen Zahlen zum Infektionsgeschehen sei die Befürchtung einer Überlastung des Gesundheitssystems nicht begründbar, teilt der Senat diese Einschätzung gegenwärtig nicht. Das Robert-Koch-Institut führt in seiner aktuellen „Risikobewertung zu COVID-19“ (Stand 18.08.2020, zuletzt abgerufen am 20.08.2020 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) unter anderem aus: |
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| „Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle weiterhin zu. Die Anzahl der neu übermittelten Fälle war in Deutschland seit etwa Mitte März bis Anfang Juli rückläufig, seitdem nimmt die Fallzahl stetig zu und dieser Anstieg hat sich in den letzten Wochen deutlich beschleunigt. Gleichzeitig nimmt die Anzahl derjenigen Landkreise ab, die in den letzten 7 Tagen keine Fälle meldeten. Es kommt bundesweit zu größeren und kleineren Ausbruchsgeschehen, insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis und bei Gruppenveranstaltungen. Auch Reiserückkehrer, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen tragen zu dem Anstieg der Fallzahlen bei. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch.“ |
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| Diese Einschätzung beruht auf einer Auswertung der zurzeit vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und ist inhaltlich nachvollziehbar. Vor ihrem Hintergrund und angesichts der in einem Prostitutionsbetrieb geschaffenen besonderen infektionsschutzbezogenen Gefahren ist das in § 13 Nr. 2 CoronaVO geregelte Verbot aus den oben genannten Gründen derzeit weiterhin angemessen. Der Senat verkennt nicht, dass dieses Verbot inzwischen über einen erheblichen Zeitraum in Kraft ist und zuletzt nochmals bis zum 30.09.2020 verlängert wurde. Dieser zeitliche Aspekt wird dem Verordnungsgeber zusätzlich Anlass geben, die verfassungsrechtlich gebotene engmaschige Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der von ihm ergriffenen Maßnahmen einschließlich des genannten Verbots besonders sorgfältig und kritisch vorzunehmen. Dass er diesen Anforderungen, denen er in dem Zeitraum seit dem erstmaligen Erlass der Corona-Verordnungen nicht zuletzt durch kurze Befristungen und schrittweise Lockerungen als Reaktion auf positive Veränderungen im Infektionsgeschehen ganz überwiegend gerecht geworden ist, in Zukunft nicht zu entsprechen bereit ist, ist nicht erkennbar. |
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| b) Nach der im Hinblick auf die offenen Erfolgsaussichten erforderlichen Folgenabwägung kann der Senat ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von dem Antragsgegner vorgetragenen gegenläufigen Interessen nicht feststellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erscheint daher nicht dringend geboten. |
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| Der Senat unterstellt - ungeachtet des insoweit, wie gezeigt, unsubstantiierten Vortrags (vgl. oben unter a)) - im vorliegenden Einzelfall, dass für die Antragstellerin erhebliche Auswirkungen im Raum stehen, die durch die mehrmonatige Schließung ihres Betriebes zu erwarten sind, und dies die Antragstellerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz erheblich treffen kann. Aus den soeben dargelegten Gründen kommt jedoch den ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands ein größeres Gewicht zu. Ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den gegenläufigen Interessen des Antragsgegners vermag der Senat daher nicht festzustellen. |
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| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert ist daher nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Da sich die Antragstellerin gegen die Schließung ihrer Prostitutionsstätte wendet, nimmt der Senat die Festsetzung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vor. Danach ist für eine Gewerbeuntersagung der Streitwert nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens auf 15.000,-- EUR festzusetzen. Der Streitwert ist hier auf 15.000,-- EUR zu bemessen, dieser ist im vorliegenden Eilverfahren wegen Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu reduzieren (vgl. auch insoweit Senat, Beschl. v. 13.07.2020, a.a.O.). |
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| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. |
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