Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. November 2017 - 1 K 3416/15 - geändert. Die Klage - einschließlich des Hilfsantrags - wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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| | Die Klägerin betreibt an der Aitrach, einem Nebenfluss der Iller, ein sogenanntes Ausleitungskraftwerk zur Stromproduktion für das öffentliche Netz. Dazu wird die Aitrach an dem Wehr bei Flusskilometer 4,6 aufgestaut, das Wasser über einen Kanal zu einer Stahlrohrleitung und über diese zur eigentlichen Wasserkraftanlage T 162 (WKA) mit 2 Francis-Turbinen (Schluckvermögen jeweils 3000 l/s) geführt und bei Flußkilometer 1,4 wieder in das Mutterbett der Aitrach eingeleitet. In der Vergangenheit wurde lediglich eine Mindestwassermenge von 100 l/s über die Fischtreppe am Wehr in das Mutterbett der Aitrach, die sog. Ausleitungsstrecke, abgegeben. Rechtsgrundlage für den Betrieb der WKA ist ein sog. Altes Wasserrecht aus dem Jahre 1910 zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik. |
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| | Anfang der 1990er Jahre beklagte sich die Gemeinde Aitrach u.a darüber, dass die Durchgängigkeit der Aitrach wegen der zu geringen Wassermenge für Fische und Gewässerorganismen nicht mehr gewährleistet sei. Die Klägerin, der Beklagte und die Gemeinde Aitrach gaben im Jahre 2003 bei ... ... ... ... ... ... (sje) eine Mindestwasseruntersuchung an der WKA (Mindestwasseruntersuchung) in Auftrag. |
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| | Zur Erarbeitung des Gutachtens unterteilte sje die ca. 3,2 km lange Ausleitungsstrecke entsprechend ihrer Struktur in drei Teilabschnitte, die jeweils an Hand einer repräsentativen Detailstrecke untersucht wurden. Der oberste Teilabschnitt, repräsentiert durch die Detailstrecke D 1, erstreckt sich von der Wehranlage (Flusskilometer 4,6) bis zur Brücke bei Flusskilometer 4,0. Er ist durch Pool-Riffle-Sequenzen gekennzeichnet, die durch natürliche Furten und künstlich eingebrachte Sohlstufen hervorgerufen werden. Der talabwärts folgende Abschnitt bis zum südlichen Ortsrand von Aitrach ist heterogen und strukturreich, abgesehen von der Ausleitung befindet er sich weitgehend in naturnahem Zustand. Er wird durch die ca. 100 m lange Detailstrecke D 2 bei Flusskilometer 3,7 repräsentiert. Das letzte Teilstück innerhalb der Ortslage von Aitrach bis zum Ende der Ausleitungsstrecke ist relativ gleichförmig, teilweise begradigt, die Ufer sind gesichert. Repräsentativ ist die Detailstrecke D 3. |
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| | Im Ergebnis empfiehlt das Gutachten sje vom September 2004 eine Mindestwassermenge von 1.800 l/s in der Zeit von März bis Mai (Laichperiode Nase und Äsche) und von 1.350 l/s von Juni bis Februar. Zwar sei eigentlich auch in dieser Zeit eine Mindestwassermenge von 1.550 l/s in Abschnitt D 1 erforderlich, um das Habitatangebot für die Nase im Abschnitt D 1 nicht zu sehr zu verringern. Dieser Abschnitt nehme jedoch einen vergleichsweise geringen Anteil an der gesamten Ausleitungsstrecke ein und biete mit seinen Pool-Riffle-Sequenzen bereits ab 1.000 l/s Bereiche mit guten und sehr guten Habitatbedingungen für die adulte Nase. Außerdem seien Ausweichhabitate in benachbarten Abschnitten der Ausleitungsstrecke vorhanden. Eine Reduktion der Mindestwassermenge auf 1.350 l/s sei daher vertretbar. |
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| | sje ermittelte in seinem Gutachten mit dem Casimir-Modul WASKRA auch die ökonomischen Auswirkungen der Mindestwasserregelungen auf die Stromproduktion der WKA. sje kam dabei zu dem Ergebnis, dass die empfohlene gestaffelte Mindestwasserregelung gegenüber einer konstanten Abflussmenge von 850 l/s (dem Orientierungswert nach dem Wasserkrafterlass) in dem abflussarmen Jahr 1997 zu einer Verringerung des Jahresarbeitsvermögens von 22%, im durchschnittlichen Jahr 2001 von 7% und im abflussreichen Jahr 1995 von 5% führen werde. |
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| | Weil die typischen Fischarten der untersuchten Aitrachstrecke auf Wanderungsmöglichkeiten zwischen den Teillebensräumen verschiedener Altersstadien angewiesen sind, untersuchte sje auch die Durchgängigkeit der Aitrach in Längsrichtung und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Fischaufstiegsanlage am Wehr nicht funktionstüchtig sei. |
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| | Die Fischereibehörde des Regierungspräsidiums Tübingen gab beim Büro „... ... ... ... ... ...“ eine „Begutachtung von Fischhabitaten in der Aitrach und ihren faunistisch prioritären Zuflüssen oberhalb der Wasserkraftanlage T 162 in Marstetten“ in Auftrag. Auf der Grundlage von fischereiwirtschaftlichen Untersuchungen aus dem 19. Jahrhundert und von Elektrobefischungen zur Ermittlung der aktuell tatsächlich anzutreffenden Fischarten untersuchte das Gutachten, welche Fischarten auf der Grundlage eines hypothetischen, weitgehend unbeeinträchtigten Gewässerzustandes in der Aitrach zu erwarten seien. |
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| | Das Gutachten ... vom Oktober 2006 prognostizierte für das gesamte Untersuchungsgebiet, d.h. für die Aitrach selbst sowie für ihre wesentlichen Zuflüsse, die Nibel und die Wurzacher Ach, unter weitgehend unbeeinträchtigten Bedingungen eine in erster Linie durch die Leitarten (zu erwartender Anteil am Gesamtbestand > 5 %) Äsche, Fachforelle, Groppe, Elritze, Schmärle und Dübel dominierte Fischartengemeinschaft. Die Nase wird für die beiden Abschnitte der Aitrach unterhalb und oberhalb der Mündung des Falchenbachs mit abnehmender Häufigkeit als typspezifische Art (Anteil am Gesamtbestand zwischen 1 und 5 %) vorausgesagt. |
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| | Zusammenfassend heißt es im Gutachten ..., für die Verbesserung der fischökologischen Funktionalität des gesamten Aitrachsystems habe die Erhöhung der Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke oberste Priorität. Ein strukturell bedeutender Teil des Aitrachsystems mit Anbindung an die Iller könnte so für die gesamte Fischfauna nutzbar gemacht werden. Die derzeitigen Fischbestände würden stabilisiert. Mit einer verstärkten selbständigen Wiederansiedlung und Ausbreitung insbesondere der Mitteldistanzmigranten Barbe und Nase sei zu rechnen. Diese Arten könnten - bei gegebener Längsdurchgängigkeit - die gesamte Aitrach und möglicherweise auch die Wurzacher Ach besiedeln. Auch für den Huchen entstünden durch die Erhöhung der Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke wieder günstige Fortpflanzungsbedingungen. Dazu müssten allerdings Besatzmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Die höher gelegenen Aitrachabschnitte (oberhalb der WKA) seien über weite Strecken stark degeneriert und könnten nur mittel- bis langfristig entwickelt werden. |
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| | Gestützt auf das Gutachten sje und die dortige Feststellung, dass die Fischaufstiegsanlage nicht funktionstüchtig sei, ordnete das Landratsamt Ravensburg gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 04.07.2006 an, dass der Fischpass am Wehr im Auslauf an das Unterwasser anzubinden sei, gegebenenfalls durch Einbau eines weiteren Betonelements. Im Fischpass sei eine erosionsfeste Substratsohle (10 - 20 cm) aufzubauen Der Einlaufbereich sei durch einen Schwimmbalken oder durch eine Tauchwand vor Schwemmgut zu schützen. Die Anlage müsse regelmäßig gewartet werden. Zu überprüfen sei außerdem, ob der Umlenkblock im Fischpass an der richtigen Stelle angebracht sei, denn im Gutachten sje sei ein „Kurzschluss“ bemängelt worden. |
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| | Mit Schreiben vom 14.06.2007 bestätigte das Landratsamt der Klägerin, dass die Verfügung vom 04.07.2006 ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Im Hinblick auf den von der Klägerin gegen die damit verbundene Gebührenfestsetzung eingelegten Widerspruch nahm das Landratsamt diese Anordnung zurück. Weiter heißt es in dem Schreiben, nunmehr müsse das Thema Mindestwasser im Mutterbett wieder aufgegriffen werden. Eine einvernehmliche Lösung dieser zwischen den Beteiligten seit langem streitigen Problematik wurde in der Folge nicht erzielt. |
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| | Mit Verfügung vom 30.11.2007 ordnete das Landratsamt gegenüber der Klägerin an, dass in der Ausleitungsstrecke (Mutterbett) der Aitrach in der Zeit vom 15. März bis zum 15. Juni eine Mindestwassermenge von 1.500 l/s und in der Zeit vom 16. Juni bis zum 14. März von 1.000 l/s zu belassen sei. Der jeweilige Mindestabfluss müsse die Durchgängigkeit der Aitrach im Mutterbett und des Wehrs mit der Fischaufstiegsanlage für die Bachforelle, Groppe, Äsche, Nase und Barbe gewährleisten (I. 1). Am Wehr sei eine funktionsfähige Fischaufstiegsanlage herzustellen, die dessen Durchgängigkeit für diese Fischarten sicherstelle (I. 2). Der Mindestabfluss am Wehr sei so abzugeben, dass am Einstieg in die Fischaufstiegsanlage eine Lockströmung gesichert sei, die 0,2 bis 0,3 m/s größer sei als die Strömung des Mutterbetts (I. 3). Die Strömungsverhältnisse am Zusammenfluss des Mutterbetts mit dem Triebwerkskanal seien so zu verändern, dass für die aufsteigenden Fische eine „Leitströmung“ ins Mutterbett entstehe, die um 0,2 bis 0,3 m/s größer sei als die Strömung im Auslauf des Triebwerkkanals (I. 4). Die Pläne zur Umsetzung der angeordneten Maßnahmen seien innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der unteren Wasserbehörde vorzulegen (I. 5). |
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| | Im Verfahren über den von ihr dagegen eingelegten Widerspruch beauftragte die Klägerin das Büro Dr. ..., Landschaftsplanung, Gewässerökologie, Fischerei, Umweltfragen mit der Durchführung von Freilanduntersuchungen zur Ermittlung einer Mindestwasser-Dotation. Der vom Gutachter durchgeführte Dotationsversuch diente dazu, den sich aus dem Wasserkrafterlass ergebenden Orientierungswert von einem Drittel der mittleren Niedrigwassermenge (846 ml/s = 2,540 l/s : 3) an die örtlichen Verhältnisse anzupassen. Das Gutachten vom November 2009 führte dazu aus, uneingeschränkt durchgängig für die Leitfischarten mit ausreichend breiten Wanderkorridoren sei die Ausleitungsstrecke bereits bei einem Mindestabfluss von 420 l/s. Tiefere Kolke als Ruhezone und Unterstand für die aufwärts wandernden Fische könnten durch die Anlegung von Kiesbänken und die Einbringung von Störsteinen geschaffen werden. Durch eine gezielte Verengung des Niedrigwasserbettes könne die Wassertiefe um 15 bis 25 cm erhöht werden, wie es sonst nur bei einer Mindestwassermenge von ca. 1.700 l/s möglich wäre. Das wesentliche Hindernis in der Ausleitungsstrecke stelle eine Raue Rampe dar, die nur noch von besonders schwimmstarken größeren Fischen überwunden werden könne, wenn die Abflussmenge 800 l/s übersteige. Die Funktionalität der Rauen Rampe als dem wesentlichen Hindernis für aufsteigende Fische müsse mittelfristig dringend verbessert werden. Betrage die Mindestabflussmenge 820 bis 950 l/s, seien im unteren Abschnitt der Ausleitungsstrecke zahlreiche potentielle Laichhabitate, u.a. auch für die Nase vorhanden. Stromaufwärts werde das Angebot wegen der Strukturarmut im ausgebauten Bereich innerhalb von Aitrach bzw. Marstetten sowie des relativ hohen Gefälles deutlich geringer. Auf dieser Basis empfiehlt das Gutachten ... eine Mindestabflussmenge von 850 l/s in der Zeit vom 15. März bis zum 15. Juni und von 420 l/s in der Zeit vom 16. Juni bis zum 14. März. Im Gutachten heißt es u.a., auch bei diesen Mindestabflussmengen sei eine ökologisch bedeutsame, naturnahe Abflussdynamik gegeben. Denn bei einem Ausbaugrad der WKA von 6.000 l/s flössen ohnehin höhere Wassermengen in die Ausleitungsstrecke ab, wenn die Gesamtabflussmenge 6.420 l/s bzw. 6.850 l/s übersteige, was an über 100 Tagen im Jahr der Fall sei. Nach dem Gutachten ... muss die Mindestwassermenge eine ausreichende Leitströmung in die Ausleitungsstrecke gewährleisten, damit die Fische nicht in den undurchgängigen Triebwerkkanal der WKA geführt würden. Bei einer Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke von 820 bis 950 l/s seien dort schon deutlich höhere durchschnittliche und maximale Fließgeschwindigkeiten als in der Vollwasserstrecke anzutreffen und damit auch eine deutliche Leitströmung vorhanden, die durch eine Verengung des Mündungsbereichs der Ausleitungsstrecke und eine Aufweitung des Triebwerkkanals aber noch optimiert werden könne. Bezüglich der zu erwartenden Fischarten heißt es in dem Gutachten ..., angesichts ihrer Lage oberhalb von 600 m mit Quellzuflüssen bis zu einer Höhe von 1.100 m sei die Aitrach ein sommerkaltes Gewässer außerhalb des natürlichen Verbreitungsschwerpunktes von Barbe, Nase und Huchen. Auch sei das Sohlgefälle der Aitrach im oberen Abschnitt der Ausleitungsstrecke, der sogenannten „Schluchtstrecke“, mit 7 bis 8 Promille für die Nase deutlich zu groß. Aufsteigende Nasen seien vielmehr nur in der Vollwasserstrecke zwischen der Mündung in die Iller und dem Zusammenfluss von Ausleitungsstrecke und Triebwerkskanal beobachtet worden. |
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| | Mit Bescheid vom 11.11.2010 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch zurück und begründete seine Entscheidung wie folgt: Das im Jahre 1910 einer Papierfabrik erteilte alte Wasserrecht sei zwar mit dem Erwerb des Eigentums auf die Klägerin übergegangen. Das stehe den getroffenen Anordnungen jedoch nicht entgegen. Gemäß §§ 20 Abs. 2 Satz 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG sei die Wasserbehörde auch bei alten Rechten berechtigt, nachträglich Maßnahmen anzuordnen, die zum Ausgleich einer auf die Benutzung - hier durch das Aufstauen und das Ableiten der Aitrach über den Triebwerkkanal (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG) - zurückzuführenden nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaft (§ 3 Abs. 10 WHG) erforderlich seien. Vorliegend weise das Mutterbett der Aitrach nicht mehr die nach §§ 33, 6 Abs. 1, 27 bis 31 WHG erforderliche Mindestwassermenge auf, und die Durchgängigkeit gemäß § 34 WHG sei nicht mehr gewährleistet. Temperaturveränderungen infolge der reduzierten Wassermenge beeinflussten die physikalische Beschaffenheit des Wassers negativ. Durch die zu geringe Wassermenge werde die Besiedelung des Gewässers mit Tieren und Pflanzen partiell zerstört oder erheblich reduziert und die Lebensgrundlage gewässertypischer Fische wie Äsche, Barbe und Nase stark eingeschränkt. Das Ermessen der Wasserbehörde bei der Festsetzung der erforderlichen Mindestwassermenge werde durch den Wasserkrafterlass gebunden, um so die Gleichbehandlung von Wasserkraftanlagen bis zu einer Leistung von 1.000 kW zu gewährleisten. Der Orientierungswert von 1/3 MNQ bei Ausleitungskraftwerken nach Nr. IV 2.2 des Wasserkrafterlasses sei auf der Grundlage der Gutachten sje und ... nach Maßgabe der im Wasserkrafterlass genannten Kriterien (Nr. IV 2.2. a bis i) an die örtlichen Verhältnisse angepasst worden. Die WKA sei als letzte Anlage vor der Mündung der Aitrach in die Iller für die ökologische Vernetzung beider Gewässer von entscheidender Bedeutung. Die Fische der Forellen- und Äschenregion seien bei ihren Wanderungen flussaufwärts zu den Laichplätzen auf die Durchgängigkeit der Aitrach angewiesen. Oberhalb der Wehranlage sei die Aitrach für Fische prinzipiell durchgängig und streckenweise in gutem morphologisch-strukturellen Zustand mit Habitaten für alle potentiell vorkommende Fischarten. Wegen der zu geringen Mindestwassermenge sei der ökologische Zustand der Ausleitungsstrecke so schlecht, dass er nur noch von besonders anpassungsfähigen Fischen toleriert werden könne. Die Mindestwassermenge sei ausgerichtet an den Anforderungen der Nase als der insoweit anspruchvollsten Leitfischart festgesetzt worden. In der Literatur werde vertreten, die Mindestwassermenge müsse so bestimmt werden, dass die Habitate für die anspruchvollste Fischart nur um 30 % reduziert würden. Zwar führten schon die im Gutachten sje vorgeschlagenen Wassermengen von 1.800 l/s in der Laichzeit bzw. 1.350 l/s während des restlichen Jahres zu einer Habitatreduktion von 30 % bzw. 38 %. Im konkreten Fall sei gleichwohl eine geringere Mindestwassermenge und damit eine größere Habitatreduktion vertretbar. Denn der abflusskritische Gewässerabschnitt nehme einen relativ geringen Anteil an der gesamten Ausleitungsstrecke ein und biete mit seinen Pool-Riffle-Sequenzen bereits ab 1.500 l/s bzw. 1.000 l/s gute bis sehr gute Habitatbedingungen für die Nase. Die von der Klägerin nach ihren Angaben mittlerweile freiwillig abgegebene größere Mindestwassermenge von 420 l/s sei sowohl nach dem Gutachten sje als auch nach dem Ergebnis der Begehung der Aitrach im April 2010 nicht ausreichend, um einen guten ökologischen Zustand zu erreichen. Ohne Erfolg wende die Klägerin gegen die Gutachten sje und ... ein, sie gingen von einem zu geringen Gefälle der Ausleitungsstrecke aus und nähmen deshalb irrig an, dass die Nase dort auch in der sogenannte Schluchtstrecke noch vorkomme. Aus aktuellen Hochwassergefahrenkarten ergebe sich, dass das Gefälle maximal 4,9 Promille und nicht wie von der Klägerin behauptet zwischen 7 und 8 Promille betrage. Auch nach der Höhenlage (585 m an der Mündung in die Iller, 626 m am Zusammenfluss von Nibel und Wurzacher Ach) und den damit verbundenen Wassertemperaturen sei die Aitrach als Lebensraum für die Nase geeignet. So komme sie in Bayern bis zur Leubesmündung unterhalb von Kempten noch auf einer Höhe von 650 m vor. Anders als im Gutachten ... behauptet, dürfe die Mindestwassermenge nach dem Wasserkrafterlass auch nicht nur in Höhe von maximal ½ MNQ festgesetzt werden, sondern sei ohne Bindung an einen Höchstwert vielmehr den tatsächlichen Ansprüchen des Lebensraums anzupassen. |
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| | Der Anordnung unter I. 2 der Verfügung des Landratsamts zur Errichtung einer funktionsfähigen Fischaufstiegsanlage für die Bachforelle, die Groppe, die Äsche, die Nase und die Barbe stehe nicht entgegen, dass die vorhandene Fischtreppe erst im Jahr 2007 aufgrund der Verfügung des Landratsamts vom 04.07.2006 saniert worden sei. Es habe sich dabei nur um übliche Reinigungs- und Unterhaltungsarbeiten gehandelt, die die Klägerin zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit ohnehin hätte ausführen müssen. |
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| | Zu Recht habe das Landratsamt unter I. 3 der angefochtenen Verfügung angeordnet, die Mindestwassermenge müsse so abgegeben werden, dass eine Lockströmung in die Fischaufstiegsanlage entstehe, die um 0,2 m/s bis 0,3 m/s größer sei als die Strömung im Mutterbett, denn nur so könnten die aufstiegswilligen Fische den Eingang in die Fischaufstiegsanlage überhaupt finden. |
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| | Auch die Anordnung unter I. 4 sei nicht zu beanstanden. Die geforderte Leitströmung ins Mutterbett der Aitrach gewährleiste deren Durchgängigkeit. Gegenwärtig fehle sie; aufsteigende Fische würden deshalb vorwiegend in den nach wenigen hundert Meter undurchgängigen Triebwerkskanal (Sackgasse) gelockt. |
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| | Die angeordneten Maßnahmen seien auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten angemessen und verhältnismäßig. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die festgesetzte Mindestwassermenge zu Einnahmeverlusten von bis zu 110.000 EUR pro Jahr führen könne. Aus dem Gutachten sje ergebe sich, dass der Wirkungsgrad der WKA ungewöhnlich niedrig sei und etwa durch den Einbau einer Dotationsturbine deutlich gesteigert werden könne. Werde ein Wirkungsgrad von 65 % erreicht, verringere sich die Stromproduktion infolge der festgesetzten Mindestwassermenge in abflussreichen Jahren nur um 2% und in abflussarmen Jahren um 9%. Finanzielle Verluste seien damit nicht verbunden, denn der Strom werde nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz höher vergütet, wenn die WKA ökologisch aufgewertet worden sei. |
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| | Was die Anordnung unter I.2 zur Herstellung der Fischaufstiegsanlage am Wehr betreffe, so könne sich die Klägerin die für sie wirtschaftlich günstigste Lösung auswählen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Verfügung vom 04.07.2006 habe nur dazu gedient, die Funktionsfähigkeit der bestehenden Fischaufstiegsanlage wiederherzustellen. Eine Aussage, auch in der Zukunft würden keine weitergehenden Anforderungen gestellt, sei damit nicht verbunden gewesen. |
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| | Die Verpflichtung zur Herstellung einer Leitströmung in die Ausleitungsstrecke bzw. einer Lockströmung zur Fischaufstiegsanlage seien unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit ebenfalls nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin dazu vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung des Dr. ... sei nicht überzeugend. Die darin aufgeführten Kostenpositionen seien deutlich übersetzt; Nachweise habe die Klägerin nicht vorgelegt. Es komme auch nicht darauf an, ob die der Klägerin entstehenden Kosten durch die erhöhte Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vollständig ausgeglichen werden könnten. Wasserrechtlich notwendige Maßnahmen seien unabhängig von einer erhöhten Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vorzunehmen. |
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| | Eine Entschädigung für die geltend gemachten finanziellen Einbußen gemäß § 20 Abs. 2 WHG stehe der Klägerin nicht zu, weil ihr altes Wasserrecht nicht widerrufen worden sei. Nach § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG seien nachträgliche Anordnungen gemäß § 13 Abs. 2 WHG ohne Entschädigung zulässig. Die gesetzliche Möglichkeit, auch alte Wasserrechte nachträglichen Anordnungen zu unterwerfen, um sie an neue gesetzliche Vorschriften anzupassen, sei eine vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Enteignungsgleich werde die Klägerin nicht betroffen, weil ihr weder die Wasserkraftanlage als solche noch die Nutzungsmöglichkeit genommen werde. Die Klägerin werde gegenüber den Betreibern von Neuanlagen auch nicht unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ungleich behandelt. |
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| | Die Klägerin hat daraufhin am 08.12.2010 vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen im Verfahren 1 K 3810/10 Klage erhoben mit dem Begehren, den Bescheid des Landratsamts Ravensburg vom 30.11.2007 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 aufzuheben, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, ihr einen Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zuzusprechen. Nach Anordnung des Ruhens des Verfahrens und Wiederanruf ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen 1 K 3416/15 geführt worden. |
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| | Mit Urteil vom 29.11.2017 hat das Verwaltungsgericht Nr. I.2 der Anordnung des Landratsamts Ravensburg vom 30.11.2007 und den darauf bezogenen Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 sowie die Gebührenfestsetzungen in der Verfügung des Landratsamts Ravensburg und im Widerspruchsbescheid aufgehoben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. |
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| | Mit Beschluss vom 22.10.2018 - 3 S 898/18 - hat der Senat die Berufung der Klägerin und des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 08.11.2018 und der Beklagten am 06.11.2018 zugestellt worden. Am 05.12.2018 haben der Beklagte und am 06.02.2019 die Klägerin - jeweils nach entsprechender Fristverlängerung - die Berufung begründet. |
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| | das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. November 2017 - 1 K 3416/15 - zu ändern und die Verfügung des Landratsamts Ravensburg vom 30. November 2007 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11. November 2010 in vollem Umfang aufzuheben, |
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| | hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihr einen Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zuzusprechen |
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| | und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. |
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| | Die Klägerin führt im Wesentlichen aus, das alte Wasserrecht aus dem Jahre 1910 berechtige sie dazu, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Wasserkraftanlage zur Erzeugung elektrischer Energie zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Stromnetz zu nutzen, auch wenn der Zweck der Wasserkraftnutzung (Betrieb einer Holzschleiferei oder einer Zellulosefabrik) in der Verleihungsurkunde genannt werde. Nach Art. 31 Abs. 2 Nr. 1 Württ. WG 1900 wäre die Nutzung der Wasserkraft nur dann auf diesen Zweck beschränkt, wenn dies in der Verleihungsurkunde ausdrücklich ausgesprochen worden wäre. Denn der Industrie hätten beim Übergang zu einem neuen Fabrikationszweig keine unnötige Erschwerung bereitet und eine Minderung des Wertes der Wasserkraftanlage vermieden werden sollen (§ 92 der Vollzugsverfügung zu Art. 35 Württ. WG 1900). Eine solche Beschränkung sei nicht ausgesprochen worden. In der Verleihungsurkunde heiße es stattdessen „derzeit zum Betrieb einer...“. Art. 10 Abs. 1 WHG stelle nur auf die Zweckbestimmung nach neuem Recht ab. Umfang und Inhalt alter Wasserbenutzungsrechte bestimmten sich demgegenüber gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 WG nach dem früheren Landesrecht. Zwar sei nach Art. 35 Abs. 2 Württ. WG 1900 für eine Änderung der Wassernutzung eine neue Erlaubnis erforderlich gewesen. Diese Norm beziehe sich jedoch nur auf die Art und das Maß der Wassernutzung (und nicht auf den Zweck). Der Beklagte argumentiere, der Erzeugung elektrischer Energie sei nach § 94 der Vollzugsverfügung zu Art. 37 Württ. WG eine Sonderstellung zugekommen. Vorbehalte nach dieser Regelung hätten jedoch nur angeordnet werden können, um die erzeugte elektrische Energie unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und steuerlicher Interessen möglichst weiten Kreisen zu billigen Preisen zugänglich zu machen. Anders als § 92 der Vollzugsverfügung habe diese Norm gerade nicht an die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse angeknüpft und sei daher insoweit auch keine Spezialregelung. Das alte Wasserrecht sei auch ohne eine gemäß § 92 der Vollzugsverfügung mögliche jahreszeitliche oder tageszeitliche Beschränkung verliehen worden. |
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| | Das Verwaltungsgericht habe zwar angenommen, dass es nicht entscheidungserheblich darauf ankomme, ob das alte Wasserrecht auch die jetzt praktizierte Wasserkraftnutzung decke, weil auch dann nachträgliche Anordnungen zulässig seien. Damit habe sich das Verwaltungsgericht jedoch den Blick dafür verstellt, dass bei einem alten Recht vor dem Erlass nachträglicher Anordnungen die wirtschaftlichen Einbußen mit größerem Gewicht zu berücksichtigen seien und alte Rechte insoweit einem besonderen Schutz unterlägen. |
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| | Obwohl sie seit 2011 freiwillig eine Mindestwassermenge von 420 l/s in die Ausleitungsstrecke abgebe, habe das Verwaltungsgericht allein aus dem Aufstauen der Aitrach und dem Ableiten des Wassers zur WKA darauf geschlossen, dass die Gewässereigenschaften dadurch nachteilig verändert würden. Demgegenüber gehe auch das Gutachten ... davon aus, dass die Ausleitungsstrecke bereits bei einem Mindestabfluss von 420 l/s für die Fische durchwanderbar sei. Im Gutachten ... sei festgestellt worden, dass die Groppe bereits bei einem Mindestabfluss von 100 l/s einen selbsterhaltenden Bestand aufbaue und für die Bachforelle vor allem in den steileren Abschnitten oberhalb von Marstetten bereits bei einer Mindestwassermenge von 400 l/s geeignete Laichhabitate nutzbar seien. Barben, Nasen und Huchen kämen nur in der innerhalb der Illertalaue liegenden Fließstrecke der Aitrach vor, die von der WKA nicht beeinflusst werde. In der Ausleitungsstrecke fänden sie aufgrund der Höhenlage, der niedrigen Temperaturen und der irreversiblen anthropogenen Veränderungen (im Gesamtsystem der Aitrach) keinen Lebensraum (mehr). Sollte die Mindestwassermenge erhöht werden, würde die Fließgeschwindigkeit für Barbe, Äsche und Nase zu hoch. Laichhabitate würden sich nicht entwickeln. Dem Gutachten ... halte das Verwaltungsgericht entgegen, dass sie den dort vorgeschlagenen Umbau der Rauen Rampe im Oberlauf der Ausleitungsstrecke nicht verlangen könne. Tatsächlich habe das Gutachten ... damit nur eine mögliche Verbesserungsmaßnahme aufgezeigt. Die im Gutachten ... vorgebrachten fachlichen Einwendungen seien von der Umsetzung dieser Maßnahme unabhängig. |
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| | Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Aitrach in dem maßgeblichen Bereich ein Gewässer erster Ordnung sei und die Unterhaltungslast daher nach §§ 39, 40 WHG i.V. mit § 32 WG beim Beklagten liege. Es sei seine Sache, die Aitrach naturnah auszubauen und das Gewässer so ökologisch aufzuwerten. Er müsse sich dabei gemäß § 39 Abs. 2 WHG an den Bewirtschaftungszielen nach Maßgabe der §§ 27 ff. WHG ausrichten Er könne seine Versäumnisse nicht ausgleichen, indem er von ihr eine höhere Mindestwassermenge fordere. |
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| | Der Beklagte habe auch nicht substantiiert dargelegt, warum die konkret festgesetzten Mindestwassermengen erforderlich sein sollten. Ein Beurteilungsspielraum - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - stehe ihm dabei nicht zu. Obwohl das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Sach- und Rechtslage z.Z. der mündlichen Verhandlung maßgeblich sei, weil es sich um einen Dauerverwaltungsakt handele, habe es die Erkenntnisse aus dem Mindestwasserversuch des Regierungspräsidiums Tübingen vom 23./24.10.2013 nicht berücksichtigt, wonach eine Mindestwassermenge von 800 l/s für drei Monate bzw. 1200 l/s für neun Monate notwendig sein soll. Die beim Mindestwasserversuch ermittelten Werte bezögen sich zudem auf die Bachforelle, die in der streitgegenständlichen Anordnung aber auf Nase und Barbe mit einer deutlich kürzeren Schonzeit. Das Verwaltungsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt, obwohl die Gutachten von sje bzw. ... aus den Jahren 2004 und 2006 stammten und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon 13 bzw. 11 Jahre alt gewesen seien. Der Mindestwasserversuch des Regierungspräsidiums Tübingen könne nicht als Angebot zur gütlichen Einigung abgetan werden. Die Nase sei bei dem Mindestwasserversuch nicht berücksichtigt worden, weil nicht feststehe, dass sie in der Ausleitungsstrecke überhaupt vorkomme. |
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| | Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der nach dem Wasserkrafterlass der Ermittlung der Mindestwassermenge zu Grunde zu legende Orientierungswert von 1/3 MNQ deutlich niedriger sei als vom Beklagten angenommen. Tatsächlich liege der aktuelle MNQ-Wert mit 2.280 l/s um ca. 260 l niedriger als die behördlich angesetzte MNQ von 2.540 l/s. Die festgesetzten Mindestwassermengen seien mithin zu hoch. |
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| | Das Verwaltungsgericht habe auch nicht erkannt, dass die bei der Bestimmung der Mindestwassermenge zu berücksichtigenden Bewirtschaftungsziele aus §§ 6, 27 ff WHG nicht unter Einbeziehung der verbindlichen Vorgaben des Bewirtschaftungsplans nach § 83 WHG bestimmt worden seien, obwohl es so an der fachplanerischen Grundlage für die mit der Festsetzung der Mindestwassermenge verbundene Einschränkung ihres alten Wasserrechts fehle. Die Aitrach werde in dem einschlägigen Bewirtschaftungsplan als Flusswasserkörper OWK 64 - 04, Eschbach-Aitrach-Wurzacher Ach, erfasst. Durchgängigkeit und Mindestwasser würden für den Bewirtschaftungszeitraum 2016 - 2021 zwar als Handlungsfelder benannt, jedoch nur die Herstellung der Durchgängigkeit als konkretes Ziel angegeben. Die Erhöhung der Mindestwassermenge könne aus dem Bewirtschaftungsplan mithin nicht als Maßnahme zur Erreichung eines guten ökologischen Zustands abgeleitet werden. Auch müsse die tatsächlich vorhandene Fischpopulation für die Festsetzung der Mindestwassermenge im Rahmen des Verschlechterungsverbots maßgeblich sein. Auf historisch vorgekommene oder naturschutzfachlich erwünschte Fischarten könne nicht abgestellt werden. Auch im Bewirtschaftungsplan und den hierzu formulierten Maßnahmen für den OWK 64-04 sei die Ansiedlung von Fischarten wie Barbe, Huchen und Nase nicht vorgesehen. |
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| | Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Bewirtschaftungsziele seien unmittelbar geltendes Recht und bedürften keiner Umsetzung durch Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme, sei nicht richtig. Das Bundesverwaltungsgericht hebe in seiner Rechtsprechung im Gegenteil hervor, dass Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne zur Umsetzung der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele notwendig seien. Denn in einem von anthropogenen Eingriffen, vielfältigen Nutzungsansprüchen und natürlichen Einflüssen geprägten Flusssystem sei ein kohärentes Gesamtkonzept zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele erforderlich, das sich nicht in punktuellen Einzelmaßnahmen erschöpfen dürfe. Maßgeblich für die Bestimmung der Mindestwassermenge seien auch nicht die Verhältnisse im Umfeld ihrer WKA; vielmehr sei auf die Auswirkungen auf den gesamten Wasserkörper der Aitrach abzustellen. |
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| | Die Mindestwassermenge könne auch nicht so festgelegt werden, dass in der Ausleitungsstrecke überall sämtliche Anforderungen an die Durchgängigkeit und die Habitatbedingungen der vorkommenden Fischarten vollständig erfüllt seien. Die Fische müssten die Ausleitungsstrecke durchwandern und dort überhaupt geeignete Laichhabitate vorfinden können. Es könne jedoch nicht verlangt werden, dass sämtliche Exemplare einer Population an jeder Stelle des Gewässers allen Anforderungen genügende Bedingungen vorfänden. Selbst in hochwertigen und völlig naturbelassenen Gewässern würden stets nur wenige Bereiche von den Tieren tatsächlich genutzt. |
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| | Die Mindestwassermenge sei auch ermessensfehlerhaft ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen für sie festgesetzt worden. Tatsächlich werde die konkrete Form der Wasserkraftnutzung (Stromerzeugung zur Einspeisung in das öffentliche Netz) von dem alten Recht aus dem Jahre 1910 gedeckt. Und alte Rechte könnten nur unter engen Voraussetzungen eingeschränkt werden. Ungeachtet dessen könne sie sich auf ein bestands- und vertrauensgeschütztes und nie bestrittenes Recht zur Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Netz berufen. Die massiven Belastungen für sie könnten am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG keinen Bestand haben. Bereits die im Kurzgutachten sje vom 20.11.2017 angenommenen Leistungseinbuße von 21,7 % sei so gravierend, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der klägerischen Anlage angesichts der in den kommenden Jahren anstehenden Kosten für Instandsetzungs- und Renovierungsarbeit in Millionenhöhe nicht mehr möglich wäre. Der von ihr beauftragte Wasserbausachverständige Dr. ... habe demgegenüber sogar eine Leistungseinbuße von 39,9% errechnet. Dr. ... habe zutreffend auf die Daten des Pegels Lauben, einer amtlichen Messstelle, abgestellt. Auch der Beklagte gehe davon aus, dass die Daten des Pegels Aichstetten (Abflusslage) unzuverlässig seien. Entsprechend dem „Stand der Technik“ habe Dr. ... die Daten des Pegels Lauben entsprechend der Einzugsgebietsgrößen und -charakteristiken umgerechnet. Das von Dr. ... seinen Berechnungen zu Grunde gelegte Jahr 2006 sei sowohl hinsichtlich der Abflusswerte als auch der betrieblichen Umstände repräsentativ. Dr. ... habe auch zu Recht berücksichtigt, dass die WKA erst bei einer Mindestdurchflussmenge von 1.000 l/s in Betrieb genommen werden könne. Werde die Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke auf 1.500 l/s festgesetzt, könne die WKA erst Strom produzieren, wenn in der Aitrach mindestens 2.500 l/s abflössen. In der Sache bedeute das, dass die WKA bei einer Mindestwassermenge von 1.000 l/s im Jahr 2006 an 65 Tagen und bei einer Mindestwassermenge von 1.500 l/s sogar an 110 Tagen stillgestanden hätte. Mit dem Wasserzufluss nehme auch der Wirkungsgrad der Turbinen und Generatoren ab. |
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| | Die Anordnung unter I.3 der streitigen Verfügung sei auch nicht ausreichend bestimmt. So sei nicht erkennbar, bei welchen Abflussmengen der Einstieg in die Fischaufstiegsanlage gesichert sein müsse. Die unabhängig von den hydrologischen Parametern der Aitrach geforderte Lockströmung in Höhe von 0,2 m/s bis 0,3 m/s im Bereich des Einstiegs zur Fischaufstiegsanlage sei auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet. Dem Stand der Technik entsprechende Fischaufstiegsanlagen (Merkblatt DWA M-509) müssten im Bereich von Q 30 bis Q 330 funktional sein und die Durchgängigkeit herstellen. Bei zu niedrigen oder zu hohen Abflusswerten sei die Funktionalität der Fischaufstiegsanlage dagegen nicht gewährleistet und müsse es auch nicht sein. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Lockströmung aus hydrologischen Gründen auch nicht durch eine höhere Mindestwasserabgabe über das Wehr hergestellt werden. |
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| | Hilfsweise habe sie wegen des mit den festgesetzten Mindestwassermengen verbundenen Leistungsverlusts der WKA und des Investitionsbedarfs, den sie auch nach § 24 Abs. 2 WG nicht entschädigungslos erbringen müsse, einen Anspruch auf Feststellung einer Entschädigung dem Grunde nach, sei es aufgrund von § 98 WG oder auf der Grundlage des Instituts einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. |
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| | das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. November 2017 - 1 K 3416/15 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. |
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| | die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. |
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| | Er führt im Wesentlichen aus, ohne Erfolg halte die Klägerin der streitigen Verfügung entgegen, der Beklagte müsse als Gewässerunterhaltungspflichtiger durch wasserbauliche Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die gewässerökologischen Ziele erreicht würden. § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG verlange keine „Summationsbetrachtung“. Die Mindestwassermenge sei rechtmäßig festgesetzt worden, da nur so die Abflussmenge erhalten bleibe, die für das Gewässer und andere hiermit verbundenen Gewässer erforderlich sei, um den Zielen des § 6 Abs. 1 WHG und der §§ 27 ff WHG zu entsprechen. Die Mindestwassermenge habe auch nach den Bedürfnissen der Nase als der insoweit anspruchvollsten Art bestimmt werden dürfen. In den „Referenz-Fischzönosen für das Fließgewässer Aitrach/Wurzacher Ach im WK Nr. 64-04“ seien die Fischarten Bachforelle, Groppe und Äsche als „Leitarten“ benannt, Nase und Barbe als 1.11.„typspezifische Arten“. Unabhängig davon dürfe im Rahmen des wasserrechtlichen Verbesserungsgebots auch die Wiederansiedelung einer Fischart angestrebt werden. Ohne Erfolg mache die Klägerin auch eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung geltend. Auf die Kosten für die Sanierung der alten Rohrleitungen, des Kanals und der Turbine könne sie sich ohnehin nicht berufen, weil diese Maßnahmen unabhängig von den getroffenen Anordnungen erforderlich seien. |
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| | Die Anordnung unter I. 3 sei hinreichend bestimmt. Die Strömungsgeschwindigkeit zur Fischaufstiegsanlage müsse um 0,2 bis 0,3 m/s größer sein als die im Mutterbett. Die derzeit nur für 100 l/s ausgelegte Fischaufstiegsanlage müsse entsprechend der angeordneten Mindestwassermenge neu bemessen werden. Das „Mehr“ an Wasser könne über das Wehr oder einen Bypass abgegeben werden. Auch im Gutachten ... werde ein Umgehungsgerinne als Alternative zu umfangreichen Änderungen am Fischaufstieg vorgeschlagen. Die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten seien in der Begründung der angefochtenen Verfügung aufgeführt. Hydrologische Probleme könnten durch bauliche Maßnahmen überwunden werden. |
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| | Der Beklagte begründet seinen Berufungsantrag wie folgt: Die in I. 2 der streitigen Verfügung angeordnete Herstellung einer funktionsfähigen Fischaufstiegsanlage sei zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Aitrach i.S. des § 34 Abs. 2 WHG erforderlich, um die Bewirtschaftungsziele aus §§ 6, 27 ff WHG zu erreichen. In dem nach § 83 WHG aufgestellten Bewirtschaftungsplan für das Teilbearbeitungsgebiet (TBG) 64, „Riß-Iller“ des Bearbeitungsgebiets (BG) „Donau“ sei die Aitrach als Programmstrecke für Durchgängigkeit und Wasserkraft (Ausleitung) auswiesen. Die Dimensionierung der Fischaufstiegsanlage habe an den in der Verfügung genannten Fischarten ausgerichtet werden dürfen. |
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| | Die vorhandene Fischaufstiegsanlage genüge nach dem DWA Handbuch für Fischaufstiegsanlagen mit einer Schlitzweite von 17 bis 18 cm nicht den Anforderungen dieser Fischarten. Äschen und Barben benötigten etwa eine Schlitzbreite von 30 cm, adulte Bachforellen von immerhin 20 cm. Entsprechendes gelte für die sonstigen Beckenabmessungen (Breite, Länge, Tiefe). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne angesichts der Bedeutung der Durchgängigkeit für die ökologische Funktionsfähigkeit eines Gewässers Vertrauensschutzgesichtspunkten nur in engen Grenzen Bedeutung zukommen. Aus dem Tatbestandsmerkmal „erforderlich“ in § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG und § 34 Abs. 2 WHG ergebe sich nichts anderes; Bestands- und Vertrauensschutzgesichtspunkten könne danach allenfalls im Rahmen des Auswahl-, aber nicht des Erschließungsermessens Rechnung getragen werden. Die Klägerin könne sich auf Vertrauensschutz ohnehin nicht berufen. Das ihr zustehende alte Wasserrecht berechtige sie dazu, die Aitrach zum Betrieb einer Holzschleiferei oder einer Zellulosefabrik zu benutzen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet habe, ergebe sich daraus aber nicht das Recht zur Stromproduktion zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Netz. Das Landratsamt habe zwar mit Bescheid vom 14.06.2007 die wasserrechtliche Anordnung vom 04.07.2006, mit der es die Sanierung der Fischtreppe angeordnet habe, nach der Durchführung der verlangten Maßnahmen wieder aufgehoben. Vertrauensschutz, dass keine weiteren Anordnungen getroffen würden, könne die Klägerin daraus nicht ableiten. Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass nunmehr die Mindestwasserproblematik wieder aufgegriffen werden müsse. Ihr habe klar sein müssen, dass in diesem Zusammenhang auch weitergehende Anforderungen an die Fischaufstiegsanlage gestellt werden könnten. Die mit der Verfügung vom 04.07.2006 angeordneten Maßnahmen hätten nur der Wartung und Instandhaltung der Anlage gedient. Die Klägerin hätte diese Arbeiten zur ordnungsgemäßen Wartung der WKA von sich aus wesentlich früher durchführen müssen. Aus den Gutachten sje und ... habe sich ergeben, dass erst nach Regelung der Mindestwasserproblematik eine abschließende Beurteilung der Anforderungen an die Fischtreppe möglich sein würde. |
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| | Die Klägerin hat ihren Antrag, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, wie folgt begründet: Sie könne sich auf Vertrauensschutz berufen, weil sie alle Anforderungen aus der Verfügung vom 04.07.2006 erfüllt habe, ihr ein altes Wasserrecht zustehe, sie danach berechtigt sei, die Aitrach zur Stromerzeugung zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Netz zu nutzen und der Beklagte diese Nutzung jedenfalls jahrelang geduldet habe. Im Juli 2006 seien dem Landratsamt auch schon alle für die Bemessung der Fischaufstiegsanlage relevanten Gesichtspunkte bekannt gewesen. Im Schreiben vom 14.06.2007 habe das Landratsamt dementsprechend mitgeteilt, die Sanierung der Fischtreppe sei abgeschlossen. Mit Verfügung vom 04.07.2006 habe das Landratsamt auch nicht lediglich ohnehin durchzuführende Unterhaltungsarbeiten angeordnet. Die Änderung der Strömungsverhältnisse durch das Versetzen von Umlenkblöcken, der Bau eines weiteren Beckens im Unterwasser und die Installierung einer Vorrichtung zur Abweisung des Schwemmgutes gingen darüber hinaus. Die streitige Anordnung sei auch nicht hinreichend bestimmt (§ 37 VwVfG). Obwohl der Huchen im Tenor nicht genannt werde, werde bei den im Bescheid vorgeschlagenen Möglichkeiten zur Herstellung der Durchgängigkeit auch auf diese Fischart abgestellt. Einerseits werde die streitige Anordnung damit begründet, dass die Becken und Schlitze des vorhandenen Fischpasses zu klein seien. Andererseits solle auch mit einem Bypass der Anordnung entsprochen werden können, obwohl über diesen nur eine zusätzliche Wassermenge abgegeben werden könne, die Aufstiegsmöglichkeiten für die Fische in der Fischtreppe aber nicht verbessert würden. Der streitige Bescheid sei auch deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte in der Berufungsbegründung auf das erst im Jahr 2014 veröffentlichte Merkblatt DWA M-509 abgestellt habe. Der Beklagte müsse sich vielmehr daran festhalten lassen, dass er mit Schreiben vom 23.07.1992 den reduzierten Beckenabmessungen und Schlitzweiten zugestimmt habe. Eine Fischaufstiegsanlage für die Nase und die Barbe könne auch deshalb nicht gefordert werden, weil diese Fische in der Aitrach nicht vorkämen. Die bei den Elektrobefischungen gleichwohl angetroffenen Exemplare seien ausnahmslos klein und benötigten keine so große Fischaufstiegsanlage wie im DWA Merkblatt angenommen. |
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| | Dem Gericht liegen die Akten des Landratsamts Ravensburg betreffend die streitige Verfügung (2 Leitz-Ordner) und hinsichtlich der im Jahre 2006 angeordneten Sanierung des Fischpasses (1 Band), die Akten des Regierungspräsidiums Tübingen (1 Band), der Bericht über den Mindestabflussversuch des Dr. ... am 23. und 24.10.2013 sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (2 Bände) vor. Darauf sowie auf die Akten des Berufungsverfahrens wird ergänzend Bezug genommen. |
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| | Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist auch sonst zulässig, insbesondere hat die Klägerin die Berufung form- und fristgerecht sowie gegenüber dem richtigen Adressaten begründet (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 5 Satz 5, Abs. 6 und Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO). Die Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch mit dem Hilfsantrag bleibt der Berufung der Erfolg versagt. |
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| | 1. Die Festsetzung der Mindestwassermenge ist rechtmäßig. |
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| | Rechtsgrundlage für die unter I. 1 der Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 getroffene Anordnung, dass in der Ausleitungsstrecke der Aitrach in der Zeit vom 15.03. bis zum 15.06. eines jeden Jahres eine Mindestwassermenge vom 1.500 l/s und in der Zeit vom 16.06. bis zum 14.03. von 1.000 l/s zu belassen sei, sind die §§ 100 Abs. 1, 20 Abs. 2 Satz 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 d und 33 WHG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 WG. |
|
| | Nach § 100 Abs. 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Die zuständige Behörde ordnet nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WG kann die zuständige Wasserbehörde in Bezug auf alte Rechte und alte Befugnisse Anforderungen nach § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG stellen und Maßnahmen anordnen. Letztere Vorschrift bestimmt, dass für die Zulässigkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen ohne Entschädigung § 13 Abs. 2 WHG entsprechend gilt. |
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| | aa) Die Klägerin nutzt die Aitrach, ein oberirdisches Gewässer (§ 3 Nr. 1 WHG) i.S. dieser Norm, indem sie diese an dem von ihr betriebenen Wehr aufstaut, einen erheblichen Teil des Wassers über den Triebwerkskanal zu ihrer WKA ableitet und so zur Stromerzeugung zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Stromnetz nutzt (§§ 9 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 WHG). |
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| | bb) Die Nutzung der Aitrach durch die Klägerin hat nachteilige Veränderungen der Gewässereigenschaften im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 d i.V.m. § 3 Nr. 7 WHG zur Folge. Das Aufstauen der Aitrach und das Ableiten des Wassers über den Triebwerkkanal führen dazu, dass weniger Wasser über das Mutterbett, die Ausleitungsstrecke, abfließt. |
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| | aaa) Diese Verringerung der Restwassermenge ist zunächst grundsätzlich geeignet, die Gewässereigenschaften nachteilig zu verändern. Sie greift in die biozönotischen, insbesondere fischzönotischen Verhältnisse ein; die Fließgeschwindigkeit, die natürliche Strukturentwicklung und der Sauerstoffeintrag können nachteilig verändert werden. Die veränderte Abflussdynamik kann die hydromorphologischen Bedingungen für die Flora und Fauna verschlechtern, Niedrigwasser in physikalischer Hinsicht insbesondere zu Temperaturerhöhungen und zum Absinken der Fließgeschwindigkeit sowie der Sauerstoffsättigung führen. Ferner ist eine Beeinträchtigung der Gewässergüte zu besorgen, weil Schadstoffkonzentrationen infolge industrieller oder landwirtschaftlicher Einträge nur in vermindertem Maße durch natürliche Abflüsse verdünnt werden. Die Wasserentnahme am Oberlauf zu Turbinen einer Wasserkraftnutzung kann weiterhin ein Trockenfallen größerer Gewässerabschnitte am Unterlauf bewirken. Dies betrifft zum einen die natürlichen aquatischen Lebensräume für Flora und Fauna im Gewässer und Gewässerbett. Auch ein nachteiliger Eingriff in die vom Gewässer abhängigen Landökosysteme ist grundsätzlich möglich. Außerdem führen die verminderte Restwassermenge in der Ausleitungsstrecke und das Wehr zu einem Migrationshindernis für Wanderfischarten (vgl. dazu grundsätzlich Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196 mit zahlr. Nachw. aus Lit. und Rechtspr.). |
|
| | bbb) Im konkreten Fall sind solche nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften eingetreten. Diese sind entgegen der Auffassung der Klägerin auf die von ihr betriebene Wasserkraftnutzung und nicht auf den ökologisch ebenfalls problematischen Zustand der Aitrach stromaufwärts zurückzuführen. |
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| | (1) Die Durchgängigkeit der Aitrach ist in Folge des Betriebs der WKA nicht gewährleistet. |
|
| | Die in der Aitrach abfließende Wassermenge unterliegt abhängig von der Jahreszeit und den Niederschlagsereignissen in ihrem Einzugsgebiet ständigen Schwankungen. Sofern sie das Schluckvermögen der beiden Turbinen der WKA von zusammen 6.000 l/s nicht übersteigt, wird in die Ausleitungsstrecke technisch gesichert nur die über die aktuell vorhandene Fischtreppe am Wehr abfließende Wassermenge von 100 l/s abgegeben. Alle im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass bei dieser Restwassermenge bereits die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke für die dort vorkommenden Wanderfischarten nicht gewährleistet ist. Die Durchgängigkeit ist eine wichtige hydromorphologische Gewässereigenschaft i.S. des § 3 Abs. 7 WHG (vgl. zur Bedeutung der Durchgängigkeit als zentrale hydromorphologische Qualitätskomponente für den ökologischen Gesamtzustand von Gewässern insbesondere Anhang V, Nrn. 1.1.1 und 1.2.1 der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik vom 23.10.2000 [sog. Wasserrahmenrichtlinie - WRRL] und Anlage 3 Tabelle 2 zu § 5 der Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer - Oberflächengewässerverordnung - vom 20.7.2011; Bay.VGH, Urt. v. 7.10.2004 - 22 B 03.3228 -, ZfW 2005, 185; Fröhlich, ZfW 2005, 133; Reinhardt, NuR 2006, 205; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl., § 33 Rn. 6). Ein Gewässerabschnitt ist für eine bestimmte Fischart durchgängig, wenn sie bei ihren Wanderungen auch die pessimale Gewässerstelle (Stelle mit der geringsten Wassertiefe, den ungünstigsten Strömungsverhältnissen und/oder der problematischsten Beschaffenheit des Gewässergrundes) überwinden kann. Das vom Landratsamt zu Beginn des Verwaltungsverfahrens eingeholte Gutachten sje nimmt an, die Durchgängigkeit sei bei einer Restwassermenge von 250 l/s gewährleistet. Dieser Wert wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Das von ihr eingeholte Gutachten ... geht vielmehr von einem höheren Wert aus, und zwar hält es eine Restwassermenge von 420 l/s für erforderlich. |
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| | (2) Außerdem - und dem kommt hier für die Bestimmung der Mindestwassermenge maßgebliche Bedeutung zu - reduziert sich das Lebensraumangebot für die Fischfauna der Aitrach infolge der zu geringen Abflussmenge erheblich (dazu unten ausführlich). |
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| | (3) Die Klägerin hält dem entgegen, in der Ausleitungsstrecke sei ohnehin eine naturnahe Abflussdynamik gewährleistet. Hintergrund ist, dass sich die Abflussmenge in der Aitrach abhängig von der jeweiligen Niederschlagsmenge in ihrem Einzugsgebiet ständig ändert. Übersteigt die Abflussmenge die Summe aus dem Schluckvermögen der Turbinen der WKA von zusammen 6.000 l/s und der über die Fischaufstiegsanlage ohnehin in die Ausleitungsstrecke abfließenden Wassermenge von 100 l/s, so erhöht sich die über die Ausleitungsstrecke abfließende Wassermenge automatisch. Die Klägerin macht geltend, dies sei an deutlich über 100 Tagen im Jahr der Fall. Das mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass sich die Gewässereigenschaften der Aitrach durch die Benutzungen der Klägerin nachteilig verändern. Zunächst bleibt der Befund, dass ganz überwiegend doch nur die Mindestwassermenge abfließt. Auch wenn - zumal kurzzeitig - eine erhöhte Wassermenge abfließt, wirkt sich dies auf den ökologischen Zustand der Aitrach nicht zwangsläufig günstig aus, sondern hat wohl eher nachteilige Veränderungen zur Folge. Denn während der erhöhten Abflussmenge vom Wasser überspülte Bereiche der Aitrach fallen alsbald wieder trocken mit nachteiligen Wirkungen für die Gewässerfauna. |
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| | ccc) Die Klägerin macht geltend, diese nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaft sei nicht die Folge der WKA und des zu deren Betrieb erforderlichen Wehrs. Dieser Vortrag verfängt indessen nicht. |
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| | (1) Die Klägerin nimmt mit ihrer Argumentation einmal darauf Bezug, dass - wie sich im Einzelnen aus dem Gutachten ... ergibt - die Aitrach auch an zahlreichen Stellen oberhalb des Wehrs der Klägerin deutliche anthropogene Änderungen (u.a. Begradigungen und Uferbefestigungen, Hochwasserschutz) aufweist und an mehreren Stellen völlig undurchgängig ist, weil dort Querbauwerke und Veränderungen des Gewässergrundes anzutreffen sind, die für Fische mangels einer (funktionsfähigen) Fischaufstiegsanlage unpassierbar sind. Die Klägerin stellt damit in Frage, dass die Benutzungen der Aitrach (Aufstauen und Ableiten des Wassers) für die oben bereits beschriebenen nachteiligen Veränderungen ihrer Eigenschaften ursächlich sind. Durchdringen kann sie damit nicht. Der ökologische Zustand der Aitrach ist aus den o.g. und im Gutachten ... näher beschriebenen anthropogenen Veränderungen auch oberhalb des Wehrs nachteilig verändert. Auf die ökologische Qualität der stromabwärts gelegenen Ausleitungsstrecke haben diese Veränderungen stromaufwärts jedoch keinen Einfluss. Weder beeinträchtigen sie die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke noch ihre Eignung als Habitat für die Fischfauna. Soweit die Ausführungen der Klägerin auch dahin zu verstehen sind, die ihr gegenüber getroffenen, weitreichenden und in ihr altes Recht eingreifenden Anordnungen seien nicht berechtigt, da die Aitrach auch an anderen Stellen nachteilig verändert sei und dort keine Verbesserung bewirkt werde, kann sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Ausleitungsstrecke schon angesichts ihrer Länge von 3,2 km eine selbständige ökologische Bedeutung zukommt. |
|
| | (2) Die Klägerin behauptet auch, der Ausbauzustand der Ausleitungsstrecke selbst sei für deren schlechten ökologischen Zustand verantwortlich. Die Raue Rampe ca. 600 m unterhalb des Wehrs sei so ungünstig angelegt, dass sie die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke erheblich beeinträchtige. Flössen weniger als 200 l/s ab, könnten nur schwimmstarke Klein- und Jungfische aufsteigen. Übersteige die Abflussmenge 800 l/s, sei sie - wenn überhaupt - nur noch für sehr schwimmstarke größere Fische überwindbar. Betrage die Abflussmenge 1/6 MNQ, d.h. die von der Klägerin freiwillig abgegebene Wassermenge von 420 l/s, dürfte die Raue Rampe zwar jedenfalls von schwimmstärkeren Fischen überwunden werden können, aber auch nur mit einem erheblichen Verletzungsrisiko. Der Einschätzung von ..., die Raue Rampe sei jedenfalls bei hoher Wasserführung auch ohne bauliche Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Funktionalität für alle Fische prinzipiell durchgängig, sei insoweit zu widersprechen. |
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| | Erfolg haben kann die Klägerin auch mit diesem Vorbringen nicht. Ob die Raue Rampe uneingeschränkt durchgängig ist, wenn nur 200 l/s abfließen, mag offen bleiben. Denn in der streitigen Verfügung wird die Mindestwassermenge deutlich überhalb dieses Wertes festgesetzt. Dagegen hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass sich die Durchgängigkeit der Rauen Rampe wieder verschlechtert, wenn die Abflussmenge über 800 l/s hinaus ansteigt. Ohne nähere Konkretisierung macht die Klägerin geltend, bei größeren Wassermengen nehme die Fließgeschwindigkeit des Wassers zwangsläufig so zu, dass Fische nicht mehr dagegen ankommen könnten. Abgesehen davon, dass der Gutachter der Klägerin, Dr. ..., seine Einschätzung in der mündlichen Verhandlung relativiert hat, hat ... dem bei seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung als Sachverständiger entgegengehalten, der Fischereisachverständige Dr. ... habe bei seinem Mindestabflussversuch im Oktober 2013 entsprechende Feststellungen nicht getroffen. In dem Bericht des Dr. ... über den Mindestabflussversuch heißt es zu Situation an der Rauen Rampe: |
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| | Bereits bei einem Abfluss von 550 l/s (Abb. 3) weist die Probestelle zwar eine ausreichende Wassertiefe für die Durchwanderbarkeit auf. Bei einem Abfluss von 850 l/s (Abb. 5) werden jedoch auch die Randbereiche mit ausreichender Wassertiefe beschickt. Damit eignen sich die Randbereiche als Wanderkorridore nicht nur für kleinere, schwimmschwächere Arten, sondern auch für die Indikatorarten, da sowohl die sohlnahe, als auch die Fließgeschwindigkeit in der mittleren Wassertiefe in den Randzonen abnimmt (vgl. Abb. 3 bis 10). Weiterhin ist mit zunehmendem Abfluss (> 850 l/s der Anstieg des Wasserspiegels im Unterwasser der Rampe zu beobachten. Dies reduziert die Wasserspiegellagen zwischen den Steinriegeln und damit auch die Fließgeschwindigkeit auf der Rampe selbst, so dass diese noch besser durchwanderbar ist. |
|
| | Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen. |
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| | (3) Die Klägerin beruft sich weiter darauf, die Aitrach sei in der Ortslage von Marstetten über eine Strecke von 500 m hinweg aus Gründen des Hochwasserschutzes begradigt und naturfern ausgebaut. Deshalb fehle es dort an tieferen Kolken als Ruhezone und Unterstand für die aufwärts wandernden Fische. |
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| | Dass dieser Abschnitt der Aitrach weitgehend naturfern ausgebaut ist, wird auch im Gutachten sje nicht in Frage gestellt. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Benutzungen der Klägerin für die nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften der Aitrach in der Ausleitungsstrecke ursächlich sind. Auch die Klägerin stellt letztlich nicht in Frage, dass die in der Vergangenheit abgegebene Wassermenge von nur 100 l/s sowohl die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke beeinträchtigt als auch zu einer Beeinträchtigung des Lebensraumangebots für die Fischfauna führt. In der Sache stellt die Klägerin damit nicht die Ursächlichkeit der Benutzungen für die nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften der Aitrach in Frage. Ihre Argumentation richtet sich vielmehr gegen die Höhe der festgesetzten Mindestwassermenge. Sie ist dahin zusammenzufassen, dass nur eine geringere Mindestwassermenge erforderlich wäre, wenn der Beklagte im Rahmen seiner Gewässerunterhaltungspflicht die Aitrach in der Ortslage von Marstetten so ausbauen würde, wie dies im Gutachten ... vorgeschlagen wird (Einbau von Störsteinen und Kiesbänken). Denn dadurch könne eine Erhöhung des Wasserstands um 15 - 25 cm erreicht werden, wie dies sonst nur bei deutlich höheren Wassermengen von etwa 1.700 l/s möglich wäre. Auch damit kann die Klägerin indessen nicht durchdringen (dazu ausführlich unten). |
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| | ddd) Dass der Klägerin ein altes Wasserrecht zusteht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. |
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| | Die Klägerin macht geltend, das im Jahr 1910 einer Papierfabrik verliehene Recht, das Wasser der Aitrach aufzustauen und zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik zu benutzen, sei gemäß § 8 Abs. 4 WHG mit dem Erwerb der WKA auf sie übergegangen. Schon aus diesem Recht, jedenfalls aber aus § 24 Abs. 2 WG, ergebe sich die Befugnis, das Wehr und die WKA auch zur Stromerzeugung zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Stromnetz zu nutzen. |
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| | In diesem Zusammenhang kommt es darauf nicht an. Denn nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WG, § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG i.V. mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG kann die Wasserbehörde auch bei alten Rechten Maßnahmen anordnen, die zum Ausgleich einer auf die Benutzung zurückzuführenden nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften erforderlich sind. |
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| | eee) Die Gewässereigenschaften der Aitrach sind auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nachteilig verändert. |
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| | Die Klägerin gibt an, sie gebe seit dem Jahr 2011 freiwillig eine höhere Restwassermenge von 420 l/s und vom 15.03. bis zum 15.06. (während der Laichzeit) sogar von 850 l/s über das Wehr in die Ausleitungsstrecke ab. In der Sache macht sie damit geltend, eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaft sei jetzt nicht mehr gegeben. Auch damit kann sie indessen nicht durchdringen. Richtig ist allerdings, dass die Anordnung einer Mindestwasserführung ein Dauerverwaltungsakt ist. Anders als sonst bei Anfechtungsklagen ist deshalb - jedenfalls bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen - auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat und nicht zur Zeit der letzten Behördenentscheidung abzustellen (vgl. W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 26. Aufl., 2020, Rn. 44 zu § 113). Indessen ist bereits nicht sicher, dass die Klägerin tatsächlich die von ihr behauptete Restwassermenge in die Ausleitungsstrecke abgibt. Bei einer Begehung der Aitrach kam das Landratsamt zu dem Ergebnis, dass die Überfallhöhe des Wassers am Wehr dafür nicht ausreichend sei, die Klägerin mithin nur eine geringere Restwassermenge in die Ausleitungsstrecke abgebe. Letztlich kommt es darauf nicht an. Maßgeblich ist, dass die Abgabe der von der Klägerin behaupteten Restwassermenge ohne die streitige Anordnung rechtlich nicht gesichert ist. Auch reicht die von der Klägerin nach ihrem Vortrag freiwillig abgegebenen Restwassermengen (420 l/s bzw. 850 l/s) i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG nicht aus, um die durch die Benutzung der Aitrach seitens der Klägerin bewirkten nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften auszugleichen (dazu sogleich). |
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| | b) Das Landratsamt hat die in das Mutterbett der Aitrach abzugebende Mindestwassermenge in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. |
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| | Das Landratsamt hat von der Klägerin verlangt, in der Zeit vom 15.03. bis zum 15.06 eines jeden Jahres eine Mindestwassermenge von 1.500 l/s und während der übrigen Zeit des Jahres von 1.000 l/s abzugeben. Damit hat die Behörde in Ausübung ihres Bewirtschaftungsermessens die erforderlichen Mindestwassermengen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG i.V. m. § 33 WHG und § 34 WHG festgesetzt, um nachteilige Veränderungen der Gewässereigenschaften der Aitrach durch die von der Klägerin praktizierte Gewässerbenutzung auszugleichen. |
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| | aa) Wie bereits oben ausgeführt, hängt die hydromorphologische Qualität eines Gewässers maßgeblich davon ab, dass es trotz der Gewässernutzung weiter durchgängig ist (§ 34 WHG). Die Durchgängigkeit ist jedoch nicht das alleinige Kriterium für die Bestimmung der Mindestwassermenge. Anderenfalls wären die vom Landratsamt festgesetzten Mindestwassermengen deutlich zu hoch. |
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| | Wie oben ausgeführt, hält das Gutachten sje zur Gewährleistung der Durchgängigkeit eine Mindestwassermenge von 250 l/s für ausreichend. Auch die vom Fischereisachverständigen Dr. ... bei seinem Mindestwasserversuch im Oktober 2013 ermittelte Mindestwassermenge liegt mit 550 l/s deutlich unter den Vorgaben des Landratsamts in der streitigen Verfügung. Die Klägerin stellt diesen Wert außerdem in Frage. Dr. ... hat die Mindestwassermenge entsprechend der von ihm bei dem Mindestwasserversuch abgegebenen geringsten Wassermenge festgesetzt. Ob die Durchgängigkeit auch bei einer noch geringeren Wassermenge gewährleistet wäre, hat er nicht ermittelt. Die Klägerin bemängelt insoweit, dass er auch auf eine Interpolation (richtig wohl: Extrapolation) verzichtet habe. Die Durchgängigkeit ist jedoch im Sinne einer zwingenden Mindestvoraussetzung nur ein Kriterium unter mehreren anderen für die Bestimmung einer ausreichenden Mindestwassermenge (vgl. dazu auch Bay.VGH, Beschl. v. 05.09.2019 - 8 ZB 16.1851 - juris). |
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| | bb) Nach § 33 WHG sind das Aufstauen eines oberirdischen Gewässers oder das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewässer nur zulässig, wenn die Abflussmenge erhalten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbundene Gewässer erforderlich ist, um den Zielen der § 6 Abs. 1 WHG und der §§ 27 bis 21 WHG zu entsprechen. Zur Erreichung dieser Ziele sind die konkret festgesetzten Mindestwassermengen erforderlich. |
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| | Nach § 6 Abs. 1 WHG sind u.a. die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Gewässers als Bestandteil des Naturhaushalts und Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern, insbesondere durch Schutz vor nachteiligen Veränderungen von Gewässereigenschaften (Nr. 1). Neben weiteren eher ökologischen Zielsetzungen (vgl. etwa Nr. 2) nennt § 6 Abs. 1 WHG auch nutzungsbezogene Ansätze, die mit den gewässerschützenden Anforderungen typischerweise in Widerspruch stehen. So sind die Gewässer nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WHG auch zum Wohle der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch im Interesse Einzelner zu nutzen. Auch soll die Gewässerbenutzung so erfolgen, dass möglichen Folgen des Klimawandels vorgebeugt wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 WHG). Die widerstreitenden Belange sind im Rahmen des § 33 WHG durch Ausübung des pflichtgemäßen Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Abs. 2 WHG miteinander in Einklang zu bringen. Da es sich bei der Aitrach nicht um ein künstliches oder erheblich verändertes oberirdisches Gewässer i.S. der §§ 27 Abs. 2, 28 WHG handelt, ist bei der Bestimmung der Mindestwassermenge auch zu berücksichtigen, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen und chemischen Zustands vermieden wird (Verschlechterungsverbot) und ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG). Fristverlängerungen (§ 29 WHG) für die Verwirklichung dieser Ziele, abweichende - also weniger strenge - Ziele (§ 30 WHG) und Ausnahmen (§ 31 WHG) sind grundsätzlich möglich (vgl Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, Komm., Rnr. 28 ff zu § 33 WHG, Stand: Sept. 2014). |
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| | § 33 WHG enthält aber darüber hinaus weder feste Richtwerte zur Mindestwassermenge noch Vorgaben für ein bestimmtes Verfahren zu deren Ermittlung Wie sich aus dem Hinweis auf die Ziele des § 6 Abs. 1 WHG und der §§ 27 ff. WHG ergibt, ist die Mindestwassermenge keine feststehende Größe. Sie ist vielmehr im Einzelfall mit Blick auf die in § 6 Abs. 1 WHG aufgeführten Grund- sätze und insbesondere im Hinblick auf die maßgebenden Bewirtschaftungsziele nach §§ 27 ff. WHG sowie gegebenenfalls unter Einbeziehung der in einem Bewirtschaftungsplan festgelegten Ziele und beschriebenen Maßnahmen für das jeweilige Fließgewässer nach den Gegebenheiten vor Ort, insbesondere nach der hydrologischen Situation und den ökologischen Erfordernissen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass sich die Mindestwassermenge nicht nur auf das jeweilige Einzelgewässer bezieht, sondern ausdrücklich auch die mit diesem Gewässer verbundenen („kommunizierenden“) Gewässer einschließt (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 26.01.2017 - 7 B 3.16 - Buchholz 445.4 § 33 WHG Nr. 2 und Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196 mit zahlr. Nachweisen aus der Lit. und den Gesetzesmaterialien). |
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| | Der Erhaltung und Verbesserung des Gewässers als Lebensraum für Flora und Fauna kommt danach bei der Festsetzung der Mindestwassermenge maßgebliche Bedeutung zu. In der von der LUBW herausgegebenen Handreichung „Mindestwasserführung - Handlungsanleitung zur Festlegung und Überwachung des Mindestabflusses“, die den sog. Wasserkrafterlass (dazu näher unten ccc) (1)) konkretisieren und den Leitfaden „Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken - Grundlagen, Ermittlung und Beispiele“ aus dem Jahre 2005 aktualisieren und ergänzen soll, heißt es konsequent zu den o.g. rechtlichen Vorgaben, von einer ausreichenden Mindestwasserführung für einen funktionsfähigen Fließgewässerlebensraum könne ausgegangen werden, wenn geeignete Lebensbedingungen für die Zielfischarten des jeweiligen Gewässers gegeben seien. Mindestabflüsse seien dann ausreichend, wenn im Vergleich zum natürlichen Zustand der Ausleitungsstrecke (1.) strukturell und hydraulisch geeignete Lebensraumbedingungen in ausreichendem Maße vorhanden sind, (2.) die Erreichbarkeit und Durchwanderbarkeit gegeben ist, (3.) die Wassertemperatur und die Wasserqualität durch die Ausleitung nicht so stark beeinflusst werden, dass kritische Werte erreicht werden könnten und (4.) gewässerdynamische Prozesse zur Vermeidung von Verschlammung und Kolmation in ausreichendem Maße stattfinden können. |
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| | cc) Den Wasserbehörden steht sowohl bei der Auswahl des Verfahrens zur Bestimmung der Mindestwassermenge als auch bei deren konkreter Festsetzung ein nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegender Beurteilungsspielraum zu. |
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| | aaa) Der Senat hat in seinem Urteil vom 15.12.2015 (- 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196) angenommen, bei der erforderlichen Mindestwassermenge i.S. des § 33 WHG handele es sich um einen vom rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geprägten unbestimmten Rechtsbegriff, dem die Aufgabe zukomme, das in dieser Bestimmung rechtsdogmatisch enthaltene Benutzungsverbot inhaltlich zu begrenzen. Bei der Auswahl des konkreten Verfahrens zu Ermittlung der Mindestwasserführung komme den Wasserbehörden auf der Grundlage ihres Bewirtschaftungsermessens ein Beurteilungsspielraum zu (offengelassen von BVerwG, Beschl. v. 26.01.2017 - 7 B 3.16 - Buchholz 445.4 § 33 WHG Nr. 2). Auch in der Literatur wird vertreten, die Bestimmung der Mindestwassermenge entziehe sich einer generell-abstrakten, für alle Gewässer zutreffenden Quantifizierung. Die in § 33 WHG vorgegebenen Parameter wiesen nur die Richtung für die Operationalisierung der Durchflussmenge, zumal deren Festlegung im Einzelfall stets von zahlreichen, nicht verallgemeinerungsfähigen Faktoren abhänge, die sich zudem ständig änderten (Czychowski/Reinhardt, WHG, Komm., 11. Aufl., 2014, Rn. 8 zu § 33). |
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| | bbb) Diese vom Senat vertretene Auffassung findet - wenn auch auf der Grundlage eines anderen dogmatischen Ausgangspunkts - ihre Bestätigung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Mit Beschluss vom 23.10.2018 (- 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - BVerfGE 149, 407) hat das Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit einem Konflikt zwischen der Windkraftnutzung und dem naturschutzrechtlichen Artenschutz zur Frage der (naturschutzrechtlichen) Einschätzungsprärogative der Verwaltung grundsätzlich Stellung genommen. Während der Senat - wie ausgeführt - die Einschätzungsprärogative der Verwaltung aus dem der Verwaltung zukommenden wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermessen abgeleitet hat, hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, der Verwaltung stehe eine Einschätzungsprärogative zu, wenn die gerichtliche Kontrolle an die Grenze der (naturschutz)fachlichen Wissenschaft und Praxis stoßet, weil es letztlich an einem sicheren Maßstab für die Entscheidung zwischen richtig und falsch fehle. Das Gericht sei dann auch nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet, sondern dürfe die plausiblen Einschätzungen der Behörde zu den fachlichen Fragen seiner Entscheidung zu Grunde legen. |
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| | ccc) Die dogmatische Grundlage des der Wasserbehörde zustehenden Beurteilungsspielraums bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für einen Beurteilungsspielraum sind gegeben. Wie die Mindestwassermenge zu bestimmen ist, ist gesetzlich nicht normiert. Auch fehlt es an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die Bestimmung der Mindestwassermenge im Einzelfall. |
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| | (1) Zunächst ist die Bestimmung der Mindestwassermenge nicht untergesetzlich geregelt. |
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| | Zwar kann das Landesumweltministerium als oberste Wasserbehörde (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 WG) durch Rechtsverordnung festlegen, welche Kriterien bei der Bemessung der Mindestwasserführung, für die Durchgängigkeit und in Bezug auf die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers zu Grunde zu legen sind (§§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 WG). Eine solche Rechtsverordnung ist indessen nicht ergangen. |
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| | Auch aus der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums und des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung; Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1.000 kW vom 15.05.2018 (GABl. 2018, S. 403) - Wasserkrafterlass - können keine verbindlichen untergesetzlichen Vorgaben für die Bestimmung der Mindestwassermenge abgeleitet werden. Diese Verwaltungsvorschrift ist - soweit ersichtlich ohne hier relevante inhaltliche Änderung - an die Stelle der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums, des Ministeriums für Ländlichen Raum und des Wirtschaftsministeriums zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung; Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1.000 kW vom 30.12.2006 (GABl. 2007, S. 105) getreten. Der Wasserkrafterlass enthält zwar durchaus Vorgaben, wie die Mindestwassermenge im Einzelfall zu bestimmen ist (vgl. Nr. 3.1.2). Eine normative Konkretisierung mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren ist darin jedoch nicht zu sehen. Dagegen spricht zunächst die rechtliche Form. Es handelt sich beim Wasserkrafterlass um eine Verwaltungsvorschrift. Zwar wird in der Rechtsprechung auch der TA Lärm, die gleichfalls in der Form einer Verwaltungsvorschrift ergangen ist, bindende Wirkung auch für das gerichtliche Verfahren beigemessen, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen etwa im Rahmen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert. Sie unterliegt als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift der revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209). Auf den Wasserkrafterlass ist das nicht übertragbar. Der Erlass der TA Lärm als Verwaltungsvorschrift ist in § 48 BImSchG ausdrücklich vorgegeben. Wie ausgeführt, sieht das Wassergesetz insoweit jedoch den Erlass einer Rechtsverordnung vor. Die TA Lärm regelt auch detailliert, welche Lärmbelastung abhängig von der jeweiligen Gebietsart nach der Baunutzungsverordnung zumutbar ist und nach welchem Verfahren deren Höhe zu ermitteln ist. Der Wasserkrafterlass macht hinsichtlich der Mindestwassermenge nur Vorgaben, die über eine „Faustregel“ nicht hinausgehen (dazu sogleich). |
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| | (2) Auch gibt es keine allgemein anerkannten Maßstäbe und Methoden für die Bestimmung der Mindestwassermenge. Aus dem Wasserkrafterlass können sie nicht abgeleitet werden. |
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| | Der Wasserkrafterlass sieht die Ermittlung der Mindestwassermenge in einem zweistufigen Verfahren vor. In einem ersten Schritt sind standortbezogene Einstiegswerte für den Mindestabfluss aus hydrologischen Daten zu ermitteln. Handelt es sich nicht um ein Lachs- und Seeforellengewässer und ist die mittlere Abflussmenge (MQ) - wie vorliegend - größer als 5 m³/s, so beläuft sich der Einstiegswert auf ein Drittel der Mittleren Niedrigwassermenge (MNQ) (vgl. Nr. 3.1.2 und 3.1.2.1 Wasserkrafterlass). In einem zweiten Schritt ist dieser Ausgangswert an die örtlichen Verhältnisse anzupassen. In Nr. 3.1.2.2 Wasserkrafterlass werden dafür insgesamt elf Kriterien genannt, die ihrerseits teilweise vage und unbestimmt sind (etwa „Temperaturhaushalt“ und „Grundwasserhaushalt“). Vor allem aber ist nicht geregelt, mit welchem Gewicht und in welchem Verhältnis zueinander die einzelnen Faktoren bei der Bemessung der Mindestwassermenge im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Unter Nr. 3.1.2.3 heißt es weiter, im Einzelfall könne eine „zuflussabhängige dynamische Erhöhung des örtlich angepassten Mindestabflusses aus ökologischen Gründen erforderlich sein“. Anders als noch im Wasserkrafterlass 2006 ist eine jahreszeitliche Staffelung der Mindestabflussmenge nicht mehr vorgesehen. Vielmehr heißt es, der angepasste Mindestabfluss sei über das Jahr konstant (Nr. 3.1.2.2 letzter Satz). Ebenso ist keine Regelung mehr enthalten, wonach der angepasste Mindestabfluss 1/6 MNQ nicht unterschreiten dürfe. |
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| | Bereits diese eher vagen Kriterien, insbesondere was die örtliche Anpassung des Einstiegswerts betrifft, wecken Zweifel, dass der Wasserkrafterlass eine allgemein anerkannte Methode zur Bestimmung der Mindestwassermenge beschreibt. Weitere Umstände kommen hinzu. |
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| | Der Wasserkrafterlass selbst verweist bezüglich der Ziele, Grundsätze, Hintergrundinformationen und Beispiele auf Leitfäden der LUBW (Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, 2005 und Mindestwasserführung, 2018). Dort werden zwar die bei der örtlichen Anpassung des Einstiegswerts zu beachtenden Kriterien - allerdings wiederum nur sehr allgemein - näher erläutert (vgl. Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, S. 15 ff). Es werden aber auch mehrere weitere Verfahren beschrieben, die bei der Bestimmung der Mindestwassermenge zur Anwendung kommen können. Zwar heißt es, diese Verfahren sollten dazu dienen, den Ausgangswert bei der Bestimmung der Mindestwassermenge an die örtlichen Verhältnisse anzupassen und ggf. auch eine zuflussabhängige dynamische Erhöhung über ½ MNQ hinaus vorzunehmen. Genannt werden die überschlägige hydraulische Berechnung im Rahmen einer Begehung, der Dotationsversuch (Naturversuch) und die hydraulische Umsetzung über Simulationsrechnungen (vgl. S. 18). Im Anhang 4 wird das auch von ... ... ... eingesetzte Softwarepaket Casimir (Computer Aided Simulation Model for Instream Flow Requierments) explizit als Methode für Mindestabflussuntersuchungen in Ausleitungsstrecken genannt. Richtigerweise wird man jedoch davon auszugehen haben, dass es sich bei den genannten Verfahren um eigenständige Methoden zur Bestimmung der Mindestwassermenge und nicht bloß um Hilfsmittel zur Anpassung des Ausgangswerts handelt. Hilfsmittel könnten sie nur sein, wenn sie auf dem Ausgangswert aufbauen würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Zur Anwendung der genannten Verfahren muss der Ausgangswert in Höhe von 1/3 MNQ nicht einmal ermittelt werden (vgl. etwa das Verfahren Casimir). Dem Ausgangswert kann allenfalls Bedeutung zukommen zur Orientierung bei einem Dotationsversuch zu der Frage, mit welcher abzugebenden Wassermenge der Versuch sinnvollerweise begonnen wird. |
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| | Gerade die Argumentation der Klägerin im vorliegenden Verfahren verdeutlicht, dass das im Wasserkrafterlass beschriebene Verfahren nicht die einzige Methode zur Bestimmung der Mindestwassermenge sein kann. Die Klägerin führt aus, der Ausgangswert sei zu hoch angenommen worden, weil die Mittlere Niedrigwassermenge mittlerweile um mehrere Hundert Liter pro Sekunde geringer sei. Das mag zutreffen. Denn die Mittlere Niedrigwassermenge ist, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg ermittelt wird, keine konstante Größe; vielmehr können mehrere niederschlagsreiche oder niederschlagsarme Jahre in Folge insoweit durchaus zu Veränderungen führen. Indessen ist nicht erkennbar, warum sich dies auf die nach § 33 WHG erforderliche Mindestwassermenge auswirken soll. Anders formuliert, die aquatischen Lebensräume kommen nicht mit weniger Wasser aus, weil es einige Jahre wenig geregnet hat. |
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| | (3) Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG führt unter diesen Umständen nicht dazu, dass die Verwaltung bei der Festsetzung der Mindestwassermenge an den Wasserkrafterlass gebunden wäre. Eine solche Bindung könnte nur eintreten, wenn der Wasserkrafterlass von den Wasserbehörden als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ständig befolgt würde und der Bürger deshalb davon ausgehen kann, dass sie auch in seinem Fall zur Anwendung kommt (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 19. Aufl., 2018, Rn. 44 zu § 40). Wie ausgeführt, geht indessen auch der Wasserkrafterlass davon aus, dass insoweit noch andere Verfahren als die von ihm priorisierte Festlegung nach der Mittleren Niedrigwassermenge unter Anpassung an die besonderen örtlichen Verhältnisse angewendet werden können, u.a. das Verfahren Casimir. |
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| | dd) Das Landratsamt hat die Mindestwassermenge auf der Grundlage des Gutachtens sje nach dem Verfahren Casimir festgelegt und von den vorgeschlagenen Mindestwassermengen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gewässerökologisch vertretbare Abschläge vorgenommen. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. |
|
| | Allerdings heißt es im Widerspruchsbescheid, das Ermessen der Verwaltung bei der Bestimmung der Mindestwassermenge sei durch den Wasserkrafterlass gebunden. In der Sache hat das Regierungspräsidium aus diesem Ausgangspunkt dann allerdings keine Schlussfolgerungen gezogen, sondern sich am Gutachten sje und damit am Verfahren Casimir orientiert. |
|
| | Das Verfahren Casimir ist ein an der Universität Stuttgart entwickeltes Simulationsmodell zur Habitatmodellierung. Damit werden Fischlebensräume anhand von am Gewässer erhobenen Informationen über Geometrien und Strukturen in Verbindung mit berechneten Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten nach Maßgabe der Lebensraumanforderungen der gewässertypischen Fischarten nachgebildet. Die Simulationsergebnisse sind die Grundlage für Mindestwasserempfehlungen, die den Gewässercharakter, die Durchwanderbarkeit und die Ansprüche der gewässertypischen Fischarten berücksichtigen. sje haben bei der Erstellung des Gutachtens angenommen, Leitfischarten seien die Bachforelle und die Äsche, Begleitfischarten die Groppe und die Nase. Mit dem Modell Casimir haben sje überprüft, ob die für die genannten Fischarten erforderlichen Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten erreicht werden und so festgestellt, ob der jeweilige Gewässerabschnitt für diese Fischarten „durchgängig“ ist, wobei sie nicht auf die generell vorhandenen Wassertiefen, sondern vielmehr auf die Wassertiefen an den pessimalen Gewässerquerschnitten (einzelne Stellen mit geringer Ausdehnung und den geringsten Wassertiefen) abgestellt haben. Die Eignung des jeweiligen Gewässerabschnitts für die einzelnen Fischarten haben sje mit dem Modell Casimir ermittelt, indem sie die Gewässerstruktur, die Fließgeschwindigkeit und die Wassertiefe mit den Lebensraumansprüchen der jeweiligen Fischarten verknüpft haben. Je besser eine Teilfläche für die jeweilige Fischart geeignet ist, um so mehr näherte sich der jeweils in Ansatz gebrachte Eignungskoeffizient dem Maximalwert von 1 an. So konnte auch nachvollzogen werden, wie die einzelnen Lebensräume mit welcher Qualität in dem jeweiligen Gewässerabschnitt räumlich verteilt sind. Dabei ergab sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Habitateignung der einzelnen Bereiche und der jeweiligen Abflussmenge. Die Habitateignung eines Gewässerabschnitts wurde nach dem System der „weighted usable area“ (WUA) bestimmt. Dabei wurden die einzelnen Teilflächen der jeweiligen Gewässerabschnitte durch Multiplikation ihres Flächeninhalts mit dem jeweils dafür ermittelten Eignungskoeffizienten gewichtet. Die so ermittelten gewichteten Einzelflächen wurden dann addiert. sje haben nach diesem System das Habitatangebot bei einem sogenannten Referenzabfluss ermittelt. Das ist die Wassermenge, ab der sich die Habitateignung des Gewässerabschnitts auch bei einer weiteren Zunahme der Abflussmenge nicht mehr wesentlich verbessert. sje haben dann untersucht, wie sich das nach den o.g. Vorgaben nach dem System der WUA ermittelte Habitatabgebot mit zunehmend geringer werdenden Abflussmengen verringert. sje ging nach dem Modell Casimir dabei davon aus, dass die noch vertretbare Habitatreduktion um so geringer sei, je stärker der jeweilige Gewässerabschnitt bereits beeinträchtigt sei. Während bei leicht beeinträchtigten Abschnitten eine Reduktion um 50% hingenommen werden könne, betrage die noch akzeptable Habitatreduktion bei beeinträchtigten Gewässerabschnitten 30% und an bereits degradierten nur noch 10%. Den maßgeblichen Abschnitt der Aitrach haben sie als beeinträchtigt eingestuft. |
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| | ee) Dass die Behörde - wie ausgeführt - bei der Auswahl des Verfahrens und bei der konkreten Bestimmung der Mindestwassermenge einen Beurteilungsspielraum hat, bedeutet nicht, dass ihre Entscheidung vollumfänglich der gerichtlichen Kontrolle entzogen wäre. Das Gericht prüft vielmehr, ob die von dem Beklagten verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale einer Norm gelangt ist. Dies umfasst die Prüfung, ob die klägerischen Einwände die Methodik, Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Behörde substantiell in Frage stellen (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 - 4 A 13.18 - juris). Nach allgemeinen Grundsätzen ist außerdem Gegenstand der gerichtlichen Prüfung, ob der Behörde bei der Ermittlung und der Anwendung der von ihr aus dem Spektrum des Vertretbaren gewählten fachlichen Methode Verfahrensfehler unterlaufen, ob sie anzuwendendes Recht verkennt, von einem im Übrigen unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - BVerfGE 149, 407). |
|
| | ff) Die insoweit von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen indessen nicht durch. |
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| | aaa) Gestützt auf das Gutachten ... macht die Klägerin grundsätzliche Einwendungen gegen das Verfahren Casimir geltend. Der dort zur Anwendung kommende Parameter der „tolerierbaren Habitatreduktion“ sei von ... in seiner Doktorarbeit entwickelt worden. Nach dem Verfahren Casimir sei die noch tolerierbare Habitatreduktion umso geringer, je stärker beeinträchtigt das Gewässer bzw. die Ausleitungsstrecke ohnehin schon sei. Während bei degradierten Abschnitten nur eine Habitatreduktion von 10% akzeptabel sein solle, könnten bei leicht beeinträchtigten Abschnitten 50 % in Kauf genommen werden. Damit stehe das Verfahren Casimir im Widerspruch zum Wasserkrafterlass. Nach dessen Absatz 2 seien Eingriffe in ohnehin bereits beeinträchtigte Gewässerbereiche (Hochwasserschutz, Begradigung, Ausbau der Gewässer, Uferbauwerke usw.) geringer zu bewerten, da auch die anderen Nutzungsarten den Gewässerzustand dauerhaft beeinträchtigten. Damit kann die Klägerin indessen keinen Erfolg haben. |
|
| | (1) Zunächst steht der Ausgangspunkt des Verfahrens Casimir, dass in unbeeinträchtigten Gewässern eine größere Habitatreduktion vertretbar ist als in bereits (stärker) beeinträchtigten, nicht im Widerspruch zum Wasserkrafterlass. |
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| | Im Wasserkrafterlass 2018 ist eine Aussage, dass Eingriffe in bereits stärker beeinträchtigte Gewässer geringer zu bewerten sein sollen, mit anderen Worten, dort eine größere Habitatreduktion vertretbar ist, nicht enthalten. Die Aussage unter Punkt V Nr. 2 im Wasserkrafterlass 2006, die auf den ersten Blick im Sinne der Klägerin verstanden werden könnte, bezieht sich nicht auf die Mindestwassermenge, sondern ist unter den „Hinweisen zur Abwägung und Ermessensausübung bei Entscheidungen über die Zulassung von Wasserkraftanlagen (§ 35b WG)“ enthalten. Im Wasserkrafterlass 2018 heißt es unter Punkt 3 „Fachliche Kriterien für die Gesamtbeurteilung einer Wasserkraftnutzung“, die Wasserkraftnutzung sei unter dem Gesichtspunkt fachlich zu analysieren und darzustellen, ob das Gewässer aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bereits einer so starken anderweitigen Nutzung unterworfen sei, dass bei einer weiteren Nutzung unverzichtbare Funktionen der Gewässer nachhaltig beeinträchtigt wären. Dahinter steht die Überlegung, dass bei bereits stärker beeinträchtigten Gewässern nur noch in geringerem Maße eine zusätzliche Verschlechterung hingenommen werden kann. Das deckt sich damit, dass nach dem Model Casimir bei bereits stärker beeinträchtigten Gewässerabschnitten nur noch eine geringere Habitatreduktion toleriert werden kann. |
|
| | (2) Der der Methode Casimir zu Grunde liegende Gedanke ist auch unabhängig von den Aussagen im Wasserkrafterlass 2018 plausibel. Je stärker ein Gewässer bereits degeneriert ist, umso eher droht der vollständige Verlust seiner ökologischen Funktionen. Um dem entgegenzuwirken, ist dort nur eine geringere Habitatreduktion akzeptabel. |
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| | bbb) Die Klägerin macht wiederum gestützt auf das Gutachten ... weiter geltend, die strikte Anwendung des Verfahrens Casimir erfordere eine detaillierte Strukturkartierung der Ausleitungsstrecke, die jedoch nicht durchgeführt worden sei. So sei die Detailstrecke 3 keineswegs repräsentativ für den gesamten Unterlauf. Auch diese Argumentation verfängt nicht. |
|
| | Die Klägerin stellt damit nicht das Verfahren Casimir als solches in Frage, sondern wendet sich gegen seine konkrete Anwendung. Ihr Einwand ist indessen nicht nachvollziehbar. Er kann sich allenfalls zum Nachteil der Klägerin auswirken. Denn nach dem Verfahren Casimir wird die Mindestwassermenge so festgelegt, dass selbst in den ungünstigsten Bereichen die Durchgängigkeit gewährleistet ist und die Habitatreduktion allenfalls 30 % beträgt. Eine Ausdehnung der Untersuchung auf weitere Abschnitte der Ausleitungsstrecke kann nur dazu führen, dass dort ein noch ungünstigerer Bereich identifiziert wird, der eine noch höhere Wassermenge verlangt. |
|
| | ccc) Die Klägerin wendet außerdem ein, das Gutachten sje komme zu wesentlich höheren Mindestwassermengen als der von ihr beauftragte Gutachter ..., weil es auf die Bedürfnisse der Nase als der insoweit anspruchvollsten Fischart abstelle. Gerade im Detailabschnitt D 2 könne die Habitatreduktion für die laichende Nase nur mit einer Mindestwassermenge von 1.800 l/s auf die nach dem Modell Casimir noch akzeptablen 30 % begrenzt werden. Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Nase komme in der Aitrach allenfalls im unteren Bereich zwischen der Mündung in die Iller und dem Zusammenfluss von Triebwerkkanal und Ausleitungsstrecke, in der Ausleitungsstrecke selbst - wenn überhaupt - nur im unteren Teil bis zum Beginn der sogenannten Schluchtstrecke vor. Danach betrage das Gefälle der Aitrach 7 bis 8 Promille. Ab einem Gefälle von 6 Promille steige die Nase gar nicht oder nur noch im Einzelfall weiter auf. Auch seien die Wassertemperaturen wegen der Höhenlage der Aitrach und ihren zahlreichen sommerkalten Zuflüssen, die bis in eine Höhe von 1.100 m reichten, dort so niedrig, dass sie ohnehin keine günstigen Lebens- und Fortpflanzungsbedingungen mehr vorfinde. Auf das Gutachten ... könne sich das Landratsamt in diesem Zusammenhang nicht berufen, weil es hypothetisch von einem durch anthropogene Einwirkungen weitgehend unbeeinflussten Gewässerzustand ausgehe, wie er im 19. Jahrhundert bestanden haben möge, aber heute nicht mehr anzutreffen sei. Diese Einwände sind gleichfalls nicht stichhaltig. |
|
| | (1) Mit ihrem Vorbringen wirft die Klägerin zunächst zwei tatsächliche Fragen auf, und zwar einmal nach dem Gefälle der Aitrach in der Ausleitungsstrecke und außerdem nach den dort anzutreffenden Wassertemperaturen. In einem zweiten Schritt führen die Einwände der Klägerin auf die biologische/fischereiwirtschaftliche Fachfrage, ob die Aitrach und konkret die Ausleitungsstrecke danach als Lebensraum für die Nase geeignet ist. |
|
| | (2) Den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen ist indessen nicht weiter nachzugehen. Dass die Ausleitungsstrecke und zwar auch die sogenannte „Schluchtstrecke“ bis zum Wehr als Lebensraum für die Nase geeignet ist, ergibt sich aus der von sje wenn auch schon länger zurückliegend im Zusammenhang mit der Erstellung ihres Gutachtens durchgeführten Elektrobefischung und aus der Auswertung von Elektrobefischungen aus den Jahren 1985 bis 2004 im Gutachten .... sje haben bei ihrer Befischung im Detailabschnitt D 1 am oberen Ende der Ausleitungsstrecke unter den damals ungünstigen Bedingungen mit einer Mindestwassermenge von lediglich 100 l/s juvenile Nasen angetroffen. Das belegt, dass sich die Nase dort sogar fortpflanzt. Auch bei den von ... ausgewerteten Elektrobefischungen wurden Nasen angetroffen und sogar als „verbreitet“ bezeichnet. Der Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die Nasen seien nur im Unterlauf der Aitrach nahe der Mündung in die Iller angetroffen worden, trifft nicht zu. Der Klägerin ist einzuräumen, dass die genauen Orte der Elektrobefischung im Gutachten ... ... nicht bezeichnet werden. Aus Tabelle 3 des Gutachtens ist jedoch zu ersehen, dass die Nasen an zwei Stellen in der Ausleitungsstrecke vorhanden waren. Beide Stellen liegen zwischen dem Triebwerkkanal am Ende der Ausleitungsstrecke und der Mündung des Laubener Brunnens oberhalb des Wehrs der Klägerin. Die o.g. Elektrobefischungen liegen zwar bereits längere Zeit zurück. Sie lassen nicht zwingend den Rückschluss zu, dass auch aktuell im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Ausleitungsstrecke und generell in der Aitrach Nasen anzutreffen sind. Darauf kommt es indessen nicht an. Maßgeblich ist, dass die Aitrach und insbesondere die Ausleitungsstrecke überhaupt als Lebensraum für die Nase geeignet ist. Das wird durch die Elektrobefischungen belegt, denn dass sich die Habitatqualität seither verändert hat, ist nicht anzunehmen. Zwar unterliegen die Strukturen der Aitrach ständigen Veränderungen. Auswirkungen auf die Habitatqualität sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... in der mündlichen Verhandlung damit aber nicht verbunden, weil sich die Veränderungen in der Summe immer wieder ausgleichen. Ungeachtet dessen ist auch der Sachverständige ... dem Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Nase komme insbesondere in der Donau und auch in der Iller bis in Höhe von deutlich über 600 m regelmäßig vor, nicht mehr konsequent entgegengetreten. Er hat nur noch auf von ihm nicht näher konkretisierte Unterschiede zwischen diesen Gewässern und der Aitrach abgehoben, ohne genau darzulegen, worin diese genau bestehen sollen. Dass oberhalb des Wehrs keine Nasen angetroffen wurden, dürfte mit der mangelnden Funktionsfähigkeit der Fischaufstiegsanlage zu erklären sein. Letztlich ist dieser Punkt - jedenfalls im Hinblick auf die Festsetzung der Mindestwassermenge (vgl. zu den Anforderungen an die Fischaufstiegsanlage am Wehr näher unten) - auch nicht entscheidungserheblich. Die Ausleitungsstrecke ist 3,2 km lang. Sie ist - ohne wesentliches Hindernis - unmittelbar an die Iller angebunden. Dieses Teilstück macht einen beträchtlichen Teil der Gesamtlänge der Aitrach aus. Es hat schon für sich ökologische Bedeutung. Schon vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, dort die Mindestwassermenge orientiert an den Bedürfnissen der Nase festzusetzen. |
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| | ddd) Der von der Klägerin beauftragte Gutachter ... wendet gegen das von sje angewandte Verfahren Casimir ein, es mache die Vorgabe, dass in allen Abschnitten der Ausleitungsstrecke nicht nur die Durchgängigkeit, sondern auch alle sonstigen Lebensraumanforderungen der potentiell anzutreffenden Fischarten gewährleistet sein müssten. Ein solches Verfahren führe zwangsläufig zu einer hohen Mindestwassermenge zum Nachteil der Nutzung der Wasserkraft. Demgegenüber gehe der Leitfaden „Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken“ davon aus, dass zwar in jedem Fall die Durchgängigkeit und die ausreichende Auffindbarkeit (wohl in der Regel über eine ausreichende Leitströmung) gewährleistet sein, im Übrigen aber nicht in jeder Strecke alle Teilfunktionen erfüllt sein müssten. Auch in völlig naturbelassenen Gewässern würden nicht überall alle Lebensraumanforderungen der dort vorkommenden Fische erfüllt. |
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| | (1) Dieser Einwand nimmt darauf Bezug, dass die Mindestwassermenge orientiert an den Lebensraumanforderungen der laichenden Nase im ungünstigsten Detailabschnitt D 2 festgesetzt wurde. Die Klägerin macht damit geltend, es genüge, wenn es für die Nase in der Ausleitungsstrecke überhaupt in ausreichendem Umfang Laichhabitate gebe. Es könne indessen nicht angehen, die Mindestabflussmenge ohne Rücksicht auf die Nutzung der Wasserkraft so hoch festzusetzen, dass die Nase überall Laichhabitate vorfinde. Mit diesem Argument wendet sich die Klägerin nur auf den ersten Blick gegen die Eignung des Verfahrens Casimir zur Bestimmung der Mindestwassermenge. Tatsächlich kritisiert sie, das Landratsamt habe die rechtlichen Vorgaben aus § 33 WHG für die Bestimmung der Mindestwassermenge verkannt und diese deshalb in Auswertung des Gutachtens sje zu hoch festgesetzt. Der Einwand unterliegt - wie sich aus den obigen Ausführungen zum gerichtlichen Prüfungsumfang ergibt - der gerichtlichen Überprüfung. Er verfängt indessen nicht. Anders als die Klägerin annimmt, hat schon das Gutachten sje bei der Festlegung der Mindestwassermenge nicht darauf abgestellt, dass überall gute Laichhabitate für die Nase vorhanden sein müssen. |
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| | (2) Wie bereits oben ausgeführt, ist für die Ermittlung der Mindestwassermenge nach dem Verfahren Casimir maßgeblich, dass die Habitatreduktion für die dort vorkommenden Fische in deren einzelnen Lebensphasen (in concreto der Nase während der Laichzeit) gegenüber dem Habitatangebot bei der Referenzwassermenge 30 % nicht übersteigt. Eine Teilfläche in dem untersuchten Gewässerabschnitt gilt dabei als zum Laichen gut geeignet, wenn der Eignungskoeffiziet dafür mindestens 0,7 beträgt. Ob in dem jeweiligen Gewässerabschnitt solche zum Laichen gut geeignete Teilflächen überhaupt vorhanden sind, spielt für die Frage, ob das Habitat um höchstens 30 % reduziert wird, keine Rolle, denn bei der Habitatreduktion handelt es sich nur um eine relative Größe. Ausgangspunkt ist das Habitat bei der Referenzwassermenge, gleichgültig ob dort gute Laichhabitate (Eignungskoeffizient mind. 0,7) überhaupt vorhanden sind. Sind etwa in einem Gewässerabschnitt bei der Referenzwassermenge alle Teilflächen mit dem Eignungskoeffizient 0,5 zu bewerten, so gibt es dort keine guten Laichhabitate; das Ziel, dass die Habitatreduktion 30 % nicht überschreiten darf, wird etwa erreicht, wenn die Mindestwassermenge so festgesetzt wird, dass alle Eignungskoeffizienten mindestens 0,35 betragen. |
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| | (3) Um eine Habitatreduktion von 30 % auch im Detailabschnitt D 2 mit den für die laichende Nase höchsten Anforderungen nicht zu überschreiten, hätte die Mindestwassermenge auf 1.800 l/s festgesetzt werden müssen. Als Laichhabitate gut geeignete Teilflächen mit einem Eignungskoeffizient von mindestens 0,7 sind aber schon bei geringeren Mindestwassermengen anzutreffen (vgl. Tabelle 8 im Gutachten sje). Diese Differenzierung zwischen der maximal akzeptablen Habitatreduktion einerseits und dem Vorhandensein guter Laichhabitate andererseits verdeutlicht, dass die Methode Casimir eben nicht verlangt, dass - wie die Klägerin dies behauptet - überall gute Laichhabitate vorhanden sind. Damit ist zwangsläufig auch dem Landratsamt bei der Festsetzung der Mindestwassermenge kein entsprechender Fehler unterlaufen. |
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| | (4) Ungeachtet dessen ist die Festsetzung der Mindestwassermenge mit 1.500 l/s während der Laichzeit noch aus einem weiteren Grund zutreffend erfolgt, und zwar sogar dann, wenn die Nase in der Ausleitungsstrecke aus den von der Klägerin genannten Gründen keinen geeigneten Lebensraum vorfinden würde. Dass die Äsche in der Ausleitungsstrecke vorkommt, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Nach dem Gutachten sje kann eine Habitatreduktion von maximal 30 % für die laichende Äsche im Detailabschnitt D 2 zwar bereits mit einer Mindestwassermenge von 1.350 l/s erreicht werden (in den Detailabschnitten D 1 und D 3 liegen die dafür erforderlichen Mindestwassermengen noch deutlich darunter). Gute Laichhabitate mit einem Eignungskoeffizienten von 0,7 sind aber in allen drei Detailabschnitten erst bei einer Mindestwassermenge von 1.500 l/s anzutreffen. Das ist bei der Festsetzung der Mindestwassermenge zu berücksichtigen. Denn dass in der 3,2 km langen Ausleitungsstrecke überhaupt gute Laichhabitate vorhanden sein müssen, kann nicht ernsthaft fraglich sein, zumal Laichplätze - nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... - besonders wichtige Habitate sind. |
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| | gg) Die Klägerin hat keinen Erfolg mit dem Argument, die Mindestwassermenge könne nicht zutreffend bestimmt werden, weil es an der dafür erforderlichen Konkretisierung der Bewirtschaftungsziele aus §§ 27 ff WHG in Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen fehle. |
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| | Die Klägerin macht mit dem entsprechenden Sachvortrag geltend, es könne nicht angehen, dass ihr strenge Vorgaben gemacht würden, um den ökologischen Zustand der Aitrach zu verbessern, während zahlreiche andere anthropogen bewirkte Ursachen für ihre unzureichende ökologische Qualität (z. B. die fehlende Durchgängigkeit im Oberlauf wegen der Querbauwerke ohne Fischaufstiegsanlage, der naturferne Ausbau durch die Hochwasserschutzmaßnahmen innerhalb der Ortslage von Marstetten) unverändert blieben und somit eine Verbesserung letztlich doch nicht erreicht werden könne. Damit dringt die Klägerin indessen nicht durch. |
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| | aaa) Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot aus § 27 WHG nicht lediglich Zielvorgaben für die Bewirtschaftungsplanung sind, sondern bei der Zulassung eines Projekts strikt beachtet werden müssen (BVerwG, Urt. v. 09.02.2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 - 142). Lediglich im Hinblick auf das Verbesserungsgebot hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, es sei vor allem durch die wasserwirtschaftliche Planung zu verwirklichen. |
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| | bbb) Die Festsetzung der Mindestwassermenge erfolgt nicht im Rahmen des Verbesserungsgebots, obwohl es darum geht, nunmehr den durch die jahrelange Wassernutzung beeinträchtigten Zustand der Aitrach zu verbessern. Maßgeblich ist vielmehr das Verschlechterungsverbot. Abzustellen ist auf den Zustand, in dem sich das Gewässer ohne die in § 33 WHG genannten Maßnahmen (Aufstauen, Entnehmen, Ableiten) befände. Das verdeutlicht ein Vergleich mit der Situation bei der erstmaligen Genehmigung des Aufstauens eines oberirdischen Gewässers bzw. des Ableitens von Wasser. Auf § 13 Abs. 2 d WHG gestützte Anordnungen ergehen im Regelfall im Zusammenhang mit der Erteilung einer (neuen) wasserrechtlichen Erlaubnis/Bewilligung bzw. dem Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses. Ob die in § 33 WHG genannten Maßnahmen ohne die Festlegung einer Mindestwassermenge zu einem Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot führen, ist dann zwangsläufig auf der Grundlage des Gewässerzustands zu beurteilen, wie er sich ohne diese Nutzungen darstellt. Warum im Falle einer nachträglichen Anordnung etwas anderes gelten, auf den bereits beeinträchtigten Gewässerzustand abgestellt und die entsprechenden Anordnungen dem Verbesserungsgebot zugeordnet werden sollen, ist nicht ersichtlich. Der Senat verkennt nicht, dass dadurch ein bestehendes Recht zur Nutzung der Wasserkraft übermäßig beeinträchtigt oder seine Ausübung gar unmöglich gemacht werden kann. Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben (dazu näher unten). |
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| | ccc) Ungeachtet dessen gebietet auch das Verbesserungsgebot die Festsetzung der (konkreten) Mindestwassermenge. Das Verbesserungsgebot entfaltet im Rahmen der Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung eine Sperrwirkung, wenn sich absehen lässt, dass die Verwirklichung eines Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie fristgerecht zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1/15 u.a. - juris, Rdn. 166). Im Maßnahmenprogramm zum Bewirtschaftungsplan 2015 BG Donau, BW sind für den Flusswasserkörper 64 - 04 (Aitrach) Maßnahmen zur Mindestwasserführung und zur Durchgängigkeit vorgesehen (vgl. S. 262). Diese Maßnahmen würden ohne die getroffene Anordnung konterkariert. |
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| | hh) Die Klägerin hält dem Beklagten vor, die von ihm festgesetzte hohe Mindestwassermenge sei nur notwendig, weil er seiner Gewässerunterhaltungspflicht nicht nachkomme. Auch damit kann sie im Ergebnis aber nicht durchdringen. |
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| | aaa) Die Gewässerunterhaltung umfasst die Pflege und Entwicklung des Gewässers. Zur Gewässerunterhaltung gehören insbesondere die in § 39 Abs. 1 Satz 2 WHG genannten Maßnahmen, mithin auch die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WHG). Die Gewässerunterhaltung muss sich an den Bewirtschaftungszielen nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG ausrichten und darf die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden (§ 39 Abs. 2 Satz 1 WHG). Die Eschach/Aitrach ist in dem hier maßgeblichen Abschnitt ein Gewässer erster Ordnung (vgl. § 4 Satz 3 WG i.V. mit Anlage 1 zum Wassergesetz). Gewässerunterhaltungspflichtig ist der Beklagte. |
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| | bbb) Ob und inwieweit der Beklagte seiner Gewässerunterhaltungspflicht nach Maßgabe der vorstehend genannten Vorgaben nachgekommen ist, mag dahinstehen. Der Argumentation der Klägerin ist schon im Ansatz nicht zu folgen. Zunächst begründet die Gewässerunterhaltungspflicht keinen Anspruch Dritter (hier: der Klägerin) gegen den Träger der Unterhaltungslast (§ 30 Abs. 1 WG). Soweit die Klägerin geltend macht, die Raue Rampe befinde sich in schlechtem Zustand, weil sie ab einem Wasserabfluss von mehr als 800 l/s allenfalls noch für besonders kräftige Exemplare schwimmstarker Arten durchgängig sei, ist dem im Tatsächlichen nicht zu folgen, wie oben unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des von Dr. ... durchgeführten Mindestwasserversuchs dargelegt wurde. Ein weiterer maßgeblicher Gesichtspunkt kommt jedoch hinzu. Wie dargelegt, zeigt der Vergleich mit der Situation bei der Erteilung einer Neugenehmigung, dass mit der Festsetzung der Mindestwassermenge vorrangig dem Verschlechterungsverbot Rechnung getragen wird. Es soll der Zustand gewährleistet werden, der ohne die Wasserkraftnutzung der Klägerin gegeben wäre. Derjenige, der die Neuerteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung für die in § 33 WHG genannten Gewässerbenutzungen begehrt, kann nicht verlangen, dass zunächst Maßnahmen der Gewässerunterhaltung durchgeführt werden, damit die Mindestwassermenge möglichst niedrig festgesetzt werden kann. Auch der Klägerin steht diese Möglichkeit folglich nicht offen. |
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| | Zu Recht wendet die Klägerin allerdings ein, dass ein beträchtlicher Teil der festgesetzten erhöhten Mindestwassermenge im unteren Teil der Ausleitungsstrecke über den Hochwasserentlastungskanal abfließt, sofern das Geschiebe, das sich dort ansammelt, nicht entfernt wird. Dem Beklagten ist dieses Problem jedoch bekannt, weshalb er für die regelmäßige Wartung des Hochwasserentlastungskanals Sorge trägt. |
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| | ii) Dass die Klägerin eine erhöhte Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhält, steht der getroffenen Anordnung nicht entgegen. |
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| | aaa) Die Klägerin macht geltend, sie erhalte für den von ihr produzierten Strom eine erhöhte Förderung nach § 23 EEG i.d. Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften vom 25.10.2008 (BGBl. I S. 2074), das nach seinem Artikel 7 am 01.01.2009 in Kraft getreten ist (EEG 2009). Denn nach einem Umbau an der Wehranlage gebe sie nunmehr eine erhöhte Wassermenge von 420 l/s bzw. von 850 l/s während der Laichzeit vom 15.03. bis zum 15.06. in die Ausleitungsstrecke ab. Damit habe sie den ökologischen Zustand der Ausleitungsstrecke wesentlich verbessert. Denn anderenfalls könnte sie für den von ihr produzierten Strom keine erhöhte Förderung nach § 23 EEG erhalten. Damit stehe fest, dass die Aitrach bereits bei der von ihr freiwillig abgegebenen Mindestwassermenge einen guten ökologischen Zustand aufweise, weshalb eine noch höhere Mindestwassermenge von ihr jetzt nicht gefordert werden könne. Das sieht der Senat anders. |
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| | bbb) Richtig ist allerdings, dass die Förderung nach § 23 EEG 2009 für durch Wasserkraft erzeugten Strom gemäß Abs. 5 Nr. 2 dieser Bestimmung nur gewährt werden kann, wenn nach der Errichtung oder Modernisierung der Anlage nachweislich ein guter ökologischer Zustand erreicht oder der ökologische Zustand gegenüber dem vorherigen Zustand wesentlich verbessert worden ist, Eine wesentliche Verbesserung des ökologischen Zustands liegt danach in der Regel u.a. vor, wenn die biologische Durchgängigkeit oder der Mindestwasserabfluss wesentlich verbessert worden sind. Mit der Gewährung der erhöhten Förderung ist jedoch nicht auch für andere Verwaltungsverfahren verbindlich festgestellt, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer erhöhten Förderung vorliegen. Dem Bescheid über die Gewährung der erhöhten Förderung kommt keine Feststellungswirkung zu. Eine solche Feststellungswirkung tritt nur ein, wenn dies gesetzlich besonders angeordnet ist. Daran fehlt es im vorliegenden Fall (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 19. Aufl., 2018, Rn. 26 zu § 43). |
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| | b) Die Mindestwassermenge wurde ermessensfehlerfrei festgesetzt. |
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| | Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung sind die im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 angestellten Ermessenserwägungen. Das Regierungspräsidium hat im Widerspruchsverfahren das Ermessen eigenständig ausgeübt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Anders als hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen ist bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, d.h. auf den Erlass des Widerspruchsbescheids, abzustellen (vgl. Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196 und VG Freiburg, Urt. v. 05.04.2017 - 4 K 630/16 - juris, Rn 42). |
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| | Das Regierungspräsidium hat im Widerspruchsbescheid ausgeführt, ungeachtet der von der Klägerin behaupteten Einnahmeverluste von ca. 110.000 EUR pro Jahr in Folge der angeordneten höheren Mindestwassermenge sei die Maßnahme verhältnismäßig, weil die Klägerin durch technische Änderungen, wie etwa den Einbau einer Dotationsturbine, den schlechten Wirkungsgrad der WKA deutlich verbessern könne. Finanzielle Nachteile drohten der Klägerin nicht. Denn sie erhalte eine erhöhte Vergütung nach dem EEG, die eventuelle Mindereinnahmen ausgleiche. |
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| | Die Klägerin hält dem entgegen, sie könne sich auf ein als Eigentum geschütztes altes Wasserrecht berufen, aus dem sie - unabhängig von § 24 Abs. 2 WG - auch dazu berechtigt sei, Strom zur Einspeisung in das öffentliche Stromnetz gegen Vergütung zu produzieren. In der Rechtsprechung werde eine Stromminderproduktion in Höhe von 25 % als Ergebnis der erhöhten Mindestwassermenge als zumutbar angesehen. Tatsächlich müsse sie zumal in niederschlagsarmen Jahren mit einer Minderproduktion von ca. 40 % rechnen. Das stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff dar, zumal alte Wasserrechte erhöhten Schutz genössen. |
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| | Ein Ermessensfehler ergibt sich daraus nicht. Die getroffene Anordnung ist - auch gemessen am Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG - nicht unverhältnismäßig. |
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| | aa) Allerdings dürfte das Wasserrecht aus dem Jahre 1910 die Klägerin unabhängig von der Regelung in § 24 Abs. 2 WG auch dazu berechtigen, Strom zur Einspeisung in das öffentliche Netz gegen Vergütung zu produzieren. Nach der Genehmigungsurkunde vom 24.05.1910 berechtigt das Wasserrecht dazu, das aufgestaute Wasser „derzeit zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik“ ..... „ohne Zeitbeschränkung zu benutzen“. Nach Art. 31 Abs. 2 Nr. 1 Württ. WG vom 01.12.1900 (Reg.Blatt S. 921) unterlag die mit oder ohne Stauanlagen erfolgende Benutzung öffentlicher Gewässer zu Triebwerken der Verleihung. Art. 35 Abs. 2 Württ. WG sah vor, dass in der Verleihungsurkunde anzugeben war, für welchen Zweck die Verleihung erfolgte. In den - hier nicht relevanten - Fällen des Art. 31 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 Württ. WG war der Zweck der gestatteten Wasserbenutzung in der Regel speziell zu bezeichnen. In dem hier einschlägigen Fall der Nr. 1 sollte die Verleihung dagegen (nur) ausnahmsweise unter Beschränkung auf einen speziell bestimmten Zweck, welchem das Triebwerk dienen soll, erfolgen. |
|
| | Aus der Formulierung „derzeit zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik“ kann danach nicht geschlossen werden, dass das Nutzungsrecht auf diesen Zweck beschränkt gewesen sei. Denn in § 92 der Vollzugsverfügung zu Art. 35 Württ. WG heißt es dazu, die Verleihung des Rechts zur Benutzung des öffentlichen Gewässers für ein Triebwerk sei auch dann, wenn, wie dies üblich und selbstverständlich sei, der spezielle Fabrikationszweig, dem das Triebwerk zunächst dienen solle, in der Verleihungsurkunde genannt werde, nicht als an die Bedingung der fortdauernden Pflege dieses bestimmten Fabrikationszweigs geknüpft anzusehen, es sei denn, dass dies besonderer Umstände wegen in der Verleihungsurkunde ausdrücklich ausgesprochen sei. Damit sollte der Industrie die Möglichkeit eröffnet werden, die Nutzung des Triebwerks rasch und unkompliziert den sich ändernden Verhältnissen anzupassen. Eine solche ausdrückliche Beschränkung des Nutzungszwecks ist hier nicht erkennbar, wie schon die Formulierung „derzeit“ zeigt. Das alte Wasserrecht ist auch nicht auf die Nutzung des Triebwerks zur Erzeugung mechanischer Energie beschränkt. Nach der Verleihungs- und Genehmigungs-Urkunde dürfen ausdrücklich 4 bis 5 Francis-Turbinen mit einem Maximalwasserverbrauch von zusammen 6 m³/s betrieben werden. Mit Francis-Turbinen wird Strom erzeugt, mit dem dann - beispielhaft - eine Holzschleiferei oder Zellulosefabrik angetrieben werden konnten. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 94 der Vollzugsverfügung nichts Gegenteiliges. Diese Bestimmung bezieht sich auf Art. 35 Abs. 1 Württ. WG, wonach in der Verleihungsurkunde der Umfang der verliehenen Wassernutzung genau bestimmt wird. Beschränkungen können danach insbesondere aus Gründen des öffentlichen Wohls oder zum Schutz der Rechte Dritter bestimmt werden. Nach § 94 Satz 1 Vollzugsverfügung kommen solche Beschränkungen insbesondere bei Wassernutzungsrechten zur Erzeugung elektrischer Kraft in Betracht. In der Verleihungs- und Genehmigungsurkunde werden dementsprechend der maximale Wasserverbrauch der Turbine auf 6 m³/s und die Fallhöhe auf 16,03 m festgesetzt. |
|
| | bb) Der Senat neigt auch dazu, anzunehmen, dass das alte Wasserrecht als Eigentum i.S. des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. Es verleiht der Klägerin eine Rechtsposition, die derjenigen des Eigentümers entspricht und sie beruht auf nicht unerheblichen Eigenleistungen (vgl. zu diesen Kriterien BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24.02.2010 - 1 BvR 27/09 - Sächs.VBl 2010, 140). Das alte Wasserrecht wurde ohne zeitliche Beschränkung verliehen. Die Ausübung des Wasserrechts verlangt umfangreiche finanzielle Investitionen, die im Vertrauen auf den Fortbestand des Rechts getätigt werden. |
|
| | Abschließend geklärt werden muss diese Frage indessen nicht. Denn auch als nach Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentum genießt das alte Wasserrecht deshalb gegenüber einschränkenden Regelungen keinen uneingeschränkten Schutz. Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Der Gesetzgeber ist dabei aber nicht frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Ändert der Gesetzgeber die Rechtslage nachträglich zum Nachteil des Eigentümers, so muss dies durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die Eingriffe dürfen den Betroffenen nicht unverhältnismäßig belasten und für ihn deshalb unzumutbar sein. Eine vom Eigentumsrecht umfasste Rechtsposition muss deshalb nicht für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben. Sie kann auch nicht nur im Wege der Enteignung gegen Entschädigung wieder entzogen werden. Vielmehr kann der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten - durch die Bestandsgarantie gesicherten - Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts verdienen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24.02.2010 - 1 BvR 27/09 - Sächs.VBl 2010, 140 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). |
|
| | cc) Dass der Gesetzgeber mit der Regelung in §§ 20 Abs. 2 Satz 3, 13 Abs. 2 WHG überhaupt die Möglichkeit eröffnet hat, alte Rechte nachträglich durch den Erlass von Inhalts- und Schrankenbestimmungen einschränkenden Regelungen zu unterwerfen, ist nach diesem rechtlichen Maßstab nicht zu beanstanden. |
|
| | dd) Auch die Anwendung der Norm im Einzelfall muss indessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen, der jedes staatliche Handeln beherrscht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117). Danach verlangt der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums vorrangig im Rahmen des Möglichen, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten, etwa durch Übergangs- und Ausnahmeregelungen. Art. 14 Abs. 1 GG schützt aber grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums ausnutzen zu können. Eigentumseinschränkende Regelungen und Maßnahmen sind danach insbesondere dann verhältnismäßig und entschädigungslos zulässig, wenn der Berechtigte über eine längere Zeit hinweg sein Recht (in dem hergebrachten Umfang) ausüben konnte und seit geraumer Zeit mit einer Einschränkung rechnen musste (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 mit zahlr. Nachw. - Dieselfahrverbot; vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 23.10.2020 - 8 ZB 20.1178 - juris Rn 14 am Ende). So liegen die Dinge hier. |
|
| | ee) Wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wurden die Turbinen im Jahr 1969 eingebaut und waren damit auch im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung seit über 40 Jahren in Betrieb. Der Wirkungsgrad der Turbinen ist niedrig. Bei geringen Wassermengen ist ihr Betrieb problematisch. Das hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Es ergibt sich auch aus dem von der Klägerin eingeholten Kurzgutachten des Dr. .... Er beschreibt darin ausführlich, dass eine erhöhte Mindestwassermenge massive Auswirkungen auf die Stromproduktion der WKA hat, weil jede der beiden Turbinen überhaupt erst ab einer Wassermenge von 30 % der Menge, für die sie ausgelegt ist, genutzt werden kann, mit anderen Worten ca. 1 m³ Wasser pro Sekunde benötigt. Während dies bei hohen Abflussmengen in der Aitrach kein Problem ist, wirkt sich dieser Zusammenhang bei niedrigen Abflussmengen und einer hohen Mindestwassermenge sehr stark aus. Dies ist eine Folge der Qualität der Turbinen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, eine Kaplan-Turbine könne auch bei geringeren Wassermengen gut betrieben werden. Auch Dr. ... geht in seinem Gutachten hiervon aus, wenn er schreibt, die Anpassungsfähigkeit der Turbinen sei einfach reguliert, weshalb sich die Frage stelle, ob sie überhaupt noch standortgerecht eingesetzt werden könnten. Im Zweifelsfall müssten Turbinen und Generatoren mit erheblichen Kosten erneuert werden. Offensichtlich ist auch das Rohrleitungssystem ein Problem. Laut Dr. ... baut es mit zunehmender Wassermenge anwachsende Verluste im System auf. Dem könnte durch eine Vergrößerung des Durchmessers der Rohrleitungen entgegengewirkt werden. Zwar ist ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke und einer zunehmenden Wassermenge im Rohrleitungssystem zur Turbine nicht erkennbar, denn eine erhöhte Mindestwassermenge wirkt einer Zunahme der Wassermenge im Rohrleitungssystem entgegen. Die Ausführungen bestätigen aber doch, dass die WKA nicht auf dem aktuellen technischen Stand ist, Verbesserungen aber durchaus möglich sind. Möglicherweise ist indessen der geringe Wirkungsgrad auch mit dem Zustand des Rohrleitungssystems zu erklären. Dass die WKA auch mit einer moderneren Ausstattung nicht angemessen betrieben werden könnte, behauptet auch die Klägerin nicht. |
|
| | In der Sache geht es der Klägerin darum, einerseits keine neuen kostspieligen Investitionen zu tätigen, andererseits durch die Nutzung des alten Wasserrecht noch möglichst lange in dem bisherigen Umfang Strom produzieren zu können. Wie oben ausgeführt, ist das eigentumsrechtlich nicht geschützt. Das alte Wasserrecht wird der Klägerin nicht entzogen. |
|
| | ff) Zutreffend weist die Klägerin zwar daraufhin, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 WHG ein Grundsatz der Gewässerbewirtschaftung auch darin besteht, möglichen Folgen des Klimawandels vorzubeugen. Richtig ist auch, dass in diesem Zusammenhang die Notwendigkeiten zur Nutzung der Wasserkraft zu berücksichtigen sind (vgl. dazu auch BT-Drucks. 16/13306, S.2). Fehl geht indessen das Argument, die festgesetzte Mindestwassermenge sei rechtswidrig, weil sie die Belange des Klimaschutzes nicht angemessen berücksichtige. Gerade die Regelung in § 24 Abs. 4 WG verdeutlicht, dass die Wasserkraft effizient entsprechend dem Stand der Technik zu nutzen ist. |
|
| | Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch bereits seit über 10 Jahren bekannt sein musste, dass sie mit einschränkenden Regelungen des Betriebs ihrer WKA rechnen muss. Denn die Wasserrahmenrichtlinie, die zum Ziel hat, die ökologische Qualität der Gewässer zu verbessern, datiert vom Oktober 2000. |
|
| | Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, wie groß die Stromminderproduktion ist und inwieweit ein dadurch eintretender Verlust durch eine erhöhte Förderung nach dem EEG wieder ausgeglichen werden kann. |
|
| | 2. Die Anordnung unter Nr. I. 3 der Verfügung vom 30.11.2007 ist gleichfalls rechtmäßig. Danach ist der Mindestabfluss an der Wehranlage so abzugeben, dass die Lockströmung zum Einstieg in die Fischaufstiegsanlage gesichert ist. Sie muss 0,2 bis 0,3 m/s größer sein als die Strömung des Mutterbetts. |
|
| | Die Klägerin macht geltend, diese Anordnung sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 VwVfG, weil sie nicht eindeutig erkennen könne, was von ihr gefordert werde. Damit kann sie aber nicht durchdringen. |
|
| | a) Das Bestimmtheitsgebot des § 37 VwVfG verlangt zum einen, dass der Adressat in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden Rechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.05.2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254). Nach diesem Maßstab ist klar erkennbar, was von der Klägerin verlangt wird. Es muss eine Strömung zur Fischaufstiegsanlage führen, die um 0,2 bis 0,3 m/s schneller ist als die Strömung des Mutterbetts. Dass damit nur die Strömung in der näheren Umgebung der Fischaufstiegsanlage gemeint sein kann und nicht die an weiter entfernt liegenden Stellen der Ausleitungsstrecke, versteht sich von selbst. |
|
| | b) Die Klägerin rügt gleichwohl, die Verfügung sei nicht hinreichend bestimmt. Ferner sei die Anordnung auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet und damit gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, weil es technisch unmöglich sei, die Wasserabgabe in die Ausleitungsstrecke so zu gestalten, dass unabhängig von der jeweils über die Aitrach insgesamt abfließenden Wassermenge die geforderte Lockströmung gegeben ist. Im Einzelnen stellt sich dies wie folgt dar: |
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| | aa) Verbindlich festgelegt ist, welche Mindestwassermenge die Klägerin in das Mutterbett der Aitrach abgeben muss. Die tatsächlich abgegebene Menge kann indessen deutlich darüber liegen. Fließt in der Aitrach mehr Wasser ab, als es der Summe aus Mindestwassermenge und Schluckvermögen der Turbinen entspricht, muss die überschießende Menge zusätzlich zur Mindestwassermenge in das Mutterbett abgegeben werden. Diese größere Wassermenge hat Einfluss darauf, ob und bei welchen technischen Gegebenheiten (Gestaltung der Fischaufstiegsanlage, Struktur des Gewässerbetts) sich die geforderte Lockströmung zur Fischaufstiegsanlage ausbildet. Aus Sicht der Klägerin ist die Verfügung nicht hinreichend bestimmt, weil nicht festgelegt wird, bei welchen Abflussverhältnissen in der Aitrach, sich die geforderte Lockströmung ausbilden muss. |
|
| | bb) Mögliche Zweifel an der Bestimmtheit der Anordnung unter Nr. I. 3 und daran, ob sie auf eine aus technischen Gründen unmögliche Leistung gerichtet ist, können aber dahinstehen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt, die Fischaufstiegsanlage sei nach Maßgabe des Merkblatts DWA-M 509, Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare Bauwerke - Gestaltung, Bemessung, Qualitätssicherung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall zu konstruieren. Dort heißt es unter Punkt 4.3 (Betriebszeiten), es sei technisch kaum realisierbar, sämtliche geometrischen und hydraulischen Grenzwerte bei allen Abflüssen zwischen absolutem Hoch- und Niedrigwasser einzuhalten. Als praxistauglicher Kompromiss zwischen biologischer Notwendigkeit und technischer Machbarkeit könnten deshalb bei Anlagen zur Gewährleistung der stromaufwärts gerichteten Durchgängigkeit, jeweils an etwa 30 Tagen mit extrem hohem und niedrigem Abfluss Grenzwertüberschreitungen hingenommen werden. Entsprechend sei die Funktionsfähigkeit für Abflüsse zwischen Q 30 und Q 330, also für rund 300 Tage im Jahre zu gewährleisten. Die langjährigen Mittelwerte für Q 30 und Q 330 könnten für Pegelstandorte dem jeweiligen „Hydrologischen Jahrbuch“ entnommen werden. Unter Punkt 9.2.1 des Merkblatts heißt es zu „Qualitätssicherung“, „Bewertungsverfahren“ die Fischaufstiegsanlage entspreche dem Stand der Technik, wenn u.a. die allgemeinen Anforderungen zum Wanderkorridor und alle Anforderungen zur Auffindbarkeit für den Betriebszeitraum von Q 30 und Q 330 bei der Planung eingehalten und beim Betrieb nachgewiesen seien. |
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| | Die vom Beklagten zu Protokoll abgegebene Erklärung stellt klar, dass die Fischaufstiegsanlage entsprechend den Vorgaben des Merkblatts DWA-M 509 zu konstruieren ist (dazu näher unten). Ihr ist weiter zu entnehmen, dass die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlage und damit die geforderte Lockströmung nur unter den eben genannten im Merkblatt DWA-M 509 näher beschriebenen Voraussetzungen gegeben sein muss. Zweifel an der Bestimmtheit bzw. der technischen Umsetzbarkeit der getroffenen Anordnungen bestehen unter diesen Umständen nicht (mehr). |
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| | c) Die Anordnung weist auch keine Ermessensfehler auf. Sie ist insbesondere - auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nicht unverhältnismäßig. |
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| | Die Anordnung dient dazu, die Durchgängigkeit der Aitrach trotz des von der Klägerin betriebenen Wehrs zu gewährleisten. § 34 Abs. 1 WHG bestimmt für die Errichtung und den Betrieb von Stauanlagen, dass diese nur zugelassen werden dürfen, wenn durch geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird, soweit dies erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Die Anforderungen des § 34 Abs. 1 WHG an die Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer sind als zwingende Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer wasserrechtlichen Benutzungszulassung zur Errichtung oder wesentlichen Änderungen ausgestaltet. Sie können deshalb nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, insbesondere nicht auf Grund wirtschaftlicher Belange wie etwa der Rentabilität der Anlage oder Unwirtschaftlichkeit des Unternehmens reduziert werden (vgl. dazu Bay. VGH, Beschl. v. 05.09.2019 - 8 ZB 16.1851 - juris). Angesichts der Bedeutung der Durchgängigkeit für den ökologischen Zustand eines Gewässers kann auch bei alten Rechten nichts anderes gelten. Die Gewährleistung der Durchgängigkeit ist nicht von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängig. Nur ergänzend merkt der Senat an, dass die Klägerin auch nichts dazu vorgetragen hat, wieso die geforderte Maßnahme mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein sollen. Im Widerspruchsbescheid hat das Regierungspräsidium Tübingen ausgeführt, die von der Klägerin vorgelegten Kostenschätzungen seien nicht durch Angebote belegt und weit übersetzt. Dem hat die Klägerin nichts entgegengehalten. |
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| | 3. Zu Recht hat das Landratsamt unter I.4 der Verfügung vom 30.11.2007 angeordnet, die Strömungsverhältnisse im Bereich des Zusammenflusses des Mutterbetts mit dem Triebwerkkanal so zu verändern, dass für aufsteigende Fische eine Leitströmung ins Mutterbett (die Ausleitungsstrecke) entsteht, die um 0,2 bis 0,3 m/s größer ist als die im Auslauf des Triebwerkskanals. |
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| | Dass eine solche Leitströmung überhaupt erforderlich ist, um die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke i.S. des § 34 Abs. 1 WHG zu gewährleisten, weil die Fische stets dem durch die stärkste Strömung vorgegebenen Weg folgen und deshalb ohne eine solche Leitströmung in den alsbald undurchgängigen Triebwerkkanal schwimmen, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin sinngemäß geltend gemacht, bauliche Veränderungen seien nicht erforderlich, um die geforderte Leitströmung herzustellen. Es komme auf das Verhältnis der Abflussmengen in der Ausleitungsstrecke einerseits und im Triebwerkskanal andererseits zueinander an. Ein günstiges Verhältnis sei bereits bei den von der Klägerin freiwillig abgegebenen Mindestwassermengen gegeben. Bauliche Maßnahmen seien nicht erforderlich, um die geforderte Leitströmung herzustellen. |
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| | Mit diesem Vortrag verkennt die Klägerin den Inhalt der ihr gegenüber ergangenen Anordnung. Ihr wurde nur das Ziel vorgegeben, die geforderte Leitströmung ins Mutterbett herzustellen. Konkrete Vorgaben, wie dies zu geschehen hat, wurden ihr nicht gemacht. Falls die Klägerin durch die Abgabe einer ausreichend hohen Mindestwassermenge die geforderte Leitströmung herstellen kann, so ist sie der Anordnung nachgekommen. Wasserbauliche Maßnahmen muss sie dann nicht ergreifen. |
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| | Hinsichtlich der Ermessens gilt das bereits unter 2. Gesagte. |
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| | 4. Gegen die unter I. 5 getroffene Anordnung, Pläne zur Umsetzung der unter I. 1 bis 4 der streitigen Verfügung getroffenen Anordnungen innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der streitigen Verfügung der Unteren Wasserbehörde vorzulegen, hat die Klägerin keine rechtlichen Bedenken erhoben. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. |
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| | 5. Auch mit dem Hilfsantrag bleibt der Klage der Erfolg versagt. |
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| | Der Klägerin stehen gegenüber dem Beklagten keine Entschädigungsansprüche zu. Die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 20 Abs. 2 Satz 1 WHG liegen nicht vor. |
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| | Die gegenüber der Klägerin getroffenen Anordnungen stellen auch keine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226). Für solche Streitigkeiten ist zwar der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, greifen die getroffenen Anordnungen nicht so massiv in das Eigentumsgrundrecht ein, dass sie für sich genommen unzumutbar und rechtswidrig sind und nur ausnahmsweise gegen Entschädigung zugelassen werden können. Dass die angeordneten Mindestwassermengen das Altrecht inhaltlich vollständig aushöhlt und dadurch der Betrieb insgesamt ernsthaft gefährdet wird, ist nicht dargetan (vgl. dazu Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196, juris Rn. 131). |
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| | Die Berufung des Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat ebenfalls statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere hat der Beklagte die Berufung form- und fristgerecht sowie gegenüber dem richtigen Adressaten begründet (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 5 Satz 5, Abs. 6 und Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO). Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Anordnung unter I. 2 der Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| | 1. Die Anordnung unter Punkt I.2 der Verfügung vom 30.11.2007 ist dahin auszulegen, dass die herzustellende Fischaufstiegsanlage für die Bachforelle, die Groppe, die Äsche, die Nase und die Barbe funktionsfähig sein, also von diesen Fischen zum Aufstieg nutzbar sein muss. Diese Fische werden im Tenor ausdrücklich genannt. In den Gründen der Verfügung wird hinsichtlich der Dimensionierung der Fischaufstiegsanlage allerdings auch auf die Anforderungen des Huchen abgestellt, die deutlich höher sind als die der anderen genannten Fischarten (vgl. Merkblatt DWA-M 509, Punkt 8.2.4.2, Tabelle 43, S. 240). Angesichts des klaren Wortlauts des Tenors, wo der Huchen nicht genannt ist, ist das jedoch nicht maßgeblich. Danach eventuell noch verbleibende Zweifel werden durch den Widerspruchsbescheid beseitigt. Gegenstand der Klage ist die Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 11.11.2010 gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Im Widerspruchsbescheid wird der Huchen nicht mehr genannt. |
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| | Hinsichtlich des Typs der Fischaufstiegsanlage werden der Klägerin in der streitigen Verfügung keine bestimmten Vorgaben gemacht. Verlangt wird nur, dass die Fischaufstiegsanlage für die genannten Fische „funktionsfähig“ sein muss, diese Fische dort also aufsteigen können. |
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| | In den Gründen der Verfügung werden beispielhaft mehrere technische Möglichkeiten genannt (Blatt 11). Die Klägerin hat hier die freie Wahl. Auch wenn es wohl ohnehin selbstverständlich ist, dass eine funktionsfähige Fischaufstiegsanlage dem Stand der Technik entspricht, so hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung noch einmal klargestellt. Er hat zu Protokoll erklärt, dass die Fischaufstiegsanlage den Anforderungen des Merkblatts DWA-M 509 entsprechen muss, das den Stand der Technik repräsentiert. |
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| | 2. Die Dimensionierung der Fischaufstiegsanlage richtet sich nach den Anforderungen der diesbezüglich „anspruchvollsten“ Fischart aus. Das ist - wie sich aus dem Merkblatt DWA-M 509 (Punkt 8.2.4.2, Tabelle 43, S. 240) ergibt - die Äsche. Dass diese Fischart in der Aitrach auch im Bereich der Ausleitungsstrecke und oberhalb des Wehrs vorkommt und dort geeignete Lebensräume findet, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Die vorhandene Fischaufstiegsanlage genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin wendet dagegen ein, die sich aus dem Merkblatt DWA-M 509 ergebenden Maße stellten auf ausgewachsene und große Exemplare der jeweiligen Fischart ab. Diese machten stets nur einen kleinen Teil der jeweiligen Fischpopulation aus, weshalb vorliegend auch eine kleiner dimensionierte Fischtreppe ausreichen würde. Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie läuft darauf hinaus, das Lebensraumangebot in der Aitrach für die jeweiligen Fischarten schon im Ansatz auf kleinere und jüngere Exemplare zu beschränken. § 34 WHG verlangt jedoch die Durchgängigkeit der Gewässer auch an Stauanlagen zu erhalten bzw. hier wiederherzustellen, soweit dies erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Dem Verschlechterungsverbot aus § 27 WHG würde mit der beschriebenen Verringerung des Lebensraumangebots indessen nicht genügt. Eine Verschlechterung eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i WRRL liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 – C-461/13 – juris). Zu den biologischen Komponenten (vgl. Nr. 1.1.1 Anhang V zur Wasserrahmenrichtlinie) zählen u.a. die Zusammensetzung, Abundanz und Altersstruktur der Fischfauna. Unter welchen Voraussetzungen von einem sehr guten, guten, mäßigen oder unbefriedigenden bzw. schlechten Zustand der biologischen, morphologischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten in Flüssen auszugehen ist, wird unter Nr. 1.2.1 des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie näher beschrieben. U.a einer von anthropogenen Störungen unbeeinträchtigten Altersstruktur der Fischfauna kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Damit wäre von einer Verschlechterung der biologischen Qualitätskomponente auszugehen, wenn nicht mehr Fische aller Altersklassen einen geeigneten Lebensraum finden könnten. |
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| | 3. Die Klägerin kann der Anordnung unter Punkt I.2 der Verfügung vom 30.11.2007 auch nicht entgegenhalten, sie habe darauf vertraut, dass bezüglich der Fischaufstiegsanlage keine weiteren Anordnungen getroffen würden, nachdem sie die Verfügung vom 04.07.2006 umgesetzt und das Landratsamt daraufhin diese Verfügung wieder aufgehoben habe. Der entsprechenden Bewertung des Verwaltungsgerichts vermag sich der Senat nicht anzuschließen. |
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| | a) Die Verfügung vom 04.07.2006 über die Sanierung der Wehranlage stünde der unter Punkt I.2 getroffenen Anordnung entgegen, wenn ihr eine Regelungswirkung dahin beizumessen wäre, dass von der Klägerin nur die darin genannten Maßnahmen gefordert, weitergehende Anforderungen dagegen nicht gestellt werden. Die Verfügung vom 04.07.2006 wäre dann insoweit ein begünstigender Verwaltungsakt. Voraussetzung dafür ist, dass im Verwaltungsakt ausdrücklich oder konkludent verbindlich geregelt wird oder der Bürger den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben jedenfalls so verstehen darf, dass die Behörde auf andersartige oder weitergehende Maßnahmen verzichten werde (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 19. Aufl., 2018, Rn. 69 zu § 48). Das ist hier nicht der Fall. |
|
| | b) Die Verfügung vom 04.07.2006 ist vor dem Hintergrund ergangen, dass nach der wasserrechtlichen Verleihungs- und Genehmigungs-Urkunde vom 24.05.1910 die Fischwege vom jeweiligen Besitzer stets gut brauchbar zu reinigen und zu unterhalten sind. Mit der Verfügung vom 04.07.2006 soll durchgesetzt werden, dass die Klägerin die bereits im Jahr 1910 gemachten Vorgaben einhält. Eine Aussage dazu, dass auch gestützt auf §§ 5 Abs. 2 und 1 Satz 1 Nr. 1 a, 4 Abs. 2 Nr. 2 a WHG a.F keine weitergehenden Anordnungen mehr getroffen werden sollen, um auf die Gewässerbenutzung zurückzuführende ökologische Beeinträchtigungen der Aitrach (eingeschränkte Durchgängigkeit des Wehrs) zu beseitigen, ist der Verfügung vom 04.07.2006 dagegen nicht zu entnehmen. |
|
| | c) Daraus, dass die Klägerin die Verfügung vom 04.07.2006 umgesetzt hat, kann sie keinen Vertrauensschutz ableiten. Diese Verfügung war - abgesehen von der Gebührenfestsetzung - bestandskräftig. Denn die Klägerin hat mit Schreiben vom 11.07.2006 nicht gegen die Verfügung vom 04.07.2006 als solche Widerspruch eingelegt, sondern nur gegen die darin enthaltene Gebührenfestsetzung. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, es habe kein Anlass bestanden, eine kostenpflichtige Anordnung zu erlassen, nachdem sie lediglich um die Verlängerung der Frist zur Umsetzung dieser Maßnahmen gebeten habe. Dass bestandskräftige Verfügungen befolgt werden, ist eine Selbstverständlichkeit; Vertrauensschutz kann daraus nicht abgeleitet werden. |
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| | Die Klägerin macht geltend, sie habe die Fischtreppe sogar um zwei Becken erweitert. Auch damit hat sie indessen nur der Vorgabe aus der Genehmigung aus dem Jahre 1910 entsprochen. Die zwei Becken waren zur Unterhaltung der Fischtreppe erforderlich, weil sich eine Auskolkung gebildet hatte, wie sich aus den Angaben des Sachverständigen Dußling in der mündlichen Verhandlung ergibt. |
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| | d) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, sie habe auch alle Anordnungen aus dem Schreiben des Landratsamts vom 20.03.2007 erfüllt. Das Landratsamt bemängelt mit diesem Schreiben die mangelhafte Umsetzung der Verfügung vom 04.07.2006. Schon der Zusammenhang mit der Verfügung vom 04.07.2006 verdeutlicht, dass es nur darum geht, die Einhaltung des schon in der Verleihungs- und Genehmigungs-Urkunde aus dem Jahre 1910 geforderten Standards durchzusetzen. |
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| | e) Vertrauensschutz kann die Klägerin schließlich auch nicht daraus ableiten, dass das Landratsamt mit Bescheid vom 14.06.2007 die Anordnung vom 04.07.2006 „zurückgenommen“ hat. Entgegen der insoweit missverständlichen Formulierung bezweckte die Rücknahme nur die Aufhebung der Gebührenfestsetzung in der Verfügung vom 04.07.2006, denn - wie ausgeführt - hat die Klägerin auch nur dagegen Widerspruch eingelegt. Dass der Beklagte von den inhaltlichen Regelungen der Anordnung vom 04.07.2006 Abstand nehmen wollte, ist nicht erkennbar. Auch ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin hier - als Voraussetzung für Vertrauensschutz - überhaupt eine Vertrauensinvestition getätigt haben will. |
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| | Da die Anordnung unter Punkt I.2 der Wiederherstellung der Durchgängigkeit dient, kann sich die Klägerin demgegenüber nicht auf eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen (dazu bereits oben). |
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| | Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist auch sonst zulässig, insbesondere hat die Klägerin die Berufung form- und fristgerecht sowie gegenüber dem richtigen Adressaten begründet (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 5 Satz 5, Abs. 6 und Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO). Die Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch mit dem Hilfsantrag bleibt der Berufung der Erfolg versagt. |
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| | 1. Die Festsetzung der Mindestwassermenge ist rechtmäßig. |
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| | Rechtsgrundlage für die unter I. 1 der Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 getroffene Anordnung, dass in der Ausleitungsstrecke der Aitrach in der Zeit vom 15.03. bis zum 15.06. eines jeden Jahres eine Mindestwassermenge vom 1.500 l/s und in der Zeit vom 16.06. bis zum 14.03. von 1.000 l/s zu belassen sei, sind die §§ 100 Abs. 1, 20 Abs. 2 Satz 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 d und 33 WHG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 WG. |
|
| | Nach § 100 Abs. 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Die zuständige Behörde ordnet nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WG kann die zuständige Wasserbehörde in Bezug auf alte Rechte und alte Befugnisse Anforderungen nach § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG stellen und Maßnahmen anordnen. Letztere Vorschrift bestimmt, dass für die Zulässigkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen ohne Entschädigung § 13 Abs. 2 WHG entsprechend gilt. |
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| | aa) Die Klägerin nutzt die Aitrach, ein oberirdisches Gewässer (§ 3 Nr. 1 WHG) i.S. dieser Norm, indem sie diese an dem von ihr betriebenen Wehr aufstaut, einen erheblichen Teil des Wassers über den Triebwerkskanal zu ihrer WKA ableitet und so zur Stromerzeugung zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Stromnetz nutzt (§§ 9 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 WHG). |
|
| | bb) Die Nutzung der Aitrach durch die Klägerin hat nachteilige Veränderungen der Gewässereigenschaften im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 d i.V.m. § 3 Nr. 7 WHG zur Folge. Das Aufstauen der Aitrach und das Ableiten des Wassers über den Triebwerkkanal führen dazu, dass weniger Wasser über das Mutterbett, die Ausleitungsstrecke, abfließt. |
|
| | aaa) Diese Verringerung der Restwassermenge ist zunächst grundsätzlich geeignet, die Gewässereigenschaften nachteilig zu verändern. Sie greift in die biozönotischen, insbesondere fischzönotischen Verhältnisse ein; die Fließgeschwindigkeit, die natürliche Strukturentwicklung und der Sauerstoffeintrag können nachteilig verändert werden. Die veränderte Abflussdynamik kann die hydromorphologischen Bedingungen für die Flora und Fauna verschlechtern, Niedrigwasser in physikalischer Hinsicht insbesondere zu Temperaturerhöhungen und zum Absinken der Fließgeschwindigkeit sowie der Sauerstoffsättigung führen. Ferner ist eine Beeinträchtigung der Gewässergüte zu besorgen, weil Schadstoffkonzentrationen infolge industrieller oder landwirtschaftlicher Einträge nur in vermindertem Maße durch natürliche Abflüsse verdünnt werden. Die Wasserentnahme am Oberlauf zu Turbinen einer Wasserkraftnutzung kann weiterhin ein Trockenfallen größerer Gewässerabschnitte am Unterlauf bewirken. Dies betrifft zum einen die natürlichen aquatischen Lebensräume für Flora und Fauna im Gewässer und Gewässerbett. Auch ein nachteiliger Eingriff in die vom Gewässer abhängigen Landökosysteme ist grundsätzlich möglich. Außerdem führen die verminderte Restwassermenge in der Ausleitungsstrecke und das Wehr zu einem Migrationshindernis für Wanderfischarten (vgl. dazu grundsätzlich Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196 mit zahlr. Nachw. aus Lit. und Rechtspr.). |
|
| | bbb) Im konkreten Fall sind solche nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften eingetreten. Diese sind entgegen der Auffassung der Klägerin auf die von ihr betriebene Wasserkraftnutzung und nicht auf den ökologisch ebenfalls problematischen Zustand der Aitrach stromaufwärts zurückzuführen. |
|
| | (1) Die Durchgängigkeit der Aitrach ist in Folge des Betriebs der WKA nicht gewährleistet. |
|
| | Die in der Aitrach abfließende Wassermenge unterliegt abhängig von der Jahreszeit und den Niederschlagsereignissen in ihrem Einzugsgebiet ständigen Schwankungen. Sofern sie das Schluckvermögen der beiden Turbinen der WKA von zusammen 6.000 l/s nicht übersteigt, wird in die Ausleitungsstrecke technisch gesichert nur die über die aktuell vorhandene Fischtreppe am Wehr abfließende Wassermenge von 100 l/s abgegeben. Alle im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass bei dieser Restwassermenge bereits die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke für die dort vorkommenden Wanderfischarten nicht gewährleistet ist. Die Durchgängigkeit ist eine wichtige hydromorphologische Gewässereigenschaft i.S. des § 3 Abs. 7 WHG (vgl. zur Bedeutung der Durchgängigkeit als zentrale hydromorphologische Qualitätskomponente für den ökologischen Gesamtzustand von Gewässern insbesondere Anhang V, Nrn. 1.1.1 und 1.2.1 der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik vom 23.10.2000 [sog. Wasserrahmenrichtlinie - WRRL] und Anlage 3 Tabelle 2 zu § 5 der Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer - Oberflächengewässerverordnung - vom 20.7.2011; Bay.VGH, Urt. v. 7.10.2004 - 22 B 03.3228 -, ZfW 2005, 185; Fröhlich, ZfW 2005, 133; Reinhardt, NuR 2006, 205; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl., § 33 Rn. 6). Ein Gewässerabschnitt ist für eine bestimmte Fischart durchgängig, wenn sie bei ihren Wanderungen auch die pessimale Gewässerstelle (Stelle mit der geringsten Wassertiefe, den ungünstigsten Strömungsverhältnissen und/oder der problematischsten Beschaffenheit des Gewässergrundes) überwinden kann. Das vom Landratsamt zu Beginn des Verwaltungsverfahrens eingeholte Gutachten sje nimmt an, die Durchgängigkeit sei bei einer Restwassermenge von 250 l/s gewährleistet. Dieser Wert wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Das von ihr eingeholte Gutachten ... geht vielmehr von einem höheren Wert aus, und zwar hält es eine Restwassermenge von 420 l/s für erforderlich. |
|
| | (2) Außerdem - und dem kommt hier für die Bestimmung der Mindestwassermenge maßgebliche Bedeutung zu - reduziert sich das Lebensraumangebot für die Fischfauna der Aitrach infolge der zu geringen Abflussmenge erheblich (dazu unten ausführlich). |
|
| | (3) Die Klägerin hält dem entgegen, in der Ausleitungsstrecke sei ohnehin eine naturnahe Abflussdynamik gewährleistet. Hintergrund ist, dass sich die Abflussmenge in der Aitrach abhängig von der jeweiligen Niederschlagsmenge in ihrem Einzugsgebiet ständig ändert. Übersteigt die Abflussmenge die Summe aus dem Schluckvermögen der Turbinen der WKA von zusammen 6.000 l/s und der über die Fischaufstiegsanlage ohnehin in die Ausleitungsstrecke abfließenden Wassermenge von 100 l/s, so erhöht sich die über die Ausleitungsstrecke abfließende Wassermenge automatisch. Die Klägerin macht geltend, dies sei an deutlich über 100 Tagen im Jahr der Fall. Das mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass sich die Gewässereigenschaften der Aitrach durch die Benutzungen der Klägerin nachteilig verändern. Zunächst bleibt der Befund, dass ganz überwiegend doch nur die Mindestwassermenge abfließt. Auch wenn - zumal kurzzeitig - eine erhöhte Wassermenge abfließt, wirkt sich dies auf den ökologischen Zustand der Aitrach nicht zwangsläufig günstig aus, sondern hat wohl eher nachteilige Veränderungen zur Folge. Denn während der erhöhten Abflussmenge vom Wasser überspülte Bereiche der Aitrach fallen alsbald wieder trocken mit nachteiligen Wirkungen für die Gewässerfauna. |
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| | ccc) Die Klägerin macht geltend, diese nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaft sei nicht die Folge der WKA und des zu deren Betrieb erforderlichen Wehrs. Dieser Vortrag verfängt indessen nicht. |
|
| | (1) Die Klägerin nimmt mit ihrer Argumentation einmal darauf Bezug, dass - wie sich im Einzelnen aus dem Gutachten ... ergibt - die Aitrach auch an zahlreichen Stellen oberhalb des Wehrs der Klägerin deutliche anthropogene Änderungen (u.a. Begradigungen und Uferbefestigungen, Hochwasserschutz) aufweist und an mehreren Stellen völlig undurchgängig ist, weil dort Querbauwerke und Veränderungen des Gewässergrundes anzutreffen sind, die für Fische mangels einer (funktionsfähigen) Fischaufstiegsanlage unpassierbar sind. Die Klägerin stellt damit in Frage, dass die Benutzungen der Aitrach (Aufstauen und Ableiten des Wassers) für die oben bereits beschriebenen nachteiligen Veränderungen ihrer Eigenschaften ursächlich sind. Durchdringen kann sie damit nicht. Der ökologische Zustand der Aitrach ist aus den o.g. und im Gutachten ... näher beschriebenen anthropogenen Veränderungen auch oberhalb des Wehrs nachteilig verändert. Auf die ökologische Qualität der stromabwärts gelegenen Ausleitungsstrecke haben diese Veränderungen stromaufwärts jedoch keinen Einfluss. Weder beeinträchtigen sie die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke noch ihre Eignung als Habitat für die Fischfauna. Soweit die Ausführungen der Klägerin auch dahin zu verstehen sind, die ihr gegenüber getroffenen, weitreichenden und in ihr altes Recht eingreifenden Anordnungen seien nicht berechtigt, da die Aitrach auch an anderen Stellen nachteilig verändert sei und dort keine Verbesserung bewirkt werde, kann sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Ausleitungsstrecke schon angesichts ihrer Länge von 3,2 km eine selbständige ökologische Bedeutung zukommt. |
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| | (2) Die Klägerin behauptet auch, der Ausbauzustand der Ausleitungsstrecke selbst sei für deren schlechten ökologischen Zustand verantwortlich. Die Raue Rampe ca. 600 m unterhalb des Wehrs sei so ungünstig angelegt, dass sie die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke erheblich beeinträchtige. Flössen weniger als 200 l/s ab, könnten nur schwimmstarke Klein- und Jungfische aufsteigen. Übersteige die Abflussmenge 800 l/s, sei sie - wenn überhaupt - nur noch für sehr schwimmstarke größere Fische überwindbar. Betrage die Abflussmenge 1/6 MNQ, d.h. die von der Klägerin freiwillig abgegebene Wassermenge von 420 l/s, dürfte die Raue Rampe zwar jedenfalls von schwimmstärkeren Fischen überwunden werden können, aber auch nur mit einem erheblichen Verletzungsrisiko. Der Einschätzung von ..., die Raue Rampe sei jedenfalls bei hoher Wasserführung auch ohne bauliche Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Funktionalität für alle Fische prinzipiell durchgängig, sei insoweit zu widersprechen. |
|
| | Erfolg haben kann die Klägerin auch mit diesem Vorbringen nicht. Ob die Raue Rampe uneingeschränkt durchgängig ist, wenn nur 200 l/s abfließen, mag offen bleiben. Denn in der streitigen Verfügung wird die Mindestwassermenge deutlich überhalb dieses Wertes festgesetzt. Dagegen hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass sich die Durchgängigkeit der Rauen Rampe wieder verschlechtert, wenn die Abflussmenge über 800 l/s hinaus ansteigt. Ohne nähere Konkretisierung macht die Klägerin geltend, bei größeren Wassermengen nehme die Fließgeschwindigkeit des Wassers zwangsläufig so zu, dass Fische nicht mehr dagegen ankommen könnten. Abgesehen davon, dass der Gutachter der Klägerin, Dr. ..., seine Einschätzung in der mündlichen Verhandlung relativiert hat, hat ... dem bei seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung als Sachverständiger entgegengehalten, der Fischereisachverständige Dr. ... habe bei seinem Mindestabflussversuch im Oktober 2013 entsprechende Feststellungen nicht getroffen. In dem Bericht des Dr. ... über den Mindestabflussversuch heißt es zu Situation an der Rauen Rampe: |
|
| | Bereits bei einem Abfluss von 550 l/s (Abb. 3) weist die Probestelle zwar eine ausreichende Wassertiefe für die Durchwanderbarkeit auf. Bei einem Abfluss von 850 l/s (Abb. 5) werden jedoch auch die Randbereiche mit ausreichender Wassertiefe beschickt. Damit eignen sich die Randbereiche als Wanderkorridore nicht nur für kleinere, schwimmschwächere Arten, sondern auch für die Indikatorarten, da sowohl die sohlnahe, als auch die Fließgeschwindigkeit in der mittleren Wassertiefe in den Randzonen abnimmt (vgl. Abb. 3 bis 10). Weiterhin ist mit zunehmendem Abfluss (> 850 l/s der Anstieg des Wasserspiegels im Unterwasser der Rampe zu beobachten. Dies reduziert die Wasserspiegellagen zwischen den Steinriegeln und damit auch die Fließgeschwindigkeit auf der Rampe selbst, so dass diese noch besser durchwanderbar ist. |
|
| | Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen. |
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| | (3) Die Klägerin beruft sich weiter darauf, die Aitrach sei in der Ortslage von Marstetten über eine Strecke von 500 m hinweg aus Gründen des Hochwasserschutzes begradigt und naturfern ausgebaut. Deshalb fehle es dort an tieferen Kolken als Ruhezone und Unterstand für die aufwärts wandernden Fische. |
|
| | Dass dieser Abschnitt der Aitrach weitgehend naturfern ausgebaut ist, wird auch im Gutachten sje nicht in Frage gestellt. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Benutzungen der Klägerin für die nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften der Aitrach in der Ausleitungsstrecke ursächlich sind. Auch die Klägerin stellt letztlich nicht in Frage, dass die in der Vergangenheit abgegebene Wassermenge von nur 100 l/s sowohl die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke beeinträchtigt als auch zu einer Beeinträchtigung des Lebensraumangebots für die Fischfauna führt. In der Sache stellt die Klägerin damit nicht die Ursächlichkeit der Benutzungen für die nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften der Aitrach in Frage. Ihre Argumentation richtet sich vielmehr gegen die Höhe der festgesetzten Mindestwassermenge. Sie ist dahin zusammenzufassen, dass nur eine geringere Mindestwassermenge erforderlich wäre, wenn der Beklagte im Rahmen seiner Gewässerunterhaltungspflicht die Aitrach in der Ortslage von Marstetten so ausbauen würde, wie dies im Gutachten ... vorgeschlagen wird (Einbau von Störsteinen und Kiesbänken). Denn dadurch könne eine Erhöhung des Wasserstands um 15 - 25 cm erreicht werden, wie dies sonst nur bei deutlich höheren Wassermengen von etwa 1.700 l/s möglich wäre. Auch damit kann die Klägerin indessen nicht durchdringen (dazu ausführlich unten). |
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| | ddd) Dass der Klägerin ein altes Wasserrecht zusteht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. |
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| | Die Klägerin macht geltend, das im Jahr 1910 einer Papierfabrik verliehene Recht, das Wasser der Aitrach aufzustauen und zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik zu benutzen, sei gemäß § 8 Abs. 4 WHG mit dem Erwerb der WKA auf sie übergegangen. Schon aus diesem Recht, jedenfalls aber aus § 24 Abs. 2 WG, ergebe sich die Befugnis, das Wehr und die WKA auch zur Stromerzeugung zum Zwecke der Einspeisung in das öffentliche Stromnetz zu nutzen. |
|
| | In diesem Zusammenhang kommt es darauf nicht an. Denn nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WG, § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG i.V. mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG kann die Wasserbehörde auch bei alten Rechten Maßnahmen anordnen, die zum Ausgleich einer auf die Benutzung zurückzuführenden nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften erforderlich sind. |
|
| | eee) Die Gewässereigenschaften der Aitrach sind auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nachteilig verändert. |
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| | Die Klägerin gibt an, sie gebe seit dem Jahr 2011 freiwillig eine höhere Restwassermenge von 420 l/s und vom 15.03. bis zum 15.06. (während der Laichzeit) sogar von 850 l/s über das Wehr in die Ausleitungsstrecke ab. In der Sache macht sie damit geltend, eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaft sei jetzt nicht mehr gegeben. Auch damit kann sie indessen nicht durchdringen. Richtig ist allerdings, dass die Anordnung einer Mindestwasserführung ein Dauerverwaltungsakt ist. Anders als sonst bei Anfechtungsklagen ist deshalb - jedenfalls bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen - auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat und nicht zur Zeit der letzten Behördenentscheidung abzustellen (vgl. W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 26. Aufl., 2020, Rn. 44 zu § 113). Indessen ist bereits nicht sicher, dass die Klägerin tatsächlich die von ihr behauptete Restwassermenge in die Ausleitungsstrecke abgibt. Bei einer Begehung der Aitrach kam das Landratsamt zu dem Ergebnis, dass die Überfallhöhe des Wassers am Wehr dafür nicht ausreichend sei, die Klägerin mithin nur eine geringere Restwassermenge in die Ausleitungsstrecke abgebe. Letztlich kommt es darauf nicht an. Maßgeblich ist, dass die Abgabe der von der Klägerin behaupteten Restwassermenge ohne die streitige Anordnung rechtlich nicht gesichert ist. Auch reicht die von der Klägerin nach ihrem Vortrag freiwillig abgegebenen Restwassermengen (420 l/s bzw. 850 l/s) i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG nicht aus, um die durch die Benutzung der Aitrach seitens der Klägerin bewirkten nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften auszugleichen (dazu sogleich). |
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| | b) Das Landratsamt hat die in das Mutterbett der Aitrach abzugebende Mindestwassermenge in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. |
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| | Das Landratsamt hat von der Klägerin verlangt, in der Zeit vom 15.03. bis zum 15.06 eines jeden Jahres eine Mindestwassermenge von 1.500 l/s und während der übrigen Zeit des Jahres von 1.000 l/s abzugeben. Damit hat die Behörde in Ausübung ihres Bewirtschaftungsermessens die erforderlichen Mindestwassermengen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 d WHG i.V. m. § 33 WHG und § 34 WHG festgesetzt, um nachteilige Veränderungen der Gewässereigenschaften der Aitrach durch die von der Klägerin praktizierte Gewässerbenutzung auszugleichen. |
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| | aa) Wie bereits oben ausgeführt, hängt die hydromorphologische Qualität eines Gewässers maßgeblich davon ab, dass es trotz der Gewässernutzung weiter durchgängig ist (§ 34 WHG). Die Durchgängigkeit ist jedoch nicht das alleinige Kriterium für die Bestimmung der Mindestwassermenge. Anderenfalls wären die vom Landratsamt festgesetzten Mindestwassermengen deutlich zu hoch. |
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| | Wie oben ausgeführt, hält das Gutachten sje zur Gewährleistung der Durchgängigkeit eine Mindestwassermenge von 250 l/s für ausreichend. Auch die vom Fischereisachverständigen Dr. ... bei seinem Mindestwasserversuch im Oktober 2013 ermittelte Mindestwassermenge liegt mit 550 l/s deutlich unter den Vorgaben des Landratsamts in der streitigen Verfügung. Die Klägerin stellt diesen Wert außerdem in Frage. Dr. ... hat die Mindestwassermenge entsprechend der von ihm bei dem Mindestwasserversuch abgegebenen geringsten Wassermenge festgesetzt. Ob die Durchgängigkeit auch bei einer noch geringeren Wassermenge gewährleistet wäre, hat er nicht ermittelt. Die Klägerin bemängelt insoweit, dass er auch auf eine Interpolation (richtig wohl: Extrapolation) verzichtet habe. Die Durchgängigkeit ist jedoch im Sinne einer zwingenden Mindestvoraussetzung nur ein Kriterium unter mehreren anderen für die Bestimmung einer ausreichenden Mindestwassermenge (vgl. dazu auch Bay.VGH, Beschl. v. 05.09.2019 - 8 ZB 16.1851 - juris). |
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| | bb) Nach § 33 WHG sind das Aufstauen eines oberirdischen Gewässers oder das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewässer nur zulässig, wenn die Abflussmenge erhalten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbundene Gewässer erforderlich ist, um den Zielen der § 6 Abs. 1 WHG und der §§ 27 bis 21 WHG zu entsprechen. Zur Erreichung dieser Ziele sind die konkret festgesetzten Mindestwassermengen erforderlich. |
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| | Nach § 6 Abs. 1 WHG sind u.a. die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Gewässers als Bestandteil des Naturhaushalts und Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern, insbesondere durch Schutz vor nachteiligen Veränderungen von Gewässereigenschaften (Nr. 1). Neben weiteren eher ökologischen Zielsetzungen (vgl. etwa Nr. 2) nennt § 6 Abs. 1 WHG auch nutzungsbezogene Ansätze, die mit den gewässerschützenden Anforderungen typischerweise in Widerspruch stehen. So sind die Gewässer nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WHG auch zum Wohle der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch im Interesse Einzelner zu nutzen. Auch soll die Gewässerbenutzung so erfolgen, dass möglichen Folgen des Klimawandels vorgebeugt wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 WHG). Die widerstreitenden Belange sind im Rahmen des § 33 WHG durch Ausübung des pflichtgemäßen Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Abs. 2 WHG miteinander in Einklang zu bringen. Da es sich bei der Aitrach nicht um ein künstliches oder erheblich verändertes oberirdisches Gewässer i.S. der §§ 27 Abs. 2, 28 WHG handelt, ist bei der Bestimmung der Mindestwassermenge auch zu berücksichtigen, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen und chemischen Zustands vermieden wird (Verschlechterungsverbot) und ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG). Fristverlängerungen (§ 29 WHG) für die Verwirklichung dieser Ziele, abweichende - also weniger strenge - Ziele (§ 30 WHG) und Ausnahmen (§ 31 WHG) sind grundsätzlich möglich (vgl Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, Komm., Rnr. 28 ff zu § 33 WHG, Stand: Sept. 2014). |
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| | § 33 WHG enthält aber darüber hinaus weder feste Richtwerte zur Mindestwassermenge noch Vorgaben für ein bestimmtes Verfahren zu deren Ermittlung Wie sich aus dem Hinweis auf die Ziele des § 6 Abs. 1 WHG und der §§ 27 ff. WHG ergibt, ist die Mindestwassermenge keine feststehende Größe. Sie ist vielmehr im Einzelfall mit Blick auf die in § 6 Abs. 1 WHG aufgeführten Grund- sätze und insbesondere im Hinblick auf die maßgebenden Bewirtschaftungsziele nach §§ 27 ff. WHG sowie gegebenenfalls unter Einbeziehung der in einem Bewirtschaftungsplan festgelegten Ziele und beschriebenen Maßnahmen für das jeweilige Fließgewässer nach den Gegebenheiten vor Ort, insbesondere nach der hydrologischen Situation und den ökologischen Erfordernissen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass sich die Mindestwassermenge nicht nur auf das jeweilige Einzelgewässer bezieht, sondern ausdrücklich auch die mit diesem Gewässer verbundenen („kommunizierenden“) Gewässer einschließt (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 26.01.2017 - 7 B 3.16 - Buchholz 445.4 § 33 WHG Nr. 2 und Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196 mit zahlr. Nachweisen aus der Lit. und den Gesetzesmaterialien). |
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| | Der Erhaltung und Verbesserung des Gewässers als Lebensraum für Flora und Fauna kommt danach bei der Festsetzung der Mindestwassermenge maßgebliche Bedeutung zu. In der von der LUBW herausgegebenen Handreichung „Mindestwasserführung - Handlungsanleitung zur Festlegung und Überwachung des Mindestabflusses“, die den sog. Wasserkrafterlass (dazu näher unten ccc) (1)) konkretisieren und den Leitfaden „Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken - Grundlagen, Ermittlung und Beispiele“ aus dem Jahre 2005 aktualisieren und ergänzen soll, heißt es konsequent zu den o.g. rechtlichen Vorgaben, von einer ausreichenden Mindestwasserführung für einen funktionsfähigen Fließgewässerlebensraum könne ausgegangen werden, wenn geeignete Lebensbedingungen für die Zielfischarten des jeweiligen Gewässers gegeben seien. Mindestabflüsse seien dann ausreichend, wenn im Vergleich zum natürlichen Zustand der Ausleitungsstrecke (1.) strukturell und hydraulisch geeignete Lebensraumbedingungen in ausreichendem Maße vorhanden sind, (2.) die Erreichbarkeit und Durchwanderbarkeit gegeben ist, (3.) die Wassertemperatur und die Wasserqualität durch die Ausleitung nicht so stark beeinflusst werden, dass kritische Werte erreicht werden könnten und (4.) gewässerdynamische Prozesse zur Vermeidung von Verschlammung und Kolmation in ausreichendem Maße stattfinden können. |
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| | cc) Den Wasserbehörden steht sowohl bei der Auswahl des Verfahrens zur Bestimmung der Mindestwassermenge als auch bei deren konkreter Festsetzung ein nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegender Beurteilungsspielraum zu. |
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| | aaa) Der Senat hat in seinem Urteil vom 15.12.2015 (- 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196) angenommen, bei der erforderlichen Mindestwassermenge i.S. des § 33 WHG handele es sich um einen vom rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geprägten unbestimmten Rechtsbegriff, dem die Aufgabe zukomme, das in dieser Bestimmung rechtsdogmatisch enthaltene Benutzungsverbot inhaltlich zu begrenzen. Bei der Auswahl des konkreten Verfahrens zu Ermittlung der Mindestwasserführung komme den Wasserbehörden auf der Grundlage ihres Bewirtschaftungsermessens ein Beurteilungsspielraum zu (offengelassen von BVerwG, Beschl. v. 26.01.2017 - 7 B 3.16 - Buchholz 445.4 § 33 WHG Nr. 2). Auch in der Literatur wird vertreten, die Bestimmung der Mindestwassermenge entziehe sich einer generell-abstrakten, für alle Gewässer zutreffenden Quantifizierung. Die in § 33 WHG vorgegebenen Parameter wiesen nur die Richtung für die Operationalisierung der Durchflussmenge, zumal deren Festlegung im Einzelfall stets von zahlreichen, nicht verallgemeinerungsfähigen Faktoren abhänge, die sich zudem ständig änderten (Czychowski/Reinhardt, WHG, Komm., 11. Aufl., 2014, Rn. 8 zu § 33). |
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| | bbb) Diese vom Senat vertretene Auffassung findet - wenn auch auf der Grundlage eines anderen dogmatischen Ausgangspunkts - ihre Bestätigung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Mit Beschluss vom 23.10.2018 (- 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - BVerfGE 149, 407) hat das Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit einem Konflikt zwischen der Windkraftnutzung und dem naturschutzrechtlichen Artenschutz zur Frage der (naturschutzrechtlichen) Einschätzungsprärogative der Verwaltung grundsätzlich Stellung genommen. Während der Senat - wie ausgeführt - die Einschätzungsprärogative der Verwaltung aus dem der Verwaltung zukommenden wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermessen abgeleitet hat, hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, der Verwaltung stehe eine Einschätzungsprärogative zu, wenn die gerichtliche Kontrolle an die Grenze der (naturschutz)fachlichen Wissenschaft und Praxis stoßet, weil es letztlich an einem sicheren Maßstab für die Entscheidung zwischen richtig und falsch fehle. Das Gericht sei dann auch nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet, sondern dürfe die plausiblen Einschätzungen der Behörde zu den fachlichen Fragen seiner Entscheidung zu Grunde legen. |
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| | ccc) Die dogmatische Grundlage des der Wasserbehörde zustehenden Beurteilungsspielraums bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für einen Beurteilungsspielraum sind gegeben. Wie die Mindestwassermenge zu bestimmen ist, ist gesetzlich nicht normiert. Auch fehlt es an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die Bestimmung der Mindestwassermenge im Einzelfall. |
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| | (1) Zunächst ist die Bestimmung der Mindestwassermenge nicht untergesetzlich geregelt. |
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| | Zwar kann das Landesumweltministerium als oberste Wasserbehörde (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 WG) durch Rechtsverordnung festlegen, welche Kriterien bei der Bemessung der Mindestwasserführung, für die Durchgängigkeit und in Bezug auf die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers zu Grunde zu legen sind (§§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 WG). Eine solche Rechtsverordnung ist indessen nicht ergangen. |
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| | Auch aus der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums und des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung; Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1.000 kW vom 15.05.2018 (GABl. 2018, S. 403) - Wasserkrafterlass - können keine verbindlichen untergesetzlichen Vorgaben für die Bestimmung der Mindestwassermenge abgeleitet werden. Diese Verwaltungsvorschrift ist - soweit ersichtlich ohne hier relevante inhaltliche Änderung - an die Stelle der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums, des Ministeriums für Ländlichen Raum und des Wirtschaftsministeriums zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung; Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1.000 kW vom 30.12.2006 (GABl. 2007, S. 105) getreten. Der Wasserkrafterlass enthält zwar durchaus Vorgaben, wie die Mindestwassermenge im Einzelfall zu bestimmen ist (vgl. Nr. 3.1.2). Eine normative Konkretisierung mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren ist darin jedoch nicht zu sehen. Dagegen spricht zunächst die rechtliche Form. Es handelt sich beim Wasserkrafterlass um eine Verwaltungsvorschrift. Zwar wird in der Rechtsprechung auch der TA Lärm, die gleichfalls in der Form einer Verwaltungsvorschrift ergangen ist, bindende Wirkung auch für das gerichtliche Verfahren beigemessen, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen etwa im Rahmen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert. Sie unterliegt als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift der revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209). Auf den Wasserkrafterlass ist das nicht übertragbar. Der Erlass der TA Lärm als Verwaltungsvorschrift ist in § 48 BImSchG ausdrücklich vorgegeben. Wie ausgeführt, sieht das Wassergesetz insoweit jedoch den Erlass einer Rechtsverordnung vor. Die TA Lärm regelt auch detailliert, welche Lärmbelastung abhängig von der jeweiligen Gebietsart nach der Baunutzungsverordnung zumutbar ist und nach welchem Verfahren deren Höhe zu ermitteln ist. Der Wasserkrafterlass macht hinsichtlich der Mindestwassermenge nur Vorgaben, die über eine „Faustregel“ nicht hinausgehen (dazu sogleich). |
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| | (2) Auch gibt es keine allgemein anerkannten Maßstäbe und Methoden für die Bestimmung der Mindestwassermenge. Aus dem Wasserkrafterlass können sie nicht abgeleitet werden. |
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| | Der Wasserkrafterlass sieht die Ermittlung der Mindestwassermenge in einem zweistufigen Verfahren vor. In einem ersten Schritt sind standortbezogene Einstiegswerte für den Mindestabfluss aus hydrologischen Daten zu ermitteln. Handelt es sich nicht um ein Lachs- und Seeforellengewässer und ist die mittlere Abflussmenge (MQ) - wie vorliegend - größer als 5 m³/s, so beläuft sich der Einstiegswert auf ein Drittel der Mittleren Niedrigwassermenge (MNQ) (vgl. Nr. 3.1.2 und 3.1.2.1 Wasserkrafterlass). In einem zweiten Schritt ist dieser Ausgangswert an die örtlichen Verhältnisse anzupassen. In Nr. 3.1.2.2 Wasserkrafterlass werden dafür insgesamt elf Kriterien genannt, die ihrerseits teilweise vage und unbestimmt sind (etwa „Temperaturhaushalt“ und „Grundwasserhaushalt“). Vor allem aber ist nicht geregelt, mit welchem Gewicht und in welchem Verhältnis zueinander die einzelnen Faktoren bei der Bemessung der Mindestwassermenge im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Unter Nr. 3.1.2.3 heißt es weiter, im Einzelfall könne eine „zuflussabhängige dynamische Erhöhung des örtlich angepassten Mindestabflusses aus ökologischen Gründen erforderlich sein“. Anders als noch im Wasserkrafterlass 2006 ist eine jahreszeitliche Staffelung der Mindestabflussmenge nicht mehr vorgesehen. Vielmehr heißt es, der angepasste Mindestabfluss sei über das Jahr konstant (Nr. 3.1.2.2 letzter Satz). Ebenso ist keine Regelung mehr enthalten, wonach der angepasste Mindestabfluss 1/6 MNQ nicht unterschreiten dürfe. |
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| | Bereits diese eher vagen Kriterien, insbesondere was die örtliche Anpassung des Einstiegswerts betrifft, wecken Zweifel, dass der Wasserkrafterlass eine allgemein anerkannte Methode zur Bestimmung der Mindestwassermenge beschreibt. Weitere Umstände kommen hinzu. |
|
| | Der Wasserkrafterlass selbst verweist bezüglich der Ziele, Grundsätze, Hintergrundinformationen und Beispiele auf Leitfäden der LUBW (Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, 2005 und Mindestwasserführung, 2018). Dort werden zwar die bei der örtlichen Anpassung des Einstiegswerts zu beachtenden Kriterien - allerdings wiederum nur sehr allgemein - näher erläutert (vgl. Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, S. 15 ff). Es werden aber auch mehrere weitere Verfahren beschrieben, die bei der Bestimmung der Mindestwassermenge zur Anwendung kommen können. Zwar heißt es, diese Verfahren sollten dazu dienen, den Ausgangswert bei der Bestimmung der Mindestwassermenge an die örtlichen Verhältnisse anzupassen und ggf. auch eine zuflussabhängige dynamische Erhöhung über ½ MNQ hinaus vorzunehmen. Genannt werden die überschlägige hydraulische Berechnung im Rahmen einer Begehung, der Dotationsversuch (Naturversuch) und die hydraulische Umsetzung über Simulationsrechnungen (vgl. S. 18). Im Anhang 4 wird das auch von ... ... ... eingesetzte Softwarepaket Casimir (Computer Aided Simulation Model for Instream Flow Requierments) explizit als Methode für Mindestabflussuntersuchungen in Ausleitungsstrecken genannt. Richtigerweise wird man jedoch davon auszugehen haben, dass es sich bei den genannten Verfahren um eigenständige Methoden zur Bestimmung der Mindestwassermenge und nicht bloß um Hilfsmittel zur Anpassung des Ausgangswerts handelt. Hilfsmittel könnten sie nur sein, wenn sie auf dem Ausgangswert aufbauen würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Zur Anwendung der genannten Verfahren muss der Ausgangswert in Höhe von 1/3 MNQ nicht einmal ermittelt werden (vgl. etwa das Verfahren Casimir). Dem Ausgangswert kann allenfalls Bedeutung zukommen zur Orientierung bei einem Dotationsversuch zu der Frage, mit welcher abzugebenden Wassermenge der Versuch sinnvollerweise begonnen wird. |
|
| | Gerade die Argumentation der Klägerin im vorliegenden Verfahren verdeutlicht, dass das im Wasserkrafterlass beschriebene Verfahren nicht die einzige Methode zur Bestimmung der Mindestwassermenge sein kann. Die Klägerin führt aus, der Ausgangswert sei zu hoch angenommen worden, weil die Mittlere Niedrigwassermenge mittlerweile um mehrere Hundert Liter pro Sekunde geringer sei. Das mag zutreffen. Denn die Mittlere Niedrigwassermenge ist, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg ermittelt wird, keine konstante Größe; vielmehr können mehrere niederschlagsreiche oder niederschlagsarme Jahre in Folge insoweit durchaus zu Veränderungen führen. Indessen ist nicht erkennbar, warum sich dies auf die nach § 33 WHG erforderliche Mindestwassermenge auswirken soll. Anders formuliert, die aquatischen Lebensräume kommen nicht mit weniger Wasser aus, weil es einige Jahre wenig geregnet hat. |
|
| | (3) Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG führt unter diesen Umständen nicht dazu, dass die Verwaltung bei der Festsetzung der Mindestwassermenge an den Wasserkrafterlass gebunden wäre. Eine solche Bindung könnte nur eintreten, wenn der Wasserkrafterlass von den Wasserbehörden als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ständig befolgt würde und der Bürger deshalb davon ausgehen kann, dass sie auch in seinem Fall zur Anwendung kommt (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 19. Aufl., 2018, Rn. 44 zu § 40). Wie ausgeführt, geht indessen auch der Wasserkrafterlass davon aus, dass insoweit noch andere Verfahren als die von ihm priorisierte Festlegung nach der Mittleren Niedrigwassermenge unter Anpassung an die besonderen örtlichen Verhältnisse angewendet werden können, u.a. das Verfahren Casimir. |
|
| | dd) Das Landratsamt hat die Mindestwassermenge auf der Grundlage des Gutachtens sje nach dem Verfahren Casimir festgelegt und von den vorgeschlagenen Mindestwassermengen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gewässerökologisch vertretbare Abschläge vorgenommen. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. |
|
| | Allerdings heißt es im Widerspruchsbescheid, das Ermessen der Verwaltung bei der Bestimmung der Mindestwassermenge sei durch den Wasserkrafterlass gebunden. In der Sache hat das Regierungspräsidium aus diesem Ausgangspunkt dann allerdings keine Schlussfolgerungen gezogen, sondern sich am Gutachten sje und damit am Verfahren Casimir orientiert. |
|
| | Das Verfahren Casimir ist ein an der Universität Stuttgart entwickeltes Simulationsmodell zur Habitatmodellierung. Damit werden Fischlebensräume anhand von am Gewässer erhobenen Informationen über Geometrien und Strukturen in Verbindung mit berechneten Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten nach Maßgabe der Lebensraumanforderungen der gewässertypischen Fischarten nachgebildet. Die Simulationsergebnisse sind die Grundlage für Mindestwasserempfehlungen, die den Gewässercharakter, die Durchwanderbarkeit und die Ansprüche der gewässertypischen Fischarten berücksichtigen. sje haben bei der Erstellung des Gutachtens angenommen, Leitfischarten seien die Bachforelle und die Äsche, Begleitfischarten die Groppe und die Nase. Mit dem Modell Casimir haben sje überprüft, ob die für die genannten Fischarten erforderlichen Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten erreicht werden und so festgestellt, ob der jeweilige Gewässerabschnitt für diese Fischarten „durchgängig“ ist, wobei sie nicht auf die generell vorhandenen Wassertiefen, sondern vielmehr auf die Wassertiefen an den pessimalen Gewässerquerschnitten (einzelne Stellen mit geringer Ausdehnung und den geringsten Wassertiefen) abgestellt haben. Die Eignung des jeweiligen Gewässerabschnitts für die einzelnen Fischarten haben sje mit dem Modell Casimir ermittelt, indem sie die Gewässerstruktur, die Fließgeschwindigkeit und die Wassertiefe mit den Lebensraumansprüchen der jeweiligen Fischarten verknüpft haben. Je besser eine Teilfläche für die jeweilige Fischart geeignet ist, um so mehr näherte sich der jeweils in Ansatz gebrachte Eignungskoeffizient dem Maximalwert von 1 an. So konnte auch nachvollzogen werden, wie die einzelnen Lebensräume mit welcher Qualität in dem jeweiligen Gewässerabschnitt räumlich verteilt sind. Dabei ergab sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Habitateignung der einzelnen Bereiche und der jeweiligen Abflussmenge. Die Habitateignung eines Gewässerabschnitts wurde nach dem System der „weighted usable area“ (WUA) bestimmt. Dabei wurden die einzelnen Teilflächen der jeweiligen Gewässerabschnitte durch Multiplikation ihres Flächeninhalts mit dem jeweils dafür ermittelten Eignungskoeffizienten gewichtet. Die so ermittelten gewichteten Einzelflächen wurden dann addiert. sje haben nach diesem System das Habitatangebot bei einem sogenannten Referenzabfluss ermittelt. Das ist die Wassermenge, ab der sich die Habitateignung des Gewässerabschnitts auch bei einer weiteren Zunahme der Abflussmenge nicht mehr wesentlich verbessert. sje haben dann untersucht, wie sich das nach den o.g. Vorgaben nach dem System der WUA ermittelte Habitatabgebot mit zunehmend geringer werdenden Abflussmengen verringert. sje ging nach dem Modell Casimir dabei davon aus, dass die noch vertretbare Habitatreduktion um so geringer sei, je stärker der jeweilige Gewässerabschnitt bereits beeinträchtigt sei. Während bei leicht beeinträchtigten Abschnitten eine Reduktion um 50% hingenommen werden könne, betrage die noch akzeptable Habitatreduktion bei beeinträchtigten Gewässerabschnitten 30% und an bereits degradierten nur noch 10%. Den maßgeblichen Abschnitt der Aitrach haben sie als beeinträchtigt eingestuft. |
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| | ee) Dass die Behörde - wie ausgeführt - bei der Auswahl des Verfahrens und bei der konkreten Bestimmung der Mindestwassermenge einen Beurteilungsspielraum hat, bedeutet nicht, dass ihre Entscheidung vollumfänglich der gerichtlichen Kontrolle entzogen wäre. Das Gericht prüft vielmehr, ob die von dem Beklagten verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale einer Norm gelangt ist. Dies umfasst die Prüfung, ob die klägerischen Einwände die Methodik, Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Behörde substantiell in Frage stellen (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 - 4 A 13.18 - juris). Nach allgemeinen Grundsätzen ist außerdem Gegenstand der gerichtlichen Prüfung, ob der Behörde bei der Ermittlung und der Anwendung der von ihr aus dem Spektrum des Vertretbaren gewählten fachlichen Methode Verfahrensfehler unterlaufen, ob sie anzuwendendes Recht verkennt, von einem im Übrigen unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - BVerfGE 149, 407). |
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| | ff) Die insoweit von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen indessen nicht durch. |
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| | aaa) Gestützt auf das Gutachten ... macht die Klägerin grundsätzliche Einwendungen gegen das Verfahren Casimir geltend. Der dort zur Anwendung kommende Parameter der „tolerierbaren Habitatreduktion“ sei von ... in seiner Doktorarbeit entwickelt worden. Nach dem Verfahren Casimir sei die noch tolerierbare Habitatreduktion umso geringer, je stärker beeinträchtigt das Gewässer bzw. die Ausleitungsstrecke ohnehin schon sei. Während bei degradierten Abschnitten nur eine Habitatreduktion von 10% akzeptabel sein solle, könnten bei leicht beeinträchtigten Abschnitten 50 % in Kauf genommen werden. Damit stehe das Verfahren Casimir im Widerspruch zum Wasserkrafterlass. Nach dessen Absatz 2 seien Eingriffe in ohnehin bereits beeinträchtigte Gewässerbereiche (Hochwasserschutz, Begradigung, Ausbau der Gewässer, Uferbauwerke usw.) geringer zu bewerten, da auch die anderen Nutzungsarten den Gewässerzustand dauerhaft beeinträchtigten. Damit kann die Klägerin indessen keinen Erfolg haben. |
|
| | (1) Zunächst steht der Ausgangspunkt des Verfahrens Casimir, dass in unbeeinträchtigten Gewässern eine größere Habitatreduktion vertretbar ist als in bereits (stärker) beeinträchtigten, nicht im Widerspruch zum Wasserkrafterlass. |
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| | Im Wasserkrafterlass 2018 ist eine Aussage, dass Eingriffe in bereits stärker beeinträchtigte Gewässer geringer zu bewerten sein sollen, mit anderen Worten, dort eine größere Habitatreduktion vertretbar ist, nicht enthalten. Die Aussage unter Punkt V Nr. 2 im Wasserkrafterlass 2006, die auf den ersten Blick im Sinne der Klägerin verstanden werden könnte, bezieht sich nicht auf die Mindestwassermenge, sondern ist unter den „Hinweisen zur Abwägung und Ermessensausübung bei Entscheidungen über die Zulassung von Wasserkraftanlagen (§ 35b WG)“ enthalten. Im Wasserkrafterlass 2018 heißt es unter Punkt 3 „Fachliche Kriterien für die Gesamtbeurteilung einer Wasserkraftnutzung“, die Wasserkraftnutzung sei unter dem Gesichtspunkt fachlich zu analysieren und darzustellen, ob das Gewässer aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bereits einer so starken anderweitigen Nutzung unterworfen sei, dass bei einer weiteren Nutzung unverzichtbare Funktionen der Gewässer nachhaltig beeinträchtigt wären. Dahinter steht die Überlegung, dass bei bereits stärker beeinträchtigten Gewässern nur noch in geringerem Maße eine zusätzliche Verschlechterung hingenommen werden kann. Das deckt sich damit, dass nach dem Model Casimir bei bereits stärker beeinträchtigten Gewässerabschnitten nur noch eine geringere Habitatreduktion toleriert werden kann. |
|
| | (2) Der der Methode Casimir zu Grunde liegende Gedanke ist auch unabhängig von den Aussagen im Wasserkrafterlass 2018 plausibel. Je stärker ein Gewässer bereits degeneriert ist, umso eher droht der vollständige Verlust seiner ökologischen Funktionen. Um dem entgegenzuwirken, ist dort nur eine geringere Habitatreduktion akzeptabel. |
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| | bbb) Die Klägerin macht wiederum gestützt auf das Gutachten ... weiter geltend, die strikte Anwendung des Verfahrens Casimir erfordere eine detaillierte Strukturkartierung der Ausleitungsstrecke, die jedoch nicht durchgeführt worden sei. So sei die Detailstrecke 3 keineswegs repräsentativ für den gesamten Unterlauf. Auch diese Argumentation verfängt nicht. |
|
| | Die Klägerin stellt damit nicht das Verfahren Casimir als solches in Frage, sondern wendet sich gegen seine konkrete Anwendung. Ihr Einwand ist indessen nicht nachvollziehbar. Er kann sich allenfalls zum Nachteil der Klägerin auswirken. Denn nach dem Verfahren Casimir wird die Mindestwassermenge so festgelegt, dass selbst in den ungünstigsten Bereichen die Durchgängigkeit gewährleistet ist und die Habitatreduktion allenfalls 30 % beträgt. Eine Ausdehnung der Untersuchung auf weitere Abschnitte der Ausleitungsstrecke kann nur dazu führen, dass dort ein noch ungünstigerer Bereich identifiziert wird, der eine noch höhere Wassermenge verlangt. |
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| | ccc) Die Klägerin wendet außerdem ein, das Gutachten sje komme zu wesentlich höheren Mindestwassermengen als der von ihr beauftragte Gutachter ..., weil es auf die Bedürfnisse der Nase als der insoweit anspruchvollsten Fischart abstelle. Gerade im Detailabschnitt D 2 könne die Habitatreduktion für die laichende Nase nur mit einer Mindestwassermenge von 1.800 l/s auf die nach dem Modell Casimir noch akzeptablen 30 % begrenzt werden. Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Nase komme in der Aitrach allenfalls im unteren Bereich zwischen der Mündung in die Iller und dem Zusammenfluss von Triebwerkkanal und Ausleitungsstrecke, in der Ausleitungsstrecke selbst - wenn überhaupt - nur im unteren Teil bis zum Beginn der sogenannten Schluchtstrecke vor. Danach betrage das Gefälle der Aitrach 7 bis 8 Promille. Ab einem Gefälle von 6 Promille steige die Nase gar nicht oder nur noch im Einzelfall weiter auf. Auch seien die Wassertemperaturen wegen der Höhenlage der Aitrach und ihren zahlreichen sommerkalten Zuflüssen, die bis in eine Höhe von 1.100 m reichten, dort so niedrig, dass sie ohnehin keine günstigen Lebens- und Fortpflanzungsbedingungen mehr vorfinde. Auf das Gutachten ... könne sich das Landratsamt in diesem Zusammenhang nicht berufen, weil es hypothetisch von einem durch anthropogene Einwirkungen weitgehend unbeeinflussten Gewässerzustand ausgehe, wie er im 19. Jahrhundert bestanden haben möge, aber heute nicht mehr anzutreffen sei. Diese Einwände sind gleichfalls nicht stichhaltig. |
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| | (1) Mit ihrem Vorbringen wirft die Klägerin zunächst zwei tatsächliche Fragen auf, und zwar einmal nach dem Gefälle der Aitrach in der Ausleitungsstrecke und außerdem nach den dort anzutreffenden Wassertemperaturen. In einem zweiten Schritt führen die Einwände der Klägerin auf die biologische/fischereiwirtschaftliche Fachfrage, ob die Aitrach und konkret die Ausleitungsstrecke danach als Lebensraum für die Nase geeignet ist. |
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| | (2) Den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen ist indessen nicht weiter nachzugehen. Dass die Ausleitungsstrecke und zwar auch die sogenannte „Schluchtstrecke“ bis zum Wehr als Lebensraum für die Nase geeignet ist, ergibt sich aus der von sje wenn auch schon länger zurückliegend im Zusammenhang mit der Erstellung ihres Gutachtens durchgeführten Elektrobefischung und aus der Auswertung von Elektrobefischungen aus den Jahren 1985 bis 2004 im Gutachten .... sje haben bei ihrer Befischung im Detailabschnitt D 1 am oberen Ende der Ausleitungsstrecke unter den damals ungünstigen Bedingungen mit einer Mindestwassermenge von lediglich 100 l/s juvenile Nasen angetroffen. Das belegt, dass sich die Nase dort sogar fortpflanzt. Auch bei den von ... ausgewerteten Elektrobefischungen wurden Nasen angetroffen und sogar als „verbreitet“ bezeichnet. Der Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die Nasen seien nur im Unterlauf der Aitrach nahe der Mündung in die Iller angetroffen worden, trifft nicht zu. Der Klägerin ist einzuräumen, dass die genauen Orte der Elektrobefischung im Gutachten ... ... nicht bezeichnet werden. Aus Tabelle 3 des Gutachtens ist jedoch zu ersehen, dass die Nasen an zwei Stellen in der Ausleitungsstrecke vorhanden waren. Beide Stellen liegen zwischen dem Triebwerkkanal am Ende der Ausleitungsstrecke und der Mündung des Laubener Brunnens oberhalb des Wehrs der Klägerin. Die o.g. Elektrobefischungen liegen zwar bereits längere Zeit zurück. Sie lassen nicht zwingend den Rückschluss zu, dass auch aktuell im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Ausleitungsstrecke und generell in der Aitrach Nasen anzutreffen sind. Darauf kommt es indessen nicht an. Maßgeblich ist, dass die Aitrach und insbesondere die Ausleitungsstrecke überhaupt als Lebensraum für die Nase geeignet ist. Das wird durch die Elektrobefischungen belegt, denn dass sich die Habitatqualität seither verändert hat, ist nicht anzunehmen. Zwar unterliegen die Strukturen der Aitrach ständigen Veränderungen. Auswirkungen auf die Habitatqualität sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... in der mündlichen Verhandlung damit aber nicht verbunden, weil sich die Veränderungen in der Summe immer wieder ausgleichen. Ungeachtet dessen ist auch der Sachverständige ... dem Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Nase komme insbesondere in der Donau und auch in der Iller bis in Höhe von deutlich über 600 m regelmäßig vor, nicht mehr konsequent entgegengetreten. Er hat nur noch auf von ihm nicht näher konkretisierte Unterschiede zwischen diesen Gewässern und der Aitrach abgehoben, ohne genau darzulegen, worin diese genau bestehen sollen. Dass oberhalb des Wehrs keine Nasen angetroffen wurden, dürfte mit der mangelnden Funktionsfähigkeit der Fischaufstiegsanlage zu erklären sein. Letztlich ist dieser Punkt - jedenfalls im Hinblick auf die Festsetzung der Mindestwassermenge (vgl. zu den Anforderungen an die Fischaufstiegsanlage am Wehr näher unten) - auch nicht entscheidungserheblich. Die Ausleitungsstrecke ist 3,2 km lang. Sie ist - ohne wesentliches Hindernis - unmittelbar an die Iller angebunden. Dieses Teilstück macht einen beträchtlichen Teil der Gesamtlänge der Aitrach aus. Es hat schon für sich ökologische Bedeutung. Schon vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, dort die Mindestwassermenge orientiert an den Bedürfnissen der Nase festzusetzen. |
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| | ddd) Der von der Klägerin beauftragte Gutachter ... wendet gegen das von sje angewandte Verfahren Casimir ein, es mache die Vorgabe, dass in allen Abschnitten der Ausleitungsstrecke nicht nur die Durchgängigkeit, sondern auch alle sonstigen Lebensraumanforderungen der potentiell anzutreffenden Fischarten gewährleistet sein müssten. Ein solches Verfahren führe zwangsläufig zu einer hohen Mindestwassermenge zum Nachteil der Nutzung der Wasserkraft. Demgegenüber gehe der Leitfaden „Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken“ davon aus, dass zwar in jedem Fall die Durchgängigkeit und die ausreichende Auffindbarkeit (wohl in der Regel über eine ausreichende Leitströmung) gewährleistet sein, im Übrigen aber nicht in jeder Strecke alle Teilfunktionen erfüllt sein müssten. Auch in völlig naturbelassenen Gewässern würden nicht überall alle Lebensraumanforderungen der dort vorkommenden Fische erfüllt. |
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| | (1) Dieser Einwand nimmt darauf Bezug, dass die Mindestwassermenge orientiert an den Lebensraumanforderungen der laichenden Nase im ungünstigsten Detailabschnitt D 2 festgesetzt wurde. Die Klägerin macht damit geltend, es genüge, wenn es für die Nase in der Ausleitungsstrecke überhaupt in ausreichendem Umfang Laichhabitate gebe. Es könne indessen nicht angehen, die Mindestabflussmenge ohne Rücksicht auf die Nutzung der Wasserkraft so hoch festzusetzen, dass die Nase überall Laichhabitate vorfinde. Mit diesem Argument wendet sich die Klägerin nur auf den ersten Blick gegen die Eignung des Verfahrens Casimir zur Bestimmung der Mindestwassermenge. Tatsächlich kritisiert sie, das Landratsamt habe die rechtlichen Vorgaben aus § 33 WHG für die Bestimmung der Mindestwassermenge verkannt und diese deshalb in Auswertung des Gutachtens sje zu hoch festgesetzt. Der Einwand unterliegt - wie sich aus den obigen Ausführungen zum gerichtlichen Prüfungsumfang ergibt - der gerichtlichen Überprüfung. Er verfängt indessen nicht. Anders als die Klägerin annimmt, hat schon das Gutachten sje bei der Festlegung der Mindestwassermenge nicht darauf abgestellt, dass überall gute Laichhabitate für die Nase vorhanden sein müssen. |
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| | (2) Wie bereits oben ausgeführt, ist für die Ermittlung der Mindestwassermenge nach dem Verfahren Casimir maßgeblich, dass die Habitatreduktion für die dort vorkommenden Fische in deren einzelnen Lebensphasen (in concreto der Nase während der Laichzeit) gegenüber dem Habitatangebot bei der Referenzwassermenge 30 % nicht übersteigt. Eine Teilfläche in dem untersuchten Gewässerabschnitt gilt dabei als zum Laichen gut geeignet, wenn der Eignungskoeffiziet dafür mindestens 0,7 beträgt. Ob in dem jeweiligen Gewässerabschnitt solche zum Laichen gut geeignete Teilflächen überhaupt vorhanden sind, spielt für die Frage, ob das Habitat um höchstens 30 % reduziert wird, keine Rolle, denn bei der Habitatreduktion handelt es sich nur um eine relative Größe. Ausgangspunkt ist das Habitat bei der Referenzwassermenge, gleichgültig ob dort gute Laichhabitate (Eignungskoeffizient mind. 0,7) überhaupt vorhanden sind. Sind etwa in einem Gewässerabschnitt bei der Referenzwassermenge alle Teilflächen mit dem Eignungskoeffizient 0,5 zu bewerten, so gibt es dort keine guten Laichhabitate; das Ziel, dass die Habitatreduktion 30 % nicht überschreiten darf, wird etwa erreicht, wenn die Mindestwassermenge so festgesetzt wird, dass alle Eignungskoeffizienten mindestens 0,35 betragen. |
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| | (3) Um eine Habitatreduktion von 30 % auch im Detailabschnitt D 2 mit den für die laichende Nase höchsten Anforderungen nicht zu überschreiten, hätte die Mindestwassermenge auf 1.800 l/s festgesetzt werden müssen. Als Laichhabitate gut geeignete Teilflächen mit einem Eignungskoeffizient von mindestens 0,7 sind aber schon bei geringeren Mindestwassermengen anzutreffen (vgl. Tabelle 8 im Gutachten sje). Diese Differenzierung zwischen der maximal akzeptablen Habitatreduktion einerseits und dem Vorhandensein guter Laichhabitate andererseits verdeutlicht, dass die Methode Casimir eben nicht verlangt, dass - wie die Klägerin dies behauptet - überall gute Laichhabitate vorhanden sind. Damit ist zwangsläufig auch dem Landratsamt bei der Festsetzung der Mindestwassermenge kein entsprechender Fehler unterlaufen. |
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| | (4) Ungeachtet dessen ist die Festsetzung der Mindestwassermenge mit 1.500 l/s während der Laichzeit noch aus einem weiteren Grund zutreffend erfolgt, und zwar sogar dann, wenn die Nase in der Ausleitungsstrecke aus den von der Klägerin genannten Gründen keinen geeigneten Lebensraum vorfinden würde. Dass die Äsche in der Ausleitungsstrecke vorkommt, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Nach dem Gutachten sje kann eine Habitatreduktion von maximal 30 % für die laichende Äsche im Detailabschnitt D 2 zwar bereits mit einer Mindestwassermenge von 1.350 l/s erreicht werden (in den Detailabschnitten D 1 und D 3 liegen die dafür erforderlichen Mindestwassermengen noch deutlich darunter). Gute Laichhabitate mit einem Eignungskoeffizienten von 0,7 sind aber in allen drei Detailabschnitten erst bei einer Mindestwassermenge von 1.500 l/s anzutreffen. Das ist bei der Festsetzung der Mindestwassermenge zu berücksichtigen. Denn dass in der 3,2 km langen Ausleitungsstrecke überhaupt gute Laichhabitate vorhanden sein müssen, kann nicht ernsthaft fraglich sein, zumal Laichplätze - nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... - besonders wichtige Habitate sind. |
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| | gg) Die Klägerin hat keinen Erfolg mit dem Argument, die Mindestwassermenge könne nicht zutreffend bestimmt werden, weil es an der dafür erforderlichen Konkretisierung der Bewirtschaftungsziele aus §§ 27 ff WHG in Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen fehle. |
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| | Die Klägerin macht mit dem entsprechenden Sachvortrag geltend, es könne nicht angehen, dass ihr strenge Vorgaben gemacht würden, um den ökologischen Zustand der Aitrach zu verbessern, während zahlreiche andere anthropogen bewirkte Ursachen für ihre unzureichende ökologische Qualität (z. B. die fehlende Durchgängigkeit im Oberlauf wegen der Querbauwerke ohne Fischaufstiegsanlage, der naturferne Ausbau durch die Hochwasserschutzmaßnahmen innerhalb der Ortslage von Marstetten) unverändert blieben und somit eine Verbesserung letztlich doch nicht erreicht werden könne. Damit dringt die Klägerin indessen nicht durch. |
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| | aaa) Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot aus § 27 WHG nicht lediglich Zielvorgaben für die Bewirtschaftungsplanung sind, sondern bei der Zulassung eines Projekts strikt beachtet werden müssen (BVerwG, Urt. v. 09.02.2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 - 142). Lediglich im Hinblick auf das Verbesserungsgebot hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, es sei vor allem durch die wasserwirtschaftliche Planung zu verwirklichen. |
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| | bbb) Die Festsetzung der Mindestwassermenge erfolgt nicht im Rahmen des Verbesserungsgebots, obwohl es darum geht, nunmehr den durch die jahrelange Wassernutzung beeinträchtigten Zustand der Aitrach zu verbessern. Maßgeblich ist vielmehr das Verschlechterungsverbot. Abzustellen ist auf den Zustand, in dem sich das Gewässer ohne die in § 33 WHG genannten Maßnahmen (Aufstauen, Entnehmen, Ableiten) befände. Das verdeutlicht ein Vergleich mit der Situation bei der erstmaligen Genehmigung des Aufstauens eines oberirdischen Gewässers bzw. des Ableitens von Wasser. Auf § 13 Abs. 2 d WHG gestützte Anordnungen ergehen im Regelfall im Zusammenhang mit der Erteilung einer (neuen) wasserrechtlichen Erlaubnis/Bewilligung bzw. dem Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses. Ob die in § 33 WHG genannten Maßnahmen ohne die Festlegung einer Mindestwassermenge zu einem Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot führen, ist dann zwangsläufig auf der Grundlage des Gewässerzustands zu beurteilen, wie er sich ohne diese Nutzungen darstellt. Warum im Falle einer nachträglichen Anordnung etwas anderes gelten, auf den bereits beeinträchtigten Gewässerzustand abgestellt und die entsprechenden Anordnungen dem Verbesserungsgebot zugeordnet werden sollen, ist nicht ersichtlich. Der Senat verkennt nicht, dass dadurch ein bestehendes Recht zur Nutzung der Wasserkraft übermäßig beeinträchtigt oder seine Ausübung gar unmöglich gemacht werden kann. Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben (dazu näher unten). |
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| | ccc) Ungeachtet dessen gebietet auch das Verbesserungsgebot die Festsetzung der (konkreten) Mindestwassermenge. Das Verbesserungsgebot entfaltet im Rahmen der Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung eine Sperrwirkung, wenn sich absehen lässt, dass die Verwirklichung eines Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie fristgerecht zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1/15 u.a. - juris, Rdn. 166). Im Maßnahmenprogramm zum Bewirtschaftungsplan 2015 BG Donau, BW sind für den Flusswasserkörper 64 - 04 (Aitrach) Maßnahmen zur Mindestwasserführung und zur Durchgängigkeit vorgesehen (vgl. S. 262). Diese Maßnahmen würden ohne die getroffene Anordnung konterkariert. |
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| | hh) Die Klägerin hält dem Beklagten vor, die von ihm festgesetzte hohe Mindestwassermenge sei nur notwendig, weil er seiner Gewässerunterhaltungspflicht nicht nachkomme. Auch damit kann sie im Ergebnis aber nicht durchdringen. |
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| | aaa) Die Gewässerunterhaltung umfasst die Pflege und Entwicklung des Gewässers. Zur Gewässerunterhaltung gehören insbesondere die in § 39 Abs. 1 Satz 2 WHG genannten Maßnahmen, mithin auch die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WHG). Die Gewässerunterhaltung muss sich an den Bewirtschaftungszielen nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG ausrichten und darf die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden (§ 39 Abs. 2 Satz 1 WHG). Die Eschach/Aitrach ist in dem hier maßgeblichen Abschnitt ein Gewässer erster Ordnung (vgl. § 4 Satz 3 WG i.V. mit Anlage 1 zum Wassergesetz). Gewässerunterhaltungspflichtig ist der Beklagte. |
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| | bbb) Ob und inwieweit der Beklagte seiner Gewässerunterhaltungspflicht nach Maßgabe der vorstehend genannten Vorgaben nachgekommen ist, mag dahinstehen. Der Argumentation der Klägerin ist schon im Ansatz nicht zu folgen. Zunächst begründet die Gewässerunterhaltungspflicht keinen Anspruch Dritter (hier: der Klägerin) gegen den Träger der Unterhaltungslast (§ 30 Abs. 1 WG). Soweit die Klägerin geltend macht, die Raue Rampe befinde sich in schlechtem Zustand, weil sie ab einem Wasserabfluss von mehr als 800 l/s allenfalls noch für besonders kräftige Exemplare schwimmstarker Arten durchgängig sei, ist dem im Tatsächlichen nicht zu folgen, wie oben unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des von Dr. ... durchgeführten Mindestwasserversuchs dargelegt wurde. Ein weiterer maßgeblicher Gesichtspunkt kommt jedoch hinzu. Wie dargelegt, zeigt der Vergleich mit der Situation bei der Erteilung einer Neugenehmigung, dass mit der Festsetzung der Mindestwassermenge vorrangig dem Verschlechterungsverbot Rechnung getragen wird. Es soll der Zustand gewährleistet werden, der ohne die Wasserkraftnutzung der Klägerin gegeben wäre. Derjenige, der die Neuerteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung für die in § 33 WHG genannten Gewässerbenutzungen begehrt, kann nicht verlangen, dass zunächst Maßnahmen der Gewässerunterhaltung durchgeführt werden, damit die Mindestwassermenge möglichst niedrig festgesetzt werden kann. Auch der Klägerin steht diese Möglichkeit folglich nicht offen. |
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| | Zu Recht wendet die Klägerin allerdings ein, dass ein beträchtlicher Teil der festgesetzten erhöhten Mindestwassermenge im unteren Teil der Ausleitungsstrecke über den Hochwasserentlastungskanal abfließt, sofern das Geschiebe, das sich dort ansammelt, nicht entfernt wird. Dem Beklagten ist dieses Problem jedoch bekannt, weshalb er für die regelmäßige Wartung des Hochwasserentlastungskanals Sorge trägt. |
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| | ii) Dass die Klägerin eine erhöhte Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhält, steht der getroffenen Anordnung nicht entgegen. |
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| | aaa) Die Klägerin macht geltend, sie erhalte für den von ihr produzierten Strom eine erhöhte Förderung nach § 23 EEG i.d. Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften vom 25.10.2008 (BGBl. I S. 2074), das nach seinem Artikel 7 am 01.01.2009 in Kraft getreten ist (EEG 2009). Denn nach einem Umbau an der Wehranlage gebe sie nunmehr eine erhöhte Wassermenge von 420 l/s bzw. von 850 l/s während der Laichzeit vom 15.03. bis zum 15.06. in die Ausleitungsstrecke ab. Damit habe sie den ökologischen Zustand der Ausleitungsstrecke wesentlich verbessert. Denn anderenfalls könnte sie für den von ihr produzierten Strom keine erhöhte Förderung nach § 23 EEG erhalten. Damit stehe fest, dass die Aitrach bereits bei der von ihr freiwillig abgegebenen Mindestwassermenge einen guten ökologischen Zustand aufweise, weshalb eine noch höhere Mindestwassermenge von ihr jetzt nicht gefordert werden könne. Das sieht der Senat anders. |
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| | bbb) Richtig ist allerdings, dass die Förderung nach § 23 EEG 2009 für durch Wasserkraft erzeugten Strom gemäß Abs. 5 Nr. 2 dieser Bestimmung nur gewährt werden kann, wenn nach der Errichtung oder Modernisierung der Anlage nachweislich ein guter ökologischer Zustand erreicht oder der ökologische Zustand gegenüber dem vorherigen Zustand wesentlich verbessert worden ist, Eine wesentliche Verbesserung des ökologischen Zustands liegt danach in der Regel u.a. vor, wenn die biologische Durchgängigkeit oder der Mindestwasserabfluss wesentlich verbessert worden sind. Mit der Gewährung der erhöhten Förderung ist jedoch nicht auch für andere Verwaltungsverfahren verbindlich festgestellt, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer erhöhten Förderung vorliegen. Dem Bescheid über die Gewährung der erhöhten Förderung kommt keine Feststellungswirkung zu. Eine solche Feststellungswirkung tritt nur ein, wenn dies gesetzlich besonders angeordnet ist. Daran fehlt es im vorliegenden Fall (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 19. Aufl., 2018, Rn. 26 zu § 43). |
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| | b) Die Mindestwassermenge wurde ermessensfehlerfrei festgesetzt. |
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| | Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung sind die im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 angestellten Ermessenserwägungen. Das Regierungspräsidium hat im Widerspruchsverfahren das Ermessen eigenständig ausgeübt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Anders als hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen ist bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, d.h. auf den Erlass des Widerspruchsbescheids, abzustellen (vgl. Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196 und VG Freiburg, Urt. v. 05.04.2017 - 4 K 630/16 - juris, Rn 42). |
|
| | Das Regierungspräsidium hat im Widerspruchsbescheid ausgeführt, ungeachtet der von der Klägerin behaupteten Einnahmeverluste von ca. 110.000 EUR pro Jahr in Folge der angeordneten höheren Mindestwassermenge sei die Maßnahme verhältnismäßig, weil die Klägerin durch technische Änderungen, wie etwa den Einbau einer Dotationsturbine, den schlechten Wirkungsgrad der WKA deutlich verbessern könne. Finanzielle Nachteile drohten der Klägerin nicht. Denn sie erhalte eine erhöhte Vergütung nach dem EEG, die eventuelle Mindereinnahmen ausgleiche. |
|
| | Die Klägerin hält dem entgegen, sie könne sich auf ein als Eigentum geschütztes altes Wasserrecht berufen, aus dem sie - unabhängig von § 24 Abs. 2 WG - auch dazu berechtigt sei, Strom zur Einspeisung in das öffentliche Stromnetz gegen Vergütung zu produzieren. In der Rechtsprechung werde eine Stromminderproduktion in Höhe von 25 % als Ergebnis der erhöhten Mindestwassermenge als zumutbar angesehen. Tatsächlich müsse sie zumal in niederschlagsarmen Jahren mit einer Minderproduktion von ca. 40 % rechnen. Das stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff dar, zumal alte Wasserrechte erhöhten Schutz genössen. |
|
| | Ein Ermessensfehler ergibt sich daraus nicht. Die getroffene Anordnung ist - auch gemessen am Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG - nicht unverhältnismäßig. |
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| | aa) Allerdings dürfte das Wasserrecht aus dem Jahre 1910 die Klägerin unabhängig von der Regelung in § 24 Abs. 2 WG auch dazu berechtigen, Strom zur Einspeisung in das öffentliche Netz gegen Vergütung zu produzieren. Nach der Genehmigungsurkunde vom 24.05.1910 berechtigt das Wasserrecht dazu, das aufgestaute Wasser „derzeit zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik“ ..... „ohne Zeitbeschränkung zu benutzen“. Nach Art. 31 Abs. 2 Nr. 1 Württ. WG vom 01.12.1900 (Reg.Blatt S. 921) unterlag die mit oder ohne Stauanlagen erfolgende Benutzung öffentlicher Gewässer zu Triebwerken der Verleihung. Art. 35 Abs. 2 Württ. WG sah vor, dass in der Verleihungsurkunde anzugeben war, für welchen Zweck die Verleihung erfolgte. In den - hier nicht relevanten - Fällen des Art. 31 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 Württ. WG war der Zweck der gestatteten Wasserbenutzung in der Regel speziell zu bezeichnen. In dem hier einschlägigen Fall der Nr. 1 sollte die Verleihung dagegen (nur) ausnahmsweise unter Beschränkung auf einen speziell bestimmten Zweck, welchem das Triebwerk dienen soll, erfolgen. |
|
| | Aus der Formulierung „derzeit zum Betrieb einer Holzschleiferei und einer Zellulosefabrik“ kann danach nicht geschlossen werden, dass das Nutzungsrecht auf diesen Zweck beschränkt gewesen sei. Denn in § 92 der Vollzugsverfügung zu Art. 35 Württ. WG heißt es dazu, die Verleihung des Rechts zur Benutzung des öffentlichen Gewässers für ein Triebwerk sei auch dann, wenn, wie dies üblich und selbstverständlich sei, der spezielle Fabrikationszweig, dem das Triebwerk zunächst dienen solle, in der Verleihungsurkunde genannt werde, nicht als an die Bedingung der fortdauernden Pflege dieses bestimmten Fabrikationszweigs geknüpft anzusehen, es sei denn, dass dies besonderer Umstände wegen in der Verleihungsurkunde ausdrücklich ausgesprochen sei. Damit sollte der Industrie die Möglichkeit eröffnet werden, die Nutzung des Triebwerks rasch und unkompliziert den sich ändernden Verhältnissen anzupassen. Eine solche ausdrückliche Beschränkung des Nutzungszwecks ist hier nicht erkennbar, wie schon die Formulierung „derzeit“ zeigt. Das alte Wasserrecht ist auch nicht auf die Nutzung des Triebwerks zur Erzeugung mechanischer Energie beschränkt. Nach der Verleihungs- und Genehmigungs-Urkunde dürfen ausdrücklich 4 bis 5 Francis-Turbinen mit einem Maximalwasserverbrauch von zusammen 6 m³/s betrieben werden. Mit Francis-Turbinen wird Strom erzeugt, mit dem dann - beispielhaft - eine Holzschleiferei oder Zellulosefabrik angetrieben werden konnten. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 94 der Vollzugsverfügung nichts Gegenteiliges. Diese Bestimmung bezieht sich auf Art. 35 Abs. 1 Württ. WG, wonach in der Verleihungsurkunde der Umfang der verliehenen Wassernutzung genau bestimmt wird. Beschränkungen können danach insbesondere aus Gründen des öffentlichen Wohls oder zum Schutz der Rechte Dritter bestimmt werden. Nach § 94 Satz 1 Vollzugsverfügung kommen solche Beschränkungen insbesondere bei Wassernutzungsrechten zur Erzeugung elektrischer Kraft in Betracht. In der Verleihungs- und Genehmigungsurkunde werden dementsprechend der maximale Wasserverbrauch der Turbine auf 6 m³/s und die Fallhöhe auf 16,03 m festgesetzt. |
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| | bb) Der Senat neigt auch dazu, anzunehmen, dass das alte Wasserrecht als Eigentum i.S. des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. Es verleiht der Klägerin eine Rechtsposition, die derjenigen des Eigentümers entspricht und sie beruht auf nicht unerheblichen Eigenleistungen (vgl. zu diesen Kriterien BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24.02.2010 - 1 BvR 27/09 - Sächs.VBl 2010, 140). Das alte Wasserrecht wurde ohne zeitliche Beschränkung verliehen. Die Ausübung des Wasserrechts verlangt umfangreiche finanzielle Investitionen, die im Vertrauen auf den Fortbestand des Rechts getätigt werden. |
|
| | Abschließend geklärt werden muss diese Frage indessen nicht. Denn auch als nach Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentum genießt das alte Wasserrecht deshalb gegenüber einschränkenden Regelungen keinen uneingeschränkten Schutz. Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Der Gesetzgeber ist dabei aber nicht frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Ändert der Gesetzgeber die Rechtslage nachträglich zum Nachteil des Eigentümers, so muss dies durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die Eingriffe dürfen den Betroffenen nicht unverhältnismäßig belasten und für ihn deshalb unzumutbar sein. Eine vom Eigentumsrecht umfasste Rechtsposition muss deshalb nicht für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben. Sie kann auch nicht nur im Wege der Enteignung gegen Entschädigung wieder entzogen werden. Vielmehr kann der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten - durch die Bestandsgarantie gesicherten - Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts verdienen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24.02.2010 - 1 BvR 27/09 - Sächs.VBl 2010, 140 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). |
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| | cc) Dass der Gesetzgeber mit der Regelung in §§ 20 Abs. 2 Satz 3, 13 Abs. 2 WHG überhaupt die Möglichkeit eröffnet hat, alte Rechte nachträglich durch den Erlass von Inhalts- und Schrankenbestimmungen einschränkenden Regelungen zu unterwerfen, ist nach diesem rechtlichen Maßstab nicht zu beanstanden. |
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| | dd) Auch die Anwendung der Norm im Einzelfall muss indessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen, der jedes staatliche Handeln beherrscht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117). Danach verlangt der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums vorrangig im Rahmen des Möglichen, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten, etwa durch Übergangs- und Ausnahmeregelungen. Art. 14 Abs. 1 GG schützt aber grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums ausnutzen zu können. Eigentumseinschränkende Regelungen und Maßnahmen sind danach insbesondere dann verhältnismäßig und entschädigungslos zulässig, wenn der Berechtigte über eine längere Zeit hinweg sein Recht (in dem hergebrachten Umfang) ausüben konnte und seit geraumer Zeit mit einer Einschränkung rechnen musste (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 mit zahlr. Nachw. - Dieselfahrverbot; vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 23.10.2020 - 8 ZB 20.1178 - juris Rn 14 am Ende). So liegen die Dinge hier. |
|
| | ee) Wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wurden die Turbinen im Jahr 1969 eingebaut und waren damit auch im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung seit über 40 Jahren in Betrieb. Der Wirkungsgrad der Turbinen ist niedrig. Bei geringen Wassermengen ist ihr Betrieb problematisch. Das hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Es ergibt sich auch aus dem von der Klägerin eingeholten Kurzgutachten des Dr. .... Er beschreibt darin ausführlich, dass eine erhöhte Mindestwassermenge massive Auswirkungen auf die Stromproduktion der WKA hat, weil jede der beiden Turbinen überhaupt erst ab einer Wassermenge von 30 % der Menge, für die sie ausgelegt ist, genutzt werden kann, mit anderen Worten ca. 1 m³ Wasser pro Sekunde benötigt. Während dies bei hohen Abflussmengen in der Aitrach kein Problem ist, wirkt sich dieser Zusammenhang bei niedrigen Abflussmengen und einer hohen Mindestwassermenge sehr stark aus. Dies ist eine Folge der Qualität der Turbinen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, eine Kaplan-Turbine könne auch bei geringeren Wassermengen gut betrieben werden. Auch Dr. ... geht in seinem Gutachten hiervon aus, wenn er schreibt, die Anpassungsfähigkeit der Turbinen sei einfach reguliert, weshalb sich die Frage stelle, ob sie überhaupt noch standortgerecht eingesetzt werden könnten. Im Zweifelsfall müssten Turbinen und Generatoren mit erheblichen Kosten erneuert werden. Offensichtlich ist auch das Rohrleitungssystem ein Problem. Laut Dr. ... baut es mit zunehmender Wassermenge anwachsende Verluste im System auf. Dem könnte durch eine Vergrößerung des Durchmessers der Rohrleitungen entgegengewirkt werden. Zwar ist ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke und einer zunehmenden Wassermenge im Rohrleitungssystem zur Turbine nicht erkennbar, denn eine erhöhte Mindestwassermenge wirkt einer Zunahme der Wassermenge im Rohrleitungssystem entgegen. Die Ausführungen bestätigen aber doch, dass die WKA nicht auf dem aktuellen technischen Stand ist, Verbesserungen aber durchaus möglich sind. Möglicherweise ist indessen der geringe Wirkungsgrad auch mit dem Zustand des Rohrleitungssystems zu erklären. Dass die WKA auch mit einer moderneren Ausstattung nicht angemessen betrieben werden könnte, behauptet auch die Klägerin nicht. |
|
| | In der Sache geht es der Klägerin darum, einerseits keine neuen kostspieligen Investitionen zu tätigen, andererseits durch die Nutzung des alten Wasserrecht noch möglichst lange in dem bisherigen Umfang Strom produzieren zu können. Wie oben ausgeführt, ist das eigentumsrechtlich nicht geschützt. Das alte Wasserrecht wird der Klägerin nicht entzogen. |
|
| | ff) Zutreffend weist die Klägerin zwar daraufhin, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 WHG ein Grundsatz der Gewässerbewirtschaftung auch darin besteht, möglichen Folgen des Klimawandels vorzubeugen. Richtig ist auch, dass in diesem Zusammenhang die Notwendigkeiten zur Nutzung der Wasserkraft zu berücksichtigen sind (vgl. dazu auch BT-Drucks. 16/13306, S.2). Fehl geht indessen das Argument, die festgesetzte Mindestwassermenge sei rechtswidrig, weil sie die Belange des Klimaschutzes nicht angemessen berücksichtige. Gerade die Regelung in § 24 Abs. 4 WG verdeutlicht, dass die Wasserkraft effizient entsprechend dem Stand der Technik zu nutzen ist. |
|
| | Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch bereits seit über 10 Jahren bekannt sein musste, dass sie mit einschränkenden Regelungen des Betriebs ihrer WKA rechnen muss. Denn die Wasserrahmenrichtlinie, die zum Ziel hat, die ökologische Qualität der Gewässer zu verbessern, datiert vom Oktober 2000. |
|
| | Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, wie groß die Stromminderproduktion ist und inwieweit ein dadurch eintretender Verlust durch eine erhöhte Förderung nach dem EEG wieder ausgeglichen werden kann. |
|
| | 2. Die Anordnung unter Nr. I. 3 der Verfügung vom 30.11.2007 ist gleichfalls rechtmäßig. Danach ist der Mindestabfluss an der Wehranlage so abzugeben, dass die Lockströmung zum Einstieg in die Fischaufstiegsanlage gesichert ist. Sie muss 0,2 bis 0,3 m/s größer sein als die Strömung des Mutterbetts. |
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| | Die Klägerin macht geltend, diese Anordnung sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 VwVfG, weil sie nicht eindeutig erkennen könne, was von ihr gefordert werde. Damit kann sie aber nicht durchdringen. |
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| | a) Das Bestimmtheitsgebot des § 37 VwVfG verlangt zum einen, dass der Adressat in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden Rechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.05.2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254). Nach diesem Maßstab ist klar erkennbar, was von der Klägerin verlangt wird. Es muss eine Strömung zur Fischaufstiegsanlage führen, die um 0,2 bis 0,3 m/s schneller ist als die Strömung des Mutterbetts. Dass damit nur die Strömung in der näheren Umgebung der Fischaufstiegsanlage gemeint sein kann und nicht die an weiter entfernt liegenden Stellen der Ausleitungsstrecke, versteht sich von selbst. |
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| | b) Die Klägerin rügt gleichwohl, die Verfügung sei nicht hinreichend bestimmt. Ferner sei die Anordnung auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet und damit gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, weil es technisch unmöglich sei, die Wasserabgabe in die Ausleitungsstrecke so zu gestalten, dass unabhängig von der jeweils über die Aitrach insgesamt abfließenden Wassermenge die geforderte Lockströmung gegeben ist. Im Einzelnen stellt sich dies wie folgt dar: |
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| | aa) Verbindlich festgelegt ist, welche Mindestwassermenge die Klägerin in das Mutterbett der Aitrach abgeben muss. Die tatsächlich abgegebene Menge kann indessen deutlich darüber liegen. Fließt in der Aitrach mehr Wasser ab, als es der Summe aus Mindestwassermenge und Schluckvermögen der Turbinen entspricht, muss die überschießende Menge zusätzlich zur Mindestwassermenge in das Mutterbett abgegeben werden. Diese größere Wassermenge hat Einfluss darauf, ob und bei welchen technischen Gegebenheiten (Gestaltung der Fischaufstiegsanlage, Struktur des Gewässerbetts) sich die geforderte Lockströmung zur Fischaufstiegsanlage ausbildet. Aus Sicht der Klägerin ist die Verfügung nicht hinreichend bestimmt, weil nicht festgelegt wird, bei welchen Abflussverhältnissen in der Aitrach, sich die geforderte Lockströmung ausbilden muss. |
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| | bb) Mögliche Zweifel an der Bestimmtheit der Anordnung unter Nr. I. 3 und daran, ob sie auf eine aus technischen Gründen unmögliche Leistung gerichtet ist, können aber dahinstehen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt, die Fischaufstiegsanlage sei nach Maßgabe des Merkblatts DWA-M 509, Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare Bauwerke - Gestaltung, Bemessung, Qualitätssicherung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall zu konstruieren. Dort heißt es unter Punkt 4.3 (Betriebszeiten), es sei technisch kaum realisierbar, sämtliche geometrischen und hydraulischen Grenzwerte bei allen Abflüssen zwischen absolutem Hoch- und Niedrigwasser einzuhalten. Als praxistauglicher Kompromiss zwischen biologischer Notwendigkeit und technischer Machbarkeit könnten deshalb bei Anlagen zur Gewährleistung der stromaufwärts gerichteten Durchgängigkeit, jeweils an etwa 30 Tagen mit extrem hohem und niedrigem Abfluss Grenzwertüberschreitungen hingenommen werden. Entsprechend sei die Funktionsfähigkeit für Abflüsse zwischen Q 30 und Q 330, also für rund 300 Tage im Jahre zu gewährleisten. Die langjährigen Mittelwerte für Q 30 und Q 330 könnten für Pegelstandorte dem jeweiligen „Hydrologischen Jahrbuch“ entnommen werden. Unter Punkt 9.2.1 des Merkblatts heißt es zu „Qualitätssicherung“, „Bewertungsverfahren“ die Fischaufstiegsanlage entspreche dem Stand der Technik, wenn u.a. die allgemeinen Anforderungen zum Wanderkorridor und alle Anforderungen zur Auffindbarkeit für den Betriebszeitraum von Q 30 und Q 330 bei der Planung eingehalten und beim Betrieb nachgewiesen seien. |
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| | Die vom Beklagten zu Protokoll abgegebene Erklärung stellt klar, dass die Fischaufstiegsanlage entsprechend den Vorgaben des Merkblatts DWA-M 509 zu konstruieren ist (dazu näher unten). Ihr ist weiter zu entnehmen, dass die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlage und damit die geforderte Lockströmung nur unter den eben genannten im Merkblatt DWA-M 509 näher beschriebenen Voraussetzungen gegeben sein muss. Zweifel an der Bestimmtheit bzw. der technischen Umsetzbarkeit der getroffenen Anordnungen bestehen unter diesen Umständen nicht (mehr). |
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| | c) Die Anordnung weist auch keine Ermessensfehler auf. Sie ist insbesondere - auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nicht unverhältnismäßig. |
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| | Die Anordnung dient dazu, die Durchgängigkeit der Aitrach trotz des von der Klägerin betriebenen Wehrs zu gewährleisten. § 34 Abs. 1 WHG bestimmt für die Errichtung und den Betrieb von Stauanlagen, dass diese nur zugelassen werden dürfen, wenn durch geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird, soweit dies erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Die Anforderungen des § 34 Abs. 1 WHG an die Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer sind als zwingende Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer wasserrechtlichen Benutzungszulassung zur Errichtung oder wesentlichen Änderungen ausgestaltet. Sie können deshalb nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, insbesondere nicht auf Grund wirtschaftlicher Belange wie etwa der Rentabilität der Anlage oder Unwirtschaftlichkeit des Unternehmens reduziert werden (vgl. dazu Bay. VGH, Beschl. v. 05.09.2019 - 8 ZB 16.1851 - juris). Angesichts der Bedeutung der Durchgängigkeit für den ökologischen Zustand eines Gewässers kann auch bei alten Rechten nichts anderes gelten. Die Gewährleistung der Durchgängigkeit ist nicht von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängig. Nur ergänzend merkt der Senat an, dass die Klägerin auch nichts dazu vorgetragen hat, wieso die geforderte Maßnahme mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein sollen. Im Widerspruchsbescheid hat das Regierungspräsidium Tübingen ausgeführt, die von der Klägerin vorgelegten Kostenschätzungen seien nicht durch Angebote belegt und weit übersetzt. Dem hat die Klägerin nichts entgegengehalten. |
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| | 3. Zu Recht hat das Landratsamt unter I.4 der Verfügung vom 30.11.2007 angeordnet, die Strömungsverhältnisse im Bereich des Zusammenflusses des Mutterbetts mit dem Triebwerkkanal so zu verändern, dass für aufsteigende Fische eine Leitströmung ins Mutterbett (die Ausleitungsstrecke) entsteht, die um 0,2 bis 0,3 m/s größer ist als die im Auslauf des Triebwerkskanals. |
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| | Dass eine solche Leitströmung überhaupt erforderlich ist, um die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke i.S. des § 34 Abs. 1 WHG zu gewährleisten, weil die Fische stets dem durch die stärkste Strömung vorgegebenen Weg folgen und deshalb ohne eine solche Leitströmung in den alsbald undurchgängigen Triebwerkkanal schwimmen, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin sinngemäß geltend gemacht, bauliche Veränderungen seien nicht erforderlich, um die geforderte Leitströmung herzustellen. Es komme auf das Verhältnis der Abflussmengen in der Ausleitungsstrecke einerseits und im Triebwerkskanal andererseits zueinander an. Ein günstiges Verhältnis sei bereits bei den von der Klägerin freiwillig abgegebenen Mindestwassermengen gegeben. Bauliche Maßnahmen seien nicht erforderlich, um die geforderte Leitströmung herzustellen. |
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| | Mit diesem Vortrag verkennt die Klägerin den Inhalt der ihr gegenüber ergangenen Anordnung. Ihr wurde nur das Ziel vorgegeben, die geforderte Leitströmung ins Mutterbett herzustellen. Konkrete Vorgaben, wie dies zu geschehen hat, wurden ihr nicht gemacht. Falls die Klägerin durch die Abgabe einer ausreichend hohen Mindestwassermenge die geforderte Leitströmung herstellen kann, so ist sie der Anordnung nachgekommen. Wasserbauliche Maßnahmen muss sie dann nicht ergreifen. |
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| | Hinsichtlich der Ermessens gilt das bereits unter 2. Gesagte. |
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| | 4. Gegen die unter I. 5 getroffene Anordnung, Pläne zur Umsetzung der unter I. 1 bis 4 der streitigen Verfügung getroffenen Anordnungen innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der streitigen Verfügung der Unteren Wasserbehörde vorzulegen, hat die Klägerin keine rechtlichen Bedenken erhoben. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. |
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| | 5. Auch mit dem Hilfsantrag bleibt der Klage der Erfolg versagt. |
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| | Der Klägerin stehen gegenüber dem Beklagten keine Entschädigungsansprüche zu. Die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 20 Abs. 2 Satz 1 WHG liegen nicht vor. |
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| | Die gegenüber der Klägerin getroffenen Anordnungen stellen auch keine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226). Für solche Streitigkeiten ist zwar der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, greifen die getroffenen Anordnungen nicht so massiv in das Eigentumsgrundrecht ein, dass sie für sich genommen unzumutbar und rechtswidrig sind und nur ausnahmsweise gegen Entschädigung zugelassen werden können. Dass die angeordneten Mindestwassermengen das Altrecht inhaltlich vollständig aushöhlt und dadurch der Betrieb insgesamt ernsthaft gefährdet wird, ist nicht dargetan (vgl. dazu Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 - NuR 2016, 196, juris Rn. 131). |
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| | Die Berufung des Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat ebenfalls statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere hat der Beklagte die Berufung form- und fristgerecht sowie gegenüber dem richtigen Adressaten begründet (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 5 Satz 5, Abs. 6 und Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO). Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Anordnung unter I. 2 der Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11.11.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| | 1. Die Anordnung unter Punkt I.2 der Verfügung vom 30.11.2007 ist dahin auszulegen, dass die herzustellende Fischaufstiegsanlage für die Bachforelle, die Groppe, die Äsche, die Nase und die Barbe funktionsfähig sein, also von diesen Fischen zum Aufstieg nutzbar sein muss. Diese Fische werden im Tenor ausdrücklich genannt. In den Gründen der Verfügung wird hinsichtlich der Dimensionierung der Fischaufstiegsanlage allerdings auch auf die Anforderungen des Huchen abgestellt, die deutlich höher sind als die der anderen genannten Fischarten (vgl. Merkblatt DWA-M 509, Punkt 8.2.4.2, Tabelle 43, S. 240). Angesichts des klaren Wortlauts des Tenors, wo der Huchen nicht genannt ist, ist das jedoch nicht maßgeblich. Danach eventuell noch verbleibende Zweifel werden durch den Widerspruchsbescheid beseitigt. Gegenstand der Klage ist die Verfügung des Landratsamts vom 30.11.2007 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 11.11.2010 gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Im Widerspruchsbescheid wird der Huchen nicht mehr genannt. |
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| | Hinsichtlich des Typs der Fischaufstiegsanlage werden der Klägerin in der streitigen Verfügung keine bestimmten Vorgaben gemacht. Verlangt wird nur, dass die Fischaufstiegsanlage für die genannten Fische „funktionsfähig“ sein muss, diese Fische dort also aufsteigen können. |
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| | In den Gründen der Verfügung werden beispielhaft mehrere technische Möglichkeiten genannt (Blatt 11). Die Klägerin hat hier die freie Wahl. Auch wenn es wohl ohnehin selbstverständlich ist, dass eine funktionsfähige Fischaufstiegsanlage dem Stand der Technik entspricht, so hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung noch einmal klargestellt. Er hat zu Protokoll erklärt, dass die Fischaufstiegsanlage den Anforderungen des Merkblatts DWA-M 509 entsprechen muss, das den Stand der Technik repräsentiert. |
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| | 2. Die Dimensionierung der Fischaufstiegsanlage richtet sich nach den Anforderungen der diesbezüglich „anspruchvollsten“ Fischart aus. Das ist - wie sich aus dem Merkblatt DWA-M 509 (Punkt 8.2.4.2, Tabelle 43, S. 240) ergibt - die Äsche. Dass diese Fischart in der Aitrach auch im Bereich der Ausleitungsstrecke und oberhalb des Wehrs vorkommt und dort geeignete Lebensräume findet, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Die vorhandene Fischaufstiegsanlage genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin wendet dagegen ein, die sich aus dem Merkblatt DWA-M 509 ergebenden Maße stellten auf ausgewachsene und große Exemplare der jeweiligen Fischart ab. Diese machten stets nur einen kleinen Teil der jeweiligen Fischpopulation aus, weshalb vorliegend auch eine kleiner dimensionierte Fischtreppe ausreichen würde. Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie läuft darauf hinaus, das Lebensraumangebot in der Aitrach für die jeweiligen Fischarten schon im Ansatz auf kleinere und jüngere Exemplare zu beschränken. § 34 WHG verlangt jedoch die Durchgängigkeit der Gewässer auch an Stauanlagen zu erhalten bzw. hier wiederherzustellen, soweit dies erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Dem Verschlechterungsverbot aus § 27 WHG würde mit der beschriebenen Verringerung des Lebensraumangebots indessen nicht genügt. Eine Verschlechterung eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i WRRL liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 – C-461/13 – juris). Zu den biologischen Komponenten (vgl. Nr. 1.1.1 Anhang V zur Wasserrahmenrichtlinie) zählen u.a. die Zusammensetzung, Abundanz und Altersstruktur der Fischfauna. Unter welchen Voraussetzungen von einem sehr guten, guten, mäßigen oder unbefriedigenden bzw. schlechten Zustand der biologischen, morphologischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten in Flüssen auszugehen ist, wird unter Nr. 1.2.1 des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie näher beschrieben. U.a einer von anthropogenen Störungen unbeeinträchtigten Altersstruktur der Fischfauna kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Damit wäre von einer Verschlechterung der biologischen Qualitätskomponente auszugehen, wenn nicht mehr Fische aller Altersklassen einen geeigneten Lebensraum finden könnten. |
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| | 3. Die Klägerin kann der Anordnung unter Punkt I.2 der Verfügung vom 30.11.2007 auch nicht entgegenhalten, sie habe darauf vertraut, dass bezüglich der Fischaufstiegsanlage keine weiteren Anordnungen getroffen würden, nachdem sie die Verfügung vom 04.07.2006 umgesetzt und das Landratsamt daraufhin diese Verfügung wieder aufgehoben habe. Der entsprechenden Bewertung des Verwaltungsgerichts vermag sich der Senat nicht anzuschließen. |
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| | a) Die Verfügung vom 04.07.2006 über die Sanierung der Wehranlage stünde der unter Punkt I.2 getroffenen Anordnung entgegen, wenn ihr eine Regelungswirkung dahin beizumessen wäre, dass von der Klägerin nur die darin genannten Maßnahmen gefordert, weitergehende Anforderungen dagegen nicht gestellt werden. Die Verfügung vom 04.07.2006 wäre dann insoweit ein begünstigender Verwaltungsakt. Voraussetzung dafür ist, dass im Verwaltungsakt ausdrücklich oder konkludent verbindlich geregelt wird oder der Bürger den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben jedenfalls so verstehen darf, dass die Behörde auf andersartige oder weitergehende Maßnahmen verzichten werde (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 19. Aufl., 2018, Rn. 69 zu § 48). Das ist hier nicht der Fall. |
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| | b) Die Verfügung vom 04.07.2006 ist vor dem Hintergrund ergangen, dass nach der wasserrechtlichen Verleihungs- und Genehmigungs-Urkunde vom 24.05.1910 die Fischwege vom jeweiligen Besitzer stets gut brauchbar zu reinigen und zu unterhalten sind. Mit der Verfügung vom 04.07.2006 soll durchgesetzt werden, dass die Klägerin die bereits im Jahr 1910 gemachten Vorgaben einhält. Eine Aussage dazu, dass auch gestützt auf §§ 5 Abs. 2 und 1 Satz 1 Nr. 1 a, 4 Abs. 2 Nr. 2 a WHG a.F keine weitergehenden Anordnungen mehr getroffen werden sollen, um auf die Gewässerbenutzung zurückzuführende ökologische Beeinträchtigungen der Aitrach (eingeschränkte Durchgängigkeit des Wehrs) zu beseitigen, ist der Verfügung vom 04.07.2006 dagegen nicht zu entnehmen. |
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| | c) Daraus, dass die Klägerin die Verfügung vom 04.07.2006 umgesetzt hat, kann sie keinen Vertrauensschutz ableiten. Diese Verfügung war - abgesehen von der Gebührenfestsetzung - bestandskräftig. Denn die Klägerin hat mit Schreiben vom 11.07.2006 nicht gegen die Verfügung vom 04.07.2006 als solche Widerspruch eingelegt, sondern nur gegen die darin enthaltene Gebührenfestsetzung. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, es habe kein Anlass bestanden, eine kostenpflichtige Anordnung zu erlassen, nachdem sie lediglich um die Verlängerung der Frist zur Umsetzung dieser Maßnahmen gebeten habe. Dass bestandskräftige Verfügungen befolgt werden, ist eine Selbstverständlichkeit; Vertrauensschutz kann daraus nicht abgeleitet werden. |
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| | Die Klägerin macht geltend, sie habe die Fischtreppe sogar um zwei Becken erweitert. Auch damit hat sie indessen nur der Vorgabe aus der Genehmigung aus dem Jahre 1910 entsprochen. Die zwei Becken waren zur Unterhaltung der Fischtreppe erforderlich, weil sich eine Auskolkung gebildet hatte, wie sich aus den Angaben des Sachverständigen Dußling in der mündlichen Verhandlung ergibt. |
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| | d) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, sie habe auch alle Anordnungen aus dem Schreiben des Landratsamts vom 20.03.2007 erfüllt. Das Landratsamt bemängelt mit diesem Schreiben die mangelhafte Umsetzung der Verfügung vom 04.07.2006. Schon der Zusammenhang mit der Verfügung vom 04.07.2006 verdeutlicht, dass es nur darum geht, die Einhaltung des schon in der Verleihungs- und Genehmigungs-Urkunde aus dem Jahre 1910 geforderten Standards durchzusetzen. |
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| | e) Vertrauensschutz kann die Klägerin schließlich auch nicht daraus ableiten, dass das Landratsamt mit Bescheid vom 14.06.2007 die Anordnung vom 04.07.2006 „zurückgenommen“ hat. Entgegen der insoweit missverständlichen Formulierung bezweckte die Rücknahme nur die Aufhebung der Gebührenfestsetzung in der Verfügung vom 04.07.2006, denn - wie ausgeführt - hat die Klägerin auch nur dagegen Widerspruch eingelegt. Dass der Beklagte von den inhaltlichen Regelungen der Anordnung vom 04.07.2006 Abstand nehmen wollte, ist nicht erkennbar. Auch ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin hier - als Voraussetzung für Vertrauensschutz - überhaupt eine Vertrauensinvestition getätigt haben will. |
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| | Da die Anordnung unter Punkt I.2 der Wiederherstellung der Durchgängigkeit dient, kann sich die Klägerin demgegenüber nicht auf eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen (dazu bereits oben). |
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