Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 89/22

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin wird § 17 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 15. September 2021 in der Fassung der Achten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 11. Januar 2022 vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit die Vorschrift Geltung für die Alarmstufe II im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO beansprucht.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 17 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 15.09.2021 in der Fassung der Achten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 11.01.2022, die seit dem 12.01.2022 gilt.
§ 17 Abs. 1 CoronaVO lautet in der derzeit geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 11.01.2021:
„§ 17 
Handels- und Dienstleistungsbetriebe
        
(1) Der Betrieb des Einzelhandels, von Ladengeschäften und von Märkten, die ausschließlich dem Warenverkauf an Endverbraucher dienen, ist
1. in der Basis- und Warnstufe zulässig,
2. in der Alarmstufe zulässig, wobei nicht-immunisierten Personen der Zutritt nur nach Vorlage eines Antigen- oder PCR-Testnachweises gestattet ist,
3. in der Alarmstufe II zulässig, wobei nicht-immunisierten Personen der Zutritt nicht gestattet ist.
Ausgenommen von den Beschränkungen von Satz 1 Nummern 2 und 3 sind Geschäfte und Märkte, die der Grundversorgung dienen. Abholangebote und Lieferdienste einschließlich solcher des Online-Handels sind ohne Einschränkung zulässig. Zur Grundversorgung zählen
1. der Lebensmitteleinzelhandel, einschließlich Wochenmärkte, Getränkehandel, Direktvermarkter, Metzgereien, Bäckereien, Konditoreien und Ausgabestellen der Tafeln,
2. Apotheken, Reformhäuser, Drogerien, Sanitätshäuser, Orthopädieschuhtechniker, Hörgeräteakustiker, Optiker, Babyfachmärkte,
3. Tankstellen,
4. Reise- und Kundenzentren des öffentlichen Personenverkehrs,
5. der Zeitungs- und Zeitschriftenverkauf, Poststellen, Paketdienste, Banken und Sparkassen,
6. Reinigungen und Waschsalons,
7. Bau- und Raiffeisenmärkte, Blumengeschäfte, Gärtnereien, Gartenmärkte, Baumschulen sowie Verkaufsstätten für Futtermittel und Tierbedarf.“
Die Vorschrift des § 1 Abs. 2, 3 CoronaVO lautet:
§ 1     
Ziel, Stufen, Verfahren
…       
(2) Es gelten folgende Stufen:
1. die Basisstufe liegt vor, wenn landesweit die Zahlen der Nummern 2, 3 und 4 nicht erreicht oder überschritten werden;
2. die Warnstufe liegt vor, wenn landesweit die stationären Neuaufnahmen mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz) die Zahl von 1,5 erreicht oder überschreitet oder wenn landesweit die Auslastung der Intensivbetten (AIB) mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten die Zahl von 250 erreicht oder überschreitet;
3. die Alarmstufe liegt vor, wenn landesweit die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz die Zahl von 3 erreicht oder überschreitet oder wenn landesweit die Auslastung der Intensivbetten (AIB) mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten die Zahl von 390 erreicht oder überschreitet;
4. die Alarmstufe II liegt vor, wenn landesweit die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz die Zahl von 6 erreicht oder überschreitet oder wenn landesweit die Auslastung der Intensivbetten (AIB) mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten die Zahl von 450 erreicht oder überschreitet.
Abweichend von Satz 1 findet unabhängig von der Höhe der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz beziehungsweise der landesweiten Auslastung der Intensivbetten (AIB) die Alarmstufe II bis einschließlich 1. Februar 2022 Anwendung. Die Landesregierung behält sich vor, bei besonders hohem Infektionsgeschehen, spätestens wenn die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz die Zahl von 9 erreicht oder überschreitet, weitergehende Maßnahmen zu ergreifen.
        
(3) Das Landesgesundheitsamt macht den Eintritt der jeweiligen Stufe durch Veröffentlichung im Internet bekannt; hierfür sind die vom Landesgesundheitsamt veröffentlichten Zahlen maßgeblich. Für das Eintreten der jeweiligen Stufe ist erforderlich, dass eine für eine Stufe maßgebliche Zahl an zwei aufeinanderfolgenden Tagen erreicht oder überschritten wurde. Die nächstniedrigere Stufe tritt ein, wenn die für eine Stufe maßgebliche Zahl an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unterschritten wurde. Die in der Verordnung geregelten Maßnahmen der jeweiligen Stufe gelten ab dem Tag nach der Bekanntmachung.“
Die Antragstellerin unterhält nach ihrem Vorbringen als Einzelkauffrau in xxx-xxxx ein überwiegend auf Schreibwaren und Schul- sowie Bürobedarf spezialisiertes Schreibwarenunternehmen, das im Umkreis von ca. 15 km das einzige Fachgeschäft sei. Annähernd alle Schüler und/oder Eltern aus zwei Grundschulen und einer Realschule sowie zahlreiche Bürobetriebe konsultierten geradezu ausschließlich die Antragstellerin. Im Zuge der 2G-Beschränkungen suchten nicht, wie üblich, annähernd alle Eltern von lokalen Zweitklässlern mit ihren Kindern das Geschäft der Antragstellerin auf, sondern exakt fünf. Bei den Übrigen müsse angenommen werden, dass „ins Blaue hinein“ online Füller bestellt würden. Aber auch die Älteren und lokale Bürobetriebe seien auf die Unternehmung der Antragstellerin angewiesen. Sie verzeichne einen 2G-bedingten Kundenrückgang von 80 %.
Die Antragstellerin bringt vor: Jenseits des Lebensmittelmarktes habe alles unter 2G mit, oder alles unter 2G ohne (Kontroll-)Pflicht zu stehen. Andernfalls sei eine willkürliche Ungleichbehandlung gegeben. Dementsprechend habe rechtssetzungsdogmatisch deutlich vorteilhaft etwa der bayerische Gesetzgeber auf die Formulierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Deckung des täglichen Bedarfs“ gesetzt. Es sei gleichheitsrechtlich zu beanstanden, wenn der Einzelhandel deutlich näher der Grundversorgung im engeren Sinne bereits geschlossen werde, während der völlig unwichtige und für die Grundversorgung überhaupt nicht relevante Schnittblumenhandel geöffnet bleibe. Eine Sukzessivverschärfung der 2G-Anordnung im Einzelhandel könne nur dann als gleichheitsrechtlich rechtmäßig in Betracht gezogen werden, wenn sowohl die Auswahl der jeweils angeblichen „Noch-Grundversorger“ jenseits des neuralgischen Lebensmittelhandels i.S.d. Corona-Verordnung in Ansehung gerade der steigenden Fallzahlen und damit potenziell ordnungsgemäßer Ermessensausübung getroffen worden sei als auch die jeweils getroffene Auswahl der jeweils angeblichen „Noch-Grundversorger“ für sich genommen gleichheitsrechtlich rechtmäßig sei. Der Antragsgegner habe sich zu einer abschließenden Positivliste des der Grundversorgung dienenden Einzelhandels hinreißen lassen. Eine tragfähige Begründung hierfür gebe er nicht. Tatsächlich finde sich in der Begründung kein Wort dazu, warum und welche Einschränkungen überhaupt erforderlich, geeignet, geschweige denn angemessen oder verhältnismäßig im engeren Sinne seien. Insbesondere finde sich kein Wort dazu, warum Bau- und Raiffeisenmärkte, Blumengeschäfte, Gärtnereien, Gartenmärkte und Baumschulen als Geschäfte zur Deckung des Grundbedarfs gelten sollten. Hingegen sei der Schreibwaren- bzw. präziser Familienwarenhändler Zentrum des täglichen Familienbedarfs, um in Zeiten der umfassenden Kontaktbeschränkungen auch und gerade für Kinder einen auskömmlichen Alltag und Bildungsweg zu gestalten. Daher sei die angegriffene Bestimmung aufgrund Verstoßes gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtswidrig. Der Antragsgegner könne sich auch nicht darauf zurückziehen, er habe darauf vertrauen dürfen, dass etwaige Beschlussfassungen der Ministerpräsidentenkonferenzen tragfähig seien. Schreibwarengeschäfte und der Blumenfachhandel, Baumärkte, Gartenmärkte und der Verkauf in Baumschulen seien nicht wesentlich so verschieden, dass lediglich eine Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichen stattfinde. Die angegriffene Vorschrift sei auch unverhältnismäßig. Eine Angemessenheit der zwangsweisen „2G“-Regelung wäre nur dann jedenfalls denkbar gegeben, wenn die ausgenommenen Einzelhandelsbereiche auch und tatsächlich beschränkt auf Einzelhandelsbetriebe der Grundversorgung erfolgten. Aufgrund der Breite des Internetmarktes sei die Ausnahme jedes nicht überlebensnotwendigen Einzelhandels nicht unterscheidungskräftig begründbar und deshalb rechtswidrig. Zudem verstoße die Vorschrift gegen § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Bei der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO handele es sich um eine vorübergehend zur Anwendung kommende Ausnahmeregelung, mit der der Verordnungsgeber auf das aktuelle Infektionsgeschehen und den derzeit nur beschränkten wissenschaftlichen Erkenntnisstand reagiere. Eine Neubewertung und Überarbeitung der Verordnung werde im Übrigen sehr zeitnah, nämlich im Nachgang zu der Videoschaltkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs vom 24.01.2022 stattfinden. Die 2G-Regelung des § 17 Abs. 1 CoronaVO lasse sich auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen. Diese finde sich in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG. Die Regelung des § 17 Abs. 1 CoronaVO begegnet auch hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken und verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 25.01.2022 mitgeteilt, er beabsichtigte, § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO mit einer Änderungsverordnung, die am 27.01.2022 in Kraft treten solle, aufzuheben. Sollte die Antragstellerin ihren Antrag nach Inkrafttreten der Änderungsverordnung für erledigt erklären, wäre der Antragsgegner bereit, die Kosten des Verfahrens zu übernehmen. Die Antragstellerin hat mitgeteilt, dass sie keine Erledigungserklärung abgeben werde.
10 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
11 
Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung mit drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Die Besetzungsregelung in § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.12.2008 - GRS 1/08 - ESVGH 59, 154).
12 
Der Antrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO hat zum Teil Erfolg. Er ist teilweise unzulässig (1.). Soweit er zulässig ist, ist er teilweise begründet (2.).
13 
1. Der Antrag ist nur zum Teil zulässig.
14 
Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. zu dieser Voraussetzung Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 47 Rn. 387) und die gesonderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nur teilweise vor.
15 
a) Der Antrag ist statthaft. Das folgt aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen - wie hier - der Landesregierung.
16 
b) Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt.
17 
c) Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische Person, die geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (ausf. dazu Senat, Urt. v. 29.04.2014 - 1 S 1458/12 - VBlBW 2014, 462 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Es ist nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin durch die angefochtene Verordnungsvorschrift in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist.
18 
d) Für den Antrag liegt aber nur teilweise ein Rechtsschutzbedürfnis vor.
19 
Einen Normenkontrollantrag und damit auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO kann nur in zulässiger Weise stellen, wer ein irgendwie geartetes Interesse an der Unwirksamerklärung bzw. hier Außervollzugsetzung der Norm, geltend machen kann. Das Rechtsschutzinteresse fehlt immer dann, wenn durch die Unwirksamerklärung der Norm die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessert werden kann und die Inanspruchnahme des Gerichts daher für ihn nutzlos ist. Besondere Maßstäbe gelten, wenn der Kläger oder Antragsteller vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Denn die Verwaltungsgerichtsordnung ist auf die Gewährung von nachträglichem Rechtsschutz zugeschnitten, weil effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 VwGO) grundsätzlich ausreichend durch nachträglichen - ggf. auch einstweiligen - Rechtsschutz gewährt werden kann und ein nachträglicher Rechtsschutz dem verfassungsrechtlich normierten Grundsatz der Gewaltenteilung besser Rechnung trägt, weil vorbeugender Rechtsschutz den im gesetzlichen Rahmen bestehenden Handlungsspielraum der Exekutive in der Regel stärker beschneidet. Insbesondere ein vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz kommt deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht (BVerwG, Beschl. v. 25.04.2007 - 9 VR 4.07 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 28). Hierfür muss ein spezielles, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse bestehen. Daran fehlt es, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und er auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.05.1987 - 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207; Senat, Urt. v. 13.05.1991 - 1 S 944/91 - VBlBW 1991, 429). Ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz kann zudem insbesondere dann nicht anerkannt werden, solange sich noch nicht mit dafür erforderlicher Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden (BVerwG, Beschl. v. 30.09.1981 - 3 B 39.81 - juris; vgl. Senat, Beschl. v. 12.10.2021 - 1 S 3038/21 - und v. 08.02.2021 - 1 S 3952/20 - juris).
20 
An diesen Maßstäben gemessen, fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis teilweise.
21 
Der von ihr angefochtene § 17 Abs. 1 CoronaVO trifft Regelungen zum einen für die (schwellenwertabhängige) Alarmstufe II im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaVO, die Alarmstufe im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 CoronaVO, die Warnstufe im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 CoronaVO und die Basisstufe im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 CoronaVO und zum anderen für die (nicht schwellenwertabhängige) Alarmstufe II im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Regelungen für die Warnstufe im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 CoronaVO und die Basisstufe im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 CoronaV wendet, besteht hierfür im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Senatsentscheidung kein Rechtsschutzbedürfnis.
22 
Die Regelungen der Basisstufe und der Warnstufe sind aktuell nicht anwendbar. Denn die dafür maßgeblichen Schwellenwerte sind (seit geraumer Zeit) nicht mehr erreicht. Die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz liegt gegenwärtig bei 5,0 und steigt derzeit erheblich an, der AIB-Wert bei 293 (vgl. Landesgesundheitsamt, Tagesbericht COVID-19 vom 24.01.2022, abrufbar unter www.gesundheitsamt-bw.de, zuletzt abgerufen am 24.01.2022). Es ist nicht erkennbar, dass die Schwellenwerte für die Warnstufe und die Basisstufe innerhalb der überschaubaren Geltungsdauer der Corona-Verordnung, die (spätestens) am 09.02.2022 außer Kraft tritt, wieder unterschritten werden. Die Antragstellerin begehrt damit insoweit vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit eines solchen Begehrens hat sie nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
23 
Im Übrigen liegt ein Rechtsschutzbedürfnis vor. Soweit sich die Antragstellerin gegen § 17 Abs. 1 CoronaVO in Bezug auf die schwellenwertunabhängige Alarmstufe II im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO wendet, folgt dies daraus, dass diese derzeit gilt. In Bezug auf die Alarmstufe im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 CoronaVO liegt ein Rechtsschutzbedürfnis vor, da diese gelten würde, wenn § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO nicht bestünde. Auch für die schwellenwertabhängige Alarmstufe II besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, da es aufgrund des derzeitigen Ansteigens der 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz möglich ist, dass der Schwellenwert hierzu alsbald erreicht wird.
24 
2. Soweit der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zulässig ist, ist er teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
25 
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381; Beschl. v. 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N.; Beschl. v. 13.03.2017 - 6 S 309/17 - juris). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.1998 - 4 VR 2.98 - NVwZ 1998, 1065).
26 
An diesen Maßstäben gemessen, ist der gemäß § 47 Abs. 6 VwGO gestellte Antrag der Antragstellerin im Umfang seiner Zulässigkeit begründet, soweit er sich gegen § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO richtet (a); im Übrigen ist er unbegründet (b).
27 
a) Ein Normenkontrollantrag § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO hätte in einem Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach Erfolg (aa). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist insoweit auch im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (bb).
28 
aa) Ein Normenkontrollantrag gegen § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO hätte voraussichtlich Erfolg. Soweit § 17 Abs. 1 CoronaVO für die inzidenzunabhängige Alarmstufe II im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO Geltung beansprucht, ist die Vorschrift voraussichtlich rechtswidrig. Eine Vorschrift, die, wie hier, ausdrücklich „unabhängig“ von der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz weitreichende Zugangsbeschränkungen für nicht-immunisierte Personen normiert, steht mit den einfachgesetzlichen Vorgaben aus § 28a Abs. 3 IfSG nicht in Einklang.
29 
§ 28a Abs. 3 IfSG unterscheidet zwischen „Maßnahmen zum präventiven Infektionsschutz“ (Satz 2) und „weitergehenden Schutzmaßnahmen“ (Satz 3 ff.). Satz 2 bestimmt, dass zum „präventiven Infektionsschutz“ insbesondere die Schutzmaßnahmen nach Abs. 1 Nr. 1, 2, 2a, 4 und 17 ergriffen werden können. Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass „nach Satz 2 niederschwellige Schutzmaßnahmen“ ergriffen werden können (BT-Drs. 19/32275, S. 28; vgl. auch Johann/Gabriel, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, 9. Ed., § 28a Rn. 41), die sich an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen müssen (vgl. auch dazu BT-Drs. 19/32275, S. 28). Für im Vergleich dazu „weitergehende Schutzmaßnahmen“ hat der Gesetzgeber die besonderen Anforderungen der Sätze 3 ff. des § 28a IfSG normiert.
30 
Die im vorliegenden Verfahren angefochtene Vorschrift des § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO fällt in den Anwendungsbereich von § 28a Abs. 3 Satz 3 ff. IfSG. Eine Vorschrift, die nicht-immunisierte Personen durch eine sog. 2G-Regelung vom Zutritt zum Einzelhandel, der nicht der Grundversorgung dient, ausschließt, begründet einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Berufsausübung der betroffenen Einzelhandelsbetriebe aus Art. 12 Abs. 1 GG und in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit nicht-immunisierter Verbraucher aus Art. 2 Abs. 1 GG. Sie stellt daher keine „niederschwellige“ Maßnahme im Sinne von Satz 2 dar. Es handelt sich vielmehr um eine „weitergehende“ Schutzmaßnahme im Sinne von Satz 3 (vgl. bereits Senat, Beschl. v. 11.01.2022 - 1 S 3781/21 - juris). Die Vorschrift muss sich daher an den Anforderungen von Satz 3 bis 8 messen lassen.
31 
Der Einordnung als „weitergehende Schutzmaßnahme“ im Sinne von Satz 3 - und nicht lediglich als „Maßnahme zum präventiven Infektionsschutz“ im Sinne von Satz 2 - steht auch nicht entgegen, dass der Bundesgesetzgeber durch den Verweis in Satz 2 auf Absatz 1 Nr. 2a zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Maßnahme „Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises“ als „niederschwellig“ eingeordnet hat. Denn dieser Verweis bezieht sich lediglich auf die Pflicht zur Nachweisvorlage, nicht aber auf die davon zu unterscheidende, wesentlich eingriffsintensivere Maßnahme „an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs“, die auch der Bundesgesetzgeber differenziert betrachtet und der er offensichtlich ein schwerwiegenderes Gewicht beigemessen hat (arg. e § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG; s. ausf. dazu Senat, Beschl. v. 11.01.2022 - 1 S 3805/21 -, juris).
32 
Die im vorliegenden Verfahren angefochtene Verordnungsbestimmung aus § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO VO muss sich daher an den Anforderungen von § 28a Abs. 3 Satz 3 bis 8 IfSG messen lassen. Diesen Anforderungen wird sie nicht in jeder Hinsicht gerecht.
33 
In § 28a Abs. 3 Satz 3 bis 8 IfSG hat der Bundesgesetzgeber bestimmt (Hervorhebung nur hier):
34 
3Weitergehende Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen regionalen und überregionalen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden. 4Wesentlicher Maßstab für die weitergehenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in ein Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. 5Weitere Indikatoren wie die unter infektionsepidemiologischen Aspekten differenzierte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten und die Anzahl der gegen die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) geimpften Personen sollen bei der Bewertung des Infektionsgeschehens berücksichtigt werden. 6Die Landesregierungen können im Rahmen der Festlegung der Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung der jeweiligen stationären Versorgungskapazitäten in einer Rechtsverordnung nach § 32 Schwellenwerte für die Indikatoren nach den Sätzen 4 und 5 festsetzen; entsprechend können die Schutzmaßnahmen innerhalb eines Landes regional differenziert werden. 7Das Robert Koch-Institut veröffentlicht im Internet unter https://www.rki.de/covid-19-trends werktäglich nach Altersgruppen differenzierte und mindestens auf einzelne Länder und auf das Bundesgebiet bezogene Daten zu Indikatoren nach den Sätzen 4 und 5. 8Die Länder können die Indikatoren nach den Sätzen 4 und 5 landesweit oder regional differenziert auch statt bezogen auf 100 000 Einwohner bezogen auf das Land oder die jeweilige Region als Maßstab verwenden.“
35 
Aus den vorstehenden Vorschriften folgt zum einen, dass die darin als Maßstab genannten Indikatoren bei dem Erlass von verordnungsrechtlichen Maßnahmen vom Verordnungsgeber - die sog. Sieben-Tage-Hospitalisisierungsinzidenz dabei „wesentlich“ (vgl. Satz 4) - inhaltlich berücksichtigt werden müssen. In dem Verordnungstext selbst können die Indikatoren in der Gestalt eines Stufensystems zum Ausdruck kommen (vgl. Satz 6: „Festlegung von Schwellenwerten“). Zwingend erforderlich ist die ausdrückliche Normierung eines solchen Systems in einer Verordnung aber nicht (vgl. Satz 6: „können“), solange die vom Gesetzgeber vorgegebenen Indikatoren vom Verordnungsgeber in der Sache erwogen wurden und inhaltlich tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben, was in der erforderlichen Verordnungsbegründung (vgl. § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG) erkennbar sein muss.
36 
Hiervon ausgehend, genügt § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO den Anforderungen des § 28a Abs. 3 IfSG nicht. Die Begründung der Achten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 11.01.2022 lässt zwar erkennen, dass sich der Verordnungsgeber mit der aktuellen Hospitalisierungsinzidenz befasst hat (vgl. S. 1, 7 f. der Begründung der Änderungsverordnung der Landesregierung, beide abrufbar unter www.baden-wuerttemberg.de). Mit den Vorgaben des Bundesgesetzgebers in § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG nicht zu vereinbaren ist allerdings, dass die angefochtene Verordnungsbestimmungen die von ihr angeordneten Maßnahmen erklärtermaßen von der sog. Sieben-Tage-Hospitalisisierungsinzidenz abkoppeln, wie dies im Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO ausdrücklich vorgesehen ist.
37 
§ 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG gibt, wie gezeigt, vor (Hervorhebung nur hier):
38 
Wesentlicher Maßstab für die weitergehenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in ein Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen.“
39 
Mit dieser Vorgabe ist der angefochtene § 17 Abs. 1 CoronaVO i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO nicht vereinbar. Denn diese Vorschrift bestimmt für den Zeitraum bis zum 01.02.2022, wie gezeigt, ausdrücklich (Hervorhebung nur hier):
40 
„Abweichend von Satz 1 findet unabhängig von der Höhe der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz beziehungsweise der landesweiten Auslastung der Intensivbetten (AIB) die Alarmstufe II bis einschließlich 1. Februar 2022 Anwendung.“
41 
Eine Verordnungsregelung, die erklärtermaßen „unabhängig“ von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz Geltung beansprucht, sich also von der Entwicklung dieser Inzidenz abkoppelt und damit keine Relation zwischen den im Rahmen von § 28a IfSG verfolgbaren Zielen und dafür gesetzlich vorgegebenen Maßstäben herstellt, ist mit der Vorgabe in § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG, dass diese Inzidenz der wesentliche Maßstab „ist“, nicht mehr in Einklang zu bringen (zum Ganzen bereits Senat, Beschl. v. 20.01.2022 - 1 S 3846/21 -).
42 
bb) Soweit der Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg hätte (vgl. oben aa)), ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten.
43 
Bereits aufgrund der insoweit bestehenden überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache besteht ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von dem Antragsgegner vorgetragenen gegenläufigen Interessen. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die angefochtene Regelung sie in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG erheblich trifft. Dieser Belang überwiegt die gegenläufigen Interessen des Antragsgegners. Dessen Interessen sind zwar von sehr hohem Gewicht. Denn die infektionsschutzrechtlichen Regelungen dienen dem Schutz von Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Hieraus folgt aber nicht, dass die Antragstellerin einen Verstoß gegen ihre Grundrechte durch eine voraussichtlich rechtswidrige Regelung bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens hinnehmen müsste.
44 
b) Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Ein Normenkontrollantrag gegen die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz Nr. 2 CoronaVO zur Alarmstufe i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 CoronaVO und zur Alarmstufe II i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaVO hätte voraussichtlich keinen Erfolg (aa). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht nach § 47 Abs. 6 VwGO geboten (bb).
45 
aa) Ein Normenkontrollantrag gegen die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz Nr. 2 CoronaVO zur Alarmstufe i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 CoronaVO und zur Alarmstufe II i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaVO hätte voraussichtlich keinen Erfolg. Die Vorschrift beruht voraussichtlich auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
46 
An einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG fehlt es voraussichtlich. Hierzu hat der Senat im Beschluss vom 13.01.2021 - 1 S 3781/21 - juris u.a. ausgeführt:
47 
„Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich nicht vor. Die in der angefochtenen Vorschrift vorgenommene Differenzierung in Bezug auf Handelsbetriebe, die der Grundversorgung dienen und daher gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 und 4 CoronaVO ohne Nachweispflichten zugänglich sind, und solchen Betrieben – wie die der Antragstellerin –, die nicht zur Grundversorgung gezählt werden, begegnet aller Voraussicht nach keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken.
48 
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.07.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. - BVerfGE 98, 365, 385; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68 f.; Urt. v. 19.02.2013 - 1 BvL 1/11 u.a. - BVerfGE 133, 59, 86). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen für jeden Regelungsbereich in gleicher Weise geltenden Maßstab. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, Beschl. v. 21.07.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. - BVerfGE 126, 400, 416; Beschl. v. 18.07.2012 - 1 BvL 16/11 - BVerfGE 132, 179, 188).
49 
Der jeweils aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend. Jedoch ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger. Ein solcher besteht von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen (Art. 80 Abs. 1 GG). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden. In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (BVerfG, Beschl. v. 23.07.1963 - 1 BvR 265/62 - BVerfGE 16, 332, 338 f.; Beschl. v. 12.10.1976 - 1 BvR 197/73 - BVerfGE 42, 374, 387 f.; Beschl. v. 23.06.1981 - 2 BvR 1067/80 - BVerfGE 58, 68, 79; Beschl. v. 26.02.1985 - 2 BvL 17/83 - BVerfGE 69, 150, 160; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Abs. 1 GG Rn. 73). Der Verordnungsgeber soll das Gesetz konkretisieren und „zu Ende denken“, weiter gehen seine Befugnisse jedoch nicht. Er muss daher den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind. Gesetzlich vorgegebene Ziele darf er weder ignorieren noch korrigieren (Nierhaus, in: BK, Art. 80 Abs. 1 GG Rn. 330, 336 [Stand: November 1998]).
50 
Infektionsschutzrechtlich begründete Maßnahmen haben sich mithin an den Zwecken der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28a IfSG auszurichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornehmen. § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG bestimmt, dass bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. Gemäß § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG können einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist.
51 
Gemessen hieran liegt in der Grundentscheidung des Antragsgegners, Einzelhandelsbetriebe und Märkte, die der Grundversorgung dienen, keinen Zutrittsbeschränkungen zu unterwerfen, voraussichtlich keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes in Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Privilegierung des den Grundbedürfnissen der Bevölkerung dienenden Einzelhandels, der für das tägliche Leben nicht verzichtbare Produkte verkauft, ist - wie vom Senat mehrfach entschieden - durch gewichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt (vgl. Beschlüsse vom 18.02.2021 - 1 S 298/21 - juris Rn. 106 ff.; v. 11.05.21 - 1 S 1048/21 -; v. 11.05.2021 - 1 S 1262/21 -).
52 
Bei der abschließenden Aufzählung der Handelsbetriebe, die der Grundversorgung dienen, hat der Verordnungsgeber sachliche Gründe – nämlich ihre besondere Bedeutung für die Gesellschaft sowie ein kurzfristig anfallender und dringend zu deckender Bedarf – gewählt. Die in § 17 Abs. 1 Satz 4 CoronaVO genannten Betriebe befriedigen Grundbedürfnisse, die der Verordnungsgeber in grundsätzlich zulässiger typisierender Weise (vgl. Senat, Beschl. v. 18.05.2020 - 1 S 1386/20 - sowie Beschl. v. 08.01.2021 - 1 S 4272/21 -) mit den Ausnahmeregelungen erfasst hat. Wenn der Verordnungsgeber hiervon Schuhe ausnimmt, handelt er nicht willkürlich, sondern behandelt sie gleich mit der Gruppe der Einzelhandelsbetriebe, die gemäß seiner abschließenden typisierenden Aufzählung gerade keine Grundbedürfnisse abdecken, deren Befriedigung nicht in derselben Häufigkeit erforderlich ist und bei denen Neuanschaffungen für einen gewissen Zeitraum zurückgestellt werden können.
53 
Dass Schuhe für die Bevölkerung zur Grundversorgung gehören und dieser Bedarf nur durch den unbeschränkten Zugang zum stationären Einzelhandel gedeckt werden könnte, ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin. Üblicherweise dürfte jeder Bürger über ausreichend Schuhe verfügen, um einen ggf. auch kurzfristig entstehenden Neuanschaffungsbedarf zu überbrücken. Das Vorbringen der Antragstellerin, dass jeder Deutsche pro Jahr vier Paar Schuhe kaufe, belegt typischerweise kurzfristig entstehenden Neuanschaffungsbedarf gerade nicht. Selbst für den Fall eines dringlichen Bedarfs ist der Verbraucher entgegen dem Vortrag der Antragstellerin nicht auf den - unbeschränkten - Zutritt zum stationären Einzelhandel angewiesen. Möglich ist - von der unproblematischen Vorlage eines entsprechenden Immunitäts- oder Testnachweises abgesehen - gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 CoronaVO auch für Nichtimmunisierte weiterhin die Inanspruchnahme von Abholangeboten und Lieferdiensten. Für die von der Antragstellerin angeführten Kinder und Jugendlichen, die gegebenenfalls einen kurzfristigen Bedarf an Schulen aufgrund von Wachstumsschüben haben können, hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass diese gemäß den bereits angeführten Regelungen des § 5 Abs. 2, 3 CoronaVO Zugang zu Einzelhandelsgeschäften haben. Ebenso zutreffend ist der Hinweis darauf, dass bei einem kurzfristigen Bedarf an neuen Schuhen aus medizinischen Gründen der Zugang zu Orthopädieschuhtechnikern besteht.
54 
Es besteht aller Voraussicht nach auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den unbeschränkt zugänglichen Blumengeschäften, Gärtnereien und Gartenmärkten. Hierzu hat der Senat zuletzt im Beschluss vom 30.11.2021 - 1 S 3523/21 - ausgeführt:
55 
„Der Senat hat mehrfach entschieden, dass Garten-, Bau- und Drogeriemärkte der Grundversorgung dienen und daher ohne Rechtsfehler privilegiert werden können (vgl. Senat, Beschl. v. 01.03.2021 - 1 S 555/21 -; Beschl. v. 11.05.2021 - 1 S 1048/21 - juris Rn. 84). Die genannten Betriebe dienen der Deckung unabweisbarer, regelmäßig wiederkehrender und auch kurzfristig entstehender Bedarfe an Pflanzen, Gartenbauzubehör, Reparatur- sowie Baumaterialien und Drogerieartikeln. Gleiches gilt für die in § 17 Abs. 1 Satz 4 CoronaVO genannten Blumengeschäfte. Frische Blumen sind für viele Verbraucher Bestandteil ihres regelmäßigen Bedarfs, da sie schnell verderblich sind und regelmäßig ersetzt werden. Oftmals ist aufgrund von Sortimentsüberschneidungen die Abgrenzung zu Gärtnereien und Gartenmärkten schwierig. Dass der Verordnungsgeber folglich Blumengeschäfte neben den genannten Gartenbaubetrieben, Gärtnereien und Gartenmärkten der Grundversorgung zuordnet, hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Bewertungsrahmens (vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 25.05.2021 - 13 B 271/21.NE - juris Rn. 67).“
56 
Hieran hält der Senat im Ergebnis weiterhin fest. Dabei ist unverkennbar, dass Blumengeschäfte, Gärtnereien und Gartenmärkte nicht den Kernbereich der Grundversorgung der Bevölkerung abdecken. Gleichwohl ist ihre Berücksichtigung im Rahmen von § 17 Abs. 1 Satz 4 CoronaVO voraussichtlich nicht zu beanstanden. Dabei muss hier offenbleiben, ob sich der Antragsgegner insoweit mit Erfolg auf § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG berufen kann. Denn aus der Begründung zur Corona-Verordnung ist insoweit nicht ersichtlich, ob der Antragsgegner hier soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche im Sinne dieser Vorschrift annimmt, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind und daher von Schutzmaßnahmen ausgenommen werden sollen. Ohne eine solche Begründung ist eine Berufung auf § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG voraussichtlich nicht möglich, da für die Betroffenen nicht ersichtlich und für die Gerichte nicht nachprüfbar ist, welche Erwägungen den Tatbestand des § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG erfüllen sollen. Ersichtlich ist jedoch, dass sich der Antragsgegner bei der Bestimmung der Bereiche, die der Grundversorgung dienen, an dem Beschluss der Konferenz der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 03.03.2021, der Blumengeschäfte, Gärtnereien, Baumschulen und Gartenmärkte dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zurechnete, orientiert (Begründung zur 11. Corona-Verordnung vom 15.09.2021, Seite 91). Auch die Regelung des § 28b Abs. 1 Nr. 4 IfSG in der Fassung vom 22.04.2021 (sog. Bundesnotbremse) zählte Blumenfachgeschäfte und Gartenmärkte zu Geschäften der Grundversorgung. Eine Orientierung an dem genannten Beschluss vom 03.03.2021 und der Regelung des damaligen § 28b Abs. 1 Nr. 4 IfSG ist voraussichtlich gleichheitsrechtlich dann nicht zu beanstanden, wenn die Abgrenzung der Bereiche der Grundversorgung nachvollziehbar ist und in den Bundesländern im Wesentlichen in dieser Form auch umgesetzt wird. Denn eine im Wesentlichen einheitliche Handhabung der Bereiche der Grundversorgung im Bundesgebiet dient auch infektionsschutzrechtlichen Belangen. Zum einen kann eine im Wesentlichen einheitliche Handhabung infektionsschutzrechtlicher Regelungen die Akzeptanz in der Bevölkerung fördern. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang auch ein rechtlicher Belang, da die infektionsschutzrechtlichen Regelungen nicht flächendeckend kontrolliert werden können und ihre zur Erreichung der infektionsschutzrechtlichen Ziele wesentliche Befolgung durch die Bevölkerung von der Akzeptanz der Regelungen abhängt. Zum anderen ist eine im Wesentlichen einheitliche Handhabung der Abgrenzung der Grundversorgungsbereiche infektionsschutzrechtlich von Belang, da unterschiedliche Bestimmungen des Grundversorgungsbereichs zu einer infektiologisch eher zu vermeidenden Mobilität („Einkaufstourismus“ über Ländergrenzen hinweg) führen kann. Die genannten Voraussetzungen - nachvollziehbare Abgrenzung und im Wesentlichen einheitliche Handhabung - sind hier erfüllt.
57 
Es stellt auch keine Ungleichbehandlung dar, dass Geschäfte mit Mischsortiment auch nicht privilegierte Waren im Randsortiment verkaufen dürfen. Der Senat hat hierzu im Beschluss vom 18.02.2021 (- 1 S 398/21 -, juris Rn. 108) ausgeführt:
58 
„Die weitere Entscheidung des Verordnungsgebers, dem Lebensmitteleinzelhandel in den Grenzen insbesondere von § 1d Abs. 2 Satz 3 und 4 CoronaVO auch den Weitervertrieb von Sortimentsteilen jenseits von Lebensmitteln und Getränken einschließlich von Textilien zu gestatten, obwohl dem „reinen“ Textileinzelhandel die Betriebsöffnung derzeit untersagt ist, ist ebenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Diese Unterscheidung beruht auf Gründen des Infektionsschutzes. Der Antragsgegner konnte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass, nachdem er den Lebensmittel- und Getränkehandel zum Zwecke der Grundversorgung ohnehin nicht schloss, der Verkauf von anderen Produkten in diesen Geschäften jedenfalls dann, wenn sie nur einen untergeordneten Umfang annehmen (vgl. § 1d Abs. 2 Satz 3 CoronaVO), zu keinem zusätzlichen Anstieg der durch die Öffnung des Einzelhandels ohnehin geschaffenen Infektionsquellen führen würde. Eine Öffnung des nicht bereits aus anderen Gründen zu öffnenden Textileinzelhandels würde im Gegensatz dazu aus den oben genannten Gründen voraussichtlich einen erheblichen Anstieg dieser Infektionsquellen nach sich ziehen.“
59 
Hieran hält der Senat auch für das vorliegende Verfahren fest. Die ohnehin in einem Handelsbetrieb der Grundversorgung bestehenden Infektionsgefahren, die sich wie gezeigt daraus ergeben, dass weder Immunitäts- noch Testnachweispflichten zu erbringen sind, erhöhen sich nicht durch den untergeordneten Verkauf von Produkten, die nicht zur Grundversorgung gezählt werden.“
60 
An diesen Ausführungen hält der Senat auch angesichts des Vorbringens der Antragstellerin fest. Es ist nicht erkennbar, dass Schreibwaren für die Bevölkerung zur Grundversorgung gehören und dieser Bedarf nur durch den unbeschränkten Zugang zum stationären Einzelhandel gedeckt werden könnte. Typischerweise dürfte jeder Bürger über ausreichend Schreibwaren verfügen, um einen ggf. auch kurzfristig entstehenden Neuanschaffungsbedarf zu überbrücken. Selbst für den Fall eines dringlichen Bedarfs ist der Verbraucher nicht auf den - unbeschränkten - Zutritt zum stationären Einzelhandel angewiesen. Möglich ist - von der unproblematischen Vorlage eines entsprechenden Immunitäts- oder Testnachweises abgesehen - gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 CoronaVO auch für Nicht-Immunisierte weiterhin die Inanspruchnahme von Abholangeboten und Lieferdiensten. Für die von der Antragstellerin angeführten Kinder und den Bedarf an Artikeln für den Schulbesuch - einschließlich des von der Antragstellerin problematisierten Ausprobierens von Füllern - gilt, dass diese gemäß den bereits angeführten Regelungen des § 5 Abs. 2, 3 CoronaVO Zugang zu Einzelhandelsgeschäften haben.
61 
Aus den vorgenannten Gründen fehlt es voraussichtlich an einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Bau- und Raiffeisenmärkten, Blumengeschäften, Gärtnereien, Gartenmärkten und Baumschulen. Einen verfassungsrechtlich tragfähigen Grund, warum allein eine Regelung der Geschäfte der Grundversorgung durch den Begriff der „Deckung des täglichen Bedarfs“ - den im Übrigen der Bayerische VGH jüngst für zu unbestimmt gehalten hat (BayVGH, Beschl. v. 19.01.2022 - 20 NE 21.3119 - Rn. 24 f.) - verfassungsgemäß sein soll, vermag der Senat nicht zu erkennen.
62 
Zur Vereinbarkeit der Zugangsbeschränkungen zum Einzelhandel, der nicht der Grundversorgung dient, in der Alarmstufe mit dem Recht der betroffenen Betriebe aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Senat im Beschluss vom 30.11.2021 - 1 S 3523/21 - u.a. ausgeführt:
63 
„Ein Normenkontrollantrag bliebe in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg.
64 
Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass Testnachweispflichtvorschriften des derzeit geltenden Verordnungsrechts betreffend die Basisstufe (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 CoronaVO), die Warnstufe (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO) sowie die Alarmstufe (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 CoronaVO) aller Voraussicht nach rechtmäßig sind (vgl. Senat, Beschl. v. 11.11.2021 - 1 S 2893/21 - und v. 12.10.2021 - 1 S 3038/21 - zu § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 und § 17 Abs. 2 Nr. 1 CoronaVO jeweils i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 CoronaVO; s. ferner Beschl. v. Beschl. v. 09.11.2021 - 1 S 3254/21 - zur § 6 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO Studienbetrieb; Beschl. v. 14.10.2021 - 1 S 3032/21 -, zu § 10 CoronaVO Schule; zu Vorgängerbestimmungen Beschl. v. 11.06.2021 - 1 S 1533/21 -, v. 18.01.2021 - 1 S 69/21 - juris, v. 07.09.2021 - 1 S 2893/21 - juris, und v. 22.09.2021 - 1 S 2944/21 - juris; zur Warn- und Alarmstufe Beschl. v. 15.11.2021 – 1 S 3295/21 – juris).
65 
aa) Für die Verordnungsbestimmungen über Testnachweisobliegenheiten für nicht-immunisierte Personen besteht gem. § 28a Abs. 9 Satz 1 IfSG (in der Fassung vom 22.11.2021, gültig ab 24.11.2021) auch nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis längstens zum Ablauf des 15.12.2021 voraussichtlich eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 32 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 2a, 14 IfSG, die ausdrücklich Nachweisobliegenheiten und damit teils verbundene Zutrittsbeschränkungen der hier fraglichen Art am Maßstab des einfachen Gesetzesrechts gemessen grundsätzlich tragen kann (st. Rspr., vgl. zuletzt nur Senat, Beschl. 15.11.2021, a.a.O, v. 11.11.2021, a.a.O., v. 09.11.2021, a.a.O., v. 14.10.2021, a.a.O., v. 12.10.2021, a.a.O.; zu Vorgängerbestimmungen Beschl. v. 11.06.2021, a.a.O., v. 18.01.2021, a.a.O., v. 07.09.2021, a.a.O., und v. 22.09.2021, a.a.O.).
66 
bb) Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen der genannten Ermächtigungsgrundlage, insbesondere aus § 28a Abs. 3 und 5 IfSG, sind gegenwärtig aller Voraussicht nach erfüllt.
67 
Wenn - wie bei SARS-CoV-2 - eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG zum präventiven Infektionsschutz insbesondere die in § 28a Abs. 1 Nr. 1, 2, 2a, 4 und 17 genannten Schutzmaßnahmen - darunter Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises (Nr. 2a) - ergriffen werden. Weitergehende Schutzmaßnahmen sollen gemäß § 28a Abs. 3 Satz 3 IfSG unter Berücksichtigung des jeweiligen regionalen und überregionalen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden. Im Sinne dieser Vorschriften notwendige Schutzmaßnahmen können grundsätzlich auch gegenüber Nichtstörern getroffen werden (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - juris und v. 23.04.2020 - 1 S 1003/20 -, jeweils m.w.N.). Verordnungsrechtliche Bestimmungen über die Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises und daran anknüpfende Zutrittsverbote für die in § 28a Abs. 2 Nr. 2a, 5 bis 8, 12 bis 16 IfSG genannten Einrichtungen erfüllen gegenwärtig aller Voraussicht nach die zitierten Voraussetzungen (vgl. für Hochschulen Senat, Beschl. v. 09.11.2021, a.a.O.; für Schulen zuletzt Senat, Beschl. v. 14.10.2021, a.a.O.; für Einrichtungen im Sinne der Nrn. 5 bis 8 und 12 bis 14 Senat, Beschl. v. 15.11.2021, a.a.O., v. 11.11.2021, a.a.O., und v. 12.10.2021, a.a.O., m.w.N.).
68 
Auch aus § 28a Abs. 5 IfSG ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen. Insbesondere ist die Corona-Verordnung gemäß § 28a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 IfSG befristet (vgl. § 25 Abs. 2 CoronaVO) und mit einer Begründung versehen (vgl. § 28a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 IfSG).
69 
cc) Die angefochtene Verordnungsbestimmung über Immunitäts- und Testnachweispflichten im Einzelhandel und für den Fall der Nichtvorlage bestehende Zugangsverbote stehen voraussichtlich auch mit Verfassungsrecht in Einklang. Verfassungswidrige Eingriffe in das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (1) und das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG (2) liegen aller Voraussicht nach nicht vor. Auch der in Art. 3 Abs. 1 GG normierte allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz wird durch die beanstandete Verordnungsbestimmung voraussichtlich nicht verletzt (3).
70 
(1) Ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Antragstellerin liegt aller Voraussicht nach nicht vor. Der durch die angefochtenen Vorschriften in den sog. Alarmstufen bewirkte Eingriff erweist sich aller Voraussicht nach als verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Der Antragsgegner verfolgt damit legitime Ziele (a), zu deren Erreichung er mit der mit der genannten Vorschrift geeignete und erforderliche (b) Maßnahmen gewählt hat, die sich beim gegenwärtigen Stand des Pandemiegeschehens auch als verhältnismäßig i.e.S. (angemessen) erweisen (c).
71 
(a) Der Antragsgegner verfolgt mit den angefochtenen Immunitäts- und Testnachweispflichten der Alarmstufen legitime Ziele.
72 
Die Corona-Verordnung dient nach ihrem § 1 Abs. 1 „der Bekämpfung der Pandemie des Virus SARS-CoV-2 zum Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems“. Zur Erläuterung dieser Ziele und insbesondere der mit den angefochtenen Verordnungsbestimmungen verfolgten Zwecke hat der Antragsgegner in der Verordnungsbegründung vom 15.09.2021 (https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/210915_11.CoronaVO_Begruendung.pdf) unter anderem Folgendes auszugsweise und zusammenfassend ausgeführt:
73 
„Ziel der Verordnung ist es, eine Überlastung des Gesundheitssystems, in der eine ausreichende Krankenhausversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann (sog. Gesundheitsnotlage) zu verhindern und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Laut RKI (d.h. dem Robert Koch-Institut) kann aufgrund des derzeitigen Infektionsgeschehens insgesamt nicht ausgeschlossenen werden, dass es wieder zu einer sehr starken Be- oder Überlastung der verfügbaren Intensivbettenkapazitäten kommt. Dies hätte im schlimmsten Fall zur Folge, dass auf Grund mangelnder verfügbarer intensivmedizinischer Kapazitäten die Versorgung z.B. von schwerstverletzten Unfallopfern oder Schlaganfallpatienten und vergleichbarer medizinischer Notfälle nicht mehr sichergestellt werden könnte. Daher ist es notwendig, das Infektionsgeschehen nachhaltig zu stabilisieren. Ohne weitere Maßnahmen der Landesregierung könnte das Gesundheitssystem erneut an seine Belastungsgrenzen kommen. Mit ihrem Maßnahmenpaket verfolgt die Landesregierung daher weiterhin die Ziele
74 
- einer zielgerichteten und wirksamen Reduzierung von Infektionsgefahren und der Gewährleistung der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten,
75 
- der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgungskapazitäten im Land und damit letztlich
76 
- des Schutzes der Gesundheit und des Lebens der Bevölkerung, zu dessen Gewährleistung die Landesregierung nach Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist.“ (Begründung zur Corona-Verordnung vom 15.09.2021, a.a.O., S. 8 f., Hervorhebung im Original)
77 
Weiter heißt es zu den Zielen der Verordnung:
78 
„Allgemeiner Grundgedanke der Verordnung ist es darüber hinaus weiterhin, allen Bürgerinnen und Bürgern entsprechend ihrem infektiologischen Gefährdungspotential zu ermöglichen, in sämtlichen öffentlichen und privaten Lebensbereichen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, soweit es die epidemiologische Lage in Baden-Württemberg zulässt. Aufgrund der fortgeschrittenen Immunisierung der Bevölkerung ist es insoweit insbesondere auch verfassungsrechtlich geboten, den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrnehmung ihrer grundgesetzlich gewährleisteten Freiheitrechte wieder möglichst weitgehend zu ermöglichen. Dies wird zu einer weiteren Belebung des gesellschaftlichen Lebens führen, sodass insgesamt wieder die volle persönliche und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit einer und eines jeden Einzelnen gewährleistet werden kann. Mit der Verordnung wird daher weiterhin der Weg zurück in die Normalität des gesellschaftlichen Lebens verfolgt, wie man es vor der Corona-Pandemie kannte.“ (Begründung zur Corona-Verordnung vom 15.09.2021, a.a.O., S. 2)
79 
Im Rahmen dieser Ziele verfolgt der Verordnungsgeber mit der Einführung der drei Stufen einschließlich der Alarmstufen und den darauf bezogenen Testnachweispflichtvorschriften folgende Zwecke:
80 
„Zur Erreichung dieser Ziele führt die Landesregierung ein abgeschichtetes Ampelsystem mit den folgenden drei Stufen ein, die entsprechend der jeweiligen Gefährdung des Gesundheitssystems die erforderlichen und angemessenen Schutzmaßnahmen vorsehen:
81 
1. Die Basisstufe gilt, wenn die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz unter der Zahl von 8 und der AIB-Wert unterhalb von 250 liegt.
82 
2. Die Warnstufe gilt, wenn die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz die Zahl von 8 oder den AIB-Wert von 250 jeweils erreicht oder überschreitet.
83 
3. Die Alarmstufe gilt, wenn die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz die Zahl von 12 oder den AIB-Wert von 390 jeweils erreicht oder überschreitet.
84 
Mit den beiden neuen Leitindikatoren der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz und dem AIB-Wert soll sichergestellt werden, dass es bei einem Anstieg von COVID-19- Erkrankungen mit schweren Verläufen nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt. (…)
85 
Hiermit setzt die Landesregierung auch die neuen bundesrechtlichen Vorgaben des § 28a Absatz 3 IfSG rechtswirksam um. Danach sollen weitergehende Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der stationären Versorgung zu vermeiden. Wesentlicher Maßstab für die Bewertung des Infektionsgeschehens und der weitergehenden Schutzmaßnahmen sollen danach insbesondere die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz, aber unter anderem auch die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten sein. (…)
86 
a. Basisstufe
87 
(…) Für den Zutritt zu bestimmten Einrichtungen - insbesondere im Innenbereich - und für die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen mit besonderer Infektionsgefahr (z.B. Großveranstaltungen) wird in der Basisstufe weiterhin die Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises vorgeschrieben. Testen ist nach Angaben des RKI essenzieller Bestandteil einer umfassenden Pandemie-Bekämpfungs-Strategie. Es ist Grundlage für die zeitnahe Erkennung und Behandlung von Infektionen, für die Unterbrechung von Infektionsketten und für einen Schutz vor einer Überlastung unseres Gesundheitssystems. Insbesondere bei einer weitreichenden Reduzierung kontaktbeschränkender Maßnahmen sind intensive Teststrategien notwendig. Testen dient damit auch einer frühzeitigen Erfassung der Zahl und Verteilung von infizierten Personen in Deutschland und trägt damit zu einem aktuelleren und besseren Lagebild bei. Testen entbindet aber nicht von der Einhaltung der AHA+L-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, im Alltag Maske tragen, Lüften) sowie notwendigen Hygienevorkehrungen und Symptom-Monitoring in Einrichtungen.
88 
b. Warnstufe
89 
(…) In der Warnstufe gilt neben den allgemeinen Basisschutzmaßnahmen (u.a. AHA+L-Regeln) und Regelungen zur Kontaktpersonennachverfolgung grundsätzlich auch weiterhin die Pflicht zur Vorlage eines Impf-, Genesen- oder Testnachweises für den Zutritt zu bestimmten Einrichtungen – insbesondere in Innenbereichen - und für die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen (z.B. Großveranstaltungen), die mit einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden sind. Beim Überschreiten des Schwellenwerts der Warnstufe müssen im Hinblick auf eine drohende Überlastung der Krankenhäuser weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die erfolgte Öffnung nahezu sämtlicher Lebensbereiche aufrechtzuerhalten und erneute Einschränkungen und Untersagungen von Betrieben und Einrichtungen zu vermeiden.
90 
Um dabei aber auch weiterhin den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gerecht zu werden, führt die Landesregierung in der Warnstufe eine qualifizierte Testpflicht ein. So müssen nicht-immunisierte Personen insbesondere für den Zutritt zu nahezu sämtlichen Angeboten in geschlossenen Räumen einen auf der Polymerase-Kettenreaktion beruhenden negativen PCR-Testnaschweis vorlegen. Dies gilt etwa für Veranstaltungen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Gastronomiebetriebe und Vergnügungsstätten. Aufgrund der geringeren Sensitivität und Spezifität von Antigen-Tests (Schnell- und Selbsttests) im Vergleich mit Nukleinsäure-basierten Amplifikationsverfahren ist der Einsatz dieser Tests bei Erreichen des Schwellenwertes der Warnstufe nicht mehr ausreichend, um die Infektionsgefahr in diesem Stadium der Pandemie in den genannten Bereichen in einem angemessenen Rahmen zu halten. Die Tests weisen unabhängigen Validierungsstudien zufolge je nach Produkt und Einsatzweise teilweise deutlich reduzierte Werte hinsichtlich der klinischen Sensitivität im Vergleich zu Nukleinsäurebasierten Verfahren auf.
(…).
91 
In der Warnstufe wird somit zunächst die „Qualität der Kontakte“ geregelt. PCR-Tests bringen mehr Sicherheit. Nicht der Kontakt als solcher wird unterbunden - er bleibt weiterhin möglich, aber die Infektionswahrscheinlichkeit und das Transmissionsrisiko, das nun einmal mit jedem zwischenmenschlichen Kontakt verbunden ist, wird gesenkt. Die PCR-Testpflicht muss daher in der Warnstufe als milderes Mittel gesehen werden, um auch nicht-immunisierten Personen den Zugang zu Einrichtungen und Veranstaltungen zu gewähren. (…).
92 
c. Alarmstufe
(…)
93 
Die Alarmstufe (…) ist von dem Gedanken getragen, dass bei Erreichen dieser maximalen Werte des Ampelsystems von einer akuten Gefährdung und einem drohenden Kollaps des Gesundheitssystems auszugehen ist. Es droht sodann eine landesweite Gesundheitsnotlage, in der eine erhebliche Gefährdung für Leib und Leben der Bevölkerung besteht, die weitere erhebliche Einschränkungen erforderlich macht, da die stationären Kapazitäten dem Infektionsgeschehen ansonsten nicht mehr standhalten könnten. Neben der Tatsache, dass ein Regelbetrieb in den Krankenhäusern nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, müsste im schlimmsten Fall durch die behandelnden Ärzte die Entscheidung getroffen werden, welche Patientinnen und Patienten eine Intensivbehandlung bekommen bzw. beatmet werden und welche Patientinnen und Patienten nur noch mittels „best supportive care“ behandelt werden. Es reicht daher in der Alarmstufe auch nicht mehr aus, die „Qualität der Kontakte“ über eine PCR-Testnachweispflicht zu regeln, sondern die „Quantität der Kontakte“ muss in dieser Situation schnellstmöglich wieder zurückgefahren werden. Wie bereits in den zurückliegenden Infektionswellen müssen Kontakte dort reduziert werden, wo sie infektiologisch am „gefährlichsten“ sind, damit das Infektionsgeschehen schnellstmöglich eingedämmt werden kann. Wie bereits (an anderer Stelle der Verordnungsbegründung) dargestellt breitet sich das Infektionsgeschehen hauptsächlich unter den nicht-immunisierten Personen aus und es sind nahezu ausschließlich nicht-immunisierte Personen, die sich auf den Intensivstationen befinden, sodass auch ein ausschließliches Handeln diesen gegenüber erforderlich, aber auch angemessen ist. Gerade dort findet eine effiziente und zielgerichtete Unterbrechung vieler Infektionsketten statt, so dass die Maßnahmen ihren höchsten Wirkungsgrad entfalten. Es wird daher ein Zutrittsverbot für nicht-immunisierte Personen in den Bereichen vorgesehen, die bereits in der Warnstufe als infektiologisch besonders gefährlich angesehen werden. Dies bedeutet, dass in diesem Fall dann nur noch geimpfte oder genesene Personen Zugang zu den von den Einschränkungen betroffenen Angeboten haben und die Vorlage eines negativen (PCR-)Testnachweises insofern nicht mehr ausreichend ist. Dies stellt letztlich auch das mildere Mittel zu einem ansonsten gegebenenfalls erforderlichen allgemeinen „Lockdown“ dar, der mit erheblichen Freiheitseinschränkungen der Bevölkerung und immensen wirtschaftlichen Folgen verbunden wäre“ (Begründung zur Corona-Verordnung vom 15.09.2021, a.a.O., S. 10 ff., 13 ff., 16 ff., 20 ff.; s. näher dazu auch die Einzelbegründungen der angefochtenen Bestimmungen, zu § 5 CoronaVO S. 42 ff.)
94 
Mit der Dritten Änderungsverordnung vom 23.11.2021 hat der Verordnungsgeber in den bislang eingeführten Stufen den Schwellenwert der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz an die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18.11.2021 angepasst (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1982598/defbdff47daf5f177586a5d34e8677e8/2021-11-18-mpk-data.pdf?download=1). Für die Warnstufe (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO) gilt nunmehr ein Schwellenwert von 1,5, für die Alarmstufe (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 CoronaVO) ein Schwellenwert von 3 und für die neu eingeführte „Alarmstufe II“ (§1 Abs. 2 Nr. 4 CoronaVO) ein Schwellenwert von 6,0. In der Alarmstufe II liegt der Grenzwert für die Auslastung der Intensivbetten (AIB) bei 450. In der Verordnungsbegründung vom 23.11.2021 (https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/211123_Begruendung_zur_dritten_AenderungsVO_zur_11.CoronaVO.pdf) heißt es hierzu:
95 
„Mit der Alarmstufe II führt die Landesregierung entsprechend den Beschlüssen der BKMPK unter anderem die sog. 2G-plus-Regel in einzelnen Lebensbereichen ein, in denen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (z.B. Diskotheken oder Clubs) oder der Vielzahl an aufeinandertreffenden Personen (z.B. Veranstaltungen) eine besonders hohe Infektionsgefahr besteht (BKMPK-Beschluss). Immunisierte Personen müssen in diesen infektiologisch besonders risikobehafteten Settings in der Alarmstufe II neben ihrem Impf- oder Genesenennachweis auch einen negativen Antigen- oder PCR-Testnachweis vorlegen. In diesem Zusammenhang werden die in den nunmehr vier Ampelstufen vorgesehenen Schwellenwerte der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz entsprechend dem Beschluss der BKMPK angepasst sowie in der Alarmstufe II entsprechend dem bisher bewerteten System um einen Wert für die Auslastung der Intensivbetten mit COVID19-Patientinnen und -Patienten (AIB-Wert von 450) ergänzt.“ (Begründung zur CoronaVO vom 23.11.2021, S. 1)
96 
Die vom Antragsgegner gemäß § 1 Abs. 1 CoronaVO verfolgten und in den Verordnungsbegründungen näher umschriebenen Ziele sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Ziel, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung und damit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen, dient der Erfüllung des sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden staatlichen Schutzauftrags, indem Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst verhindert werden und die Verbreitung des Virus zumindest verlangsamt wird (vgl. nur Senat, Beschl. v. 23.04.2020 - 1 S 1003/20 - und v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - juris; zu Testnachweispflichten und korrespondierenden Zugangsverboten im Anwendungsbereich der Basisstufe der Corona-Verordnung Senat, Beschl. v. 11.11.2021, a.a.O., m.w.N., im Hochschulbereich Beschl. v. 09.09.2011, a.a.O., und im Schulbereich Senat, Beschl. v. 14.10.2021, a.a.O. und im Anwendungsbereich der Warn- und Alarmstufe Beschl. v. 15.11.2021, a.a.O.). Auch das weitere Ziel, Bürgerinnen und Bürgern die Wahrnehmung ihrer grundgesetzlich gewährleisteten Freiheitsrechte wieder weitgehend zu ermöglichen, ist legitim (und verfassungsrechtlich geboten, vgl. zuletzt nur Senat, Beschl. v. 15.11.2021, a.a.O., v. 11.11.2021, a.a.O., v. 09.11.2021, a.a.O., und v. 14.10.2021, a.a.O.).
97 
(b) Zur Erreichung dieser Ziele ist das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel von verordnungsrechtlichen Immunitäts- und Testnachweispflichten und für den Fall der Nichtvorlage bestehenden Zutrittsverboten in den Alarmstufen voraussichtlich geeignet und erforderlich.
98 
Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung und der Erforderlichkeit jeweils ein Beurteilungsspielraum zusteht (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.06.1984 - 1 BvR 1494/78 - BVerfGE 67, 157, 173 ff.; Beschl. v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145, 172 f.; je m.w.N.).
99 
Die in den angefochtenen Verordnungsbestimmungen geregelte Pflicht zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises und das im Falle des Nichtvorliegens bestehende grundsätzliche Zutrittsverbot für Einzelhandelsbetriebe, Ladengeschäfte und Märkte, die nicht der Grundversorgung (i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 4 CoronaVO) dienen, kann dazu beitragen, das Infektionsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus in diesen Bereichen, zu reduzieren (vgl. zur Geeignetheit der sog. allgemeinen Testpflicht an Schulen Senat, Beschl. v. 14.10.2021, a.a.O., sowie v. 29.04.2021 - 1 S 1204/21 - und vom 22.09.2021 - 1 S 2944/21 - juris; zu Zutrittsbeschränkungen in Fitnessstudios vgl. Senat, Beschl. v. 11.06.2021 – 1 S 1533/21 – juris; zur grundsätzlichen Eignung von PCR-Tests ferner Senat, Beschl. v. 15.01.2021 - 1 S 4180/20 - juris).
100 
Der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Anordnung steht vorliegend nicht der sinngemäße Einwand entgegen, dass die von Ladengeschäften ausgehende Ansteckungsgefahr gegenüber anderen Infektionsumfeldern nach den derzeit verfügbaren Daten möglicherweise eine untergeordnete Rolle spielt. Nach den bekannten, durch das RKI ausgewerteten Daten konnte in den letzten Wochen aufgrund der weiten und diffusen Verbreitung des Coronavirus in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens oft kein konkretes Infektionsumfeld ermittelt werden (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Ausbruchsdaten.html). Die Fallzahlen und der R-Wert deuten nach wie vor auf eine anhaltende und hohe Zirkulation in der Bevölkerung hin. Folglich waren und sind Infektionsumfelder in vielen Fällen nicht eindeutig zuordenbar, weshalb sich auch empirische Nachweise, welche Bereiche tatsächlich hohe Infektionsgefahren bergen und somit „Treiber der Pandemie“ wären, nicht belastbar erbringen lassen. Damit sind auch zielgenauere Eingriffe gegenwärtig in vielen Fällen nicht möglich. Unbestritten ist nach derzeitigem Stand der Forschung, dass Infektionsgefahren in Innenräumen grundsätzlich höher einzuschätzen sind als im Freien (vgl. RKI, Steckbrief Coronavirus, 2. Übertragungswege, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=CA4C3AD0C10F92E33C8AB71B9B2FF507.internet112?nn=2386228#doc13776792bodyText2, zuletzt abgerufen am 25.11.2021). Dies und die Tatsache, dass sich spätestens seit November 2020 gezeigt hat, dass trotz der in weiten Bereichen entwickelten Hygienekonzepte und der allgemeinen in der CoronaVO angeordneten Hygienemaßnahmen (Maskenpflicht, Abstandsgebot, Teilnahmeverbote, Datenerhebung zur Kontaktnachverfolgung) viele Infektionen nicht zu verhindern waren, rechtfertigen es zusätzlich zu den bereits implementierten Hygienevorgaben (Masken, Abstand, Lüftung) Zugangsbeschränkungen qualitativer und quantitativer Art für Ansammlungen von Menschen in Innenräumen anzuordnen (dazu schon Senat, Beschl. v. 11.06.2021, a.a.O, juris Rn. 76).
101 
Gleich wirksame, aber weniger einschränkende Mittel hat die Antragstellerin in ihrer insoweit nicht substantiiert begründeten Antragsschrift nicht aufgezeigt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. näher dazu in Bezug auf die Basisstufe zuletzt Senat, Beschl. v. 11.11.2021, a.a.O., v. 09.11.2021, a.a.O., und v. 14.10.2021, a.a.O., m.w.N. und zur Warn- und Alarmstufe Beschl. v. 15.11.2021, a.a.O.). Insbesondere käme als milderes Mittel nicht in Betracht, die Voraussetzungen für den Eintritt der Alarmstufen enger zu fassen mit der Folge, dass erst bei einer höheren Hospitalisierungsinzidenz und Intensivbettenauslastung ein Testnachweis erforderlich wäre. Ein solches Mittel würde die Antragstellerin im Vergleich zur geltenden Verordnungsrechtslage weniger belasten. Es wäre zur Erreichung der vom Antragsgegner verfolgten Ziele aber nicht ebenso gut geeignet. Der Antragsgegner ist ohne Überschreitung seines diesbezüglichen Beurteilungsspielraums zu der Auffassung gelangt, dass beim Überschreiten der in § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 CoronaVO normierten Schwellenwerte der unbeschränkte Zutritt zu nicht der Grundversorgung dienenden Ladengeschäften das Ziel des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung und insbesondere der Aufrechterhaltung einer hinreichenden intensivmedizinischen Versorgung gefährdet würde und daher Testnachweispflichten und Zugangsbeschränkungen erforderlich sind, um die Schutzziele zu gewährleisten. Bei der in § 1 Abs. 2 CoronaVO erfolgten Definition der Stufen und der Bestimmung der dortigen Schwellenwerte hat sich der Verordnungsgeber unter anderem von folgenden Erwägungen leiten lassen:
102 
„Die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz zeigt die Anzahl der stationären COVID-19-Patientinnen und -Patienten je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner (EW) innerhalb der letzten sieben Tage an. Sie gibt somit einen Überblick über die in Krankenhäuser aufgenommenen bzw. die sich in Krankenhäusern befindlichen COVID-19-Patientinnen und -Patienten. Die Belastung des Gesundheitssystems wird dabei aber vor allem durch die Dauer der notwendigen Hospitalisierung (Liegezeit) und den (personellen) Aufwand bei der Behandlung bestimmt, weniger durch die reine Zahl der aufgenommenen Patientinnen und Patienten. Die Sieben-TageHospitalisierungsinzidenz erreichte während der ersten Welle im Frühjahr 2020 Werte um 13 pro 100.000 EW, in der zweiten Welle ca. 15 pro 100.000 EW und in der dritten Welle, bei ansteigendem Impfschutz der Älteren, lag sie bei ungefähr 10 pro 100.000 EW. Momentan liegt der Wert bei 2,2 pro 100.000 EW. Näherungsweise kann deshalb zurzeit bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von etwa 90 pro 100.000 EW bei der momentanen Altersverteilung der Fälle mit einer Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von rund 2,5 pro 100.000 EW gerechnet werden.
103 
Aus der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz allein lässt sich aber nicht ableiten, wie die Auslastung des Gesundheitssystems ist und wie groß die Kapazitäten sind. Daher ist eine Ergänzung um einen weiteren Indikator notwendig. Weiterer Indikator ist daher der AIB-Wert, das heißt die Auslastung der gesamten im Land Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden Intensivbettenkapazität mit COVID-19- Patientinnen und Patienten. Der AIB-Wert ist geeignet, um die Belastung des Gesundheitssystems widerzuspiegeln, da er eine zu erwartende Überlastung der Krankenhäuser mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten klar sichtbar macht.
104 
Der Betreuungsaufwand von intensivpflichtigen COVID-19-Patienten liegt durchschnittlich deutlich über dem Betreuungsaufwand von sonstigen intensivmedizinisch versorgten Patientinnen und Patienten. Hinzu kommt, dass aktuell immer mehr jüngere COVID-19-Patientinnen und -Patienten auf den Intensivstationen versorgt werden müssen, was nach Erfahrungen in der dritten Pandemiewelle und im Hinblick auf Studien aus dem Ausland mit einer deutlichen Verlängerung der Liegezeit auf den Intensivstationen durch die Delta Variante verbunden ist (…). Nach den Erfahrungen mit der zweiten Welle der Corona-Pandemie um den Jahreswechsel 2020/2021 ist in Baden-Württemberg aktuell eine parallele intensivmedizinische Behandlung von etwa 390 COVID-19- Patientinnen und -Patienten noch möglich, um insgesamt eine intensivmedizinische Behandlung der Bevölkerung noch zu gewährleisten. Daher wird der Wert für den Eintritt der Alarmstufe auf 390 belegte Intensivbetten mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten in Baden-Württemberg festgesetzt.
105 
Die Krankenhäuser kalkulieren grundsätzlich, dass die Hälfte der zur Verfügung stehenden Intensivbetten durch nicht beeinflussbare Ereignisse wie Unfall, Herzinfarkt, Schlaganfall und ähnliches belegt sind. Ein Viertel der Betten ist durch elektive Eingriffe belegt und ein Viertel der belegbaren Kapazitäten steht durchschnittlich für COVID-19 Fälle zur Verfügung. Die maximale Kapazität an Intensivbetten in Baden-Württemberg beträgt nach Rückmeldung der Krankenhäuser aktuell insgesamt 2331 Betten, die im äußersten Notfall, wenn sämtliche elektive Eingriffe ausgesetzt werden, mit Personal (das in diesem Fall aus allen Stationen des Krankenhauses zusammengezogen wird) betrieben werden können. In der Intensivbehandlung ist das im Notfall höchstens zur Verfügung stehende fachlich qualifizierte Personal der limitierende Faktor. Die Zahl der „Intensivkapazität“ ist daher höher als die Zahl der „täglich am Netz befindlichen“ Intensivbetten, da hierbei nur die Betten gezählt werden, für die an dem Tag dienstplanmäßig tatsächlich Personal eingeteilt ist. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Pflegepersonaluntergrenzen eingehalten werden müssen.
106 
Zudem wurde von Seiten der Intensivmedizin (die jeweils Cluster-Verantwortlichen im Zuge der Verlegungskonzeption des Landes, die mit sechs Versorgungsclustern operiert) ein Sicherheitsabschlag gefordert, da bei steigenden Fallzahlen und aufgrund der Belastungssituation mit einer weiteren Verknappung des Personals gerechnet werden muss, so dass bei steigenden Fallzahlen weniger betreibbare Intensivbetten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus zeigen mehrere aktuelle Studien für Delta-Virusvarianten-Fälle gegenüber Alpha-Virusvarianten-Fällen eine höhere Hospitalisierungsrate und eine deutlich längere Liegedauer auf Intensivstation (…). Daher kommt es durch die Verschiebung der Virusvarianten hin zur Delta-Variante (Anteil Delta an allen Fällen ca. 99%) zu einer weiteren Verknappung der verfügbaren Intensivbetten. Nach Einberechnung dieses ca. 10%igen Sicherheitsabschlags wird somit eine Grenze von 390 Betten erreicht. Bei der Auslastung der Intensivbettenkapazität ist zusätzlich eine Vorlaufzeit von mindestens zwei Wochen zu berücksichtigen, innerhalb derer die Entwicklung der Intensivbettenbelegung nicht mehr beeinflussbar ist. Denn der tatsächliche Bedarf an Intensivbetten wird nicht bereits zum Zeitpunkt des jeweiligen Infektionsgeschehens deutlich, sondern tritt zeitverzögert etwa zwei Wochen nach dem zeitlich vorgelagerten Infektionsgeschehen zutage. Der Warnwert muss aufgrund der Notwendigkeit des aktiven Gegensteuerns mit 250 deutlich darunterliegen, da Maßnahmen sich, wie bereits geschildert, z.B. aufgrund der langen Liegedauern, erst später auf die Belegungszahlen auswirken werden.“ (Begründung zur Corona-Verordnung vom 15.09.2021, a.a.O., S. 11 ff. m.w.N.)
107 
Zur „Alarmstufe II“ (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 CoronaVO) hat der Verordnungsgeber ausgeführt:
108 
„Bei der Definition des die Alarmstufe auslösenden AIB-Wertes haben die verantwortlichen Intensivmediziner (Cluster-Verantwortliche) einen Sicherheitsabschlag einkalkuliert, da bei steigenden Fallzahlen und aufgrund der Belastungssituation mit einer weiteren Verknappung des Personals gerechnet werden muss, so dass bei steigenden Fallzahlen weniger betreibbare Intensivbetten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus zeigen mehrere aktuelle Studien für Deltavirusvarianten-Fälle gegenüber Alpha-Virusvarianten-Fällen eine höhere Hospitalisierungsrate und eine deutlich längere Liegedauer auf der Intensivstation. Daher kommt es durch die Verschiebung der Virusvarianten hin zur Delta-Variante (Anteil Delta an allen Fällen ca. 99%) zu einer weiteren Verknappung der verfügbaren Intensivbetten. Nach Einberechnung dieses ca. zehnprozentigen Sicherheitsabschlags wird somit eine Grenze von 390 Betten erreicht. 3 Dieser Sicherheitsabschlag ist ab einer Auslastung mit 450 COVID-19- Intensivpatientinnen und -patienten auf den Intensivstationen verbraucht. Damit sind die Intensivstationen an einem Limit, oberhalb dessen die gute Versorgung von COVID-19-Fällen sowie Notfällen (z.B. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Tumorpatienten) nebeneinander nicht mehr gewährleistet werden kann. Es bedarf daher zwingend weiterer Interventionen, um eine systemische Überlastung und den Kollaps der regulären Intensivversorgung zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, als ein Ende des schnellen exponentiellen Wachstums derzeit nicht abzusehen ist. Die Lage spitzt sich vielmehr unvermindert zu: In den kommenden Wochen ist angesichts der schnell zunehmenden Neuinfektionen ein weiterer Anstieg der Intensivbelegung mit COVID19-Patientinnen und -Patienten zu erwarten. Nach Rücksprache mit den Universitätskliniken des Landes muss die Landesregierung davon ausgehen, dass ohne die nunmehr getroffenen Maßnahmen bereits in den nächsten Wochen landesweit bis zu 800 Intensivbetten für die Versorgung von COVID-19-Fällen benötigt werden könnten. Weitere Interventionsmaßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens sind daher zur Aufrechterhaltung der Notfallversorgung neben der Versorgung von COVID-19-Patientinnen und Patienten - sowie erst recht mit Blick auf die nachlaufende Latenz von ca. vierzehn Tagen - zwingend geboten.“ (Verordnungsbegründung zur 3. ÄnderungsVO vom 23.11.2021, abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/211123_Begruendung_zur_dritten_AenderungsVO_zur_11.CoronaVO.pdf, S. 2)
109 
Diese Erwägungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner konnte ausgehend von den genannten Erfahrungswerten aus dem bisherigen Pandemiegeschehen, unter Zugrundelegung der tatsächlich vorhandenen Intensivbetten- sowie Personalkapazitäten sowie unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme dieser Kapazitäten auch durch andere als coronabezogene intensivmedizinisch behandlungsbedürftige Patienten ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass bei einer Überschreitung der in § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 CoronaVO definierten Schwellenwerte die Vorgaben der Basis- und Warnstufe nicht mehr ausreichen, um die mit der Verordnung verfolgten Ziele zu erreichen, und dass in nicht der Grundversorgung dienenden Handels- und Dienstleistungsbetrieben, für den Zugang von nicht-immunisierten Personen Antigen-Testnachweise erforderlich sind.
110 
(c) Die angefochtenen Vorschriften über die Testnachweispflichten für nicht-immunisierte Personen in den Alarmstufen und die für den Fall der Nichtvorlage bestehenden Zutrittsverbote werden sich auch mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit als angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) erweisen.
111 
Der Antragsgegner verfolgt mit den oben beschriebenen Zielen den Schutz von hochrangigen, ihrerseits den Schutz der Verfassung genießenden wichtigen Rechtsgütern. Die Vorschrift dient, wie gezeigt, dazu, - auch konkrete - Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Zahl von Menschen abzuwehren. Die angefochtene Norm bezweckt zugleich, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens zu gewährleisten. Der Antragsgegner kommt damit der ihn aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich treffenden Schutzpflicht nach. Der Senat misst diesen vom Antragsgegner verfolgten Eingriffszwecken auch aktuell ein sehr hohes Gewicht bei. Er geht insbesondere davon aus, dass die Gefahren, deren Abwehr die angefochtenen Vorschriften dienen, auch unter Berücksichtigung des Fortschritts der Impfkampagne in weiterhin beachtlichem Maße bestehen.
112 
Nach einer vorübergehenden Stagnation der Fallzahlen im Spätsommer ist in den vergangenen Wochen ein starker Wiederanstieg der übermittelten Neuinfektionen zu beobachten. Die 7-Tage-Inzidenz ist bundesweit am 29.11.2021 auf 452,4 pro 100.000 Einwohner angestiegen. Der 7-Tage-R-Wert liegt, nachdem er seit Anfang Oktober konstant über 1,0 lag, aktuell bei 0,93 (vgl. RKI, Lagebericht vom 29.11.2021, abrufbar unter www.rki.de). Die Hospitalisierungsrate liegt bundesweit bei 5,52 und beträgt in dem Bereich der vulnerablen Gruppe der Menschen ab 60 Jahren 13,29 (vgl. RKI, Lagebericht vom 29.11.2021, a.a.O.). Die Situation in Baden-Württemberg ist im Vergleich zu diesem Bundesdurchschnitt noch schlechter. Hier lag die 7-Tage-Inzidenz am 29.11.2021 bei 511,4 bei einem R-Wert von 0,95 und die 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz bei 6,2 (vgl. LGA, Tagesbericht COVID-19 vom 29.11.2021, abrufbar unter www.gesundheitsamt-bw.de). Nach den Daten des DIVI-Intensivregisters (www.intensivregister.de) von Krankenhaus-Standorten mit Intensivbetten zur Akutbehandlung sind mit Datenstand 29.11.2021, 16 Uhr, 622 COVID-19-Fälle in Baden-Württemberg in intensivmedizinischer Behandlung, davon werden 334 (53,7 %) invasiv beatmet. Der Anteil an COVID-19 Fällen in intensivmedizinischer Behandlung an der Gesamtzahl der betreibbaren ITS-Betten beträgt 27,9 %. (vgl. LGA, Tagesbericht COVID-19 vom 29.11.2021, a.a.O.).
113 
Das RKI gelangt vor diesem Hintergrund aktuell zusammenfassend und auszugsweise zu folgender Risikobewertung:
114 
„Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat eingeschätzt, steigt aber mit zunehmenden Infektionszahlen an. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.
(…)
115 
Die 7-Tage-Inzidenzen steigen derzeit in allen stark Altersgruppen an. Die Fallzahlen sind deutlich höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Ein weiterer Anstieg der Infektionszahlen ist zu erwarten. Gründe dafür sind unter anderem mehr Kontakte in Innenräumen und die noch immer große Zahl ungeimpfter Personen.
116 
Die Zahl der Todesfälle zeigt eine steigende Tendenz. Die Zahl schwerer Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus evtl. auch intensivmedizinisch behandelt werden müssen, steigt ebenfalls weiter an. Es lassen sich nicht alle Infektionsketten nachvollziehen, Ausbrüche treten in vielen verschiedenen Umfeldern auf.
117 
Das Virus verbreitet sich überall dort, wo Menschen zusammenkommen, insbesondere in geschlossenen Räumen. Häufungen werden oft in Privathaushalten und in der Freizeit (z.B. im Zusammenhang mit Besuchen von Bars und Clubs) dokumentiert, Übertragungen und Ausbrüche finden aber auch in anderen Zusammenhängen statt, z.B. im Arbeitsumfeld, in Schulen, bei Reisen, bei Tanz- und Gesangsveranstaltungen und anderen Feiern, besonders auch bei Großveranstaltungen und in Innenräumen. COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern treten wieder zunehmend auf. Davon sind auch geimpfte Personen betroffen.
118 
Die aktuelle Entwicklung ist sehr besorgniserregend und es ist zu befürchten, dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfällen kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zeitnah überschritten werden.
119 
Es ist unbedingt erforderlich, bei Symptomen einer neu auftretenden Atemwegserkrankung wie z.B. Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten (unabhängig vom Impfstatus) zuhause zu bleiben, die Hausarztpraxis zu kontaktieren und einen PCR-Test durchführen zu lassen.
120 
Grundsätzlich sollten alle nicht notwendigen Kontakte reduziert werden. Sofern Kontakte nicht gemieden werden können, sollten Masken getragen, Mindestabstände eingehalten und die Hygiene beachtet werden. Innenräume sind vor, während und nach dem Aufenthalt mehrerer Personen regelmäßig und gründlich zu Lüften (AHA+L-Regel). Das RKI rät dringend dazu, größere Veranstaltungen und enge Kontaktsituationen, wie z.B. Tanzveranstaltungen, möglichst abzusagen oder zu meiden. Es wird empfohlen, die Corona Warn App zu nutzen. Insbesondere vor Kontakt zu besonders gefährdeten Personen sollte ein vollständiger Impfschutz vorliegen und ein Test gemacht werden. Alle diese Empfehlungen gelten auch für Geimpfte und Genesene.
121 
Es wird insbesondere den noch nicht grundimmunisierten Personen dringend empfohlen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen und hierbei auf einen vollständigen Impfschutz zu achten. Auch die Möglichkeit der Auffrischimpfung (Boosterimpfung) sollte von allen Personengruppen gemäß den STIKO-Empfehlungen genutzt werden.
122 
Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung schwerer Erkrankungen und Todesfälle ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. (…)
123 
Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansätze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen. (…)“ (RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 24.11.2021, abrufbar unter www.rki.de, zuletzt abgerufen am 25.11.2021; Hervorhebung im Original).
124 
Diese Risikobewertung wurde unter Auswertung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgenommen und ist vor dem Hintergrund der oben skizzierten Lage des aktuellen Pandemiegeschehens nachvollziehbar. Das gilt insbesondere für die vom RKI am 05.11.2021 vorgenommene Verschärfung der Gefahrenprognose für geimpfte Personen auf „moderat, aber steigend“ und für nicht-geimpfte Menschen auf „sehr hoch“.
125 
Die dem entgegenstehenden - grundrechtlich geschützten - Belange der Antragstellerin weisen ein spürbares Gewicht auf. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die Verpflichtung gem. § 17 Abs. 1 Nr. 2 CoronaVO eingehalten wird (vgl. § 6 CoronaVO). Dies bindet zumindest in gewissem Maße Arbeitskraft bei der Antragstellerin. Darüber hinaus erleidet sie möglicherweise Umsatzeinbußen, weil nicht-immunisierte Kunden die Mühe, sich einem Antigen-Test zu unterziehen, nicht auf sich nehmen und den entsprechenden Geschäften fernbleiben.
126 
Das Gewicht der durch die genannten Rechtsvorschriften in den Alarmstufen bewirkten Grundrechtseingriffe wird dadurch etwas aufgewogen, dass die für den Nachweis gem. § 17 Abs. 1 Nr. 2 CoronaVO erforderlichen Antigen-Schnelltests (sog. Bürgertests) seit dem 13.11.2021 wieder kostenfrei und flächendeckend zu erhalten sind. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Antragsgegner trotz des dynamischen Pandemiegeschehens derzeit von weitgehenden Betriebsschließungen zur Kontaktreduzierung absieht und zumindest der großen Anzahl immunisierter Personen ohne zusätzlichen Aufwand weiterhin ermöglicht, im stationären Handel einkaufen zu gehen. Schließlich stehen zur Kompensation wirtschaftlicher Einbußen weiterhin Überbrückungshilfen (zum Ganzen bereits Senat, Beschl. v. 06.11.2020 – 1 S 3430/20 – juris) zur Verfügung, die im Falle des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen mögliche existenzbedrohende Einbußen abmildern können (vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2021/11/20211124-altmaier-zur-verlangerung-corona-hilfen.html).
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Den dennoch spürbaren Eingriffen in die Grundrechte der Antragstellerin stehen jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands gegenüber. In die Abwägung einzustellen sind hier auch die Interessen der anderen Grundrechtsträger daran, die von § 17 Abs. 1 Nr. 2 CoronaVO erfassten Einzelhandels-, Ladengeschäfte und Märkte in einer möglichst sicheren Umgebung besuchen bzw. in Anspruch nehmen zu können und sich dort - im eigenen Interesse, aber auch im Interesse von Angehörigen insbesondere aus vulnerablen Gruppen - nicht zu infizieren. Angesichts der vom RKI inzwischen wieder als „sehr hoch“ eingestuften Gefährdungslage für nicht ausreichend geimpfte Bevölkerungsgruppen und der auch für vollständig Geimpfte wieder verschärften Risikobewertung („moderat, aber ansteigend“), weist das mit den angefochtenen Vorschriften für die Alarmstufen verfolgte Ziel derzeit nach wie vor ein solches Gewicht und eine solche Dringlichkeit auf, dass die Immunitäts- und Testnachweispflicht als Zugangsvoraussetzung für die erfassten Bereiche in ihrer für die Alarmstufen getroffenen Ausgestaltung auch unter Berücksichtigung des von ihr bewirkten Eingriffs in das Grundrecht der Antragstellerin und der übrigen Normadressaten aus Art. 12 Abs. 1 GG gegenwärtig voraussichtlich verhältnismäßig im engeren Sinne ist.“
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Hieran hält der Senat auch bei der derzeitigen Sach- und Rechtslage fest. Die Antragstellerin zeigt nicht konkret auf, aus welchen Gründen an den Aufführungen nicht festzuhalten sein sollte. Insbesondere das Vorbringen, die Norm sei unverhältnismäßig, da sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, ist unbegründet, da es an einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG - wie gezeigt - fehlt.
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An einer Unverhältnismäßigkeit fehlt es auch hinsichtlich der 2G-Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 für die Alarmstufe II. Der Senat nimmt insoweit vollständig auf die Gründe seines Beschlusses vom 11.01.2022 - 1 S 3781/21 - juris Rn. 38 ff. Bezug.
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bb) Der Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung ist in Bezug auf § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 CoronaVO auch nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO geboten. Dies folgt bereits daraus, dass ein Normenkontrollantrag gegen diese Vorschrift in der Hauptsache, wie gezeigt, aller Voraussicht nach unbegründet wäre. In einem solchen Fall ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.
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Unabhängig davon ist eine erhebliche, die von dem Antragsgegner vorgebrachten Interessen überwiegende Beeinträchtigung der Belange der Antragstellerin und vergleichbarer Betriebe nicht ersichtlich. Die mit der angefochtenen Vorschrift für sie verbundenen wirtschaftlichen und sonstigen Belastungen weisen ein beachtliches Gewicht auf, sind ihr aber aus den oben zur Verhältnismäßigkeit genannten Gründen derzeit zumutbar.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Für eine Herabsetzung des Auffangstreitwerts aus § 52 Abs. 2 GKG bestand im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der weitgehend begehrten Vorwegnahme der Hauptsache kein Anlass.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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