Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. März 2022 - A 2 K 3812/19 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
| Der am 04.05.2022 gestellte Antrag des Klägers, eines im Jahr 1999 geborenen türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, auf Zulassung der Berufung gegen das am 11.04.2022 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die mit dem Antrag vorgetragenen Gründe (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel in Gestalt eines Gehörsverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO). |
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| 1) Der Kläger macht mit dem Zulassungsantrag geltend, es liege der Zulassungsgrund gemäß § 138 Nr. 1 (gemeint Nr. 3) VwGO vor. In den Tatbestandsfeststellungen des angefochtenen Urteils werde ausschließlich der Verfahrensverlauf wiedergegeben, ohne dass inhaltlich dargelegt werde, was der Kläger zur Begründung seines Anspruchs und zur Klagebegründung vorgetragen habe. Damit habe das Gericht nicht zu erkennen gegeben, welchen Vortrag des Klägers es seinen Entscheidungsgründen zugrunde gelegt habe. Gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 3 (gemeint Nr. 4) VwGO habe das Urteil den Tatbestand zu enthalten, insbesondere müsse dem Tatbestand entnommen werden können, was aus dem Vorbringen der Prozessbeteiligten Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sei. Insbesondere müsse der Tatbestand auch erkennen lassen, dass dem Beteiligten das in Art. 103 Abs. 1 GG gewährte rechtliche Gehör gewährt worden sei und dass das Gericht alle wesentlichen Tatsachen einschließlich der Beweisergebnisse sowie den wesentlichen Vortrag der Beteiligten bei seiner Entscheidung berücksichtigt habe. Dadurch, dass das Gericht nicht zu erkennen gegeben habe, von welchem (wesentlichen) Vortrag des Klägers es ausgehe, sei nicht nachzuvollziehen, ob das Gericht diesen Vortrag überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Dadurch sei das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. |
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| Das Vorbringen gibt keinen Anlass, dem Antrag auf Zulassung der Berufung zu entsprechen. |
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| a) Soweit der Kläger sinngemäß rügt, es liege kein gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ordnungsgemäßer Tatbestand vor, macht er der Sache nach einen Verfahrensmangel geltend. Nach der genannten Vorschrift enthält das Urteil unter anderem einen Tatbestand und ist in diesem der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf die Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Dies ist hier erfolgt. Zwar ist der als „Tatbestand“ bezeichnete Teil des angefochtenen Urteils sehr knapp gefasst. Er gibt außer einigen Angaben zur Person des Klägers wie Geburtsdatum und -ort, Staats-, Volks-, und Religionszugehörigkeit und Einreisedatum lediglich den Tenor der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und die Formalien der Verfahrens- und Prozessgeschichte einschließlich der Anträge wieder. Eine Darstellung des wesentlichen Vorbringens des Klägers ist in diesem Teil des Urteils nicht enthalten. Das klägerische Vorbringen, das sich aus seinem Vortrag im Verfahren vor dem Bundesamt (insbesondere im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG) sowie seinen schriftlichen und mündlichen Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zusammensetzt, wird jedoch durch den pauschalen Verweis am Ende des Tatbestands auf die Bundesamtsakten sowie die Schriftsätze und die in der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung dokumentierte Anhörung in Bezug genommen. Dass durch diese Bezugnahme mit Blick auf § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO die Anforderungen der Vorschrift - insbesondere hinsichtlich der Begrenzung der Bezugnahme auf „Einzelheiten“ (vgl. dazu Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 117 Rn. 17) - nicht erfüllt wären, erbringt der Zulassungsantrag nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.06.1981 - 7 B 121.81 -, juris Rn. 6; Kraft in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch Clausing/Kimmel in: Schoch/Schneider, VwGO, § 117 Rn. 16 ; Kilian/Hissnauer in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 117 Rn. 75; vgl. zur Bezugnahme in den Entscheidungsgründen auf eine andere Entscheidung BVerwG, Beschluss vom 03.04.1990 - 9 CB 5.90 -, juris Rn. 6). Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungsgericht den wesentlichen Vortrag des Klägers in den mit „Entscheidungsgründen“ überschriebenen Teil des Urteils wiedergegeben hat (UA S. 8). Dass diese Darstellung im Rahmen der Entscheidungsgründe erfolgt, ist - unabhängig von der Frage, inwieweit dem Urteilstatbestand eine negative Beweiskraft zukommt (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 314 Satz 1 ZPO) - unschädlich. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zwar eine inhaltliche, nicht aber zwingend auch eine äußere Trennung des Tatbestands von den Entscheidungsgründen verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.1984 - 9 C 67.83 -, juris Rn. 9 m.w.N.; vgl. Kraft in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 15; Clausing/Kimmel in: Schoch/Schneider, VwGO, § 117 Rn. 15 m.w.N. ). |
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| Ungeachtet dessen wäre ein Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG auch deswegen nicht gegeben, weil es sich bei dem geltend gemachten Verstoß gegen § 117 Abs. 3 VwGO nicht um einen in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmangel handelt. Dass das Fehlen eines Tatbestands oder ein gänzlich unbrauchbarer Tatbestand einen Verfahrensfehler nach § 138 Nr. 6 VwGO begründete (Clausing/Kimmel in: Schoch/Schneider, VwGO, § 117 Rn. 17 m.w.N.), hat der Kläger mit dem Zulassungsantrag nicht - auch nicht sinngemäß - vorgetragen und ist auch fernliegend. |
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| b) Der Zulassungsantrag legt auch nicht dar, dass das Verwaltungsgericht dem Kläger das in Art. 103 Abs. 1 GG gewährte rechtliche Gehör nicht gewährt hätte. |
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| Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht, ihm in der Sache zu folgen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.02.2020 - 2 BvR 336/19 -, juris Rn. 9, und vom 13.02.2019 - 2 BvR 633/16 -, juris Rn. 23; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 78 Rn. 261 ff. m.w.N. ). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Verpflichtung nachgekommen ist, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.05.2022 - 2 BvR 1982/20 -, juris Rn. 40, vom 13.02.2019 - 2 BvR 633/16 -, juris Rn. 23, vom 17.04.2012 - 1 BvR 3071/10 -, juris Rn. 13, vom 19.05.1992 - 1 BvR 986/91 -, juris Rn. 39, vom 03.04.1979 - 1 BvR 733/78 -, juris Rn. 23 und vom 01.02.1978 - 1 BvR 426/77 -, juris Rn. 16). Es ist nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Nur die wesentlichen der Rechtsverteidigung und -verfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Daher kann selbst aus der fehlenden Erörterung von Teilen des Vorbringens nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, diese seien gar nicht erwogen worden. Eine derartige Annahme ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen wurden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 12.10.1988 - 1 BvR 818/88 -, BVerfGE 79, 51; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 78 Rn. 269 f. m.w.N. ). |
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| Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hätte, legt der Zulassungsantrag nicht dar. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe aufgrund der knappen Gestaltung des Tatbestands nicht zu erkennen gegeben, von welchem (wesentlichen) Vortrag des Klägers es ausgegangen sei (vgl. Schriftsatz vom 04.05.2022 S. 1 f.), erbringt derartige Anhaltspunkte nicht. Denn sie berücksichtigt nicht, dass das Verwaltungsgericht, wie ausgeführt, den wesentlichen Vortrag des Klägers in den Entscheidungsgründen des Urteils wiedergegeben (UA S. 8) und damit die tatsächliche Grundlage seiner Entscheidung gekennzeichnet hat. |
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| 2) Auch aus dem weiteren vom Zulassungsantrag vorgebrachten Grund ist die Berufung nicht wegen eines geltend gemachten Gehörsverstoßes zuzulassen. |
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| a) Beruft sich der Kläger darauf, Vorbringen sei entweder nicht zur Kenntnis genommen oder erkennbar nicht erwogen worden, so erfordert das Darlegungsgebot, dass der nicht gewürdigte Vortrag substantiiert zu bezeichnen ist, insbesondere, wann er erfolgt ist. Sodann müssen die besonderen Umstände herausgearbeitet werden, die auf einen vom Regelfall abweichenden Fall der Nichtberücksichtigung von Vorbringen weisen. Schließlich ist die Entscheidungserheblichkeit des (vermeintlich) übergangenen Vorbringens darzulegen, um beurteilen zu können, ob das Verwaltungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus überhaupt gehalten gewesen wäre, dieses Vorbringen in den Gründen erkennbar zur Kenntnis zu nehmen und zu bewerten (Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 78 Rn. 642 f. ; vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.03.2021 - 4 B 52.20 -, juris Rn. 9). |
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| b) Der Kläger macht mit dem Zulassungsantrag geltend, das Gericht habe zwar auf Seite 8 seiner Entscheidungsgründe wiedergegeben, dass der Kläger sich seit 2015 für die HDP engagiert habe und 2018 der HDP beigetreten sei. Es habe diesen Umstand aber ersichtlich nicht gewürdigt, sondern pauschal alle Ausführungen des Klägers wegen angeblicher Widersprüchlichkeit und Detailarmut als unglaubhaft abgelehnt. Das Gericht übersehe oder nehme nicht zur Kenntnis, dass er ein Beitrittsformular der HDP bereits im vorgerichtlichen Verfahren der Beklagten vorgelegt habe (AS 105/106 der Akten der Beklagten). Hätte das Gericht diesen Umstand zur Kenntnis genommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, hätte es sich mindestens damit auseinandersetzen müssen, ob ggf. der Vortrag, er sei Mitglied der HDP gewesen, glaubhaft dargelegt sei. Stattdessen habe das Gericht offenbar den Umstand, dass er insoweit Belege vorgelegt habe, vollständig ignoriert und insgesamt schlicht alle Angaben - auch so die der Mitgliedschaft in der HDP - als unglaubhaft angesehen. Hierin sei eine Verletzung der Gewährung rechtlichen Gehörs zu sehen. |
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| c) Das Zulassungsvorbringen genügt nicht den vorgenannten Darlegungsanforderungen an einen Verfahrensmangel in Gestalt eines Gehörsverstoßes. |
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| Der Zulassungsantrag benennt nicht ausdrücklich, auf welchen rechtlichen Gesichtspunkt des mehrgliedrigen Streitgegenstands der vom Kläger erhobenen Klage sich dieser Teil seiner Gehörsrüge bezieht (vgl. zu diesem Erfordernis VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.03.2021 - A 11 S 123/20 -, juris Rn. 9; Hessischer VGH, Beschluss vom 26.03.2007 - 7 ZU 3020/06.A -, juris Rn. 25 f.; Berlit in: GK-AsylG, § 78 Rn. 577 ; Neumann/Korbmacher in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018 § 138 Rn. 127). Dadurch, dass der Kläger die im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft gemachten Ausführungen des Verwaltungsgerichts beanstandet, dürfte die geltend gemachte Gehörsrüge noch hinreichend deutlich auf den Streitgegenstand des Flüchtlingsschutzes bezogen sein. |
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| Der Zulassungsantrag legt die Entscheidungserheblichkeit des (vermeintlich) übergangenen Vorbringens nicht dar. Im Zulassungsantrag führt der Kläger insoweit lediglich aus, dass das Gericht, hätte es das bereits beim Bundesamt vorgelegte Beitrittsformular zur Kenntnis genommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, sich mindestens damit hätte auseinandersetzen müssen, ob ggf. der Vortrag, er sei Mitglied der HDP gewesen, glaubhaft dargelegt sei (vgl. Schriftsatz vom 04.05.2022 S. 2). Er zeigt aber nicht auf, unter welchem Gesichtspunkt eine ggf. anzunehmende Mitgliedschaft bei der HDP für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können. |
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| Soweit der Zulassungsantrag im Gewand des Gehörsverstoßes eine unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung rügt, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung. Denn § 78 Abs. 3 AsylG eröffnet weder die Rüge der ernstlichen Zweifel noch ist die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als solche von einem der Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylG erfasst (vgl. Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 12.02.2020 - 9 ZB 20.30351 -, juris Rn. 2, 8, und vom 08.10.2019 - 9 ZB 19.32166 -, juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2018 - A 11 S 1911/18 -, juris Rn. 3; Berlit in: GK-AsylG, § 78 AsylG Rn. 64, 69 ; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 78 Rn. 19). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG). |
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