Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 3575/21

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2021 - 2 K 5046/19 - geändert.

Es wird festgestellt, dass die versammlungsrechtliche Auflage unter II. A. Ziffer 1 und die Androhung unmittelbaren Zwanges unter II. A. Ziffer 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, die Staatsangehörige Kroatiens ist, begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer versammlungsrechtlichen Auflage, die eine zeitliche und örtliche Beschränkung einer von ihr angemeldeten Versammlung enthält sowie der hierauf bezogenen Androhung unmittelbaren Zwangs.
Nach einer entsprechenden Anmeldung von Herrn ... vom 30.01.2018 wurde vom 14.02.2018 bis zum 25.03.2018 jeweils von 09:00 bis 13:00 Uhr eine Versammlung mit fünf bis zehn Teilnehmern zum Thema „40 Days for Life“ neben dem Eingang des Büros von ... ...) in der ... Straße ... bis ... in ... in der Form einer stillen Gebetmahnwache durchgeführt. An der Versammlung nahmen tatsächlich regelmäßig sieben bis zehn Personen teil. Hierbei kam es zu Konflikten mit den Mitarbeitern von .... Eine die Beratungsstelle aufsuchende Frau fühlte sich zudem durch „böse Blicke“ der Versammlungsteilnehmer beeinträchtigt. Zudem führte die Aufstellung eines ein Meter großen weißen Kreuzes zu Unmut bei den Mitarbeitern von .... Des Weiteren kam es zu Auseinandersetzungen mit einer Gegendemonstration von Mitarbeitern von ....
Mit Schreiben vom 07.09.2018 meldete Frau ... bei der Beklagten eine Versammlung mit 20 Teilnehmern zunächst wiederum vor der Beratungsstelle von ... und nach einem Kooperationsgespräch vor der ... Straße ... bis ... in ... vom 26.09 bis zum 04.11.2018 jeweils von 09:00 bis 13:00 Uhr erneut zum Thema „40 Days for Life“ mit einem täglichen stillen Gebet sowie einer Mahnwache an. Das Büro von ...a befand sich auf der gegenüberliegenden Seite der ... Straße, die eine Breite von 17 Metern aufweist, vierspurig und vielbefahren ist.
Mit Schreiben vom 26.09.2018 teilte die Beklagte Frau ... unter anderem mit, dass hinsichtlich der Versammlung, wenn sie so wie letztendlich angemeldet und im Kooperationsgespräch besprochen durchgeführt werde, keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass von ihr Gefährdungen ausgingen. Weitere Auflagen zur Gefahrenabwehr, als die Bestimmungen, die sich ohnehin schon aus dem Versammlungsgesetz ergäben, seien somit nicht erforderlich.
Mit Schreiben vom 27.01.2019 meldete Frau ... bei der Beklagten für den Zeitraum vom 06.03.2019 bis zum 14.04.2019 jeweils von 09:00 bis 13:00 Uhr wiederum eine Versammlung zum Thema „40 Days for Life/Lebensrecht ungeborener Kinder“ mit einem täglichen stillen Gebet sowie einer Mahnwache an. Als Kundgebungsmittel wurden Plakate angegeben. Die Versammlung sollte erneut auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Büro von ... durchgeführt werden.
Nachdem diese Versammlungsanmeldung zurückgenommen wurde, meldete die Klägerin mit Schreiben vom 26.02.2019 die Versammlung erneut an. Sie gab zudem an, dass Passanten und Besucher der Beratungsstelle nicht angesprochen würden. Es würden auch keine Informationsschreiben verteilt.
Mit Bescheid vom 28.02.2019 – zugestellt am 06.03.2019 – erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Versammlung die Auflage (Ziffer 1 der Verfügung), dass die Versammlung währen der Beratungszeiten von ... (an Werktagen Montag bis Freitag von 07:15 bis 18:00 Uhr) nur außerhalb direkter Sichtbeziehung zum Gebäudeeingang von ... durchgeführt werden dürfe. Die Versammlung sei somit während der Beratungszeiten nicht erlaubt auf den Gehwegen der ... Straße auf der östlichen Straßenseite zwischen K... Straße und einschließlich dem Gebäude ... Straße ..., auf der westlichen Seite zwischen dem ... Weg und der beschränkten Ein-/Ausfahrt der Landratsamtsaußenstelle (...Straße ...), die sich zwischen Ecke G... Straße und Ecke ... Straße befinde, und auf dem Abschnitt des Gehwegs auf der Südseite des ...-... Wegs, von dem aus eine Sichtbeziehung zum Eingang des Gebäudes ... Straße ... bestehe. Die Gehwegbereiche, innerhalb derer die Versammlung während der genannten Beratungszeiten wie beschrieben nicht stattfinden dürfe, seien auf dem als Anlage beigefügten Plan als rote Balken eingezeichnet. Mit II. A. Ziffer 2 des Bescheids wurde für den Fall einer Zuwiderhandlung unmittelbarer Zwang angedroht und mit II. A. Ziffer 3 des Bescheids die sofortige Vollziehung der unter II. A. Ziffer 1 genannten Auflage angeordnet.
Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, bereits 2018 seien im Frühjahr und im Herbst Versammlungen zu demselben Thema in unmittelbarer Nähe zum Gebäude von ... in ... angemeldet und unter der Leitung der Klägerin durchgeführt worden. Während dieser Zeiträume hätten jeweils auch Versammlungen von ... stattgefunden mit dem Ziel, einen ungehinderten Zugang der Schwangeren zur Beratungsstelle zu gewährleisten und somit deren allgemeines Persönlichkeitsrecht zu schützen. Die seinerzeitigen Versammlungen seien friedlich verlaufen. Allerdings hätten sich teilweise aufgeheizte Stimmungen und die konträren Positionen der Teilnehmer gezeigt, die sich aus den verschiedenen Auffassungen zur Schwangerschaftskonfliktberatung ergäben. Bei ... seien Beschwerden von betroffenen Schwangeren eingegangen. Von Seiten der Beratungsstelle ... sei ausgeführt worden, dass die Versammlungsteilnehmer von „40 Days for Life“ den Besucherinnen der Beratungsstelle als böse empfundene Blicke zugeworfen hätten. Ferner seien Besucher der Beratungsstelle gestört, bedrängt und eingeschüchtert worden. Teilnehmer der Versammlung hätten Ratsuchende belästigt und Beschäftigte von ... diffamiert. Die zeitlich und örtlich beschränkende Auflage sei erforderlich, weil bei Durchführung der Versammlung am vorgesehenen Ort eine unmittelbare Gefährdung für das der öffentlichen Sicherheit zuzuordnende allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen Frauen bestehe, die die Beratungsstelle von ... aufsuchen wollten. Zwar könne sich die Klägerin neben dem Versammlungsrecht auch auf das Recht auf Meinungsäußerung und auf die Religionsfreiheit berufen. Im Rahmen der Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte sei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen Vorrang einzuräumen. Durch die zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung werde diesen ermöglicht, ohne Bedrängungen und ohne Stigmatisierung durch die Versammlungsteilnehmer die Beratungsstelle aufzusuchen.
Die Klägerin erhob am 19.03.2019 Widerspruch und stellte am 20.03.2019 beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe lehnte mit Beschluss vom 27.03.2019 - 2 K 1979/19 - den Antrag der Klägerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs ab.
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Das Regierungspräsidium Karlsruhe stellte mit Verfügung vom 06.05.2019 das Widerspruchsverfahren ein.
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Die Klägerin hat am 30.07.2019 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unter II. A. Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 28.02.2019 angeordneten zeitlichen und örtlichen Beschränkung ihrer Versammlung sowie der in II. A. Ziffer 2 befindlichen Androhung des unmittelbaren Zwangs begehrt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die in der Verfügung der Beklagten vom 28.02.2019 angeordnete, eine zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung enthaltende Auflage sei rechtwidrig gewesen. Der Verfügung sei die Anmeldung einer stillen Gebetsvigil als Versammlung vorausgegangen. Diese Vigil habe in der ... Straße ... abgehalten werden sollen, das heiße genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite der ...-Beratungsstelle in der ... Straße .... Sie setze sich mit der formlosen Gebetsvigil „40 Tage für das Leben“ durch ein friedliches und stilles Gebet vor der ...-Beratungsstelle für das Lebensrecht ungeborener Kinder ein. Sie habe langjährige Erfahrungen in der Leitung von privaten Gebetskreisen und auch in der ehrenamtlichen Seelsorge in einer christlichen Kirchengemeinde. Diese Erfahrung präge auch das Wesen der Vigil vor der Beratungsstelle und trage dazu bei, dass sowohl die erste als auch die zweite Vigil 2018 vollkommen friedlich verlaufen seien. Insbesondere hätten sie und die Vigil-Teilnehmer bisher keine Passanten, Besucher der Beratungsstelle oder Mitarbeiter der Beratungsstelle angesprochen oder sich diesen Personengruppen gegenüber aufdringlich, bedrohlich oder beleidigend verhalten. Es sei auch kein Informationsmaterial an Passanten, Besucher oder Mitarbeiter verteilt worden. Eine aktive Ansprache von diesen Personengruppen oder die Übergabe von Informationsmaterial zum Thema Abtreibung sei nicht geplant. Die Gefahrenprognose der Beklagten beruhe auf bloßen Verdachtsmomenten und Vermutungen.
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Die räumliche Beschränkung habe nicht auf eine Bannmeilenvorschrift gestützt werden können. Diese finde ihre Begründung auch nicht im Versammlungsgesetz (im Folgenden: VersG), da es an einer erforderlichen konkreten Gefahr für eine räumliche Verlegung der Versammlung außer Ruf- und Sichtweite zur ... ... Beratungsstelle in ... gefehlt habe. Die Güterabwägung und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtfertigten gleichfalls die räumliche Beschränkung nicht. Denn selbst wenn in einem bösen Blick, durch den sich eine schwangere Frau in ihrer Intimsphäre belästigt fühlen könnte, ein Eingriff erkannt werden sollte, so überwiege das Recht auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit das Recht der schwangeren Frauen auf unbeobachteten Zugang zu einer Beratungsstelle. Denn die Versammlung betender Menschen richte sich nicht per se gezielt an die die nahegelegene Beratungsstelle aufsuchenden Frauen in der Absicht, diese anzuprangern und zu stigmatisieren. Sie bringe lediglich zum Ausdruck, dass der Schutz des menschlichen Lebens den versammelten Menschen ein Gebetsanliegen sei. Dies auf ihrem kurzen Weg zur und von der Beratungsstelle (und nicht mehrere Wochen lang) zu erfahren, nötige eine schwangere Frau nicht zu einem Spießrutenlauf. Zur Versammlungsfreiheit gehöre insbesondere, dass der Veranstalter berechtigt sei, selbst darüber zu bestimmen, was er zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung erheben und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung er sich bedienen wolle. Durch die stille Gebetsmahnwache vor der ...-Beratungsstelle in der ... Straße in ... bringe sie mit ihrer Versammlung ihre Meinung und ihren Standpunkt in der Abtreibungsfrage zum Ausdruck. Das reine Stehen, Singen, Beten und Hochhalten von Plakaten von Lebensrechtlern stelle keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen dar.
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Auch das Verwaltungsgericht Freiburg und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hätten in ihren Entscheidungen, in denen es um Lebensrechtler gegangen sei, festgestellt, dass allgemein zulässige Verhaltensweisen, die dem verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungsäußerung unterlägen, beispielsweise Mahnwachen, Gebetsvigilien, Hochhalten von Transparenten und Spruchbändern, rechtlich nicht zu beanstanden seien. Nur die ausdrückliche individualisierte, gezielte bzw. beratende Ansprache von bewusst ausgesuchten Personen, wie die sogenannte Gehsteigberatung, könne zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Frauen führen. Im vorliegenden Fall habe eine Gefahr nicht vorgelegen. Aus den Versammlungen seien weder schwangere Frauen noch Mitarbeiter von ... oder Passanten auf das Thema Schwangerschaft oder Abtreibung angesprochen worden. Insbesondere würden weder Frauen noch Mitarbeiter oder Passanten belästigt, bedroht oder eingeschüchtert. Es werde kein Informationsmaterial an schwangere Frauen oder Passanten übergeben, auch würden keine „blutigen Schockfotos“ von abgetriebenen Embryonen gezeigt. Eine individualisierende Ansprache von schwangeren Frauen aus der Versammlung finde nicht statt. In der Versammlung werde nur gebetet. Zudem werde weder der Eingang noch der Zugang blockiert. Die Versammlung sei örtlich und akustisch von der Beratungsstelle durch eine stark befahrene vierspurige Straße getrennt, sodass jede schwangere Frau unproblematisch die Beratungsstelle habe aufsuchen können.
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Der streitgegenständliche Bescheid sei auf politischen Druck und entgegen der eindeutigen Rechtslage und den internen Warnungen durch das Rechtsamt auf Wunsch des Vorsitzenden von ... erlassen worden. Die Aussagen des Vorsitzenden ..., Frauen hätten sich gestört gefühlt, sei völlig pauschal. Es seien weder Tag noch Zeit benannt. Ferner fehle eine Schilderung der konkreten Umstände. Auch unter Wahrung der Anonymität hätte er einen konkreten und substantiierten Vortrag erbringen können. Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung der Grundrechte sei fehlerhaft. Bei der Güterabwägung habe diese vollkommen die Rechte des ungeborenen Kindes außer Acht gelassen und somit gegen die einschlägigen und verbindlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen. Öffentliche Bereiche, in denen die Begegnung mit anderen Ansichten und Vorstellungen staatlicherseits von vornherein in der Art einer „Bannmeile“ tabuisiert würden, widersprächen dem grundlegenden freiheitlichen Konzept einer integrativen Bewältigung von Konfliktlagen, auch wenn diese im vorliegenden Fall für die Frau in ihrer spezifischen Situation eine zusätzliche Belastung darstellen sollte. Die Anonymität der Frau sei nicht in Gefahr gewesen, denn eine ratsuchende schwangere Frau hätte die Beratungsstelle jederzeit betreten und wieder verlassen können, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, wodurch aus der Versammlung heraus der geschützte „Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung“ einer schwangeren Frau konkret in Gefahr gewesen sein sollte. Das stille und friedliche Gebet auf der gegenüberliegenden Seite der Beratungsstelle, aber auch ein möglicher Blick der Beter auf die Beratungsstelle und die Besucher könne jedenfalls den von der Beklagten ins Feld geführten „Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung“ schwangerer Frauen nicht verletzen. Denn es finde schon kein aktiver Kontakt statt. Das Gesetz mute der Frau selbst in der Phase unmittelbar vor dem Schwangerschaftsabbruch zu, von dem abbrechenden Arzt nach den Gründen für ihre Entscheidung befragt und über die Bedeutung des Eingriffs beraten zu werden. Von dieser intimen Rechenschaft sei eine stille und friedliche Versammlung auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aus welcher heraus lediglich gebetet werde, weit entfernt.
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Die in der Verfügung angeordnete Auflage sei auch unverhältnismäßig. Die Verlegung der Versammlung außer Ruf- und Sichtweite, komme einem Verbot gleich. Denn in der von ihr gewählten Umgebung könne die Versammlung nicht mehr stattfinden. Sie habe gerade die Nähe zur Beratungsstelle gesucht, weil sie dort etwas zu bewirken glaubte. Die von der Beklagten bezweckten Ziele hätten auch durch eine Verlegung auf die andere Straßenseite oder 20 bis 40 m weiter erreicht werden können. Weshalb ausgerechnet eine Verlegung außer Sichtweite und ein Abstand von 100 m gewählt worden sei, werde von der Beklagten nicht begründet. Die Beklagte übersehe, dass auch andere mildere und ebenso geeignete Mittel, wie beispielsweise das Verbot der Versammlung direkt am Eingang der Beratungsstelle, das Verbot des Bedrängens, des aufdringlichen Ansprechens der betroffenen Frauen, das Versperren des Eingangs zur Beratungsstelle, das Verteilen von Flyern oder das Hochhalten von Plakaten, in Betracht gekommen wären. Diese Erwägungen seien im Rahmen der Ermessensausübung seitens der Beklagten überhaupt nicht angestellt worden.
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Die angegriffene Verfügung begründe auch einen unverhältnismäßigen Eingriff und eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Die Gebetsversammlung stelle sich als glaubensgeleitetes, vom Schutz der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasstes Handeln dar. Mit ihrer Haltung zum Thema Abtreibung befänden sich sie und die anderen Vigil-Teilnehmer als praktizierende Katholiken in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche, die die Abtreibung als „grauenhaftes Verbrechen“ bezeichne.
17 
Schließlich habe die Beklagte das Neutralitätsgebot verletzt. Zwar folge das staatliche Informationshandeln aus dem dem Amt oder Organ zugewiesenen Aufgaben und Zuständigkeitsbereich. Hoheitsträger dürften sich jedoch nicht beliebig äußern. Kollidierendes Verfassungsrecht setze ihrem Handeln Grenzen. Insbesondere könne der Aufruf zur Teilnahme an einer Gegendemonstration in unzulässiger Weise in die Meinungsbildung der Bevölkerung eingreifen. Die Beklagte habe in Kenntnis dessen, dass die Interessen von ... ihren Interessen diametral entgegenstünden, mit ... zu ihren Lasten eine intensive Geheimdiplomatie betrieben, in deren Verlauf erhebliche interne Information preisgegeben worden seien, welche allesamt unter das Dienst- bzw. Amtsgeheimnis fallen dürften. Die Beklagte habe sich hier von Sonderinteressen anderer Prozessbeteiligter bzw. potentieller Prozessbeteiligter leiten lassen. Neben der Verletzung des Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebots stehe hier auch der Verdacht einer Befangenheit im Raum. Auch seien der Verrat von Amts- bzw. Dienstgeheimnissen und weitere Dienstpflichtverletzungen nicht auszuschließen. Ferner habe die Gleichstellungsbeauftragte des ..., die durch die Beklagte informiert worden sei, zur Unterstützung der Gegenkundgebung von ... in ihrem riesigen Partner-Netzwerk per E-Mail aufgerufen und somit unzulässigerweise maßgeblich dazu beigetragen, dass ihre Rechtsposition erheblich beeinträchtigt worden und sie auch öffentlich stark unter Druck geraten sei.
18 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf ihre Verfügung und auf die im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe aufgeführten Gründe verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, ... sei die einzige Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle in .... Schwangere Frauen, die eine Beratungsstelle aufsuchen müssten, um einen straffreien Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können, seien daher gezwungen, allein diese Beratungsstelle aufzusuchen. Angesichts der von den schwangeren Frauen zu beachtenden Fristen sei ihnen gegebenenfalls ein weiteres Zuwarten bis zum Ende der Versammlung nicht möglich. Auch mit Blick darauf würden die schwangeren Frauen durch die Abtreibungsgegner psychisch unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Allein das Betreten des Gebäudes der Schwangerschaftskonfliktberatung habe eine stigmatisierende Wirkung. Die örtlichen Gegebenheiten sorgten nicht für eine ausreichende Unterbrechungswirkung. Die Versammlungsteilnehmer seien von den betroffenen Frauen weithin wahrnehmbar und würden von diesen genau beobachtet. Auch sei den betroffenen Frauen eine eigene Rechtsverfolgung nicht zumutbar, weil es ihnen einen Verzicht auf die durch § 6 Abs. 2 SchKG gesetzlich gewährleistete Anonymität abverlangen würde. Aus den gleichen Gründen sei es den Frauen ebenso wenig zumutbar, in diesem Verfahren als Zeugen benannt zu werden. Die Vertraulichkeit der Beratung werde durch das Zeugnisverweigerungsrecht und durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Schweigepflicht der Berater abgesichert. Dies hindere indessen sie nicht daran, auf die Beschwerden betroffener schwangerer Frauen hinzuweisen, die im Zusammenhang mit früheren Versammlungen geäußert worden seien.
19 
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 12.05.2021 die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Die unter II. A. Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 28.02.2019 angeordnete zeitliche und örtliche Beschränkung der von der Klägerin angemeldeten öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel sei rechtmäßig gewesen und verletze diese nicht in ihren Rechten. Gleiches gelte für die Zwangsmittelandrohung.
20 
Die Verfügung sei nicht unter Verstoß gegen das Neutralitätsgebot ergangen. Es seien zwar im Zusammenhang mit der Versammlungsanzeige der Klägerin zahlreiche Anfragen, Anregungen, Wünsche und Vorschläge Dritter nicht unmittelbar am Verfahren Beteiligter an die Beklagte herangetragen worden. Ferner würden sich Stellungnahmen und Kommentare aus Gesellschaft, Politik und Kirche in den Akten der Beklagten befinden. Dies zeige jedoch deutlich, dass die Beklagte das Verfahren transparent gestaltet habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte Gespräche mit ... geführt und insoweit ein Informationsaustausch stattgefunden habe. Da als Versammlungsort die Beratungsstelle von ... gewählt worden sei, sei im Rahmen von Kooperationsgesprächen eine Kontaktaufnahme sogar erforderlich gewesen. Es gebe auch keine stichhaltigen Nachweise dafür, dass Mitarbeiter von ... oder anderer gesellschaftlicher oder politischer Organisationen in bestimmender Weise und durch entscheidungsbezogene Aktivitäten betreffend den Inhalt der streitgegenständlichen Verfügung kausal Einfluss genommen hätten. Die verwaltungsintern vorgebrachten Bedenken gegenüber der streitgegenständlichen Verfügung könnten die Annahme eines Verstoßes gegen die Neutralitätspflicht der Beklagten ebenfalls nicht rechtfertigen. Einzig der Umstand, dass eine Behörde einzelnen rechtlichen Erwägungen ihrer Mitarbeiter bei der verfahrensbeendenden Entscheidung nicht folge, rechtfertige nicht den Schluss, diese sei allein auf den bestimmenden Einfluss dritter Außenstehender zurückzuführen, weil der behördliche Entscheidungsträger seine hoheitlichen Befugnisse unter Missachtung der Unparteilichkeit gewissermaßen „aus der Hand gegeben“ habe.
21 
Die Verfügung der Beklagten vom 28.02.2019 begegne auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Die unter II. A. Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 28.02.2019 angeordnete zeitliche und örtliche Beschränkung der angezeigten Versammlung sei rechtsfehlerfrei ergangen. Die von der Klägerin angemeldete Veranstaltung sei als Versammlung einzuordnen, weshalb die Beklagte die Versammlungsauflage zutreffend auf § 15 Abs. 1 VersG gestützt habe. Die Beklagte habe auch zutreffend eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bejaht, weil die Versammlung in ihrer beabsichtigten konkreten Gestaltung zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere derjenigen Frauen geführt hätte, die sich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befunden hätten und deshalb die Schwangerschaftsberatungsstelle von ... ... aufsuchen wollen. Die schwangere Frau habe ein aus ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließendes Recht darauf, eine anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle ohne Spießrutenlauf durch eine über mehrere Wochen dauernde, blockadeartige Versammlung von Abtreibungsgegnern, die in unmittelbare Nähe zum Eingang der Beratungsstelle habe stattfinden sollen, zu erreichen. Mit der über mehrere Wochen geplanten, blockadeartigen Versammlung von Abtreibungsgegnern in unmittelbare Nähe zum Eingang der Beratungsstelle würde zudem auch das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nachhaltig beeinträchtigt. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchenden Frauen sei auch nicht durch die Grundrechte der Klägerin gerechtfertigt. Denn das Versammlungsrecht habe im hier vorliegenden konkreten Fall gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frau als Schutzgut des Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zurückzutreten. Auch geböten die durch Art. 5 Abs. 1 GG - und auch Art. 10 EMRK - geschützte Meinungsfreiheit und die durch Art. 4 Abs. 1 GG - und Art. 9 EMRK - geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin aus denselben Gründen nicht, den in der Verfügung untersagten Verhaltensweisen Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen einzuräumen. Schließlich habe die Beklagte auch ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs nach den § 19 Abs. 1 Nr. 3, § 20 Abs. 1 bis 3 und § 26 LVwVG sei gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen der aufgeführten Vorschriften seien zweifellos erfüllt. Durchgreifende Bedenken habe die Klägerin nicht vorgetragen.
22 
Mit der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus der ersten Instanz weiter.
23 
Die Klägerin trägt über ihren bisherigen Vortrag hinausgehend im Wesentlichen vor, dass die Beklagte von ihrer bei den ersten beiden Versammlungen gefassten Gefahrenprognose abgewichen sei, obwohl sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe. Es habe sich bei der Versammlung nicht um eine Gehsteigberatung gehandelt. Die Rechtsprechung lasse einer friedlichen Versammlung so lange Raum, wie es nicht zu einer nötigenden individualisierten Ansprache komme. Die Beratungsstelle ... in ... sei aufgrund der symbolträchtigen Wirkung als Versammlungsort ausgewählt worden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Frauen, die sich auf dem Weg zur Schwangerschaftsberatungsstelle begeben, um die nach § 219 StGB notwendige Beratung zu erhalten, vermöge nicht zu rechtfertigen, dass sie mit einer bestimmten Meinung nicht konfrontiert würden. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz biete unmittelbar schon deshalb keinen tauglichen Anknüpfungspunkt dafür, die Versammlungsfreiheit Dritter einzuschränken, da es weder selbst noch das Artikelgesetz, durch das es als Gesetz verkündet worden sei, oder seine Novellierung, Art. 8 GG als eingeschränktes Grundrecht zitierten. Der Regelungsbereich des Schwangerschaftskonfliktgesetzes betreffe die Privatsphäre, nicht die Öffentlichkeitssphäre. In diese Privatsphäre wolle die von der Klägerin angemeldete Versammlung nur indirekt einwirken, indem sie auf die Willensbildung derjenigen Personen, die sich zur Schwangerschaftsberatungsstelle begeben, ziele. Das sei hinzunehmen. Die schwangeren Frauen seien nur in der Sozialsphäre des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen, wenn die Versammlung auf der gegenüberliegenden Straßenseite in stiller Form durchgeführt werde. ... biete nicht nur Schwangerschaftsberatungen, sondern auch andere Dienstleistungen an. Zudem sei eine Schwangerschaft in einer frühen Phase von außen nicht erkennbar. Daher könnten die Versammlungsteilnehmer nicht erfahren, aus welchem Grund eine Frau die Beratungsstelle aufsuche. Von einer in Sichtweite stattfindenden friedlichen Versammlung gehe auch kein Zwang im Sinne des § 240 StGB aus.
24 
Die Klägerin beantragt,
25 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.05.2021 - 2 K 5046/19 - zu ändern und festzustellen, dass die versammlungsrechtliche Auflage unter II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 rechtswidrig war, sowie
26 
festzustellen, dass die unter II. A. Ziffer 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 angeordnete Androhung unmittelbaren Zwanges rechtswidrig war.
27 
Die Beklagte beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen.
29 
Sie trägt über ihren bisherigen Vortrag hinausgehend im Wesentlichen vor, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen habe, weil die die Beratungsstelle aufsuchende Frauen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt würden, wenn sich Abtreibungsgegner in unmittelbarer Nähe zur Beratungsstelle aufhielten, um auf die Frauen einzuwirken. Dies gelte für jede Form der Beeinflussung. Die Schwangerschaft sei dem Kernbereich privater Lebensführung der Frau und somit derer Intimsphäre zuzuordnen. Daher sei das Schutzniveau durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht besonders hoch. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liege auch bei einem stillen Protest auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor, weil die Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft dann nicht unbeeinflusst sei. Durch die Versammlung würde psychischer Druck auf die Frauen ausgeübt. Noch aktiver sei die Beeinträchtigung, wenn durch Gesänge oder durch ein Kreuz mit blutendem Baby auf die Frauen durch die Versammlung aktiv eingewirkt werde. Die Beratung suchenden Frauen könnten der Versammlung auch nicht ausweichen, weil es nur zwei Beratungsstellen in ... gebe und die Beratung gesetzlich verpflichtend sei. Zudem müssten die Frauen die Wahlfreiheit bezüglich der für sie passenden Beratungsstelle behalten können. Durch die Versammlung würde den Frauen auch das Recht auf eine anonyme Beratung verwehrt. Denn sie müssten damit rechnen bei einer Entfernung von 17 bis 18 Metern erkannt zu werden. Die Frauenrechtskonvention sehe ebenfalls einem ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen und eine Chance auf eine unbeeinflusste, selbstverantwortliche Entscheidung über eine Abtreibung vor. Das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hätte aufgrund der Versammlung nicht umgesetzt werden können. Im schlimmsten Fall wären Frauen durch die Versammlung von der Teilnahme an der Beratung abgeschreckt worden. Die Auflage sei auch verhältnismäßig. Abtreibungsgegner könnten ihre Meinung auch zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort äußern. Das Anliegen, die Missbilligung von Schwangerschaftsabbrüchen zum Ausdruck zu bringen, sei nicht an einen speziellen Ort oder eine spezielle Zeit gebunden. Zudem sei es von Art. 5 Abs. 1 GG nicht umfasst, schwangeren Frauen die eigene Meinung aufzudrängen. Der Religionsfreiheit der Klägerin stehe im Übrigen die negative Religionsfreiheit der schwangeren Frauen gegenüber.
30 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts, der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO).
32 
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern. Es ist festzustellen, dass II. A. Ziffer 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 rechtswidrig waren.
33 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.
34 
I. Die Klage ist zulässig.
35 
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - juris Rn. 26; Senat, Urt. v. 27.01.2015 - 1 S 257/13 -, juris Rn. 23), nachdem sich die angefochtene Auflage sowie die Androhung unmittelbaren Zwangs mangels eines Bescheids über etwaige Vollstreckungskosten (vgl. hierzu: Senat, Urt. v. 03.05.2021 - 1 S 512/19 -, juris Rn. 56) vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt haben.
36 
2. Die Klägerin hat als Anmelderin und Leiterin der Versammlung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage unter II. A. Ziffer 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) hat. Hier kann die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse auf die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) stützen.
37 
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1GG) verlangt, ein berechtigtes Feststellungsinteresse über die einfach-rechtlichen Konkretisierungen hinaus anzuerkennen, wenn ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsachverfahren regelmäßig nicht erlangt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.06.2019 - 6 B 154.18 u.a. -, juris Rn. 5; Urt. v. 12.11.2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 15; Senat, Urt. v. 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 -, juris Rn. 33). Verfassungsrecht gebietet, eine drohende Rechtsschutzlücke zu schließen, wenn es sich bei der angegriffenen Maßnahme um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, juris Rn. 25 f.; Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 28, 36; Beschl. v. 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 -, juris Rn. 19; BVerwG, Beschl. v. 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; s.a. SächsOVG, Beschl. v. 17.11.2015 - 3 A 440/15 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 27.03.2014 - 7 A 11202/13 -, juris Rn. 26).
38 
Dabei ist, wie es das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, wenn eine Versammlung zwar nicht verboten wird, aber infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäߧ 15 Abs. 1 VersG nur in einer Weise durchgeführt werden kann, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris).
39 
Diese Voraussetzungen werden hier von der mit Bescheid der Beklagten vom 28.02.2019 angeordneten zeitlichen und örtlichen Beschränkung der Versammlung erfüllt. Zwar kann sich die Klägerin als kroatische Staatsangehörige nicht direkt auf die Versammlungsfreiheit berufen, weil Art. 8 Abs. 1 GGnach seinem eindeutigen Wortlaut nur für Deutsche gilt. Eine unionsrechtskonforme Auslegung - ungeachtet einer ebenfalls in Betracht zu ziehenden Nichtanwendbarkeit der Beschränkung des Grundrechts auf Deutsche - des Art. 8 Abs. 1 GG könnte zu einer Auslegung contra legem führen. Denn es würde die Wortlautgrenze übersteigen, wollte man das Deutschengrundrecht des Art. 8 Abs. 1 GG auch auf Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten ausweiten. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts verstieße eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Personen jedoch gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV. Es reicht daher nicht aus, dass Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten Deutschen einfachgesetzlich gleichgestellt sind.Vielmehr muss diesen jedenfalls im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG derselbe Schutz gewährleistet werden, der Deutschen durch Art. 8 Abs. 1 GG zukommt. Mit dem offenen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG ist das vereinbar (vgl. BVerfG Beschl. v. 04.11.2015 - 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56712 -, juris Rn. 11). Da sich die Klägerin als Unionsbürgerin auf Art. 2 Abs. 1 GG mit der Schutzgewähr des Art. 8 Abs. 1 GG berufen kann, die genannte Auflage schwerwiegend in die derart geschützte Versammlungsfreiheit der Klägerin eingreift und dieser Eingriff typischerweise nur von so kurzer Dauer ist, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht rechtzeitig erreicht werden kann, sind die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 37; OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2018 - 15 A 943/17 -, juris Rn. 11). Denn es kam den Veranstaltern der Versammlung gerade auf den Ort der Versammlung in der Nähe der Beratungsstelle ... an. Eine Verlegung der Versammlung außerhalb der Sichtweite der Beratungsstelle hätte daher den spezifischen Charakter der Versammlung verändert. Da durch die Androhung unmittelbaren Zwangs die Durchsetzung der versammlungsrechtlichen Auflage erreicht werden sollte, ist aus denselben Gesichtspunkten auch diesbezüglich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzuerkennen.
40 
Das Verwaltungsgericht ist des Weiteren zu Recht davon ausgegangen, dass auch eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Denn das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus sowie zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris).
41 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil es als durchaus möglich erscheint, dass die Klägerin eine vergleichbare Versammlung erneut durchführen wird. Die Beklagte hat in diesem Verfahren zu erkennen gegeben, dass sie auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird.
42 
II. Die Klage ist begründet.
43 
Die versammlungsrechtliche Auflage unter II. A. Ziffer 1 (1.) und die Androhung unmittelbaren Zwanges unter II. A. Ziffer 2 (2.) des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 waren rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
44 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Auflage unter II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 ist § 15 Abs. 1 VersG. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
45 
Diese Voraussetzungen lagen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht vor. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Veranstaltung der Klägerin um eine Versammlung handelte (a). Allerdings hat die Beklagte zu Unrecht eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung angenommen (b).
46 
a) Bei der Veranstaltung der Klägerin handelte es sich um eine Versammlung. Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Dass die Versammlungsfreiheit für Unionsbürger schützende Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie § 15 Abs. 1 VersG schützen die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit sowie des Anwendungsbereichs von § 15 Abs. 1 VersG reicht es wegen des Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 -, NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 12.06.2010 - 1 S 349/10 -, juris). Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin erfüllt, weil sie beabsichtigte, mit mehreren Personen eine stille Gebetsmahnwache durchzuführen und sich hiermit nach ihrem Verständnis aus christlicher Sicht gegen Abtreibungen zu wenden.
47 
b) Die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG waren jedoch nicht erfüllt. Es fehlte an einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
48 
aa) Die öffentliche Sicherheit umfasst den Schutz gewichtiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 13; BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 77; Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 5). Eine unmittelbare Gefährdung ist bei einer Sachlage gegeben, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 14; Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6). Mit Blick auf die grundlegende Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit sind keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen (vgl.BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Senat, Urt. v. 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 49; Beschl. v. 16.05.2020 - 1 S 1541/20 -, juris Rn. 3). Dies setzt konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte voraus; bloße Vermutungen genügen nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6;).
49 
Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 7; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris, Rn. 17; Beschl. v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschl. v. 24.05.2020 - 15 B 755/20 -, juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 14.05.2021 - 10 CS 21.1385 -, juris Rn. 18). Haben sich bei Veranstaltungen an anderen Orten mit anderen Beteiligten Gefahren verwirklicht, so müssen besondere, von der Behörde bezeichnete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ihre Verwirklichung ebenfalls bei der nunmehr geplanten Versammlung zu befürchten sei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris, Rn. 13).
50 
Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.2020 - 6 B 1.20 -, juris Rn. 11; BVerfG, v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -juris Rn. 17; v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Beschl. v. 11.09.2015 - 1 BvR 2211/15 -, juris Rn. 3; Senat, Beschl. v. 16.04.2021 - 1 S 1304/21 -, juris Rn. 10).
51 
bb) Anders als das Verwaltungsgericht vermag der Senat im konkret vorliegenden Fall eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehend von der Versammlung der Klägerin nicht zu erkennen.
52 
aaa) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der schwangeren Frauen durch die Versammlung der Klägerin drohte nicht.
53 
Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und der Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 -1 BvR 1531/96 -; Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -; Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 -, alle juris). Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion hat hiernach jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Dem Einzelnen wird ein Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung garantiert, in dem er „sich selbst besitzt“ und in den er sich frei von jeder staatlichen Kontrolle und sonstiger Beeinträchtigung zurückziehen kann (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 -, juris Rn. 21). Diese Privatsphäre umfasst zum einen Rückzugsräume im Wortsinne, aber auch Themen der engeren Lebensführung, deren öffentliche Erörterung als peinlich oder zumindest unschicklich empfunden wird.
54 
Die Grundrechte sind zwar primär Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Sie konstituieren jedoch gleichzeitig eine Werteordnung, die auch die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten mittelbar prägt, indem sie bei der Auslegung des einfachen Rechts - hier § 15 Abs. 1 VersG - zu beachten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris Rn. 6).
55 
Dabei kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht der eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufsuchenden Frauen durch eine Versammlung von Abtreibungsgegnern betroffen sein. Nicht erst eine sogenannte „Gehsteigbelästigung“ durch aktives Zugehen und Ansprechen von Frauen kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht berühren (vgl. hierzu: Senat, Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, juris). Ein derartiges körperliches Element ist nicht erforderlich. Auch psychischer Druck, der durch optische und akustische Wahrnehmung vermittelt wird, kann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen. Hierbei ist bei der Wirkung der Versammlung auf ratsuchende Frauen zu berücksichtigen, dass sie sich durch die ungewollte Schwangerschaft in einer besonderen psychischen Belastungssituation befinden. Insbesondere in der Frühphase der Schwangerschaft befinden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen kommt. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebt die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Die Umstände erheblichen Gewichts, die einer Frau das Austragen eines Kindes bis zur Unzumutbarkeit erschweren können, bestimmen sich nicht nur nach objektiven Komponenten, sondern auch nach ihren physischen und psychischen Befindlichkeiten und Eigenschaften (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, juris). Hinzu kommt in der Frühschwangerschaft das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der bestehenden Frühschwangerschaft und des in Erwägung gezogenen Schwangerschaftsabbruchs.
56 
Allerdings führt nicht jeder Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen zugleich zu einer Verletzung desselben. Vielmehr können gegenläufige Grundrechtspositionen - hier die Versammlungs-, Meinungs-, und Religionsfreiheit der Versammlungsteilnehmer - im Rahmen der Bildung praktischer Konkordanz zu einer Rechtfertigung von Eingriffen führen. Dabei ist die besondere Bedeutung der für Unionsbürger in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu beachten, die als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend ist und insbesondere das Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst (vgl. zu Art. 8 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris, und näher dazu Senat, Beschl. v. 16.05.2020 - 1 S 1541/20 -, juris m.w.N.).
57 
Bei der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen, die die Beratungsstelle ... aufsuchen, und der durch die Meinungs- und Religionsfreiheit unterstützten Versammlungsfreiheit kann nicht abstrakt festgestellt werden, dass jede Form der Versammlung zulässig oder unzulässig wäre. Es kommt darauf an, in welcher Art und Weise die Versammlung im Einzelfall stattfinden soll. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Versammlung so lange zulässig ist, als sie den die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen nicht die eigene Meinung aufdrängt und zu einem physischen oder psychischen Spießrutenlauf für sie führt (vgl. BVerfG Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 -, juris Rn. 23). Dies wäre der Fall, wenn die die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen durch die Versammlung in eine unausweichliche Situation geraten, in der sie sich direkt und unmittelbar angesprochen sehen müssen. Eine derartige unausweichliche Situation ist gegeben, wenn die Versammlung so nahe an dem Eingang der Beratungsstelle stattfindet, dass die Versammlungsteilnehmer den Frauen direkt ins Gesicht sehen könnten und die Frauen dem Anblick der als vorwurfsvoll empfundenen Plakate sowie Parolen und dem Anhören der Gebete und Gesänge aus nächster Nähe ausgesetzt sind (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 18.03.2022 - 2 B 375/22 -, juris Rn. 29; siehe auch VG Regensburg, Beschl. v. 14.10.2020 - RN 4 E 20.2426 - und VG Frankfurt, Urt. v. 02.12.2021 - 5 K 403/21.F -, beide juris).
58 
Nach den genannten Maßstäben drohte im vorliegenden Fall keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der die Beratungsstelle ... aufsuchenden schwangeren Frauen durch die Versammlung der Klägerin. Zwar hätte ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen, die die Beratungsstelle hätten aufsuchen wollen, vorgelegen, weil sie von den Versammlungsteilnehmern beim Betreten der Beratungsstelle hätten gesehen werden können und hierdurch sowie durch die Versammlung an sichpsychischer Druck auf die Frauen ausgeübt worden wäre. Dieser Eingriff wäre jedoch durch die gegenläufigen Grundrechtspositionen der Versammlungsteilnehmer im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz gerechtfertigt gewesen. Denn eine unausweichliche Situation in dem zuvor beschriebenen Sinne wäre für die betroffenen schwangeren Frauen im vorliegenden Fall nicht entstanden. Nach der Versammlungsanmeldung sollte die Versammlung im Zeitraum vom 06.03. bis zum 14.04.2019 täglich von 09:00 bis 13:00 Uhr gegenüber der Beratungsstelle stattfinden. Dabei wäre die Beratungsstelle von der Versammlung durch eine 17 Meter breite, vierspurige und viel befahrene Straße getrennt. Die nach den Angaben der Klägerin in der Anmeldung bis zu 20 Teilnehmer der Versammlung sollten sich zu stillen Gebeten zusammenfinden, wobei zum Teil kleine Plakate mitgeführt werden würden. Anders als bei der sogenannten Gehsteigberatung (vgl. hierzu: Senat, Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, juris) sollte es nicht zu einer aktiven Ansprache sowie zur Weitergabe von Informationsmaterial kommen. Hierdurch wären die die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen nicht in die beschriebene unausweichliche Situation geraten, weil sich zwischen der Versammlung und der Beratungsstelle die beschriebene Straße befunden hätte. Damit hätten Frauen, die die Beratungsstelle aufsuchen wollten, der Versammlung und ihren Wirkungen durch ein Abwenden des Blickes entkommen können. Eine blockadeartige Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Eingang der Beratungsstelle hätte diese Versammlung nicht dargestellt. Denn allein aus der bloßen Dauer einer Versammlung und der Anzahl der Versammlungsteilnehmer lässt sich eine Blockadewirkung in der Regel nicht ableiten. Des Weiteren kann für die Begründung einer blockadeartigen Versammlung auch nicht auf die Erfahrungen mit der Versammlung vom 14.02.2018 bis zum 25.03.2018 abgestellt werden, weil sich diese Versammlung direkt vor der Beratungsstelle und nicht auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand.
59 
Unabhängig hiervon konnte die Beklagte auch nicht substantiiert darlegen, dass es bei den vorangegangenen Versammlungen zu Beschwerden von betroffenen Schwangeren über Störungen, Einschüchterungen oder Belästigungen durch die Versammlungsteilnehmer gekommen ist. Die Gefahrenprognose setzt konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte voraus. Bloße Vermutungen genügen, wie gezeigt, nicht. Der Beklagten lagen im vorliegenden Verfahren keine Anzeigen oder Angaben von Frauen, die sich durch die vorherigen Versammlungen beschwert gefühlt hatten, selbst vor, sondern lediglich Berichte Dritter - namentlich von ... - über solche Beschwerden. Diese Berichte von Dritten beschränkten sich zudem auf wenige Angaben. Hier oblag es der Beklagten als Versammlungsbehörde, durch Nachfrage bei den Dritten - was auch unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen möglich gewesen wäre - zumindest Zeit, Ort und genauen Inhalt der behaupteten Beschwerden zu ermitteln, um die für eine Gefahrenprognose in Betracht kommenden Tatsachen zu konkretisieren und im Bedarfsfall verifizieren zu können. Ohne dahingehende Ermittlungen zum Sachverhalt ist eine Versammlungsbehörde - wie hier die Beklagte - in einem Gerichtsverfahren auch nicht in der Lage, ihrer Darlegungsobliegenheit zum Sachverhaltsvortrag zu genügen und das Gericht in die Lage zu versetzen, die behaupteten Tatsachen, die Grundlage für die Gefahrenprognose sein sollen, seinerseits zu überprüfen. Diesen Amtsermittlungspflichten und Darlegungsobliegenheiten ist die Beklagte im vorliegenden Verfahren mit ihrem insoweit vagen Vortrag, der die angestellte Gefahrenprognose schon deshalb nicht tragen kann, nicht gerecht geworden.
60 
Durch die Versammlung drohte auch keine Beeinträchtigung des Beratungskonzepts des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Denn die Beklagte konnte nicht nachvollziehbar darlegen, weswegen es durch die Versammlungen zu einer Beeinträchtigung des Beratungskonzepts kommen sollte. Sofern vorgetragen wird, dass schwangere Frauen durch die Versammlung von der Beratung abgeschreckt werden könnten, bleibt es wiederum bei der bloßen Behauptung. Konkrete Vorfälle konnten hierzu nicht angegeben werden. Unabhängig hiervon würden durch die Versammlung weder der Inhalt der Beratung gemäß § 5 SchKG noch das Verfahren der Beratung nach § 6 SchKG beeinträchtigt. Insbesondere konnte durch die Versammlung auch die Anonymität der die Beratungsstelle aufsuchenden Frau gemäß § 6 Abs. 2 SchKG nicht gefährdet werden. Denn zum einen besteht das Recht auf Anonymität gemäß § 6 Abs. 2 SchKG nicht gegenüber jedem beliebigen Dritten, sondern nur gegenüber der die Schwangere beratenden Person. Überdies hätten die an der Versammlung teilnehmenden Personen die die Beratungsstelle aufsuchende Person zwar sehen können. Jedoch geht dieser flüchtige Anblick, der zudem über einen Abstand von 17 Metern erfolgt, nicht über das hinaus, was jeder Teilnehmer am Straßenverkehr sehen kann. Die Identität der jeweiligen Frau könnte somit nur dann offengelegt werden, wenn die Frau einem Teilnehmer der Versammlung zufällig bekannt wäre. Da die Versammlungsteilnehmer jedoch nicht beabsichtigt haben, die Identitäten der die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen den beratenden Personen gegenüber offenzulegen, würde § 6 Abs. 2 SchKG selbst in diesem Fall nicht beeinträchtigt werden. Des Weiteren könnten die Versammlungsteilnehmer nicht bei jeder Frau, die die Beratungsstelle ... aufsucht, davon ausgehen, dass die jeweilige Frau schwanger ist, weil der Beratungsstelle neben der Schwangerschaftskonfliktberatung auch noch anderweitige Aufgaben zukommen.
61 
Ein Verstoß gegen die Frauenrechtskonvention ist - unabhängig von der Frage der Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Konvention durch eine Versammlung und insbesondere der subjektiv-rechtlichen Relevanz der Konventionsbestimmungen zumal in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen - durch die Versammlung ebenfalls nicht zu befürchten gewesen. Denn die von der Beklagten angesprochene Empfehlung des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau in CEDAW/C/DEU/CO/7-8, Ziff. 38 lit. b bezieht sich darauf, die verpflichtende Beratung vor einer Abtreibung vollkommen abzuschaffen, und nicht auf einen ungehinderten Zugang schwangerer Frauen zu den Beratungsstellen. Selbst wenn aus Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) der Konvention, nach dem eine Frau das gleiches Recht auf eine freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über Anzahl und Altersunterschied ihrer Kinder haben soll, das Recht schwangerer Frauen auf einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen und die Chance auf eine unbeeinflusste, selbstverantwortliche Entscheidung abgeleitet werden könnte, so wäre dieses Recht durch die Versammlung nicht beeinträchtigt worden. Denn die Worte „freie Entscheidung“ in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) der Konvention beziehen sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine vollkommene Freiheit von in der Gesellschaft vorhandenen gegensätzliche Auffassungen, sondern eine Freiheit von etwaigen staatlichen Zwängen. Die geplante Versammlung hätte in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch nicht die Möglichkeit gehabt, den die Beratungsstellen aufsuchenden Frauen ihre gegensätzliche Meinung aufzuzwingen. Vielmehr hätten sich die Frauen der Versammlung und den dort geäußerten Auffassungen durch einen Wechsel der Straßenseite und ein Abwenden des Blickes in beachtlichem Umfang entziehen können.
62 
Da II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 schon mangels einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit rechtwidrig gewesen ist, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf die Fragen an, ob die Beklagte oder einzelne Mitarbeiter der Beklagten bei der Fertigung der Auflage gegen den Neutralitätsgrundsatz oder §§ 20, 21 LVwVfG verstoßen haben und welche Folgen derartige Verstöße gegebenenfalls nach sich ziehen würden.
63 
2. Die unter II. A. Ziffer 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 angeordnete Androhung unmittelbaren Zwanges war ebenfalls rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
64 
Dies folgt daraus, dass die der Androhung zugrundeliegende Grundverfügung, nämlich II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 rechtswidrig war und ex tunc als unwirksam anzusehen ist (vgl. zum Fall einer nicht erledigten Grundverfügung: Senat, Urt. v. 03.05.2021 - 1 S 512/19 -, juris Rn. 56).
65 
a) Voraussetzung für Fortsetzungsfeststellungsurteile nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist, dass sich der Verwaltungsakt vorher, also vor der gerichtlichen Entscheidung, erledigt hat. In Fällen dieser Art lässt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anstelle der Aufhebung durch Urteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Feststellung durch Urteil genügen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, um dem Bürger funktionsgleichen Rechtsschutz gegenüber einer Inanspruchnahme aus einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zu gewähren, wie er ihn mit einem Aufhebungsurteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erreichen könnte. Daraus ergibt sich, dass der Verwaltungsakt, soweit das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO dessen Rechtswidrigkeit festgestellt hat, keine Wirkung entfaltet und folglich nicht in Bestandskraft erwachsen kann. Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts rechtlich maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten Verwaltungsaktes besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.1997 - 5 C 1.96 -, juris Rn. 11, und Urt. v. 31.01.2002 - 2 C 7.01 -, juris Rn. 17 ff.)
66 
b) Ohne die vom Senat vorliegend für rechtswidrig befundeneGrundverfügung, nämlich II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.2.2019, ist dieAndrohung unmittelbaren Zwangs schon deshalb rechtswidrig, weil es an der gemäß § 2 LVwVG notwendigen wirksamen Grundverfügung für das Vollstreckungsverfahren fehlt, zu dem die Androhung unmittelbaren Zwangs gehört.
67 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
68 
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
69 
Beschluss vom 25. August 2022
70 
Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- EUR festgesetzt (vgl. Senat, Beschl. v. 07.07.2022 - 1 S 1113/22 -, juris). Die Androhung unmittelbaren Zwanges bleibt bei der Streitwertbemessung nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit außer Betracht.
71 
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO).
32 
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern. Es ist festzustellen, dass II. A. Ziffer 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 rechtswidrig waren.
33 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.
34 
I. Die Klage ist zulässig.
35 
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - juris Rn. 26; Senat, Urt. v. 27.01.2015 - 1 S 257/13 -, juris Rn. 23), nachdem sich die angefochtene Auflage sowie die Androhung unmittelbaren Zwangs mangels eines Bescheids über etwaige Vollstreckungskosten (vgl. hierzu: Senat, Urt. v. 03.05.2021 - 1 S 512/19 -, juris Rn. 56) vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt haben.
36 
2. Die Klägerin hat als Anmelderin und Leiterin der Versammlung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage unter II. A. Ziffer 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) hat. Hier kann die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse auf die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) stützen.
37 
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1GG) verlangt, ein berechtigtes Feststellungsinteresse über die einfach-rechtlichen Konkretisierungen hinaus anzuerkennen, wenn ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsachverfahren regelmäßig nicht erlangt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.06.2019 - 6 B 154.18 u.a. -, juris Rn. 5; Urt. v. 12.11.2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 15; Senat, Urt. v. 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 -, juris Rn. 33). Verfassungsrecht gebietet, eine drohende Rechtsschutzlücke zu schließen, wenn es sich bei der angegriffenen Maßnahme um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, juris Rn. 25 f.; Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 28, 36; Beschl. v. 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 -, juris Rn. 19; BVerwG, Beschl. v. 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; s.a. SächsOVG, Beschl. v. 17.11.2015 - 3 A 440/15 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 27.03.2014 - 7 A 11202/13 -, juris Rn. 26).
38 
Dabei ist, wie es das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, wenn eine Versammlung zwar nicht verboten wird, aber infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäߧ 15 Abs. 1 VersG nur in einer Weise durchgeführt werden kann, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris).
39 
Diese Voraussetzungen werden hier von der mit Bescheid der Beklagten vom 28.02.2019 angeordneten zeitlichen und örtlichen Beschränkung der Versammlung erfüllt. Zwar kann sich die Klägerin als kroatische Staatsangehörige nicht direkt auf die Versammlungsfreiheit berufen, weil Art. 8 Abs. 1 GGnach seinem eindeutigen Wortlaut nur für Deutsche gilt. Eine unionsrechtskonforme Auslegung - ungeachtet einer ebenfalls in Betracht zu ziehenden Nichtanwendbarkeit der Beschränkung des Grundrechts auf Deutsche - des Art. 8 Abs. 1 GG könnte zu einer Auslegung contra legem führen. Denn es würde die Wortlautgrenze übersteigen, wollte man das Deutschengrundrecht des Art. 8 Abs. 1 GG auch auf Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten ausweiten. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts verstieße eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Personen jedoch gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV. Es reicht daher nicht aus, dass Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten Deutschen einfachgesetzlich gleichgestellt sind.Vielmehr muss diesen jedenfalls im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG derselbe Schutz gewährleistet werden, der Deutschen durch Art. 8 Abs. 1 GG zukommt. Mit dem offenen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG ist das vereinbar (vgl. BVerfG Beschl. v. 04.11.2015 - 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56712 -, juris Rn. 11). Da sich die Klägerin als Unionsbürgerin auf Art. 2 Abs. 1 GG mit der Schutzgewähr des Art. 8 Abs. 1 GG berufen kann, die genannte Auflage schwerwiegend in die derart geschützte Versammlungsfreiheit der Klägerin eingreift und dieser Eingriff typischerweise nur von so kurzer Dauer ist, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht rechtzeitig erreicht werden kann, sind die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 37; OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2018 - 15 A 943/17 -, juris Rn. 11). Denn es kam den Veranstaltern der Versammlung gerade auf den Ort der Versammlung in der Nähe der Beratungsstelle ... an. Eine Verlegung der Versammlung außerhalb der Sichtweite der Beratungsstelle hätte daher den spezifischen Charakter der Versammlung verändert. Da durch die Androhung unmittelbaren Zwangs die Durchsetzung der versammlungsrechtlichen Auflage erreicht werden sollte, ist aus denselben Gesichtspunkten auch diesbezüglich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzuerkennen.
40 
Das Verwaltungsgericht ist des Weiteren zu Recht davon ausgegangen, dass auch eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Denn das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus sowie zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris).
41 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil es als durchaus möglich erscheint, dass die Klägerin eine vergleichbare Versammlung erneut durchführen wird. Die Beklagte hat in diesem Verfahren zu erkennen gegeben, dass sie auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird.
42 
II. Die Klage ist begründet.
43 
Die versammlungsrechtliche Auflage unter II. A. Ziffer 1 (1.) und die Androhung unmittelbaren Zwanges unter II. A. Ziffer 2 (2.) des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 waren rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
44 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Auflage unter II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 ist § 15 Abs. 1 VersG. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
45 
Diese Voraussetzungen lagen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht vor. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Veranstaltung der Klägerin um eine Versammlung handelte (a). Allerdings hat die Beklagte zu Unrecht eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung angenommen (b).
46 
a) Bei der Veranstaltung der Klägerin handelte es sich um eine Versammlung. Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Dass die Versammlungsfreiheit für Unionsbürger schützende Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie § 15 Abs. 1 VersG schützen die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit sowie des Anwendungsbereichs von § 15 Abs. 1 VersG reicht es wegen des Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 -, NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 12.06.2010 - 1 S 349/10 -, juris). Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin erfüllt, weil sie beabsichtigte, mit mehreren Personen eine stille Gebetsmahnwache durchzuführen und sich hiermit nach ihrem Verständnis aus christlicher Sicht gegen Abtreibungen zu wenden.
47 
b) Die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG waren jedoch nicht erfüllt. Es fehlte an einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
48 
aa) Die öffentliche Sicherheit umfasst den Schutz gewichtiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 13; BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 77; Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 5). Eine unmittelbare Gefährdung ist bei einer Sachlage gegeben, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 14; Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6). Mit Blick auf die grundlegende Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit sind keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen (vgl.BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Senat, Urt. v. 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 49; Beschl. v. 16.05.2020 - 1 S 1541/20 -, juris Rn. 3). Dies setzt konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte voraus; bloße Vermutungen genügen nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6;).
49 
Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 7; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris, Rn. 17; Beschl. v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschl. v. 24.05.2020 - 15 B 755/20 -, juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 14.05.2021 - 10 CS 21.1385 -, juris Rn. 18). Haben sich bei Veranstaltungen an anderen Orten mit anderen Beteiligten Gefahren verwirklicht, so müssen besondere, von der Behörde bezeichnete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ihre Verwirklichung ebenfalls bei der nunmehr geplanten Versammlung zu befürchten sei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris, Rn. 13).
50 
Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.2020 - 6 B 1.20 -, juris Rn. 11; BVerfG, v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -juris Rn. 17; v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Beschl. v. 11.09.2015 - 1 BvR 2211/15 -, juris Rn. 3; Senat, Beschl. v. 16.04.2021 - 1 S 1304/21 -, juris Rn. 10).
51 
bb) Anders als das Verwaltungsgericht vermag der Senat im konkret vorliegenden Fall eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehend von der Versammlung der Klägerin nicht zu erkennen.
52 
aaa) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der schwangeren Frauen durch die Versammlung der Klägerin drohte nicht.
53 
Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und der Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 -1 BvR 1531/96 -; Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -; Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 -, alle juris). Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion hat hiernach jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Dem Einzelnen wird ein Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung garantiert, in dem er „sich selbst besitzt“ und in den er sich frei von jeder staatlichen Kontrolle und sonstiger Beeinträchtigung zurückziehen kann (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 -, juris Rn. 21). Diese Privatsphäre umfasst zum einen Rückzugsräume im Wortsinne, aber auch Themen der engeren Lebensführung, deren öffentliche Erörterung als peinlich oder zumindest unschicklich empfunden wird.
54 
Die Grundrechte sind zwar primär Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Sie konstituieren jedoch gleichzeitig eine Werteordnung, die auch die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten mittelbar prägt, indem sie bei der Auslegung des einfachen Rechts - hier § 15 Abs. 1 VersG - zu beachten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris Rn. 6).
55 
Dabei kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht der eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufsuchenden Frauen durch eine Versammlung von Abtreibungsgegnern betroffen sein. Nicht erst eine sogenannte „Gehsteigbelästigung“ durch aktives Zugehen und Ansprechen von Frauen kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht berühren (vgl. hierzu: Senat, Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, juris). Ein derartiges körperliches Element ist nicht erforderlich. Auch psychischer Druck, der durch optische und akustische Wahrnehmung vermittelt wird, kann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen. Hierbei ist bei der Wirkung der Versammlung auf ratsuchende Frauen zu berücksichtigen, dass sie sich durch die ungewollte Schwangerschaft in einer besonderen psychischen Belastungssituation befinden. Insbesondere in der Frühphase der Schwangerschaft befinden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen kommt. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebt die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Die Umstände erheblichen Gewichts, die einer Frau das Austragen eines Kindes bis zur Unzumutbarkeit erschweren können, bestimmen sich nicht nur nach objektiven Komponenten, sondern auch nach ihren physischen und psychischen Befindlichkeiten und Eigenschaften (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, juris). Hinzu kommt in der Frühschwangerschaft das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der bestehenden Frühschwangerschaft und des in Erwägung gezogenen Schwangerschaftsabbruchs.
56 
Allerdings führt nicht jeder Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen zugleich zu einer Verletzung desselben. Vielmehr können gegenläufige Grundrechtspositionen - hier die Versammlungs-, Meinungs-, und Religionsfreiheit der Versammlungsteilnehmer - im Rahmen der Bildung praktischer Konkordanz zu einer Rechtfertigung von Eingriffen führen. Dabei ist die besondere Bedeutung der für Unionsbürger in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu beachten, die als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend ist und insbesondere das Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst (vgl. zu Art. 8 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris, und näher dazu Senat, Beschl. v. 16.05.2020 - 1 S 1541/20 -, juris m.w.N.).
57 
Bei der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen, die die Beratungsstelle ... aufsuchen, und der durch die Meinungs- und Religionsfreiheit unterstützten Versammlungsfreiheit kann nicht abstrakt festgestellt werden, dass jede Form der Versammlung zulässig oder unzulässig wäre. Es kommt darauf an, in welcher Art und Weise die Versammlung im Einzelfall stattfinden soll. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Versammlung so lange zulässig ist, als sie den die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen nicht die eigene Meinung aufdrängt und zu einem physischen oder psychischen Spießrutenlauf für sie führt (vgl. BVerfG Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 -, juris Rn. 23). Dies wäre der Fall, wenn die die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen durch die Versammlung in eine unausweichliche Situation geraten, in der sie sich direkt und unmittelbar angesprochen sehen müssen. Eine derartige unausweichliche Situation ist gegeben, wenn die Versammlung so nahe an dem Eingang der Beratungsstelle stattfindet, dass die Versammlungsteilnehmer den Frauen direkt ins Gesicht sehen könnten und die Frauen dem Anblick der als vorwurfsvoll empfundenen Plakate sowie Parolen und dem Anhören der Gebete und Gesänge aus nächster Nähe ausgesetzt sind (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 18.03.2022 - 2 B 375/22 -, juris Rn. 29; siehe auch VG Regensburg, Beschl. v. 14.10.2020 - RN 4 E 20.2426 - und VG Frankfurt, Urt. v. 02.12.2021 - 5 K 403/21.F -, beide juris).
58 
Nach den genannten Maßstäben drohte im vorliegenden Fall keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der die Beratungsstelle ... aufsuchenden schwangeren Frauen durch die Versammlung der Klägerin. Zwar hätte ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen, die die Beratungsstelle hätten aufsuchen wollen, vorgelegen, weil sie von den Versammlungsteilnehmern beim Betreten der Beratungsstelle hätten gesehen werden können und hierdurch sowie durch die Versammlung an sichpsychischer Druck auf die Frauen ausgeübt worden wäre. Dieser Eingriff wäre jedoch durch die gegenläufigen Grundrechtspositionen der Versammlungsteilnehmer im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz gerechtfertigt gewesen. Denn eine unausweichliche Situation in dem zuvor beschriebenen Sinne wäre für die betroffenen schwangeren Frauen im vorliegenden Fall nicht entstanden. Nach der Versammlungsanmeldung sollte die Versammlung im Zeitraum vom 06.03. bis zum 14.04.2019 täglich von 09:00 bis 13:00 Uhr gegenüber der Beratungsstelle stattfinden. Dabei wäre die Beratungsstelle von der Versammlung durch eine 17 Meter breite, vierspurige und viel befahrene Straße getrennt. Die nach den Angaben der Klägerin in der Anmeldung bis zu 20 Teilnehmer der Versammlung sollten sich zu stillen Gebeten zusammenfinden, wobei zum Teil kleine Plakate mitgeführt werden würden. Anders als bei der sogenannten Gehsteigberatung (vgl. hierzu: Senat, Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, juris) sollte es nicht zu einer aktiven Ansprache sowie zur Weitergabe von Informationsmaterial kommen. Hierdurch wären die die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen nicht in die beschriebene unausweichliche Situation geraten, weil sich zwischen der Versammlung und der Beratungsstelle die beschriebene Straße befunden hätte. Damit hätten Frauen, die die Beratungsstelle aufsuchen wollten, der Versammlung und ihren Wirkungen durch ein Abwenden des Blickes entkommen können. Eine blockadeartige Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Eingang der Beratungsstelle hätte diese Versammlung nicht dargestellt. Denn allein aus der bloßen Dauer einer Versammlung und der Anzahl der Versammlungsteilnehmer lässt sich eine Blockadewirkung in der Regel nicht ableiten. Des Weiteren kann für die Begründung einer blockadeartigen Versammlung auch nicht auf die Erfahrungen mit der Versammlung vom 14.02.2018 bis zum 25.03.2018 abgestellt werden, weil sich diese Versammlung direkt vor der Beratungsstelle und nicht auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand.
59 
Unabhängig hiervon konnte die Beklagte auch nicht substantiiert darlegen, dass es bei den vorangegangenen Versammlungen zu Beschwerden von betroffenen Schwangeren über Störungen, Einschüchterungen oder Belästigungen durch die Versammlungsteilnehmer gekommen ist. Die Gefahrenprognose setzt konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte voraus. Bloße Vermutungen genügen, wie gezeigt, nicht. Der Beklagten lagen im vorliegenden Verfahren keine Anzeigen oder Angaben von Frauen, die sich durch die vorherigen Versammlungen beschwert gefühlt hatten, selbst vor, sondern lediglich Berichte Dritter - namentlich von ... - über solche Beschwerden. Diese Berichte von Dritten beschränkten sich zudem auf wenige Angaben. Hier oblag es der Beklagten als Versammlungsbehörde, durch Nachfrage bei den Dritten - was auch unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen möglich gewesen wäre - zumindest Zeit, Ort und genauen Inhalt der behaupteten Beschwerden zu ermitteln, um die für eine Gefahrenprognose in Betracht kommenden Tatsachen zu konkretisieren und im Bedarfsfall verifizieren zu können. Ohne dahingehende Ermittlungen zum Sachverhalt ist eine Versammlungsbehörde - wie hier die Beklagte - in einem Gerichtsverfahren auch nicht in der Lage, ihrer Darlegungsobliegenheit zum Sachverhaltsvortrag zu genügen und das Gericht in die Lage zu versetzen, die behaupteten Tatsachen, die Grundlage für die Gefahrenprognose sein sollen, seinerseits zu überprüfen. Diesen Amtsermittlungspflichten und Darlegungsobliegenheiten ist die Beklagte im vorliegenden Verfahren mit ihrem insoweit vagen Vortrag, der die angestellte Gefahrenprognose schon deshalb nicht tragen kann, nicht gerecht geworden.
60 
Durch die Versammlung drohte auch keine Beeinträchtigung des Beratungskonzepts des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Denn die Beklagte konnte nicht nachvollziehbar darlegen, weswegen es durch die Versammlungen zu einer Beeinträchtigung des Beratungskonzepts kommen sollte. Sofern vorgetragen wird, dass schwangere Frauen durch die Versammlung von der Beratung abgeschreckt werden könnten, bleibt es wiederum bei der bloßen Behauptung. Konkrete Vorfälle konnten hierzu nicht angegeben werden. Unabhängig hiervon würden durch die Versammlung weder der Inhalt der Beratung gemäß § 5 SchKG noch das Verfahren der Beratung nach § 6 SchKG beeinträchtigt. Insbesondere konnte durch die Versammlung auch die Anonymität der die Beratungsstelle aufsuchenden Frau gemäß § 6 Abs. 2 SchKG nicht gefährdet werden. Denn zum einen besteht das Recht auf Anonymität gemäß § 6 Abs. 2 SchKG nicht gegenüber jedem beliebigen Dritten, sondern nur gegenüber der die Schwangere beratenden Person. Überdies hätten die an der Versammlung teilnehmenden Personen die die Beratungsstelle aufsuchende Person zwar sehen können. Jedoch geht dieser flüchtige Anblick, der zudem über einen Abstand von 17 Metern erfolgt, nicht über das hinaus, was jeder Teilnehmer am Straßenverkehr sehen kann. Die Identität der jeweiligen Frau könnte somit nur dann offengelegt werden, wenn die Frau einem Teilnehmer der Versammlung zufällig bekannt wäre. Da die Versammlungsteilnehmer jedoch nicht beabsichtigt haben, die Identitäten der die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen den beratenden Personen gegenüber offenzulegen, würde § 6 Abs. 2 SchKG selbst in diesem Fall nicht beeinträchtigt werden. Des Weiteren könnten die Versammlungsteilnehmer nicht bei jeder Frau, die die Beratungsstelle ... aufsucht, davon ausgehen, dass die jeweilige Frau schwanger ist, weil der Beratungsstelle neben der Schwangerschaftskonfliktberatung auch noch anderweitige Aufgaben zukommen.
61 
Ein Verstoß gegen die Frauenrechtskonvention ist - unabhängig von der Frage der Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Konvention durch eine Versammlung und insbesondere der subjektiv-rechtlichen Relevanz der Konventionsbestimmungen zumal in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen - durch die Versammlung ebenfalls nicht zu befürchten gewesen. Denn die von der Beklagten angesprochene Empfehlung des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau in CEDAW/C/DEU/CO/7-8, Ziff. 38 lit. b bezieht sich darauf, die verpflichtende Beratung vor einer Abtreibung vollkommen abzuschaffen, und nicht auf einen ungehinderten Zugang schwangerer Frauen zu den Beratungsstellen. Selbst wenn aus Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) der Konvention, nach dem eine Frau das gleiches Recht auf eine freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über Anzahl und Altersunterschied ihrer Kinder haben soll, das Recht schwangerer Frauen auf einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen und die Chance auf eine unbeeinflusste, selbstverantwortliche Entscheidung abgeleitet werden könnte, so wäre dieses Recht durch die Versammlung nicht beeinträchtigt worden. Denn die Worte „freie Entscheidung“ in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) der Konvention beziehen sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine vollkommene Freiheit von in der Gesellschaft vorhandenen gegensätzliche Auffassungen, sondern eine Freiheit von etwaigen staatlichen Zwängen. Die geplante Versammlung hätte in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch nicht die Möglichkeit gehabt, den die Beratungsstellen aufsuchenden Frauen ihre gegensätzliche Meinung aufzuzwingen. Vielmehr hätten sich die Frauen der Versammlung und den dort geäußerten Auffassungen durch einen Wechsel der Straßenseite und ein Abwenden des Blickes in beachtlichem Umfang entziehen können.
62 
Da II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 schon mangels einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit rechtwidrig gewesen ist, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf die Fragen an, ob die Beklagte oder einzelne Mitarbeiter der Beklagten bei der Fertigung der Auflage gegen den Neutralitätsgrundsatz oder §§ 20, 21 LVwVfG verstoßen haben und welche Folgen derartige Verstöße gegebenenfalls nach sich ziehen würden.
63 
2. Die unter II. A. Ziffer 2 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 angeordnete Androhung unmittelbaren Zwanges war ebenfalls rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
64 
Dies folgt daraus, dass die der Androhung zugrundeliegende Grundverfügung, nämlich II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.02.2019 rechtswidrig war und ex tunc als unwirksam anzusehen ist (vgl. zum Fall einer nicht erledigten Grundverfügung: Senat, Urt. v. 03.05.2021 - 1 S 512/19 -, juris Rn. 56).
65 
a) Voraussetzung für Fortsetzungsfeststellungsurteile nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist, dass sich der Verwaltungsakt vorher, also vor der gerichtlichen Entscheidung, erledigt hat. In Fällen dieser Art lässt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anstelle der Aufhebung durch Urteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Feststellung durch Urteil genügen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, um dem Bürger funktionsgleichen Rechtsschutz gegenüber einer Inanspruchnahme aus einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zu gewähren, wie er ihn mit einem Aufhebungsurteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erreichen könnte. Daraus ergibt sich, dass der Verwaltungsakt, soweit das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO dessen Rechtswidrigkeit festgestellt hat, keine Wirkung entfaltet und folglich nicht in Bestandskraft erwachsen kann. Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts rechtlich maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten Verwaltungsaktes besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.1997 - 5 C 1.96 -, juris Rn. 11, und Urt. v. 31.01.2002 - 2 C 7.01 -, juris Rn. 17 ff.)
66 
b) Ohne die vom Senat vorliegend für rechtswidrig befundeneGrundverfügung, nämlich II. A. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 28.2.2019, ist dieAndrohung unmittelbaren Zwangs schon deshalb rechtswidrig, weil es an der gemäß § 2 LVwVG notwendigen wirksamen Grundverfügung für das Vollstreckungsverfahren fehlt, zu dem die Androhung unmittelbaren Zwangs gehört.
67 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
68 
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
69 
Beschluss vom 25. August 2022
70 
Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- EUR festgesetzt (vgl. Senat, Beschl. v. 07.07.2022 - 1 S 1113/22 -, juris). Die Androhung unmittelbaren Zwanges bleibt bei der Streitwertbemessung nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit außer Betracht.
71 
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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