Urteil vom Amtsgericht Aachen - 100 C 76/16
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 249,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.09.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 41 % und die Beklagte zu 59 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
2Entscheidungsgründe:
3Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
4Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung von Beiträgen für den Zeitraum vom 2.2.2012 bis 27.11.2014 und vom 4.12.2014 bis 2.7.2015 in Höhe von insgesamt 249,09 € zu. Der Anspruch folgt aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Ein darüber hinausgehender Rückzahlungsanspruch, der für den Zeitraum 4.12.2014 bis 2.7.2015 geltend gemacht wurde, besteht nicht.
5Dass die Klägerin einen Fitnessvertrag mit der Beklagten geschlossen hat, ergibt sich bereits aus der von der Klägerin vorgelegten Vertragsurkunde vom 02.11.2011. Hierbei kann es für den vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen, welcher Vertragsart der Fitnessstudiovertrag zuzuordnen ist.
6Wirksam vereinbart wurde ein Mitgliedsbeitrag von X,XX € wöchentlich. Soweit sich die Beklagte auf eine quartalsweise Erhöhung des Mitgliedsbeitrags beruft, ist diese nicht wirksam vereinbart, da diese gemäß §§ 305 c, 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist. Insoweit beruft sich die Klägerin zutreffend auf die Ausführungen zur Erhöhungsabrede des LG Münster im Urteil vom 22.2.2011 – 6 T 48/10 = NJOZ 2011, 1130 ff.
7Für einen Verbraucher ist die Ermittlung des geschuldeten Wochentarifs nur schwer möglich. In dem DIN-A4-große Vertragsformular iat als "Wöchentliches Nutzungsentgelt: X,XX €" drucktechnisch hervorgehoben. Zu dem wöchentlichen Gesamtbetrag soll noch eine Startpaket von einmalig XX,XX € hinzukommen. Ferner ist eine laufende, quartalsweise Tariferhöhung von X,XX € pro wöchentlicher Abbuchung und pro neu beginnendem Quartal enthalten. Wird in einem Vertrag ein wöchentlicher Gesamtbetrag ausgeworfen – wie hier der Betrag von X,XX € – ist es für den Vertragspartner kaum noch zu überblicken, wenn sich im nachfolgenden Text weitere, zusätzliche Gebühren und Tariferhöhungen verstecken. Hierbei handelt es sich um überraschende Klauseln, die letztlich auch dem Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 BGB zuwiderlaufen. Der Verbraucher muss nicht damit rechnen, dass neben dem hervorgehobenen wöchentlichen Preis von X,XX € weitere, versteckte Kosten in nicht unerheblichem Umfang anfallen. Dies gilt jedenfalls soweit es sich um Kosten handelt, die nur die Grundleistungen betreffen, nicht aber spezielle Zusatzleistungen. Bei der vorliegenden Gestaltung des Formulars war eine Kenntnisnahme durch den Kunden nicht ohne Weiteres möglich (vgl. hierzu LG Münster, aaO und m.w.N.).
8Im Zweifel führt die Unwirksamkeit nach § 306 Abs. 2 BGB dazu, dass der „alte“ Preis in Geltung verbleibt und eine ergänzende Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 ausscheidet (vgl. hierzu m.w.N.: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 38. Erg. 2016, Fitness- und Sportstudioverträge, Rn. 14).
9Danach war dem Antrag auf Erstattung der über den wöchentlichen Beitrag von X,XX € hinausgehenden Zahlungen für den Zeitraum 2.2.2012 bis 27.11.2014 in Höhe von gesamt 172,52 € stattzugeben.
10Die weitergehende Forderung der Klägerin auf Erstattung sämtlicher Zahlungen für den Zeitraum 4.12.2014 bis 2.7.2015 ist dagegen nur begründet, soweit es sich ebenfalls um die über den wöchentlichen Beitrag von X,XX € hinausgehenden Zahlungen handelt.
11Denn die Kündigungserklärung der Klägerin vom 30.10.2014 führte nicht zu einer wirksamen Kündigung zum 30.11.2014. Für die Kündigung war rechtsgeschäftlich die Schriftform vereinbart, welche grundsätzlich auch im Rahmen von AGB wirksam vereinbart werden kann und mit der E-Mail der Klägerin vom 30.10.2014 nicht gewahrt wurde. Zwar schließt die Abrede im Einzelfall nicht aus, dass auch eine mündlich erklärte Kündigung als wirksam anzusehen ist, d. h. auch eine solche per E-Mail, weil dann im Zweifel davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien die Formabrede stillschweigend aufgehoben haben. Vorliegend wurde von Seiten der Beklagten jedoch unverzüglich widersprochen, nämlich noch am selben Tag, und auf die vereinbarte Schriftform verwiesen, sodass von einer stillschweigend aufgehobenen Schriftformabrede nicht auszugehen war.
12Des Weiteren führt die Regelung des § 127 Abs. 2 BGB nicht zur Wirksamkeit, da durch diese Vorschrift nur die telekommunikative Übermittlung der eigenhändig unterschriebenen Erklärung möglich ist. Eine unterschriebene Erklärung liegt jedoch unstreitig nicht vor.
13Danach war der Mitgliedsbeitrag auch für den Zeitraum über den 30.11.2014 hinaus und bis zum vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. jedenfalls bis 2.7.2015, noch über X,XX € wöchentlich vereinbart, sodass im Einzelnen eine Zuvielzahlung erfolgte wie folgt:
1404.12.2014 – 29.01.2015 49,95 € Differenz: 20,52 €
1505.02.2015 – 30.04.2015 72,15 € Differenz: 32,11 €
1607.05.2015 – 02.07.2015 49,95 € Differenz: 23,94 €
17Gesamtdifferenz: 76,57 €
18Der Vertrag war in diesem Zeitraum auch aufgrund der jeweils stillschweigenden Vertragsverlängerung noch wirksam vereinbart. Der Vertrag wurde mit einer Laufzeit von 12 Monaten abgeschlossen und sah in seinen AGB eine Verlängerung der Laufzeit von jeweils 12 Monaten vor, sofern er nicht mit einer Kündigungsfrist von jeweils 3 Monaten zum Laufzeitende wirksam gekündigt wurde. Diese Klausel benachteiligt die Klägerin als Verbraucherin nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB und verstößt auch nicht gegen § 309 Ziff. 9 b) BGB. Wie der BGH bereits in seinem Urteil vom 04.12.1996 - XII ZR 193/95 umfassend ausführt, ist die Dispositionsfreiheit des Verbrauchers auch dann nicht unangemessen eingeschränkt, wenn er den Vertrag seinerseits nicht nutzt, da er lediglich verpflichtet ist, den Monatsbeitrag zu zahlen. Durch eine Verlängerung des Vertrags von nicht mehr als 12 Monaten, dessen Erstlaufzeit ebenfalls 12 Monate beträgt, ist die Klägerin nicht unangemessen belastet. Gleiches gilt für eine Kündigungsfrist von drei Monaten.
19Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Verzug ist durch fruchtlosen Ablauf der Fristsetzung der Klägerin eingetreten, mithin ab dem 18.07.2015.
20Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Soweit der Klage in der Hauptsache nur teilweise stattgegeben wurde, ändert sich der Gegenstandswert von „bis 500,00 €“ nicht, sodass die 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer in gleicher Höhe zu berücksichtigen war.
21Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
22Der Streitwert wird auf 422,09 EUR festgesetzt.
23Rechtsbehelfsbelehrung:
24A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
251. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
262. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
27Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
28Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
29Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
30Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
31B) Gegen die Kostengrundentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig, wenn der Wert der Hauptsache 600,00 EUR und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen oder dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
32Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
33Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Aachen oder dem Landgericht Aachen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
34C) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Aachen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
35Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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Referenzen
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- BGB § 812 Herausgabeanspruch 1x
- XII ZR 193/95 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln 1x
- 6 T 48/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 127 Vereinbarte Form 1x