Urteil vom Amtsgericht Bottrop - 10 C 66/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 464,10 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2016 zu zahlen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Vertretung gegen ihren vormaligen B GmbH in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren wegen einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrages vom 20.01.2015 zum 31.08.2015.
3Mit Schriftsätzen vom 29.01.2015 erhob die Klägerin für die Beklagte Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Essen und schrieb zudem außergerichtlich die vormalige Arbeitgeberin der Beklagten an. In dem Schreiben an die Arbeitgeberin wird dieser mitgeteilt, dass gegen die Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage eingereicht worden ist. Ebenso wird in diesem Schreiben die Arbeitskraft der Beklagten erneut angeboten und die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses binnen 2 Wochen angefordert. Zudem wird in dem Schreiben um Mitteilung etwaiger betriebsrechtlicher Regeln hinsichtlich einer Ausschlussfrist von Arbeitnehmeransprüchen gebeten sowie die Richtigkeit der sozialen Auswahl bei einer etwaig betriebsbedingten Kündigung angezweifelt.
4Der arbeitsgerichtliche Rechtsstreit wurde in der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Essen vom 02.03.2015 durch einen Vergleich beendet. Die Rechtschutzversicherung der Beklagten, die zuvor Deckungszusage für das gerichtliche Verfahren erteilt hatte, vergütete das arbeitsgerichtliche Verfahren gegenüber der Klägerin. Eine zusätzliche vorgerichtliche Geschäftsgebühr vergütete die Rechtschutzversicherung nicht. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Kostennote vom 27.05.2015 zur Zahlung der Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit auf. Diesbezügliche Mahnungen vom 24.06.2015 und 15.07.2015 blieben erfolglos. Mit Antrag vom 07.03.2016 beantragte die Klägerin diesbezüglich den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte, dem die Beklagte am 12.03.2016 widersprach.
5Die Beklagte hatte die Klägerin bereits zuvor in einem sozialgerichtlichen Verfahren mandatiert. Diesbezüglich erfolgte Klageerhebung unter dem 05.03.2014 beim Sozialgericht Gelsenkirchen. Die Klage wurde in 1. Instanz abgewiesen. Unter dem 01.06.2015 legte die Klägerin für die Beklagte hiergegen Berufung beim Landessozialgericht ein. Für dieses Berufungsverfahren bestand eine Kostendeckungszusage der Rechtsschutzversicherung der Beklagten, die bereits die Kosten der 1. Instanz vollständig ausgeglichen hatte. Am 06.04.2016 erklärte der sachbearbeitende Rechtsanwalt der Klägerin gegenüber der Beklagten, die Angelegenheit vor dem Landessozialgericht nicht weiter zu führen, sofern die Beklagte die Kostenrechnung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nicht ausgleichen würde. Mit Schreiben vom 07.04.2016 forderte die Beklagte die Klägerin zur Fortführung des sozialrechtlichen Mandatsauftrages unter Hinweis auf die hierfür bestehende Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung auf. Mit einem der Beklagten am 08.04.2016 zugegangenem Schreiben teilte die Klägerin mit, weitere Tätigkeiten bis zur Klärung der Gebührenzahlung in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit einzustellen und darüber hinaus die bisher geleistete Tätigkeit in der sozialrechtlichen Angelegenheit mit der Rechtschutzversicherung abzurechnen. Ebenso hielt sich die Klägerin in dem Schreiben eine Kündigung des Mandatsverhältnisses vor. Mit Schreiben vom 07.04.2016 rechnete die Klägerin gegenüber der Rechtsschutzversicherung die Verfahrensgebühr hinsichtlich des Berufungsverfahrens beim Landessozialgericht ab. Die Kostenrechnung der Klägerin glich letztlich die Beklagte selbst unter Vorbehalt der Rückforderung aus. Unter dem 15.04.2016 legte die Klägerin sodann das Mandatsverhältnis nieder. Die Beklagte ihrerseits kündigte das Mandatsverhältnis außerordentlich mit Schreiben vom 11.04.2016, welches der Klägerin am 18.04.2016 zugegangen ist. Die Beklagte beauftragte ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Fortführung des sozialgerichtlichen Mandats.
6Die Klägerin behauptet, von der Beklagten nebst dem Klageauftrag auch für das vorgerichtliche Verfahren bevollmächtigt und beauftragt worden zu sein. Die Beklagte sei diesbezüglich ordnungsgemäß über die Tätigkeit und die Vergütung aufgeklärt worden. Die Klägerin ist demgemäß der Auffassung, dass ihr hinsichtlich des außergerichtlichen Schreibens vom 29.01.2015 an die vormalige Arbeitgeberin der Beklagten eine Vergütung der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert des dreifachen Bruttomonatsgehaltes (7.800 €) zustehe.
7Am 21.03.2016 ist das Verfahren aufgrund des Widerspruchs der Beklagten vom 12.03.2016 zur streitigen Entscheidung an das erkennende Gericht abgegeben worden.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 797,23 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung sowie Zinsen i.H.v. 22,57 € für den Zeitraum vom 11.06.2015 bis 07.03.2016 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Widerklagend beantragt die Beklagte,
13die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 464,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Die Klägerin wiederum beantragt,
15die Widerklage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Auffassung, dass durch das außergerichtliche Schreiben vom 29.01.2015 eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nicht angefallen sei und nicht abgerechnet werden könne. Die Beklagte habe der Klägerin einen unbedingten Klageauftrag gegen die Kündigung erteilt. Überdies sei die streitgegenständliche Kostennote aufgrund der unterbliebenen Anrechnung der Verfahrensgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG unrichtig.
17Hinsichtlich der Widerklage ist die Beklagte der Auffassung, dass der Klägerin aufgrund der durch ihr vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung ein Vergütungsanspruch für das Berufungsverfahren in der sozialrechtlichen Angelegenheit nicht zusteht. Die insofern von der Klägerin erbrachte Leistung sei für die Beklagte nutzlos, dass sie nunmehr eine andere Kanzlei mit dieser Tätigkeit beauftragen musste.
18Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr die für das Berufungsverfahren beim Landessozialgericht angefallene Verfahrensgebühr zustehe. Diesbezüglich behauptet sie, sich zu keinem Zeitpunkt vertragswidrig verhalten zu haben.
19Entscheidungsgründe:
20A.
21Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
22I.
23Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Honoraranspruch auf Zahlung von 729,23 € gemäß §§ 675, 611 Abs. 1 BGB.
241.
25Die von der Klägerin begehrten Gebühren stehen dieser nicht zu. Die Klägerin hat keine eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG auslösende Tätigkeit ausgeführt. Bei dem streitgegenständlichen Schreiben vom 29.01.2015 handelt es sich nicht um eine vorgerichtliche Tätigkeit, die eine separat abrechenbare Geschäftsgebühr rechtfertigt.
26Denn die mit dem streitgegenständlichen Schreiben an die Arbeitgeberin der Beklagten entfaltete außergerichtliche Tätigkeit gehört gemäß § 19 Abs. 1 RVG zum Rechtszug und kann daher nicht gesondert abgerechnet werden.
27Unerheblich ist dabei, ob die Beklagte die Klägerin auch hinsichtlich des außergerichtlichen Schreibens an die Arbeitgeberin beauftragt hat oder nicht und, ob die Klägerin die Beklagte diesbezüglich kostenrechtlich aufgeklärt hat.
28Denn nach Erteilung eines Verfahrens- oder Prozessauftrages geführte außergerichtliche Verhandlungen erfüllen keinen gesonderten Gebührentatbestand, sondern sind von der Verfahrensgebühr Nrn. 3100–3103 VV mit umfasst (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 19 Rn. 27).
29Eine ausschließlich außergerichtliche Vertretung liegt hier nicht vor. Unstreitig ist der Klägerin zum Zeitpunkt der anwaltlichen Tätigkeit bereits ein Verfahrensauftrag hinsichtlich der Kündigungsschutzklage und nicht lediglich ein Auftrag zu einem außergerichtlichen Vorgehen erteilt worden. Ebenso unstreitig hat die Klägerin zumindest zeitgleich mit dem außergerichtlichen Schreiben die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Essen erhoben.
30Es bestand mithin von vornherein kein Raum für eine vorgerichtliche Tätigkeit zur Abwendung eines möglichen Gerichtsverfahrens. Darüber hinaus ist festzustellen, dass das streitgegenständliche Schreiben vom 29.01.2015 keinerlei gütliche Einigungsversuche zur Vermeidung eines Rechtsstreits anklingen lässt, mithin eine außergerichtliche Verhandlung nicht geführt worden ist. Vielmehr wird in dem Schreiben mitgeteilt, dass die Klage bereits erhoben worden und das Gerichtsverfahren somit bereits eingeleitet worden ist.
31Sofern die Klägerin in dem Schreiben lediglich pauschal alle in Betracht kommenden arbeitsrechtlichen Ansprüche für die Beklagte geltend macht, geht sie zudem selbst davon aus, dass die Geltendmachung dieser Forderungen bereits zum Verfahren gehört, da diese Ansprüche ausdrücklich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens geltend gemacht werden. Des Weiteren enthält das außergerichtliche Schreiben keine über die Klageschrift hinausgehenden Forderungen. Auch mit der Klage wird die Erteilung eines Arbeitszeugnisses begehrt sowie die Richtigkeit der Sozialauswahl im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bestritten.
32Sofern dem Anwalt - wie hier - nicht lediglich ein Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit erteilt worden ist, ist selbst das Verfassen von Mahnschreiben und Zahlungsaufforderungen als Vorbereitungshandlung im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 RVG zu werten (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 19 Rn. 9). Ein außergerichtliches Schreiben, in dem der Gegenseite lediglich die Erhebung der Kündigungsschutzklage mitgeteilt wird, ohne zur Abwendung einer solchen auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, kann demgegenüber nicht als separat abrechenbare außergerichtliche Tätigkeit angesehen werden.
33Die Klägerin verkennt, dass ihr hier unstreitig nicht ein Auftrag zur zunächst ausschließlich außergerichtlichen Tätigkeit erteilt worden ist, sondern sogleich ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden ist. Der Versuch einer ausschließlich außergerichtlichen Streitbeilegung erscheint in diesen Fällen aufgrund der kurzen Klagefrist auch wenig zweckmäßig.
34Sonstige über den bereits bestehenden Klageauftrag hinausgehende außergerichtliche Verhandlungen, die insbesondere nicht zu einer Einigung führen, lösen keine gesonderten Gebührentatbestände aus. Derartige Tätigkeiten gehören zum Rechtszug bzw. Verfahren, in dem sie geführt werden und sind hier mit der Verfahrensgebühr abgegolten.
35Es bleibt dem Vertreter natürlich unbenommen, über den Prozessauftrag hinaus auch außergerichtlich tätig zu werden. Gebührenrechtlich kann dies auch sinnvoll erscheinen, da im Falle einer gütlichen Einigung die Terminsgebühr selbst dann anfällt, wenn die Rechtshängigkeit der Klage noch nicht eingetreten ist. Demgegenüber kann jedoch nicht zusätzlich noch die Geschäftsgebühr geltend gemacht werden.
362.
37Unstreitig sind die durch das Gerichtsverfahren entstandene Verfahrens- und Terminsgebühr durch die Rechtschutzversicherung der Beklagten ausgeglichen worden. Die darüber hinaus von der Klägerin begehrte Geschäftsgebühr für das außergerichtliche Schreiben vom 29.01.2015 ist nicht berechtigt. Der aus dem arbeitsrechtlichen Verfahren resultierende Honoraranspruch der Klägerin ist mithin erfüllt.
38II.
39Mangels eines bestehenden Hauptanspruchs hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die begehrten Zinsen.
40B.
41Die zulässige Widerklage ist begründet.
42I.
43Die Beklagte hat gegen die Klägerin ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. 464,10 € gemäß §§ 628 Abs. 1 S. 3, 346 BGB.
441.
45Unstreitig hat die Beklagte selbst die Kostenrechnung der Klägerin hinsichtlich der Verfahrensgebühr aus dem sozialgerichtlichen Berufungsverfahren i.H.v. 464,10 € ausgeglichen.
46Der grundsätzlich der Klägerin zustehende Vergütungsanspruch ist hier aufgrund der Kündigung gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB auf Null gemindert.
47Die Parteien haben wechselseitig das Mandatsverhältnis hinsichtlich der sozialrechtlichen Angelegenheit gemäß § 627 BGB gekündigt. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob das Mandatsverhältnis aufgrund der Mandatsniederlegung durch die Klägerin oder aufgrund der Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
48Denn die Klägerin kann in beiden Fällen keinen Teil-Vergütungsanspruch gemäß § 628 Abs. 1 S. 1 BGB geltend machen.
49Die Mandatsniederlegung erfolgte, ohne durch ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten hierzu veranlasst gewesen zu sein. Die Beklagte weigerte sich vorliegend lediglich, eine unberechtigte Gebührenforderung auszugleichen, zu deren Bezahlung sie nicht verpflichtet gewesen ist. Eine Mandatsniederlegung war darüber hinaus bereits deshalb nicht veranlasst, da für das sozialgerichtliche Verfahren eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung der Beklagten vorlag und die Gebühren aus dem sozialgerichtlichen Verfahren mithin abgesichert waren. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr begehrten Geschäftsgebühr zu diesem Zeitpunkt bereits das Mahnverfahren eingeleitet und diesen Streitpunkt damit der gerichtlichen Klärung zugeführt hatte. Es bestand mithin kein berechtigter Grund, die Fortführung des Mandats von der Erfüllung einer streitigen Forderung aus einer anderen Angelegenheit abhängig zu machen.
50Die Kündigung der Beklagten wiederum war durch das vertragswidrige Verhalten der Klägerin veranlasst. Denn die Klägerin hat unstreitig die Fortführung des sozialrechtlichen Mandats von der Bezahlung der unberechtigten Forderung aus der arbeitsrechtlichen Angelegenheit abhängig gemacht. Da die Klägerin einen anderen Auftrag betreffende Gebühren geltend gemacht hat, die ihr zudem nicht zustehen und darüber hinaus die Gebühren aus dem sozialgerichtlichen Verfahren abgesichert waren, ist die Klägerin nicht berechtigt gewesen, dass diesbezügliche Mandat nicht weiterzuführen.
51Sofern ein Rechtsanwalt die weitere Tätigkeit des Auftrags einstellt und damit seiner Hauptleistungspflicht nicht nachkommt, ist der Mandant zur fristlosen Kündigung berechtigt.
522.
53Der Klägerin steht aufgrund der Kündigung des Mandatsverhältnisses kein Vergütungsanspruch hinsichtlich des Berufungsverfahrens in der sozialgerichtlichen Angelegenheit zu.
54Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin durch die Einlegung der Berufung grundsätzlich die Verfahrensgebühr geltend machen kann. Der Anspruch auf die Vergütung steht der Klägerin hier gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB jedoch insoweit nicht zu, als die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für die Beklagte kein Interesse haben. Denn durch die Kündigung war die Beklagte gezwungen, eine andere Kanzlei mit der Fortführung der sozialgerichtlichen Tätigkeit zu beauftragen, wodurch die Verfahrensgebühr noch einmal anfällt.
55Das fehlende Interesse der Beklagten an den bisherigen Leistungen der Klägerin ergibt sich mithin durch den aufgrund der Mandatsbeendigung entstandenen finanziellen Mehraufwand.
56Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, muss der Rechtsanwalt eine Kürzung seines Vergütungsanspruchs regelmäßig in dem Umfang hinnehmen, in dem der Mandant einen anderen Anwalt beauftragen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Die vorherigen Leistungen sind mithin bereits dann nutzlos, wenn die gleichen Gebühren noch einmal anfallen, was bei einem Anwaltswechsel zwangsläufig der Fall ist. Von einem Interessenwegfall ist sogar dann auszugehen, wenn - wie hier - die neu beauftragten Rechtsanwälte fristgebundene Verfahrenshandlungen oder Erklärungen nicht mehr vornehmen können, wenn mit der ihnen geschuldeten gesetzlichen Vergütung auch diese Handlungen abgegolten gewesen wären. (vgl. insgesamt BGH, Urt. v. 29.9.11 – IX ZR 170/10)
57Die in dem Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht neu anfallende Verfahrensgebühr würde insoweit auch die fristgerechte Einreichung der Berufungsschrift umfassen.
583.
59Die aufgrund der vollumfänglichen Anspruchskürzung eingetretene Überzahlung führt als Rechtsfolge zu einer Rückgewährpflicht gemäß §§ 628 Abs. 1 S. 3, 346 BGB.
60Unstreitig hat die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der sozialgerichtlichen Verfahrensgebühr bereits honoriert. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist durch die auf ihrem vertragswidrigen Verhalten beruhende Kündigung und durch den Interessenwegfall hinsichtlich ihrer bisherigen Leistung vollständig gemindert.
61Die Klägerin hat gemäß § 346 BGB die empfangene Leistung zurückzugewähren bzw. Wertersatz i.H.v. 464,10 € an die Beklagte zu leisten.
62II.
63Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
64C.
65Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
66Der Streitwert wird auf 1.193,33 € festgesetzt.
67Rechtsbehelfsbelehrung:
68Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
691. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
702. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
71Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstraße 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
72Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
73Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
74Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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