Beschluss vom Amtsgericht Dortmund - 254 IK 39/15
Tenor
wird angeordnet, dass der Schuldnerin von der Abfindung, die von dem Drittschuldner an dem Insolvenzverwalter ausgezahlt wurde, ein Betrag in Höhe von 2.622,84 EUR pfändungsfrei zu verbleiben hat.
Dem Verwalter wird aufgegeben die Zahlung, sobald und sofern die Abfindung in seine Verfügungsgewalt gelangt ist, durch Einmalzahlung an die Schuldnerin zu leisten.
1
Gründe:
2Über das Vermögen der Schuldnerin wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 22.04.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und der oben genannte Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat das pfändbare Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 36 Abs. 1 InsO, 850 ZPO zur Insolvenzmasse zu ziehen.
3Neben einem fortlaufendem Einkommen gehören zu den Bezügen auch sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit der Schuldnerin vollständig oder zu einem wesentlich Teil in Anspruch nehmen (§§ 36 Abs. 1 InsO, 850 Abs. 2 letzter Hbs. ZPO).
4Die Schuldnerin hat von dem Drittschuldner eine Abfindung in Höhe von 8.800,00 EUR erhalten.
5Sie beantragte mit Schreiben vom 21.12.2020, ihr von der Abfindung einen Betrag in Höhe von 6.062,00 EUR einmalig freizugeben.
6Zur Begründung trägt die Schuldnerin vor, nur über unzureichende Einkünften zu verfügen.
7Aus diesem Grund sei ihr ein Betrag unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflichten freizugeben.
8Der Antrag der Schuldnerin ist nach §§ 36 Abs. 1 und 4 InsO, 850 i ZPO zulässig und teilweise begründet.Wenn eine nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste in den Insolvenzbeschlag fällt, so kann der Schuldnerin nach § 850 i Abs. 1 ZPO soviel belassen werden, als sie während eines angemessenen Zeitraums für ihren notwendigen Unterhalt und den ihrer unterhaltsberechtigten Personen bedarf.
9Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin, insbesondere die sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen.
10Die Schuldnerin hat von ihrem Arbeitgeber einen Abfindungsbetrag in Höhe von 8.800,00 € brutto erhalten. Diese Abfindung zahlte der Arbeitgeber, nach dem Vergleich des LAG Hamm vom 10.12.2020, 11 Sa 1977/19, für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dieser Abfindungsbetrag ist dem Grunde nach in voller Höhe pfändbar.Der Schuldnerin kann nach § 850 i ZPO von diesem Betrag soviel belassen werden, als sie während eines angemessenen Zeitraums für ihren notwendigen Unterhalt sowie der unterhaltsberechtigten Personen bedarf.
11Die Schuldnerin bezog in der Zeit vom 17.04.2019 bis zum 04.08.2020 Krankengeld in Höhe von 49,00 € täglich, 1.470,00 € monatlich.Das Arbeitsverhältnis endet nach dem geschlossenen Vergleich zum 31.03.2020. Über diesen Zeitpunkt hinaus stand die Schuldnerin somit im Krankengeldbezug und hatte regelmäßige Einkünfte in Höhe von 1.470,00 €.
12Ein angemessener Zeitraum nach § 850 i ZPO könnte ein Zeitraum sein, in der sich die Schuldnerin aufgrund geringerer Einkünfte auf die neuen Lebensbedürfnisse einstellen muss. Grundsätzlich kann für die Umstellung ein Zeitraum von 6 Monaten angenommen werden. Die Schuldnerin hat jedoch vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung in einem Zeitraum von einem Jahr keine andere Arbeitsstelle antreten konnte. Der Zeitraum von einem Jahr ist nach einer langen Erkrankung auch angemessen. Für den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnis bis zu einem Jahr nach diesem Zeitpunkt, kann der Schuldnerin soviel belassen werden, wie ihr verbliebe, wenn sie ihr Arbeitseinkommen aus einem laufenden Arbeits- oder Dienstverhältnis beziehen würde. Dem Einkommen aus laufenden Arbeits- oder Dienstbezügen sind Einkommen aus laufenden Geldleistungen gleich zu stellen (§ 54 IV SGB I). Es ist daher der Betrag des Krankengeldes, den die Schuldnerin bereits seit April 2019 bezogen hat, zugrunde zu legen. Bis zum 04.08.2020 hat die Schuldnerin durchgehend Krankengeld in gleichbleibender Höhe bezogen. Erst nachdem sie am 04.08.2020 aus dem Krankengeld ausgesteuert wurde, musste sie eine Reduzierung ihres monatlichen Einkommens hinnehmen.
13Eine Aufstockung des geringen Einkommen kann daher für den Zeitraum von August 2020 bis März 2021 vorgenommen werden. Danach ergeben sich folgende Beträge:
14Monat |
tatsächliches Einkommen |
Bemessungs- grundlage (Krankengeld) |
Nicht gedeckter Teil des Lebensunterhalts |
August 2020 |
Krankengeld: 208,19 € Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (SGB II): 1.072,33 € Gesamt: 1.280,52 € |
1.470,00 € |
189,48 € |
September 2020 |
Arbeitslosengeld I: 962,10 € SGB II Leistung: 168,42 € Gesamt: 1.130,52 € |
1.470,00 € |
339,48 € |
Oktober 2020 |
1.130,52 € |
1.470,00 € |
339,48 € |
November 2020 |
1.130,52 € |
1.470,00 € |
339,48 € |
Dezember 2020 |
1.130,52 € |
1.470,00 € |
339,48 € |
Januar 2021 |
Arbeitslosengeld I: 962,10 €SGB II Leistung: 149,42 €Gesamt: 1.111,52 € |
1.470,00 € |
358,48 € |
Februar 2021 |
1.111,52 € |
1.470,00 € |
358,48 € |
März 2021 |
1.111,52 € |
1.470,00 € |
358,48 € |
Summe: 2.622,84 €
16Danach ergibt sich für den Zeitraum vom 01.08.2020 bis 31.03.2021 ein nicht gedeckter Teil des Lebensunterhalts in Höhe von 2.622,84 €. Dieser Betrag wird der Schuldnerin nach § 850 i ZPO pfändungsfrei gestellt.
17Hinsichtlich des weitergehenden Antrags bezüglich der Freigabe der Jahressonderzahlungen erfolgt keine ausdrückliche Feststellung. Weihnachtsvergütungen sind bereits nach § 850 a Nr. 4 ZPO in dort bestimmter Höhe unpfändbar und es Bedarf daher keiner weiteren Bestimmung. Weitere Zuwendungen sind im Rahmen der §§ 850 a-c ZPO pfändbar. Für eine weitere Freigabe besteht im Rahmen des Pfändungsschutzes nach den § 850 ff. ZPO keine Grundlage.
18Rechtsmittelbelehrung:
19Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO, § 793 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.
20Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Dortmund, Gerichtsstraße 22, 44135 Dortmund, oder dem Beschwerdegericht, Landgericht Dortmund, Kaiserstr. 34, 44135 Dortmund, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
21Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Dortmund oder dem Landgericht Dortmund eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
22Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
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Referenzen
- InsO § 36 Unpfändbare Gegenstände 3x
- ZPO § 850 Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen 2x
- InsO § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung 2x
- ZPO § 850i Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte 5x
- § 54 IV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 793 Sofortige Beschwerde 1x
- ZPO § 850a Unpfändbare Bezüge 1x
- § 11 Abs. 1 RPflG 1x (nicht zugeordnet)
- 11 Sa 1977/19 1x (nicht zugeordnet)