Beschluss vom Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) - 4b Gs 1760/20

Tenor

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 23. September 2020 wird z u r ü c k g e w i e s e n .

Gründe

I.

1

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt am 19.09.2020 gegen 01.40 Uhr und wenige Minuten zuvor in der ...straße … in Ludwigshafen am Rhein die anzeigenden Polizeibeamten PK D…, PK P…, PK T… und PK D… mit seinem sichergestellten Smartphone Marke Samsung (Farbe schwarz) während eines Einsatzes gefilmt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) sieht darin den objektiven Tatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB als erfüllt an und beantragte die Beschlagnahme des Smartphones sowie eines Pfeffer-KO FOG Spray der Firma F.W.Klever GmbH gemäß § 98 Abs. 2 StPO richterlich zu bestätigen und deren Einziehung als Tatmittel anzuordnen.

II.

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Dem Antrag der Staatsanwaltschaft ist nicht zu entsprechen, da es bereits am Tatbestandsmerkmal einer „nichtöffentlichen Äußerung“ fehlt.

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Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht (NVwZ 2016, 53, 54 m.w.N.) zuvor entschieden hat, dass das bloße Anfertigen von Lichtbildern und Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen durch Demonstranten ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht die konkrete Gefahr einer späteren Veröffentlichung entgegen § 33 i.V. m. § 22, 23 KUG begründe, weil diese Aufnahmen auch dem Zweck der Beweissicherung für etwaige Rechtsstreitigkeiten dienen könnten. Soweit nunmehr das Vorliegen des objektiven Tatbestandes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB angenommen wird, so ist zunächst vom geschützten Rechtsgut des § 201 StGB auszugehen, das eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz darstellt und zwar in Form des Rechts auf eine Vertrauenssphäre des Menschen, in der die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation gesichert werden soll. Jedermann darf danach grundsätzlich selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Schon aus dieser Betrachtung des Schutzgutes des § 201 StGB wird deutlich, welche Fälle der Straftatbestand vor Augen hat und das es einen Unterschied machen muss, ob jemand ein privates Telefongespräch bzw. ein persönliches Gespräch zwischen zwei Personen in einem umschlossenen Raum aufnimmt oder jemand per Handykamera dienstliche Anweisungen von Polizeibeamten im Rahmen eines Polizeieinsatzes etwa bei Demonstrationen oder ähnlichem filmt.

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Unter das Tatbestandsmerkmal des „gesprochenen Wortes“ fällt jede unmittelbare, akustisch wahrnehmbare Äußerung von Gedankeninhalten mittels Lautzeichen. Auf den (sinnvollen) Inhalt der Gedankenäußerung kommt es hierbei nicht an, auch eine Vertraulichkeit -, ein Geheimnischarakter oder die private Äußerung ist nicht gefordert.

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Danach erfasst der Straftatbestand des § 201 StGB zwar auch dienstliche Äußerungen von Amtsträgern. Ein Amtsträger muss es sich grundsätzlich nicht gefallen lassen, dass in dienstlicher Eigenschaft gemachte Äußerungen mitgeschnitten werden.

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Die Bagatellklausel des § 201 Abs. 2 Satz 2 StGB gilt hingegen nur für § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB, nicht aber für den - hier alleine in Betracht kommenden - Tatbestand des § 201 Nr. 1 StGB. Eine dienstliche Ansprache eines Polizeibeamten dürfte unproblematisch dem Begriff „des gesprochenen Wortes“ im Sinne des § 201 StGB unterfallen. Zweifelhaft ist indes, ob überhaupt eine „nichtöffentliche“ Äußerung des betreffenden Polizeibeamten vorliegt, die den Schutz des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verdient. Eine nichtöffentliche Äußerung liegt nach herrschender Auffassung dann vor, wenn diese nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist. Die Heimlichkeit der Aufnahme ist nicht gefordert, so dass auch eine mit Wissen des Betroffenen aber gegen seinen Willen gefertigte Aufnahme ausreicht. Insbesondere kommt es hiernach nicht allein auf den Willen des Betroffenen an, sondern auch auf die objektiven Umstände der Äußerung. Bestehen daher bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten Dritter, kann insbesondere eine „faktische Öffentlichkeit“ bestehen, die regelmäßig auf öffentlichen Plätzen zu bejahen ist. Nach dem Vorgenannten ist eine dienstliche Äußerung eines Polizeibeamten gegenüber einer Person im Rahmen eines Einsatzes unter freiem Himmel regelmäßig keine „nichtöffentliche“ Äußerung. Dabei kann insbesondere bereits nicht sichergestellt werden, dass eine Äußerung des Polizeibeamten durch Dritte -umstehende Teilnehmer oder Passanten- wahrgenommen wird. Dieser Umstand sollte dem Polizeibeamten ohne weiteres erkennbar sein, so dass ein etwaiges Vertrauen auf die Unbefangenheit der dienstlichen Kommunikation nach dem Schutzzweck des § 201 StGB nicht geschützt zu werden braucht. Darüber hinaus ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, dass für den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB die allgemeinen Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB eingreifen (h.M.).

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Auch aus diesem Gesichtspunkt heraus ist im Hinblick auf das grundgesetzlich gebotene rechtsstaatliche Vorgehen und Verhalten der Polizei die Anfertigung von Ton- und Filmaufnahmen zur Transparenz und effektiven öffentlichen Kontrolle polizeilichen Handelns unerlässlich und damit regelmäßig gerechtfertigt.

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Der Antrag der Staatsanwaltschaft war insoweit daher zurückzuweisen (vgl. hierzu Richter am Landgericht Dr. David Ullenboom “Das Filmen von Polizeieinsätzen als Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?“ NJW 2019, 3108; Myriam-Sophie Wyderka „Darf man Polizisten (mit Tonaufnahme) filmen?“ ZD-Aktuell 2019, 06823; Prof. Dr. Fredrik Roggan „Zur Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen - Überlegung zur Auslegung des Tatbestandes von § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB“, LSK 2020, 17805403; LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 - 2 Qs 111/19 - jeweils m.w.N.).

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Soweit die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) den Verdacht des Verstoßes gegen § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.5. hinsichtlich des mitgeführten Pfeffer-KO FOG Sprays der Firma F.W.Klever GmbH bejaht, so ist nach dem Feststellungsbescheid des BKA So11-5164.01-Z-50 (Bundesanzeiger AT Nr. 175 vom 18.11.2008) (Anlage) dieses als Tierabwehrspray nicht unter das Waffengesetz zu subsumieren.

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Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

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