Urteil vom Amtsgericht Köln - 137 C 113/16
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Mit der nach Durchführung des Mahnverfahrens am 14.04.2016 bei dem Amtsgericht Köln eingegangenen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Lizenzschadensersatz und Abmahnkosten für eine streitige Urheberverletzung durch Filesharing.
3Von einem Internetanschluss soll am 02.08.2015 der Pornofilm „X.X. bei GGG““ in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum kostenlosen Herunterladen angeboten.
4Mit Schreiben vom 30.09.2015 wandte sich der Kläger an die Beklagte und mahnte diese aufgrund dieser Urheberverletzung unter Zugrundelegung eines Gebührenstreitwertes von 1.600,00 € ab. Die hierdurch entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 215,00 € verlangt dieser nunmehr von der Beklagten ersetzt. Darüber hinaus macht er einen Lizenzschaden von mindestens 600,00 € geltend. Die Beklagte wurde weitere 6 Mal aufgrund anderer Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing abgemahnt; auf Anlage K 11 des Klägers wird Bezug genommen.
5Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, alleiniger Rechteinhaber des streitgegenständlichen Werks zu sein. Der Film sei unter der zutreffend und zuverlässig ermittelten und der Beklagten zuzuordnenden IP-Adresse im Wege des Filesharing durch diese zum Herunterladen angeboten worden; wegen der weiteren Einzelheiten seines Vortrages wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
6Der Kläger beantragt,
71. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 600,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit sowie
82. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 215,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bestreitet im Wesentlichen die Rechtsverletzung begangen zu haben. Es hätten neben ihr auch ihr Ehemann sowie ihr Sohn selbstständigen Zugriff auf den Router gehabt. Diese hätten auf Nachfrage die Urheberverletzung bestritten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
12Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteilen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Klage ist unbegründet, denn jedenfalls gelingt dem darlegungs- und beweisbelasteten (dazu unten) Kläger der Nachweis einer Urheberverletzung der Beklagten nicht, so dass ein Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz nach Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) nicht besteht. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Film am 02.08.2015 in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum Herunterladen angeboten hat, so dass offen bleiben kann, ob der Kläger tatsächlich Rechteinhaber ist, bzw. ob die Beklagte der sekundären Darlegungslast genüge getan hat. Im Einzelnen gilt Nachfolgendes:
15Der BGH führt zuletzt im Urteil vom 11.06.2015 (Az. I ZR 75/14 „Tauschbörse III“) aus:
16„Die Klägerinnen tragen nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 –, Rn. 37, juris).
17Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Januar 2014, I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 - BearShare) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 –, Leitsatz, juris).
18Dies setzt indes voraus, dass feststeht, dass die Urheberverletzung vom Anschluss der Beklagten aus begangen wurde. Ermittelt wurde vorliegend jedoch nur ein einziger angeblicher Verletzungszeitpunkt.
19Hierbei können Fehler der Ermittlung oder Zuordnung, die eine Vielzahl von Ursachen haben können, anders als bei Ermittlung einer Vielzahl von Rechtsverletzungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, niemals völlig ausgeschlossen werden. Diese Unsicherheit geht zu Lasten der Klägerin.
20Das AG Köln hat in seinem Urteil vom 22. April 2013 (Az.: 125 C 602/09 –, Rn. 25, juris) folgendes festgestellt:
21„Liegt - wie hier - bloß ein einziges Ermittlungsergebnis vor, so kommt ein Ermittlungsfehler von vorn herein ernsthaft in Betracht: Hiermit befasste Stellen, beispielsweise die Staatsanwaltschaft Köln, wissen von einer hohen Quote nicht zuverlässig ermittelter bzw. zugeordneter IP-Adressen, die teilweise zweistellige Prozentsätze erreichen und in einzelnen Sektionen über 50 % ausmachten. Das Gericht kann nicht aus eigener Sachkunde entscheiden, wann und unter welchen Voraussetzungen solche hohen Fehlermittlungszahlen vorliegen können; es ist daher auf sachverständige Hilfe insoweit angewiesen. Das Gericht hält es insoweit - im Gegensatz zu dem Kläger - ersichtlich nicht für ausreichend, wenn der Sachverständige im Wege eines Kurzgutachtens die generelle Tauglichkeit der Vorgehensweise der Firma G. bejaht. Denn nach aller Lebenserfahrung führen auch generell taugliche Arbeits- und Vorgehensweisen im Einzelfall zu Fehlern, weil solche während der verschiedenen Arbeitsschritte unterlaufen können und erfahrungsgemäß hin und wieder tatsächlich auch unterlaufen.“
22Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich das Gericht an.
23Die angebotene Vernehmung der Zeugen ist nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlungen der Rechtsverletzungen durch die Software „G.Guard“ festzustellen, da sich dies nicht auf Grundlage der Wahrnehmung von Zeugen beurteilen lässt. Auch die Beauftragung eines Sachverständigen ist vorliegend nicht geboten, da es bereits an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt, eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang, ist nicht zum Nachweis im maßgebenden Zeitpunkt geeignet. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen und mit den Beibringungsgrundsatz durch die Parteien unvereinbar ist, dass sich ein Sachverständiger durch ein „Nachstellen“ oder eine Rekonstruktion durch (nochmaliges) Anbieten der streitgegenständlichen Filmwerks in einer Tauschbörse diese Anknüpfungstatsachen selbst beschaffen soll. Gleiches gilt für den vorgelegten Hashwert, der regelmäßig lediglich einer sogenannten Torrent-Datei zugeordnet ist und den Internetstandort eines Zieldownloads angibt. Bei der Ermittlung eines einzigen Verletzungszeitpunkts können Fehler aber auch bei einer grundsätzlich zuverlässigen Software nicht ohne weiteres mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.
24Eine Haftung als Störer kommt ebenfalls nicht in Betracht, da eine Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten, aufgrund der nicht feststehenden Zuverlässigkeit des Ermittlungsvorgangs, nicht bewiesen ist. Es ist hiernach bereits unerheblich, ob der Internetzugang der Beklagten im angeblichen Verletzungszeitpunkt ordnungsgemäß gesichert gewesen ist.
25Unerheblich ist auch, dass die Beklagte mehrfach abgemahnt wurde. Zum einen bleibt insoweit unklar, ob diese Abmahnungen zu Recht erfolgten, zum anderen ändert dies nichts an der konkreten und einzig streitgegenständlichen Ermittlung.
26Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.
27Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28Der Streitwert: 815,00 EUR.
29Rechtsbehelfsbelehrung:
30A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
311. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
322. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
33Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
34Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
35Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
36Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
37B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
38Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
39Köln, 11.07.2016
40Amtsgericht
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Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- UrhG § 97 Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- I ZR 169/12 2x (nicht zugeordnet)
- I ZR 75/14 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- I ZR 74/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- Beschluss vom Amtsgericht Köln - 125 C 602/09 1x